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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 10.10.2007
Aktenzeichen: 10 UF 235/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 141
ZPO § 533
ZPO § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BGB §§ 1601 ff.
BGB § 1603 Abs. 2 Satz 1
BGB § 1603 Abs. 2 Satz 3
BGB § 1612a Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 18.09.2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Recklinghausen teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu Händen des Kindesvaters Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 84,00 € für die Zeit von März bis Juni 2007 und in Höhe von monatlich 74,00 € ab Juli 2007 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 83 % und die Beklagte 17 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der am 12.10.1992 geborene Kläger hat von der Beklagten, seiner Mutter, in erster Instanz zuletzt Kindesunterhalt für die Zeit von Mai bis Juli 2006 in Höhe von monatlich 291,00 € verlangt.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz sowie wegen der dort gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil im Verfahren 47 F 78/2006 AG Recklinghausen (Bl. 52 bis 55 d. A.) Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Beklage sei in dem Zeitraum von Mai bis Juli 2006 nicht leistungsfähig gewesen. Ein über den tatsächlich erzielten Verdienst in Höhe von 606,89 € monatlich hinausgehendes fiktives Einkommen sei ihr nicht zuzurechnen. Es sei ihr ein Zeitraum von mindestens vier Monaten für die Suche nach einer vollschichtigen Tätigkeit oder einem Zusatzerwerb zuzubilligen, gerechnet ab Mitte März 2006. Bereits seit dem 19.06.2006 sei der Kläger jedoch dauerhaft in den Haushalt der Beklagten zurückgekehrt. Seit diesem Zeitpunkt habe sie ihre Erwerbsbemühungen einstellen dürfen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger einen Unterhaltsanspruch gegen die Beklagte für die Zeit von Mai bis Juli 2006 weiter und verlangt numehr im Berufungsrechtszug darüber hinaus laufenden Unterhalt für die Zeit seit Januar 2007. Er meint, die Beklagte habe in der Zeit von Mitte März bis Ende April 2006 genügend Zeit gehabt, sich um eine Ausweitung ihrer Erwerbstätigkeit zu bemühen. Der Kläger bestreitet die von der Beklagten vorgetragenen Erwerbsbemühungen und meint, diese seien ohnehin unzureichend. Er trägt unbestritten vor, er sei am 29.11.2006 endgültig in den Haushalt des Kindesvaters gewechselt. Der Kläger ist weiter der Auffassung, die Beklagte habe seit dem erneuten Wechsel bis zum Jahresende 2006 genügend Zeit zur Arbeitssuche zur Verfügung gehabt und schulde daher seit Januar 2007 Kindesunterhalt. Sie müsse sich 400,00 € fiktive Vergütung für Versorgungsleistungen zurechnen lassen. Sie führe ihrem Lebensgefährten, dem Zeugen T, den Haushalt.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, Kindesunterhalt für die Zeit von Mai bis einschließlich Juli 2006 in Höhe von monatlich 291,00 € zu zahlen sowie fortlaufend ab Januar 2007 jeweils laufend 291,00 € und ab Juli 2007 fortlaufend 288,00 €.

