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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 16.11.2005
Aktenzeichen: 10 UF 30/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 301
BGB § 241
1. Ein Teilurteil für einen einzelnen Unterhaltsberechtigten ist unzulässig, wenn der Unterhaltspflichtige nicht uneingeschränkt leistungsfähig ist und Gleichrang unter den Unterhaltsberechtigten besteht.

2. Zur vertraglichen Übernahme der Unterhaltsverpflichtung für ein nicht als ehelich geltendes Kind.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

10 UF 30/05 OLG Hamm

Verkündet am 16.11.2005

In der Familiensache

hat der 10. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 16.11.2005 durch

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 11.01.2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Dorsten aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten der Berufungsinstanz zu entscheiden hat.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klägerin hat mit der seit dem 08.07.2004 anhängigen Klage ab Juni 2004 Kindesunterhalt für die bei ihr lebenden Kinder E und B in Höhe von je 249,00 € und Trennungsunterhalt in Höhe von 386,00 € verlangt.

Dazu hat sie auf ein Nettoeinkommen des Beklagten von 2.700,00 €, den Abzug von Hauslasten in Höhe von 1.300,00 €, des Kindesunterhalts in Höhe von je 249,00 € abgestellt und nach dem verbleibenden Einkommen von 902,00 € ihren Bedarf nach der 3/7-Quote auf monatlich 386,00 € errechnet. Wegen des mietfreien Wohnens beider Parteien in dem dem Beklagten zu Alleineigentum gehörenden Haus sei der Selbstbehalt gewahrt.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und dazu im Wesentlichen vorgetragen, er stelle der Klägerin das Wohnen und trage die Kosten der Lebensmittel. Er sei nach dem Wechsel der Steuerklasse zum 01.01.2005 nicht mehr leistungsfähig.

Das Amtsgericht hat durch Teilurteil und Teilanerkenntnisurteil entschieden. Es hat den Beklagten entsprechend seinem Teilanerkenntnis verurteilt, an die Klägerin beginnend ab Januar 2005 für das Kind B einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 241,00 € zu zahlen. Zugleich hat es die Klage abgewiesen, soweit Unterhalt für E verlangt worden war. Dies hat es damit begründet, es stehe fest, dass E während des Bestehens der 1. Ehe der Klägerin geboren worden sei. Der ehemalige Ehemann sei noch der gesetzliche Vertreter. Seine Vaterschaft sein nicht erfolgreich angefochten. Die Vaterschaft habe der Beklagte nicht anerkannt.

Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung.

Das Amtsgericht hätte nicht durch Teilurteil entscheiden dürfen. Es bestehe die Gefahr widerstreitender Entscheidungen. Unentschieden sei dr Unterhalt von Juni bis Dezember 2004; der Unterhalt für B sei rechtskräftig entschieden ab Januar 2005, gänzlich unentschieden sei der Trennungsunterhalt. Eine Mangelfallberechnung sei nicht auszuschließen. Der Beklagte habe es jedenfalls vertraglich übernommen, den Unterhalt für E zu leisten. Es sei ihm nach Treu und Glauben verwehrt, die formale Rechtsposition des Amtsgerichts für sich zu beanspruchen, nachdem er immer von beiden gemeinsamen Kindern gesprochen und deren Unterhalt während der gesamten Ehezeit geleistet habe. Sie sei sich auch sicher, dass der Beklagte der Vater sei. Beide Parteien seien sich einig gewesen, kein Vaterschaftsfeststellungsverfahren einzuleiten, zumal der frühere Ehemann sich schon zur Geburt von E seit Jahren nicht mehr in der Bundesrepublik aufgehalten habe. Der Beklagte habe erklärt, dass er für E aufkommen wolle.

Die Klägerin beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an sie für das Kind E, geb. am 27.09.1993, für die Zeit ab Juni 2004 monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 249,00 € zu zahlen,

hilfsweise,

das angefochtene Urteil aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die formale Rechtsposition des Amtsgerichts, räumt aber ein, dass er der leibliche Vater sein könne. Ein vertraglicher Unterhaltsanspruch komme nicht in Betracht.

II.

Die Berufung der Klägerin hat mit dem Hilfsantrag Erfolg.

Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben. Entgegen den Voraussetzungen des § 301 ZPO hat das Amtsgericht durch Teilurteil entschieden. In der Sache ist die weitere Verhandlung des Klagebegehrens vor dem Amtsgericht erforderlich. Unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens ist die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

1.

Die Entscheidung beruht auf § 528 Abs. 2 Nr. 7 ZPO. Danach darf das Berufungsgericht eine Sache, soweit deren weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Amtsgericht zurückzuverweisen, wenn mit dem Rechtsmittel gerügt wird, das Amtsgericht habe entgegen den Voraussetzungen des § 301 ZPO durch Teilurteil entschieden.

So liegt es hier.

Nach § 301 Abs. 1 ZPO hätte ein Teilurteil betreffend den Unterhalt des Kindes E nur ergehen dürfen, wenn der maßgebliche Streitgegenstand in rechtlicher wie in tatsächlicher Hinsicht teilbar gewesen wäre, Entscheidungsreife dieses abgetrennten Teiles vorgelegen hätte und das Teilurteil unabhängig von der Entscheidung des Reststreits gewesen wäre (zu den einzelnen Voraussetzungen siehe Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 301 Rn. 3). Diese Anforderungen finden ihre Rechtsgrund darin, dass der Gefahr von Widersprüchlichkeiten begegnet werden soll. Deshalb sind Teilurteile ausgeschlossen, wenn die Entscheidung über den Rest von Umständen abhängt, die auch für den bereits ausgeurteilten Teil maßgebend sind und die einer abweichenden Beurteilung, gegebenenfalls in der Rechtsmittelinstanz, unterliegen können (dazu BGH FamRZ 1989,954; OLG Celle FamRZ 2004,1823,1824; OLG Nürnberg FamRZ 2003,545;Götsche MDR 2005,1086,1087). Diese Voraussetzungen sind unverzichtbar und in der Berufungsinstanz von Amts wegen zu prüfen.

Ein Teilurteil für einen einzelnen Unterhaltsberechtigten ist danach unzulässig, wenn der Unterhaltspflichtige nicht uneingeschränkt leistungsfähig ist und Gleichrang unter den Unterhaltsberechtigten besteht. Zur Durchführung der dann gebotenen Mangelfallberechnung muss der gesamte aus der ungenügenden Verfügungsmasse zu berücksichtigende Unterhaltsbedarf bekannt sein. In die Mangelfallberechnung sind alle gleichrangig Unterhaltsberechtigten einzubeziehen, deren Unterhaltsbedarf sich - unabhängig von einer bereits erfolgten Titulierung des Unterhalts zu Gunsten eines Unterhaltsberechtigten - nach dem materiellen Recht bemisst. Die Ansprüche sind so zu beurteilen, wie es im Fall gleichzeitiger Entscheidung über alle Unterhaltsansprüche zu geschehen hätte (BGH FamRZ 1980,555; Wendl/Gutdeutsch, Unterhaltsrecht, 6. Aufl., § 4 Rn. 195, § 5 Rn. 55).

Eine den Erlass eines Teilurteils für E rechtfertigende Grundlage war nach diesen Erfordernissen nicht gegeben. Streitgegenstand dieses Rechtsstreits sind die Unterhaltsansprüche der Tochter B, die das Amtsgericht - unangefochten - für die Zeit ab Januar 2005 entsprechend dem Teilanerkenntnis des Beklagten in Höhe von monatlich 241,00 € tituliert hat, des Sohnes E und der Klägerin selbst, und zwar für die Zeit ab Juni 2004. Der Höhe nach hängen sie voneinander ab. Die Leistungsfähigkeit des Beklagten ist streitig und kann für alle Unterhaltsberechtigten nur einheitlich beurteilt werden. Eine Mangelfallberechnung kommt in Betracht, denn der Beklagte beruft sich auf Leistungsunfähigkeit. Noch vor dem Senat hat er erklärt, nicht einmal den Kindesunterhalt in Höhe des Regelbetrages leisten zu können.

2.

Das Kind E rechnet auch zu den gleichrangig Unterhaltsberechtigten.

a.

Zutreffend verweist der Beklagte darauf, dass eine gesetzliche Unterhaltspflicht nach §§ 1601 ff. BGB für ihn nicht besteht. Er ist nicht der gesetzliche Vater des Kindes E. Vater des Kindes ist nach § 1592 Nr. 1 BGB der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet war. Das war unstreitig nicht der Beklagte. Es war der frühere Ehemann.

