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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 05.10.2006
Aktenzeichen: 10 WF 196/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 115 ff.
ZPO § 117 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Hamm

10. Senat für Familiensachen

Aktenzeichen: 10 WF 196/06

Tenor:

I. Das Verfahren wird von dem Einzelrichter auf den Senat übertragen (§ 568 Satz 2 ZPO).

II. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 05.09.2006 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Lüdenscheid vom 23.08.2006 wird zurückgewiesen.

Gründe:

A.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Verweigerung von Prozesskostenhilfe für ein von ihr eingeleitetes Scheidungsverbundverfahren. Das Amtsgericht - Familiengericht - Lüdenscheid hat ihren entsprechenden Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass sie nicht bedürftig i.S.d. §§ 115 ff. ZPO sei. Die Antragstellerin verfüge über einen Miteigentumsanteil an einer Immobilie, eine Lebensversicherung, ein Anteilsmitgliedskonto und einen PKW. Vor diesem Hintergrund könne dahingestellt bleiben, ob sie nicht ohnehin auf einen vorrangigen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gegen den Antragsgegner zu verweisen sei. Wegen der Einzelheiten wird im Übrigen auf die Gründe des Beschlusses vom 23.08.2006 (Bl. 12 GA) Bezug genommen.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Entscheidung des Amtsgerichts. Sie ist der Ansicht, dass sie nicht gehalten sei, die vorhandenen Vermögenswerte zur Finanzierung der Kosten des Ehescheidungsverfahrens einzusetzen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Rechtsanwälte Dr. L pp. in M vom 05.09.2006 (Bl. 22 GA) verwiesen.

B.

Die sofortige Beschwerde (§ 127 II 2 ZPO) der Antragstellerin hat keinen Erfolg.

I.

Das Rechtsmittel ist zwar zulässig, insbesondere fristgerecht gem. § 127 II 3 ZPO eingereicht worden.

II.

Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Die Antragstellerin ist nicht prozesskostenhilfebedürftig i.S.d. §§ 115 ff. ZPO.

1. Zunächst ist die Antragstellerin verpflichtet, zumindest einzelne bzw. Teile ihrer Vermögenswerte für die Finanzierung der Prozesskosten einzusetzen.

a) Dies gilt insbesondere für die vorhandene B-Lebensversicherung.

Die Partei hat ihr Vermögen in dem Umfang zur Begleichung der Prozesskosten einzusetzen, wie ihr das zumutbar ist (Zöller-Philippi, Zivilprozessordnung, 25. Auflage, § 115 Rdz. 47). Zum Vermögen zählen alle beweglichen und unbeweglichen Sachen sowie geldwerte Forderungen und sonstige Rechte (Stein/Jonas/Bork, Zivilprozessordnung, 22. Auflage, § 115 Rdz. 86). In diesem Zusammenhang wird zwar die Frage des Einsatzes einer Lebensversicherung unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit in Rechtsprechung und Literatur kontrovers diskutiert wird (vgl. die Nachweise bei Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Auflage, Rdz. 327). Dabei teilt der Senat aber die Auffassung, dass die Versicherung zur Finanzierung der Prozesskosten einzusetzen ist, sofern ihr Rückkaufswert das Schonvermögen i.S.d. § 90 SGB XII, vormals § 88 BSHG, übersteigt (OLG Stuttgart FamRZ 2004, 1651; LAG Hamm, Beschluss vom 04.04.2005, Aktenzeichen 18 Ta 129/05).