Die Beklage beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und hält sich auch für die Zeit seit Januar 2007 für nicht leistungsfähig. Zum Nachweis ihres tatsächlich erzielten Einkommens legt sie Verdienstnachweise für die Zeit von Januar 2006 bis Juli 2007 vor. Wegen der Einzelheiten wird auf die von der Beklagten eingereichten Unterlagen (Bl. 109 bis 120 und 286 bis 292 der Akte) Bezug genommen. Eine Zurechnung fiktiven Einkommens komme nicht in Betracht. Sie habe sich intensiv, jedoch erfolglos um eine Ausweitung ihrer Erwerbstätigkeit im Sinne einer Nebenbeschäftigung und - obwohl ihr die Aufgabe ihrer jetzigen Teilzeitstelle an sich nicht zumutbar sei - teilweise auch einer Vollzeitbeschäftigung bemüht. Hierzu legt sie im Berufungsverfahren weitere selbstgefertigte Übersichten sowie Ablichtungen von Bewerbungsschreiben und Absagen vor. Wegen des genauen Inhalts wird auf Bl. 121 bis 163, Bl. 171 bis 194, Bl. 199 bis 234, Bl. 236 bis 254 und Bl. 293 bis 297 der Akte verwiesen. Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt seien mangels Berufsausbildung und Führerschein begrenzt. Selbst im Falle der Aufnahme einer vollschichtigen Tätigkeit würde ihr kein Einkommen oberhalb des Selbstbehaltes bleiben. Die Beklagte behauptet, der Zeuge T besorge seinen Haushalt selbst. Schließlich meint sie, der Kindesvater könne infolge seines wesentlich höheren Einkommens auch den Barunterhalt des Klägers sicherstellen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen T. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift und den Berichterstattervermerk vom 19.09.2007 (Bl. bis der Akte) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg. Die gemäß § 533 ZPO zulässigerweise im Berufungsrechtszug erweiterte Klage ist teilweise begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 84,00 € für die Zeit von März bis Juni 2007 und monatlich 74,00 € ab Juli 2007 zu. Die weitergehende Klage ist unbegründet und die Berufung war insoweit zurückzuweisen.

1. Zeitraum Mai bis Juli 2006

Der Kläger kann für die Zeit von Mai bis Juli 2006 keinen Kindesunterhalt gem. § 1601 ff. BGB beanspruchen.

Der Mindestbedarf für den Kläger in Höhe von 100 % des Regelbetrages nach der der Regelbetrag-Verordnung (§ 1612a Abs. 1 BGB) beläuft sich auf der Grundlage der Einkommensgruppe 1 und Altersstufe 3 der Düsseldorfer Tabelle für die Zeit bis zum 30.06.2007 auf monatlich 291,00 € (DT Stand: 01.07.2005) und seit dem 01.07.2007 auf monatlich 288,00 € (DT Stand: 01.07.2007). Der Kläger ist mangels eigener Einkünfte nicht im Stande, sich selbst zu unterhalten (§ 1602 Abs. 1 BGB) und somit auch in Höhe des vorstehend dargelegten Mindestbetrages bedürftig.

Für einen Anspruch des Klägers auf Kindesunterhalt fehlt es hingegen an der Leistungsfähigkeit der Beklagten (§ 1603 Abs. 1 und 2 Satz 1 BGB).

a)

Die Leistungsfähigkeit kann nicht aufgrund der von der Beklagten tatsächlich erzielten Einkünfte bejaht werden. Das Einkommen aus einer abhängigen Beschäftigung als Reinigungskraft lagen im Schnitt bei monatlich 649,08 €, wie sich aus den in der Dezemberabrechnung 2006 ausgewiesenen Jahreswerten ergibt. Dieser Betrag liegt unterhalb des notwendigen Selbstbehalts von 890,00 € nach der Düsseldorfer Tabelle (Stand: 01.07.2005).

b)

Der Beklagten ist trotz der gem. § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gesteigerten Erwerbspflicht für die Zeit von Mai bis Juli 2006 auch kein fiktives Einkommen zuzurechnen.

Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners wird nicht nur durch sein tatsächlich vorhandenes Vermögen und Einkommen bestimmt, sondern auch durch seine Arbeits- und Erwerbsfähigkeit. Reichen seine tatsächlichen Einkünfte nicht aus, so trifft ihn unterhaltsrechtlich die Obliegenheit, die ihm zumutbaren Einkünfte zu erzielen, insbesondere seine Arbeitsfähigkeit so gut wie möglich einzusetzen und eine ihm mögliche Erwerbstätigkeit auszuüben. Kommt er dieser Erwerbsobliegenheit nicht nach, muss er sich so behandeln lassen, als ob er ein Einkommen, das er bei gutem Willen erzielen könnte, auch tatsächlich hätte (BVerfG NJW 2006, 2317). Zum unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen werden daher auch Einkünfte gerechnet, die der Verpflichtete zumutbarerweise erzielen könnte, aber tatsächlich nicht erzielt (BGH FamRZ 1994, 372, 373 und FamRZ 1987, 252).

