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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 05.05.2004
Aktenzeichen: 10 UF 334/03
Rechtsgebiete: BGB, KindRG, FGG


Vorschriften:

BGB § 1618
BGB § 1618 I 3
BGB § 1618 I 4
KindRG Art. 1 Nr. 7
FGG § 12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

10 UF 334/03 OLG Hamm

In der Familiensache

hat der 10. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm am 05.05.2004 im schriftlichen Verfahren beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners vom 08.12.2003 hin wird der Beschluss des Amtsgerichts Dülmen vom 20.11.2003 aufgehoben. Das Verfahren wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung - auch hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Dülmen zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

A.

Die minderjährigen Antragsteller begehren die Einbenennung. Sie möchten zukünftig nicht mehr den Nachnamen des Antragsgegners "K" tragen, sondern statt dessen "S" heißen.

Die Antragsteller sind die leiblichen Kinder des Antragsgegners. Sie sind heute 9 1/2 (D-C), 8 (M-C) und 6 1/2 (M-P) Jahre alt. Ihre Mutter H S, die geschiedene Ehefrau des Antragsgegners, ist mittlerweile in zweiter Ehe verheiratet mit dem Berufssoldaten M S. Aus dieser Ehe ist ein weiterer Sohn, der am 27.10.2002 geborene L-F, hervorgegangen. Ende Mai oder Anfang Juni 2004 erwartet die Mutter der Antragsteller die Geburt ihres fünften Kindes.

Die Ehe der Kindeseltern wurde am 07.01.1999 rechtskräftig geschieden. Ihre Trennung war in der ersten Jahreshälfte 1997 erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt war der jüngste Antragsteller M-P noch nicht geboren. M-C war etwa ein Jahr alt und D-C ca. zweieinhalb.

Die Antragsteller leben in einem Haushalt mit ihrer Mutter, ihrem Stiefvater und ihrem Stiefbruder. Die Familie beabsichtigt bereits seit einiger Zeit, nach Hessen zu verziehen, hat diesen Plan aber bislang nicht endgültig umgesetzt.

Die ehemaligen Eheleute K führten mehrere familienrechtliche Streitigkeiten (im Hinblick auf die Antragsteller u.a. wegen des Sorge- und des Umgangsrechts). Dabei wurden Besuchskontakte der Antragsteller mit dem Antragsgegner zwischenzeitlich durch eine Umgangsvereinbarung der Kindeseltern vom 28.02.2002 geregelt (Aktenzeichen 6 F 83/01 Amtsgericht Dülmen). Dementsprechend fanden in der Folgezeit Besuche statt, die von L H, der Verfahrenspflegerin des Umgangsrechtsverfahrens, begleitet wurden. Die Treffen der Kinder mit dem Antragsgegner waren jedoch gekennzeichnet durch die ablehnende Haltung des ältesten Sohnes, die dieser auch auf seine beiden jüngeren Geschwister übertrug (Bericht des Jugendamtes vom 06.08.2002, Bl. 23-26 in 6 F 28/02 Amtsgericht Dülmen).

Durch weiteren Beschluss des Amtsgerichts Dülmen vom 16.01.2003 (Aktenzeichen 6 F 391/02, Bl. 29 ff. BA) wurde die vorherige Umgangsvereinbarung der geschiedenen Kindeseltern sodann dahingehend abgeändert, dass die begleiteten Besuchskontakte fortan nur noch alle vier Wochen - erstmals in der 6. Kalenderwoche 2003 - stattfinden sollten. Mit Schreiben vom 15.03.2003 teilte der Antragsgegner der Verfahrenspflegerin des Umgangsrechtsverfahrens jedoch mit, dass er von seinem Recht auf Umgang zurücktrete, da er den Kindern die "Quälerei der aufgezwungenen Besuchskontakte" ersparen möchte (Bl. 7 GA). Der Antragsgegner stimmt der von den Antragstellern begehrten Einbenennung nicht zu. Er meint, gerade vor dem Hintergrund des nicht mehr vorhandenen Besuchskontaktes sei es geboten, den letzten noch verbliebenen Bezugspunkt der Kinder zu ihrem leiblichen Vater aufrecht zu erhalten. Das Streben bezüglich der Einbenennung der Kinder sei lediglich auf die Motivation ihrer Mutter zurückzuführen.