Dies aber ist vorliegend angesichts des von der Antragstellerin genannten Rückkaufswertes von 2.808,30 € jedenfalls teilweise der Fall. Das maßgebliche Kriterium der Zumutbarkeit gem. § 115 II 1 ZPO wird durch den Verweis auf § 88 BSHG hinreichend konkretisiert (§ 115 II 2 ZPO). Danach darf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter dem Gesichtspunkt der Bedürftigkeit nicht abhängig gemacht werden von dem Einsatz kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte (§ 88 II Nr. 8 BSHG). Die maßgebliche Schongrenze liegt bei derzeit 2.301,00 € (Zöller-Philippi, § 115 Rdz. 57), so dass jedenfalls ein Teilbetrag in Höhe von 507,30 € von der Antragstellerin zur Finanzierung der Prozesskosten genutzt werden müsste.

b) Weiterhin hat die Antragstellerin entgegen § 117 II ZPO nicht belegt, dass ihr ein Rückgriff auf das Anteilsmitgliedskonto bei der Volksbank mit einem Guthaben von 900,00 € nicht möglich sei.

c) Hingegen ist die Antragstellerin derzeit nicht gehalten, ihren Miteigentumsanteil an der ehelichen Immobilie zur Finanzierung der Prozesskosten zu realisieren. Ihr ist die Finanzierung des beabsichtigten Prozesses durch Belastung oder Veräußerung dieses Vermögenswertes jedenfalls zeitnah nicht möglich. Sie könnte derzeit allenfalls ihren Miteigentumsanteil als solchen belasten oder veräußern. Dabei ist nicht erkennbar, dass dritte Personen bereit wären, die Ansprüche als Sicherheit zu akzeptieren. Die Auseinandersetzung der bislang ungeteilten Miteigentumsgemeinschaft und die nachfolgende Veräußerung oder Belastung des Eigentumsanteils würden hingegen unangemessen viel Zeit in Anspruch nehmen (so zu dem vergleichbaren Fall des Anteils an einer Miterbengemeinschaft: OLG Celle FamRZ 2005,1185). Inwieweit die Partei dann aber später durch die grundsätzlich zumutbare Verwertung ihres Vermögenswertes leistungsfähig wird, ist im Überprüfungsverfahren nach § 120 IV ZPO beurteilen.

d) Ein Kraftfahrzeug, auf das die Partei beruflich angewiesen ist, muss nicht veräußert werden (Zöller-Philippi, § 115 Rdz. 56 mwN).

2. Unbeschadet der vorstehenden Erwägungen entfällt die Bedürftigkeit der Antragstellerin allerdings jedenfalls deshalb vollumfänglich, weil sie nach derzeitigem Sach- und Streitstand vorrangig gehalten ist, von dem Antragsgegner die Zahlung eines Prozesskostenvorschusses gem. §§ 1361 IV 3, 1360a IV BGB zu verlangen. Dieser Anspruch zählt zum Vermögen des Unterhaltsberechtigten und kann die Prozesskostenhilfebedürftigkeit ausschließen (Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Rdz. 354). Der Anspruch auf Prozesskostenvorschuss beseitigt gem. § 115 II ZPO die Bedürftigkeit für eine beantragte Prozesskostenhilfe (Palandt-Brudermüller, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Auflage, § 1360a Rdz. 8).

Unstreitig verfügt der Antragsgegner über monatliche Nettoeinkünfte in Höhe von 3.440,00 € und zahlt der Antragstellerin freiwillig Trennungsunterhalt in Höhe von 1.060,00 € monatlich. Allein diese Beträge legen entsprechend der amtsgerichtlichen Ausführungen in dem Nichtabhilfebeschluss vom 19.09.2006 (Bl. 27 GA) die Vermutung nahe, dass der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin prozesskostenvorschusspflichtig sein könnte. Nähere Einzelheiten zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragsgegners sind derzeit zwar nicht bekannt. Die insofern bestehende Unsicherheit wirkt sich jedoch im vorliegenden Prozesskostenhilfeverfahren zum Nachteil der Antragstellerin aus. Sie hat im Rahmen ihrer Bedürftigkeit gem. § 115 ZPO das Fehlen eines Prozesskostenvorschussanspruches darzulegen (Senatsbeschluss von vom 29.05.2006; 10 WF 98/06).

C.

Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 127 IV ZPO nicht veranlasst.



Ende der Entscheidung

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