Der Beklagten oblag es, sich zumindest um eine weitere Teilzeitbeschäftigung zu bemühen. Es kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben, ob die Beklagte ihrer Bewerbungsobliegenheit in ausreichendem Maße nachgekommen ist oder nicht. Jedenfalls kann ihr ein fiktives Einkommen nicht sogleich ab dem Zeitpunkt, in dem die Obliegenheit einsetzte, zugerechnet werden. Vielmehr war der Beklagten ein angemessener Orientierungs- und Bewerbungszeitraum zuzubilligen. Diesen bemisst der Senat mit mindestens drei Monaten. Eine Zurechnung fiktiver Einkünfte kommt daher für die hier in Rede stehende Zeit von Mai bis Juli 2006 nicht in Betracht. Die Beklagte war erst mit dem Wechsel des Klägers in den Haushalt des Kindesvaters am 13.03.2006 gehalten, Bewerbungsbemühungen zu entfalten. Diese Pflicht endete am 19.06.2006, als der Kläger in ihren Haushalt zurückwechselte. Denn hierdurch entfiel ihre Barunterhaltspflicht (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB). Für die wenigen Tage zwischen dem 13. und dem 19.06.2006 kommt die Zurechnung eines fiktiven Einkommens nicht in Betracht.

c)

Der Beklagten ist auch keine fiktive Vergütung für etwaige Versorgungsleistungen an den Zeugen T zuzurechnen, was für sämtliche in diesem Verfahren in Rede stehenden Unterhaltszeiträume gilt. Die Beklagte hat bewiesen, dass sie Versorgungsleistungen nicht erbringt. Dies steht aufgrund der glaubhaften Aussage des Zeugen T fest. Der Umstand, dass der Zeuge in einem Näheverhältnis zu der Beklagten steht, vermag für sich allein keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit seiner Aussage zu begründen. Hingegen erscheinen seine Bekundungen, er halte seine Wohnung selbst in Ordnung, esse bei seiner Mutter zu Mittag und diese erledige auch seine Wäsche, plausibel. Der Zeuge und die Beklagte führen unstreitig getrennte Wohnungen. Die Beklagte wohnt in S, der Zeuge - wie auch seine Mutter - hingegen in P. Auch die unstreitig gebliebenen unterschiedlichen Arbeitszeiten des Zeugen und der Beklagten stützen die Aussage. Die Beklagte beginnt ihre Arbeit um 12.30 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt ist der Zeuge noch nicht von seiner Arbeit zurück. Wenn die Beklagte um ca. 17 Uhr von der Arbeit kommt, geht der Zeuge schlafen, weil seine nächste Schicht zwischen 23 Uhr und 1 Uhr beginnt. Aufgrund der unterschiedlichen Arbeitszeiten sehen sich die Beklagte und der Zeuge im Wesentlichen lediglich an Wochenenden. Auch dies legt es nahe, dass die Beklagte keine nennenswerten Versorgungsleistungen an den Zeugen T erbringt. Dass sie in seiner Abwesenheit Arbeiten in seiner Wohnung erbringe, hat der Zeuge glaubhaft in Abrede gestellt.

2. Zeitraum Januar bis Februar 2007

Für den Zeitraum Januar und Februar 2007 schuldet die Beklagte dem Kläger mangels Leistungsfähigkeit ebenfalls keinen Unterhalt. Auch für diesen Zeitraum ist ihr kein Einkommen aus einer fiktiven Erwerbstätigkeit zuzurechnen. Der Beklagten waren erneut drei Monate für die Arbeitssuche zuzubilligen. Dieser Zeitraum begann mit dem Wechsel des Klägers in den Haushalt des Kindesvaters am 29.11.2006 und endete demgemäß Ende Februar 2007.

