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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 25.04.2007
Aktenzeichen: 11 U 145/05
Rechtsgebiete: BNotO, BeurkG, ZPO


Vorschriften:

BNotO § 19 Abs. 1
BeurkG § 17 Abs. 1
ZPO § 529
ZPO § 533 Nr. 1
ZPO § 533 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das am 15. September 2005 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 19.141,85 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 15.03.2005 sowie weitere 1.331,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 15.06.2005 zu zahlen, jedoch nur Zug um Zug gegen Abtretung der Zahlungsansprüche der Kläger gegen Q , E-Berg ##, ####7 F aus dem Urteil des Landgerichts Essen vom 25. November 2004 10 S 332/04 und dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Essen-Borbeck vom 14. April 2005 14 C 70/04 sowie aus dem Kaufvertrag vom 29. August 2003 auf Zahlung von Nutzungsentgelten für die Monate Juni bis Dezember 2004.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Beklagte 52 % und die Kläger 48 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die die Zwangsvollstreckung betreibende Partei vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

A.

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche wegen eines nach Auffassung der Kläger amtspflichtwidrigen Verhaltens des Beklagten in seiner Eigenschaft als Notar anlässlich der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrages vom 29.08.2003 (URNr.: ###/2003) über das Hausgrundstück M-Straße # in F, welches im Eigentum der Kläger stand.

Die Kläger bemühten sich nach ihrer Scheidung im Jahre 2003 ab Sommer 2003 um den Verkauf des Grundstückes und erzielten mit dem Käufer Q eine Einigung auf einen Kaufpreis von 325.000,00 €.

Weder den Klägern noch dem Beklagten war bekannt, dass Q bereits im September 2002 die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte. Seit Anfang des Jahres 2002 lief ein Zwangsversteigerungsverfahren über ein im Miteigentum des Käufers Q stehendes Grundstück in F. In diesem Verfahren wurde Q von dem Beklagten vertreten.

Der ursprüngliche Entwurf des Kaufvertrages sah eine Kaufpreisfälligkeit spätestens zum 31.12.2003 und eine Besitzübergabe nach Kaufpreiszahlung vor. Die Kaufpreisfälligkeit wurde auf Wunsch des Käufers in dem am 29.08.2003 beurkundeten Kaufvertrag auf den 31.12.2004 hinausgeschoben und dem Käufer ein Nutzungsrecht an dem Grundstück bereits ab dem 15.09.2003 eingeräumt. Hierfür sollte der Käufer Q eine die Belastungen der Kläger deckende Nutzungsentschädigung in Höhe von 1.233,75 € und eine Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 360,00 € monatlich an die Kläger zahlen. Im Übrigen wird wegen der Vereinbarungen der Kläger mit dem Käufer Q auf den in Ablichtung zu den Akten gereichten notariellen Grundstückskaufvertrag des Beklagten (Anlage K 3) Bezug genommen.

Die Besitzübergabe fand am 14.09.2003 statt. Q leistete in der Folgezeit lediglich eine Zahlung in Höhe von 865,01 € im Januar 2004 an die Kläger. Die Kläger erwirkten wegen des weiteren Nutzungsentgeltes für die Monate September 2003 bis Mai 2004 einen Zahlungstitel über 10.359,37 € gegen den Käufer sowie einen Titel auf Räumung des Grundstücks Urteil des Amtsgerichts Essen-Borbeck 14 C 70/04. Die Berufung des Käufers Q wurde durch das am 25.11.2004 verkündete Urteil des Landgerichts Essen 10 S 232/04 zurückgewiesen.

Der Käufer Q teilte den Klägern am 03.12.2004 mit, dass er auf eine Abwicklung des Kaufvertrages verzichte und die Löschung der Auflassungsvormerkung, die für ihn eingetragen war, veranlassen werde. Nachfolgend wurde die Auflassungsvormerkung auf entsprechenden Antrag des Beklagten gelöscht. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Käufer Q verliefen im Übrigen fruchtlos. Er hatte am 16.09.2004 erneut die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Die Kläger verzichteten aus diesem Grunde auf die weitere gerichtliche Geltendmachung der ebenfalls offenen Nutzungsentschädigung für die Monate Juni bis August 2004, hinsichtlich derer sie einen Mahnbescheid gegen den Käufer erwirkt hatten, gegen den dieser Widerspruch erhoben hatte.