Die Antragsteller argumentieren demgegenüber, es sei ihr ausdrücklicher Wunsch, den Namen "S" zu führen. Sie identifizierten sich völlig mit ihrer neuen Familie und reagierten ungehalten, wenn sie z.B. auf Schulzeugnissen mit dem Namen "K" bezeichnet werden. Ein Kontakt zum Antragsgegner werde kategorisch abgelehnt.

Das Amtsgericht hat das zuständige Jugendamt angehört. Dieses hat in seiner Stellungnahme vom 15.07.2003 (Bl. 18-20 GA) die Einbenennung im Ergebnis befürwortet. Bei den Kindern sei eine hohe Identifikation mit dem neuen Familiensystem erkennbar. Dagegen sei die Benennung "K" für sie jedes Mal und sicher weiterhin auf Sicht der nächsten Jahren eine enorme Belastung. Gleichzeitig hat das Jugendamt aber auch darauf verwiesen, dass ausweislich des im Umgangsrechtsverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens das angstbesetzte Verhalten der Kinder zu ihrem Vater nicht auf reale negative Erfahrungen zurückzuführen sei, sondern auf die übertragenen Ängste der Kindesmutter. Entgegen der Anregungen des Gutachters habe sie es bisher unterlassen, insbesondere D-C und M-C die erforderliche psychotherapeutische Hilfe zur Vergangenheitsbewältigung zukommen zu lassen.

Durch Beschluss vom 20.11.2003 hat das Amtsgericht seine Absicht angekündigt, die Einwilligung des Kindesvaters zur Namensänderung der Antragsteller familiengerichtlich zu ersetzen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Name "K" für die Kinder aufgrund der herrschenden familiären Anspannungen und Konflikte eine enorme Belastung bedeute.

Der Antragsgegner hat am 08.12.2003 Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt und diese mit Schriftsätzen vom 22.12.2003 und 16.03.2004 begründet. Er führt aus, das Amtsgericht habe sich mit seinem Vorbringen nicht auseinandergesetzt. Die Einbenennung müsse unerlässlich sein, um konkrete drohende Schäden von den Kindern abzuwenden. Tatsächlich aber seien die Kinder ausschließlich von der Kindesmutter zu ihrem Verhalten angehalten worden.

B.

Die Beschwerde des Antragsgegners hat - jedenfalls in dem tenorierten Rahmen - Erfolg.

I.

Die Beschwerde ist zulässig.

Dem steht nicht etwa - wie die Antragsteller meinen - eine unzureichende Beschwerdebegründung des Antragsgegners gegenüber. Zum einen ist im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Beschwerdegründung nur zweckmäßig, nicht aber erforderlich (Keidel/Kuntze-Kahl, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Auflage, § 19 Rdz. 72). Zum anderen hat der Antragsgegner seine Beschwerde ohnehin aber auch hinreichend begründet. Insofern kann auf den Schriftsatz vom 22.12.2003, der eine Bezugnahme auf zwei durchaus ausführliche Stellungnahmen gegenüber dem Amtsgericht enthält, und das weitere Schreiben vom 16.03.2004 verwiesen werden.

II.

Die Beschwerde ist auch begründet.

Als Rechtsgrundlage für das Begehren der Antragsteller auf Einbenennung kommt vorliegend § 1618 I 4 BGB in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann das Familiengericht die erforderliche Einwilligung des Antragsgegners dann ersetzen, wenn die Erteilung, Voranstellung oder Anfügung des Namens "S" zum Wohl der Kinder erforderlich ist. Dabei ist mit der Neufassung des § 1618 durch Art. 1 Nr. 7 KindRG - hierdurch wurde die bisherige Formulierung "dem Kindeswohl dienlich" durch "für das Kindeswohl erforderlich" ersetzt - eine Verschärfung der Voraussetzungen für die Ersetzung der Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils gewollt. Sie dient dem ausdrücklichen Zweck, die Bindung des Kindes an diesen Elternteil zu unterstreichen (BT-Drucksache 13/8511, S. 73, 74).