3. Zeitraum seit März 2007

Der Kläger kann hingegen von der Beklagten seit März 2007 Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 84,00 € und seit Juli 2007 in Höhe von monatlich 74,00 € verlangen (§§ 1601 ff. BGB).

a)

Der Unterhaltsanspruch beruht auf der Zurechnung von Einkünften aus einer fiktiven vollschichtigen Erwerbstätigkeit. Dabei legt der Senat zugrunde, dass sich die Beklagte zwar in der Zeit von Mitte März bis Mitte Juni 2006, nicht jedoch im Zeitraum von Dezember 2006 bis Februar 2007 in ausreichendem Maße um eine Ausweitung ihrer Erwerbstätigkeit bemüht hat.

Nach der Rechtsprechung einiger Oberlandesgerichte verpflichtet die Erwerbsobliegenheit grundsätzlich zur Aufnahme einer Vollerwerbstätigkeit. Auch ein Pflichtiger, der eine sichere Teilzeitbeschäftigung hat, muss sich nachhaltig um eine vollschichtige Erwerbstätigkeit bemühen (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 11.04.2003 - 4 WF 31/03 -, veröffentlicht bei juris; OLG Frankfurt, FamRZ 2000, 25; a.A. OLG Schleswig OLGR 2007, 325 für den Fall eines innegehaltenen krisensicheren Teilzeitarbeitsplatzes). Dem schließt sich der Senat im Ausgangspunkt an. Jedoch kann es im Einzelfall ausreichend sein, wenn sich der Unterhaltsverpflichtete zunächst lediglich um eine weitere Teilzeitbeschäftigung bewirbt und erst dann, wenn sich dies trotz ausreichender Bemühungen als erfolglos erweist, eine Vollzeitbeschäftigung anstrebt. Dies gilt namentlich dann, wenn der Pflichtige durch zwei Teilzeitbeschäftigungen mindestens so viel verdienen kann wie durch eine Vollzeitstelle. So liegt es hier.

aa)

In dem Zeitraum von Mitte März bis Mitte Juni 2006 brauchte sich die Beklagte lediglich um eine weitere Teilzeitbeschäftigung, nicht jedoch hierneben um eine Vollzeitbeschäftigung zu bemühen. Sie verfügt über eine seit ca. drei Jahren innegehaltene, verhältnismäßig sichere und mit einem Stundenlohn von 8,38 € gut bezahlte, mehr als halbschichtige Stelle, die aufzugeben ihr nach Aufassung des Senats zunächst nicht zuzumuten war. Durch die Aufnahme eines zusätzlichen 400 €-Jobs hätte die Beklagte zusammen mit den von ihr erzielten 649,08 € netto ein monatliches Einkommen in Höhe von insgesamt 1.049,08 € netto erzielt. Hiervon sind fiktive 5 % berufsbedingte Aufwendungen von 400 €, mithin 20,00 € sowie 890,00 € notwendiger Selbstbehalt nach der Düsseldorfer Tabelle (Stand: 01.07.2005) abzuziehen. Damit hätte die Beklagte 139,08 € für den Kindesunterhalt zur Verfügung gehabt. Dies ist mehr als der nunmehr vom Senat für die Zeit ab März 2007 auf der Grundlage einer fiktiven Vollzeitbeschäftigung zugesprochene Betrag.

Der Beklagten können fiktive Einkünfte in der vorgenannten Höhe gleichwohl nicht zugerechnet werden. Sie hat schlüssig dargelegt und durch Vorlage geeigneter Unterlagen nachgewiesen, dass sie sich sowohl in der ersten Phase der Arbeitssuche von Mitte März bis Mitte Juni 2006, als auch in der Zeit von Dezember 2006 bis Februar 2007 in ausreichendem Maße, jedoch ohne Erfolg um eine weitere Teilzeitbeschäftigung auf 400 €-Basis bemüht hat.