Unstreitig ist das Nichtbestehen der Vaterschaft des früheren Ehegatten nicht nach §§ 1599 ff. BGB festgestellt worden.

b.

Der Beklagte ist jedoch vertraglich verpflichtet, dem Kind E Kindesunterhalt nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

In Übereinstimmung mit der Entscheidung des 5. Familiensenats vom 29.04.1987 (NJW 1988,830) kann eine stillschweigend gegenüber der Klägerin, der Mutter, eingegangene Verpflichtung des Beklagten angenommen werden, für den Unterhalt von E aufzukommen, obwohl dieses Kind rechtlich als Kind des früheren Ehemannes gilt.

Der Beklagte räumt ein, dass er davon ausgeht, der leibliche Vater des Kindes zu sein. Dies gesteht er in der Berufungserwiderung zu, hält aber gleichwohl an der formalen Sichtweise fest. Dieses Festhalten kann indes der Annahme einer konkludent zustande gekommenen vertraglichen Unterhaltspflicht nicht entgegen stehen.

Nach dem nochmals in der Berufungsbegründung von der Klägerin gehaltenen und unbestritten geblieben Vortrag haben die Partein am 27.12.1998 die Ehe geschlossen. Vor der Heirat war auch schon die Tochter B am 18.04.1998 geboren, deren Unterhaltsberechtigung der Beklagte nicht in Zweifel zieht, obschon er die Vaterschaft bislang formell noch nicht anerkannt hat. E ist zwar schon viel früher, nämlich am 27.09.1993, geboren. Die Parteien hatten aber schon vor der Eheschließung und vor der Scheidung der 1. Ehe der Klägerin lange Zeit zusammen gelebt. Unstreitig hat der frühere Ehemann zur Geburt des Kindes nicht mehr mit der Klägerin zusammen gelebt. Er hielt sich in Italien auf.

Während der gesamten Ehezeit hat der Beklagte den Lebensunterhalt für die Tochter B wie auch für E in gleicher Weise sichergestellt. Erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2005 ist die Tatsache, dass E vor Rechtskraft der Scheidung der 1. Ehe der Klägerin geboren war, angesprochen worden. Nach dem Inhalt des Protokolls hat dies selbst dann noch nicht veranlasst, aus dem fehlen der rechtlichen Vaterschaft die Abweisung der Klage herzuleiten.

Nach seinem prozessualen Verhalten, auch in anderen Verfahren vor dem Amtsgericht, hat er keinen Einwand gegen die Vaterschaft betreffend E gemacht. Im Gegenteil: In der Klageerwiderung spricht er noch von den gemeinsamen Kindern, denen er Unterhalt zahle und denen er die Hausbesitzung zur Verfügung stelle. In anderen Verfahren, zuletzt im Scheidungsverfahren, wurde immer wieder auf die gemeinschaftlichen Kinder B und E abgestellt, ohne dass dies von dem Beklagten gerügt worden ist.

In einem Entwurf eines Ehevertrages aus September 2004 ist in der Vorbemerkung von den gemeinschaftlichen Kindern B und E die Rede.

Bislang ohne substantiiertes Bestreiten ist ferner der Vortrag der Klägerin geblieben, sie sei sich seit der Geburt von E mit dem Beklagten einig gewesen, keine Vaterschaftsfeststellungsklage zu erheben. Schon damals sei der frühere Ehemann nach Italien zurückgekehrt gewesen. Er habe erklärt, an seiner Vaterschaft bestehe kein Zweifel, er werde für ihren und den Unterhalt des Kindes aufkommen.

Unter diesen Umständen ist es dem Beklagten verwehrt, sich auf die formale Rechtslage zu berufen. Er hat kraft vertraglicher Vereinbarung nach den gesetzlichen Bestimmungen für den Unterhalt des Kindes E aufzukommen.

3.

Eine Kostenentscheidung für die Berufungsinstanz ist nicht veranlasst, sie ist dem Amtsgericht vorzubehalten (Zöller/Gummer/Heßler, a. a. .O. § 538 Rn. 58).

Ende der Entscheidung

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