Ob die strengen Voraussetzungen an die Erforderlichkeit der Einbenennung für das Kindeswohl im gegebenen Fall erfüllt sind, lässt sich derzeit nicht beurteilen, da die Ermittlung einer hinreichend tragfähigen Tatsachengrundlage durch das Amtsgericht unterblieben ist. Die bisherigen Feststellungen werden den Vorgaben des § 12 FGG nicht gerecht.

1.

Die Begründung der amtsgerichtlichen Entscheidung beschränkt sich in ihrem Kern auf den einen Satz, dass der Name "K" für die Kinder aufgrund der herrschenden familiären Anspannungen und Konflikte eine enorme Belastung bedeute.

Diese Argumentation für sich allein wird den Anforderungen der Rechtsprechung an den tatsächlichen und rechtlichen Prüfungsumfang bei Einbenennungsbegehren nicht gerecht. Danach ist die Ersetzung der Zustimmung gem. § 1618 I 4 BGB nur in Ausnahmefällen vorzunehmen (Palandt-Diederichsen, § 1618 Rdz. 17; OLG München NJW-RR 2000, 667). Sie setzt stets eine umfassende Abwägung der Interessen der Beteiligten voraus (BGH NJW 2002, 300).

2.

Vor diesem Hintergrund hält es der Senat hier ausnahmsweise für angezeigt, von der Möglichkeit einer Aufhebung und Zurückverweisung Gebrauch zu machen. Dies erscheint vorliegend insbesondere deshalb unerlässlich, um der Bedeutung der Angelegenheit und den - auch stark emotional geprägten - Rechtsschutzzielen der Beteiligten angemessen Rechnung tragen zu können.

Das Beschwerdegericht kann ausnahmsweise die Verfügung des Erstgerichts aufheben und die Sache zur neuen Entscheidung zurückverweisen. Bei schwerwiegenden Mängeln, insbesondere bei ganz ungenügender Aufklärung des Sachverhalts ist dies zulässig (Keidel/Kuntze-Sternal, § 25 Rdz. 21 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

3.

Im Rahmen der erneuten Prüfung und Bearbeitung durch das Amtsgericht sollten folgende rechtliche und tatsächliche Ansätze in die Erwägungen einbezogen werden:

a)

Bei der Ersetzung ist zu berücksichtigen, dass die Namensangleichung angesichts der Vielfalt der namensrechtlichen Möglichkeiten wesentlich an Bedeutung verloren hat (OLG Hamm DAV 1999, 787). Die bestehende Namensverschiedenheit trifft grundsätzlich jedes Kind, das aus einer geschiedenen Ehe stammt und bei einem wiederverheirateten Elternteil lebt, der den Namen des neuen Ehepartners angenommen hat. Eine Einbenennung kann daher nicht schon deshalb als erforderlich angesehen werden, weil die Beseitigung der Namensverschiedenheit in der neuen Familie des sorgeberechtigten Elternteils zweckmäßig und dem Kindeswohl förderlich erscheint (BGH NJW 2002, 300, 301 unter Hinweis auf OLG Saarbrücken ZfJ 2000, 437, 438). Die Bezugnahme auf das Kindeswohl soll vielmehr zur Berücksichtigung der Bindungen des Kindes an den anderen Elternteil zwingen. Die Ersetzung erfordert es daher, dass die Einbenennung für das Kindeswohl unabdingbar notwendig ist. Sie muss unerlässlich sein, um konkret drohende Schäden von dem Kindeswohl abzuwenden (BGH FamRZ 2002, 1330, 1331). Hingegen dient die Einbenennung nicht dazu, dem Kind bloße Unannehmlichkeiten zu ersparen. Der sorgeberechtigte Elternteil hat ihm vielmehr die Gründe für die Namensverschiedenheit zu verdeutlichen (Palandt-Diederichsen, § 1618 Rdz. 18 mwN). Keine Ersetzung kommt daher in Betracht, wenn der Einbenennungswunsch des Kindes nur auf den starken Einfluss des allein sorgeberechtigten Elternteils zurückgeht (OLG Köln FamRZ 2002, 637).

b)