Zu den Arbeitsplatzbemühungen gehört neben der regelmäßig erforderlichen Meldung beim Arbeitsamt eine intensive Privatinitiative in Form von rechtzeitigen Bewerbungen auf Stellenangebote in Zeitungen u. Ä., eigenen Stellenannoncen sowie mündlichen und schriftlichen Bewerbungen, wobei grundsätzlich 20 bis 30 Bewerbungen im Monat zumutbar sind (Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rdnr. 620 m.w. Nachw.). Dabei dürfen nach Auffassung des Senats, wenn es - wie hier - um die Aufnahme eines 400 €-Jobs geht, keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. So erscheint es in diesem Fall wegen der geringen zu erwartenden Resonanz entbehrlich, eigene Stellenanzeigen aufzugegen, wenn und soweit die Erwerbsbemühungen im Übrigen hinreichend intensiv sind. So liegt es hier. Die Beklagte hat sich nicht darauf beschränkt, sich beim Arbeitsamt arbeitssuchend zu melden. Sie hat sich vielmehr auf zahlreiche Stellenanzeigen in der Tagespresse beworben und dies ausreichend durch Fertigung von Ablichtungen der Anzeigen und lückenlose handschriftliche Notizen über das Ergebnis der telefonischen Bewerbungen, einschließlich des Namens des jeweiligen Gesprächspartners und des Grundes der Ablehnung, dokumentiert. Die Vorlage von förmlichen Bewerbungsschreiben nebst entsprechenden Absagen kann bei der Bewerbung um einen 400 €-Job nicht ohne weiteres verlangt werden. Wie die von der Beklagten in ausreichender Zahl vorgelegten Stellenannoncen belegen, waren dort vielfach lediglich Telefonnummern zur Kontaktaufnahme abgedruckt. Soweit die Arbeitgeber zusätzlich Adressen angegeben haben, brauchte die Beklagte sich gleichwohl nicht unbedingt schriftlich zu bewerben. Insoweit muss mit Blick auf die aus Arbeitgebersicht eher untergeordnete Bedeutung des Besetzungsvorgangs und der Qualifikation des Bewerbers davon ausgegangen werden, dass in der Regel eine telefonische Bewerbung als ausreichend erachtet wird. Über die Bewerbung auf Stellenangebote hinaus hat die Beklagte weitere Erwerbsbemühungen entwickelt, die jedoch ebenfalls erfolglos geblieben sind. So ist sie bei einer Reihe von Unternehmen bzw. Geschäften, Arztpraxen u.ä. persönlich vorstellig geworden, um nach einer Beschäftigungsmöglichkeit zu fragen. Dies hat die Beklagte durch Vorlage von knappen Bewerbungsschreiben mit aufgebrachten Firmenstempeln und ablehenden handschriftlichen Vermerken der jeweiligen Gesprächspartner ebenfalls ausreichend dokumentiert. Zwar handelt es sich bei den genannten Bemühungen um Bewerbungen, die nicht auf ausgeschriebene Stellen erfolgten (Blindbewerbungen). Jedoch kann man solchen Bewerbungen nicht von vornherein jede Aussicht auf Erfolg absprechend. Zudem ist die Beklagten lediglich ergänzend zu den telefonischen Bewerbungen auf Stellenannoncen in dieser Weise initiativ geworden.

bb)

In dem Zeitraum Dezember 2006 bis Februar 2007 hätte die Beklagte ihre Aktivitäten parallel zu den Bewerbungen um einen 400 €-Job auf eine Vollzeitstelle ausdehnen müssen. Grund hierfür ist, dass ihre Bemühungen in der ersten Phase der Arbeitsuche von März bis Mitte Juni 2006, einen 400 €-Job zu finden, erfolglos geblieben sind. Die gem. § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gesteigerte Erwerbspflicht erforderte es, die Bewerbungsbemühungen nunmehr auf eine Vollzeitbeschäftigung zu erstrecken. Denn die Beklagte konnte nach den ersten drei Monaten intensiver, aber erfolgloser Suche nicht mehr ohne weiteres davon ausgehen, dass ihr die Aufnahme einer weiteren Teilzeitbeschäftigung nunmehr gelingen würde.