Die Kläger verlangten von dem Beklagten mit Schreiben vom 28.02.2005 (Anlage K 7) Schadensersatz.

Die Kläger haben geltend gemacht, dass der Beklagte sie nicht ausreichend über die Tragweite der in dem Kaufvertrag vereinbarten vorzeitigen Besitzüberlassung, bei der es sich nach ihrer Auffassung um eine ungesicherte Vorleistung handele, belehrt habe. Im Übrigen habe der Beklagte sie nicht auf die ihm bekannten finanziellen Schwierigkeiten des Käufers hingewiesen. Bei der Vertragsgestaltung sei es nicht ausreichend gewesen, das vereinbarte Rücktrittsrecht nur an das Ausbleiben der Kaufpreiszahlung, nicht aber an das Ausbleiben des Nutzungsentgelts zu knüpfen und die Zwangsvollstreckungsunterwerfung des Käufers nur bezüglich des Kaufpreisanspruches zu vereinbaren sowie die Räumungsunterwerfung nur für den Fall der Nichtdurchführung des Vertrages vorzusehen. Zu ihrer Absicherung wäre zumindest ein Rücktrittsrecht im Fall der Nichtzahlung der Nutzungsentschädigung, eine Zwangsvollstreckungsunterwerfung im Hinblick auf das zu zahlende Nutzungsentgelt und einen Räumungsanspruch im Falle der Nichtzahlung des Nutzungsentgeltes in Betracht gekommen. Im Übrigen hätte die Besitzübergabe von der Leistung eines Kaufpreisteils oder der Stellung einer Bankbürgschaft abhängig gemacht werden können. Durch entsprechende Regelungen hätten ihrer Auffassung nach zumindest die Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 6.106,15 € erspart werden können.

Falls der Beklagte sie in ausreichender Weise belehrt hätte, hätten sie den Vertrag nicht in dieser Form geschlossen. In diesem Fall wäre eine Veräußerung innerhalb weniger Wochen an einen der anderen zur Verfügung stehenden Interessenten möglich gewesen. Dies belege der bereits im Frühjahr 2005 tatsächlich erfolgte Verkauf des Grundstückes nach der Räumung durch den Käufer Q im Dezember 2004.

Bei einer vereinbarten Zwangsvollstreckungsunterwerfung bezüglich der Räumung im Falle der Nichtzahlung der Nutzungsentschädigung hätte eine Räumung bereits im November 2003 erfolgen können. Dann hätte ihr Schaden durch eine anschließende Neuvermietung begrenzt werden können.

Die Kläger haben beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger 37.148,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 15.03.2005 sowie weitere 1.331,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

hilfsweise

Zahlung der genannten Beträge Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Zahlungsansprüche gegen Q, E-Berg ##, ####7 F aus dem Urteil des Landgerichts Essen vom 25.11.2004 10 S 332/04 und dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Essen-Borbeck vom 01.04.2005 14 C 70/04 sowie aus dem Kaufvertrag vom 29.08.2003 auf Zahlung von Nutzungsentgelt für die Monate Juni bis Dezember 2004.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Seiner Auffassung nach habe die Durchführung des Zwangsversteigerungsverfahrens über das im Miteigentum des Käufers Q stehende Grundstück in F keinen Anlass zu Bedenken gegen die Bonität des Käufers gegeben. Hierbei habe es sich um eine Zwangsversteigerung mit dem Ziel der Aufhebung der Gemeinschaft gehandelt, was nicht als ungewöhnlich anzusehen sei.