Ferner hat sich die Sachbearbeitung bisher nicht mit den sonstigen Ermittlungsergebnissen der vorangegangenen Verfahren der Kindeseltern (Umgangsrecht, Sorgerecht, Vermittlungsverfahren) auseinandergesetzt. Anlass hierfür hätte es spätestens aufgrund eines Anrufs des Sachbearbeiters des Jugendamtes beim Amtsgericht gegeben, der durch Vermerk vom 08.08.2003 aktenkundig gemacht wurde. Darin heißt es auszugsweise (Bl. 17 GA):

" ... Gestern rief Herr K vom Jugendamt an. Er kündigte seine Stellungnahme zur Einbenennung an. Er wird diese zwar befürworten, hat aber Bedenken bzgl. der weiteren Entwicklung der Kinder. Diese wurden so extrem durch die Mutter gegen den Vater aufgehetzt, dass dieser sogar auf sein Umgangsrecht verzichtete!" Schon allein der Ausspruch des Namens bereitet den Kindern Schwierigkeiten. Dennoch wäre es "zu einfach", die Kinder mit dem neuen Namen in der neuen Umgebung aufwachsen zu lassen. Herr K befürchtet spätere psychische Probleme, weil die Vergangenheit einfach nicht ausreichend ver- bzw. aufgearbeitet wurde. Im übrigen fordert der Gutachter eindeutig eine langfristige psychologische Betreuung der Kinder. Insoweit blockt Frau S aber total ab. ..."

c)

Gerade vor dem Hintergrund der Hinweise seitens des Jugendamtes hätten weitere zwingend erforderlich erscheinende Ermittlungsansätze genutzt werden müssen.

aa)

Insbesondere hätte eine persönliche Anhörung der antragstellenden Kinder und beider Elternteile stattfinden müssen.

Ob die Namensänderung zum Wohl des Kindes erforderlich ist, kann nur auf der Grundlage eines umfassend aufgeklärten Sachverhaltes entschieden werden. Dazu reicht es nicht aus, die Parteien nur schriftlich zu hören. Denn hieraus lassen sich weder ein persönlicher Eindruck von den beteiligten Personen gewinnen noch deren allgemeine Interessen und besonderen persönlichen Gesichtspunkte feststellen. Dies ist nur möglich durch eine persönliche Anhörung der Beteiligten unter Einbeziehung des Jugendamtes (vgl. insofern OLG Naumburg, OLG Bamberg u.a. FamRZ 2000, 690 ff.).

Zwar dürften im gegebenen Fall die grundlegenden Auseinandersetzungen zwischen der Kindesmutter und dem Antragsgegner aufgrund ihrer Art und Intensität mittlerweile schon mehreren Abteilungen des Amtsgerichts Dülmen hinlänglich bekannt sein. Es ist den Akten jedoch nicht zu entnehmen, dass sich dabei auch die vorliegend erkennende Rechtspflegerin jemals bereits in einem früheren Verfahren einen unmittelbaren persönlichen Eindruck von den Kindern und ihren Eltern verschafft hat, auf den sie nunmehr etwa hätte zurückgreifen können.

bb)

Weiterhin wird angesichts der strengen und konkreten Anforderungen der Rechtsprechung im Rahmen des § 1618 I 3, 4 BGB (s.o.) die Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens über die Erforderlichkeit der Einbenennung für das Kindeswohl in Erwägung zu ziehen sein. In diesem Zusammenhang mag auch eine Prüfung der Motivation der Antragsteller nachgeholt werden. Insoweit dürfte zu klären sein, ob ihr Begehren überhaupt auf einem eigenständigen unabhängigen Willen beruht oder nicht der Wunsch in erster Linie auf die Einflussnahme der Kindesmutter zurückzuführen ist.

cc)

Den Antragstellern sollte wiederum Frau H als Verfahrenspflegerin beigeordnet werden.

4.

Der Senat sieht sich im gegenwärtigen Stadium der Angelegenheit daran gehindert, selbst die erforderlichen Ermittlungen vorzunehmen, da eine derartige Sachbearbeitung und anschließende Sachentscheidung des Beschwerdegerichts dem Verlust einer Instanz für die Beteiligten gleichkäme (vgl. zu derartigen Konstellationen: Keidel/Kuntze, § 25 Rdz. 21).

Ende der Entscheidung

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