Der Senat vermag hingegen nicht festzustellen, dass die Bemühungen der Beklagten um die Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung ausreichen. Den vorgelegten Bewerbungsschreiben und Absagen ist nicht zu entnehmen, ob es sich jeweils um ein Vollzeitbeschäftigung handelte. Bei ihrer Anhörung gem. § 141 ZPO im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte lediglich beispielhaft in Bezug auf die Bewerbungen bei der Fa. F und Q erklärt, sie habe insoweit auf eine Vollzeitbeschäftigung "gehofft". Da bereits eine erhebliche Anzahl von Bewerbungen auf Vollzeitstellen nicht dargelegt ist, kann dahingestellt bleiben, ob die Qualität der vorgelegten Bewerbungsschreiben ausreicht.

b)

Hinsichtlich der Höhe der zuzurechnenden fiktiven Einkünfte aus einer vollschichtigen Tätigkeit legt der Senat 172 Arbeitsstunden im Monat sowie einen Bruttostundenlohn von 8,00 € zugrunde (§ 287 ZPO). Dieser Stundenlohn ist nach den Erfahrungen des Senates von Arbeitnehmerinnen ohne Berufsausbildung und ohne gesundheitliche Einschränkungen erzielbar (vgl. auch OLG München FamRZ 2005, 1112 für eine Reinigungsfrau). Es handelt sich um einen realistischen Wert, wie durch die von der Beklagten derzeit - wenn auch im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung erzielten - 8,38 € pro Stunde belegt wird. Im Gebäudereinigerhandwerk West werden nach dem Tarifvertrag zwischen dem Landesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks Nordrhein-Westfalen und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Regionalbüro Nordrhein-Westfalen, für Innen- und Unterhaltungsreinigungsarbeiten in der untersten Tarifgruppe seit dem 01.01.2005 brutto 7,87 € bezahlt und für qualifizierte Tätigkeiten in der nächsthöheren Tarifgruppe 2 brutto 8,38 €, jeweils zuzüglich Urlaubsgeld und Jahressonderzahlung (Quelle: internet www.tarifregister.nrw.de). Am 17.08.2007 wurde zudem ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen, nach dem ab dem 01.01.2008 ein um 3,5 % Arbeitsentgelt gezahlt werden soll (Quelle: Pressemeldungen, etwa im internet www.tagesschau.de/ Wirtschaft).

Andererseits kann ein höherer Bruttostundenlohn als 8,00 € nicht zugrunde gelegt werden, zumal die Chancen der Beklagten auf dem Arbeitsmarkt dadurch gemindert sind, dass sie nicht über einen Führerschein und ein Auto verfügt. Insbesondere kommt es nicht in Betracht, die für männliche Arbeitnehmer fiktiv anzusetzenden höheren Stundenlohnsätze zugrunde zu legen. Erfahrungsgemäß werden Männer für dieselbe Arbeit unabhängig von etwaigen tarifvertraglichen Bindungen faktisch im Schnitt besser bezahlt als Frauen. Dies wird durch Angaben des Statistischen Bundesamtes belegt (Tabelle "Verdienstabstand zwischen Männern und Frauen 1960 bis 2005", veröffentlicht auf der Hompage des Statistischen Bundesamtes www.destatis.de).

Auf der Grundlage eines Stundenlohnes von 8,00 € bei 172 Arbeitsstunden im Monat sowie der Einkommensteuerklasse II, 1,0 Kinderfreibetrag und geschätzten 14 % Krankenversicherungsbeitrag könnte die Beklagte im Jahr 2007 monatlich 1.025,13 € verdienen. Dieser Betrag ist um 5 % fiktive berufsbedingte Aufwendungen, mithin um 51,26 € zu kürzen. Es verbleiben 973,87 € netto.

Für die Zeit von März bis Juni 2007 ist ein notwendiger Selbstbehalt nach der Düsseldorfer Tabelle (Stand: 01.07.2005) in Höhe von 890,00 € abzuziehen. Es ergibt sich ein für den Kindesunterhalt zur Verfügung stehender Betrag von 83,87 €, der gem. § 1612a Abs. 2 Satz 2 BGB auf 84,00 € aufzurunden ist.