Die Kläger seien seiner Auffassung nach nicht belehrungsbedürftig gewesen, weil sie das Objekt in der Vergangenheit bereits mehrfach vermietet hätten und ihnen die Konsequenzen bei einem Ausbleiben der Mietzahlungen bekannt gewesen seien. In kaufvertraglicher Hinsicht enthalte der von ihm beurkundete Vertrag keine Vorleistung, weil die kaufrechtliche Besitzübertragung erst frühestens am 31.12.2004 und nicht vor der vollständigen Kaufpreiszahlung habe erfolgen sollen. Bei der Begründung des Nutzungsrechts für den Käufer handele es sich nur um eine sekundäre Vertragspflicht, für die er der Beklagte keine besondere Belehrung schulde. Die Kläger seien durch die vom Käufer für seinen Nutzungsanspruch zu zahlende Nutzungsentschädigung ausreichend gesichert gewesen.

Wegen der ihm erteilten Vollmacht zur Beantragung der Löschung der Auflassungsvormerkung hätte bereits im November 2003 eine Räumung erfolgen können. Die Kosten des gegen den Käufer geführten Rechtsstreits seien damit nicht durch eine unzureichende Belehrung verursacht worden. Bei den von den Klägern ersetzt verlangten Rechtsanwaltskosten für den Rücktritt vom Kaufvertrag, den Kosten der Zwangsvollstreckung und den Kosten für die Löschung der Auflassungsvormerkung handele es sich um Sowieso-Kosten.

Auch im Falle einer von den Klägern geforderten Belehrung und Absicherung hätten sie die Nutzungsentschädigung für die Monate September 2003 bis Dezember 2004 auch dann nicht von Q erhalten können, weil Q im Falle der Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Kaufvertrages dieselben Einwendungen im Wege einer Vollstreckungsgegenklage erhoben hätte, wie er sie in dem von den Klägern gegen ihn geführten Rechtsstreit erhoben habe. Eine vor dem Zeitpunkt der tatsächlichen Räumung des Grundstückes mögliche Räumung hätte auch in diesem Fall nicht erreicht werden können.

Im Übrigen wird bezüglich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes der Parteien ergänzend auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage durch das angefochtene Urteil abgewiesen und hierzu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beklagte sich nicht amtspflichtwidrig verhalten habe. Er sei nicht verpflichtet gewesen, die Kläger auf die Gefahren eines Ausbleibens der Nutzungsentgelte hinzuweisen. Es stelle eine selbstverständliche Gefahr dar, dass ein Mieter die Miete schuldig bleiben kann, weshalb eine Belehrung hierüber entbehrlich sei. Die Kläger hätten darüber hinaus keinen Anspruch auf entgangene Nutzungsentgelte und Kosten der Rechtsverfolgung, weil sie im Falle des unstreitig unterbliebenen Abschlusses des Kaufvertrages bei einer entsprechenden Belehrung des Beklagten auch keinen Anspruch auf Nutzungsentgelte gegen den Käufer Q gehabt hätten. Wegen der weiteren Begründung des klageabweisenden Urteils wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, mit der sie ihre erstinstanzlichen Zahlungsanträge weiterverfolgen. Sie vertiefen ihre Rechtsauffassung, wonach die vorzeitige Besitzüberlassung und die Sicherung des Eigentumsübertragungsanspruches durch eine Auflassungsvormerkung eine ungesicherte Vorleistung darstelle. Für sie habe nicht nur das Risiko des Ausbleibens der Nutzungsentgelte bestanden, sondern auch das Risiko, dass der Käufer mögliche Ansprüche aus rechtmäßigem Besitz herleite. Ihnen sei nicht bekannt gewesen, dass der Räumungsanspruch erst habe tituliert werden müssen, falls eine Kündigung nach Ausbleiben des Nutzungsentgeltes erfolge und dass wegen der Auflassungsvormerkung keine Anschlussvermietung oder ein anderweitiger Verkauf möglich gewesen sei.

Nachdem der Senat den Klägern im Anschluss an den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.08.2006 aufgegeben hat, ergänzend zu dem hypothetischen Geschehensablauf bei pflichtgemäßem Handeln des Beklagten und den Zusammenhängen zu den einzelnen von ihnen geltend gemachten Schadenspositionen vorzutragen, haben die Kläger geltend gemacht, dass sie den Kaufvertrag im Falle einer Belehrung über die Risiken einer vorzeitigen Besitzüberlassung nicht geschlossen hätten, wenn der Beklagte nicht zugleich Sicherungsmöglichkeiten aufgezeigt hätte. In diesem Fall hätten sie das Objekt kurzfristig anderweitig veräußert oder vermietet. Sie hätten in diesem Fall nur für einen Zeitraum von drei Monaten keine Miete vereinnahmen können und ihr Schaden wäre dementsprechend geringer ausgefallen. In diesem Zusammenhang machen die Kläger nun erstmals geltend, dass auch der bisher nicht streitgegenständliche Zeitraum von Januar bis April 2005 für ihren Mietausfallschaden zu berücksichtigen sei. Im Übrigen wären ihnen die Rechtsverfolgungskosten erspart geblieben.

Im Falle einer Belehrung über die Risiken der vorzeitigen Besitzüberlassung und einer Beratung über Absicherungsmöglichkeiten hätten sie den Vertrag mit dem Käufer Q geschlossen. In diesem Fall hätte Q die monatliche Nutzungsentschädigung ebenfalls nicht an sie gezahlt. Sie hätten nach einer entsprechenden Nachfrist nach dem Ausbleiben der Nutzungsentschädigung zum 15.09.2003 und einen daraufhin erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag ab Ende Oktober 2003 aber mit ihren Vermarktungsbemühungen beginnen und das Objekt innerhalb von drei Monaten nach diesem Zeitpunkt entweder vermieten oder verkaufen können. Ihr Schaden bestehe damit in den ab diesem Zeitpunkt monatlich entgangenen Einnahmen in Höhe von 1.593,75 €, wobei im Falle eines Verkaufes ihre monatlichen Finanzierungsbelastungen in gleicher Höhe ab März 2004 entfallen wären. An Rechtsverfolgungskosten wären ihnen in diesem Fall nur die Kosten der Löschung der Auflassungsvormerkung und die Zwangsvollstreckungskosten entstanden. Eine gesonderte Klage wegen der Mietzahlung wäre in diesem Fall ebenso wenig erforderlich gewesen, wie die anwaltliche Beratung im Hinblick auf den Rücktritt vom Kaufvertrag und die Ausübung des Rücktrittsrechts durch ihre bevollmächtigten Rechtsanwälte.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und ist weiterhin der Auffassung, dass es zweifelhaft sei, ob die vorzeitige Besitzüberlassung eine ungesicherte Vorleistung darstelle und eine besondere Aufklärung angesichts der allgemein bekannten Risiken einer Vermietung eines Objektes erfordere. Der Hinweis auf Absicherungsmöglichkeiten sei im Übrigen deshalb entbehrlich gewesen, weil der Käufer Q ohnehin zu Absicherungen nicht in der Lage gewesen sei und sich die Kläger über die mit der vorzeitigen Besitzüberlassung verbundenen Risiken im Klaren gewesen seien.

Er bestreitet, dass das Hausgrundstück zeitnah vermietbar gewesen sei. Er stimmt allerdings den Klägern darin zu, dass nach allgemeiner Erfahrung eher von den von ihnen genannten Fristen auszugehen sei.

Die Mieteinnahmen seien um die Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von 360,00 € monatlich zu kürzen, weil die Kläger die Nebenkosten zwischenzeitlich hätten abrechnen müssen. Er bestreitet, dass die vereinbarte Pauschale mit der tatsächlichen Höhe der Nebenkosten übereinstimme.

B.

Die Berufung der Kläger hat teilweise Erfolg und führt in dem erkannten Umfang zur Abänderung des angefochtenen Urteils.

I.

Die Klage ist in Höhe eines Betrages von 19.141,85 €, den die Kläger als Schadensersatz von dem Beklagten verlangen können, begründet. Darüber hinaus können die Kläger von dem Beklagten die unstreitig gebliebenen nicht anrechenbaren Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.331,10 € ersetzt verlangen.