Für die Zeit seit Juli 2007 ist nach der Düsseldorfer Tabelle (Stand: 01.07.2007) ein notwendiger Selbstbehalt in Höhe von 900,00 € anzusetzen. Hierdurch vermindert sich der Kindesunterhalt um 10,00 € auf 73,87 €, gerundet 74,00 €

c)

Der Anspruch des Klägers auf Zahlung von Kindesunterhalt für die Zeit seit März 2007 enfällt nicht etwa deswegen, weil der Kindesvater neben der Betreuung des Kindes (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB) den Barunterhalt ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts zahlen könnte (§ 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB). Insoweit ist umstritten, ob der betreuende Elternteil ein deutlich höheres Einkommen haben muss (vgl. BGH FamRZ 1998, 286, 288: kein erhebliches finanzielles Ungleichgewicht; anders BGH FamRZ 1991, 182; Gerhardt in Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 5. Aufl., 6. Kapitel Rdnr. 177). Nach Auffassung des Senats darf die subsidiäre Haftung des betreuenden Elternteils jedenfalls nicht dazu führen, dass dieser durch die zusätzliche Übernahme des Barunterhalts nur noch über ein nahezu gleiches Einkommen wie der Barunterhaltspflichtige verfügt. Vielmehr ist zu fordern, dass dem subsidiär haftenden Elternteil mindestens ca. 300,00 € mehr verbleiben (so auch Gerhardt in Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 5. Aufl., 6. Kapitel Rdnr. 177).

Nach diesem Maßstab ist der Kindesvater kein anderer leistungsfähiger Verwandter im Sinne des § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB. Die Auswertung der von ihm vorgelegten Verdienstnachweise für das Jahr 2006 ergibt, dass er Monatsdurchschnitt 1.800,17 € verdiente. Dieser Betrag ist zu vermindern um den Anteil des Arbeitgebers an den vermögenswirksamen Leistungen mit der Nettoquote (4,05 €), der im Jahr 2006 zu leistenden Einkommensteuernachzahlung (monatsanteilig 54,31 €), Fahrtkosten für 14 Entfernungskilometer an 182 Tagen (101,92 € gem. Nr. 10.2.2 der Hammer Leitlinien zum Unterhaltsrecht), Kosten für Arbeitsmittel (14,17 €), Gewerkschaftsbeiträge (28,98 €), Beiträge zu einer privaten Rentenversicherung (51,13 €), die Busfahrkarte für den Kläger (24,00 €), PKH-Raten für das Ehescheidungsverfahren und das Sorgerechtsverfahren (30,00 €) sowie Zahlungen auf die in dem Verfahren 10 Js 364/05 Staatsanwaltschaft Bochum zu erbringende Geldstrafe nebst Gerichtskosten (50,00 €), wobei die beiden letztgenannten Positionen nicht während des gesamten Jahres 2006 anfielen. Dem Kindesvater stand danach ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 1.441,60 € zur Verfügung.

Von diesem Betrag könnte der Kindesvater den Mindesttabellenunterhalt von 291,00 € bzw. 288,00 € (seit dem 01.07.2007) zahlen, ohne dass der angemessene Selbstbehalt von 1.100,00 € gefährdet wäre. Ihm würden 1.150,60 € bzw. 1.153,60 € verbleiben. Diese Beträge liegen jedoch lediglich 176,73 € bzw. 179,73 € über dem fiktiven Nettoeinkommen der Beklagten von 973,87 €. Der zu fordernde Mehrbetrag von ca. 300,00 € wird daher nicht erreicht. Würde man bei der Bereinigung des Nettoeinkommens des Kindesvaters die Raten für die Geldstrafe sowie die PKH-Raten nicht als Abzugsposten anerkennen, ergäbe sich kein für die Beklagte günstigeres Ergebnis.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, § 97 Abs. 1, ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.

5.

Die Revision wird nicht zugelassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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