Es steht nach dem ergänzenden Vorbringen beider Parteien und der Anhörung des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat fest, dass den Klägern infolge des amtspflichtwidrigen Verhaltens des Beklagten bei der Beurkundung des notariellen Grundstückskaufvertrages vom 29.08.2003 ein Schaden in Höhe eines Betrages von 19.141,85 € entstanden ist. Hierfür haftet der Beklagte gem. § 19 Abs. 1 BNotO.

Im Übrigen ist die Klage unbegründet, weil nicht mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann, dass die von den Klägern geltend gemachten weitergehenden Schadenspositionen auf das amtspflichtwidrige Verhalten des Beklagten zurückzuführen sind.

1.

Der Beklagte hat wegen einer unzureichenden Belehrung der Kläger über die Risiken der in dem von ihm beurkundeten Grundstückskaufvertrag enthaltenen Regelungen über die vorzeitige Besitzüberlassung des Grundstücks an den Käufer Q und wegen einer unterbliebenen Beratung über in Betracht kommende Absicherungsmöglichkeiten seine notariellen Amtspflichten gem. § 19 Abs. 1 BNotO schuldhaft verletzt. Die vertragliche Gestaltung barg nicht ohne weiteres erkennbare und über die im Falle einer bloßen Vermietung eines Hausgrundstückes hinausgehende Risiken, die unter dem Gesichtspunkt der Rechtsbelehrungspflicht gem. § 17 Abs. 1 BeurkG einen besonderen Hinweis an die Urkundsbeteiligten erforderten. Darüber hinaus war der Beklagte gehalten, im Rahmen seiner Pflicht zur gestaltenden Beratung Möglichkeiten zu erörtern, wie dieses Risiko für die Kläger begrenzt werden konnte.

a)

Die zwischen den Klägern und dem Käufer Q vereinbarte vorzeitige Besitzüberlassung des Hausgrundstückes zum 15.09.2003 vor dem mit Fälligkeit des Kaufpreises zum 31.12.2004 vereinbarten weiteren kaufrechtlichen Leistungsaustausch stellt angesichts der in dem Zusammenhang hiermit beurkundeten mietvertraglichen und weiteren kaufvertraglichen Elemente des Grundstückskaufvertrages eine ungesicherte Vorleistung der Kläger dar.

Dies folgt daraus, dass sich die Kläger bei der konkreten vertraglichen Gestaltung im Falle einer Nichtdurchführung des Kaufvertrages und einer nicht freiwilligen Rückgabe des Besitzes diesen von dem Käufer Q mühsam und zeitraubend wiederbeschaffen mussten (vgl. Zugehör/Ganter/Hertel, Handbuch der Notarhaftung, Rdn. 1022). Das monatlich von dem Käufer zu zahlende Nutzungsentgelt stellt entgegen der Auffassung des Beklagten keine ausreichende Absicherung dieses Risikos dar und nimmt der Besitzüberlassung nicht den Charakter einer ungesicherten Vorleistung.

aa)

Bedenken gegen die Annahme einer ungesicherten Vorleistung ergeben sich nicht daraus, dass lediglich sekundäre Vertragspflichten betroffen sein könnten. Die vor der Fälligkeit des Kaufpreises vereinbarte Nutzungsüberlassung an den Käufer kann insoweit nicht wie ein isoliert abgeschlossener Mietvertrag angesehen werden. Sie ist vielmehr Bestandteil des Kaufvertrages und modifiziert die grundsätzlich Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises neben der Eigentumsverschaffung bestehende Pflicht des Verkäufers, dem Käufer den Besitz der Kaufsache zu verschaffen.

Bei dieser Sachlage kann auch nicht von einer lediglich unterbliebenen Absicherung einer sekundären Vertragspflicht der Rückgabe des Grundstückes im Falle der Nichtdurchführung des Vertrages ausgegangen werden (vgl. Zugehör/Ganter/Hertel, Rdn. 1026 unter Hinweis auf BGH IX ZR 51/96, BGHR BeurkG § 17 Abs. 1 - Belehrungspflicht 18; Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 5. Aufl., § 14 Rdn. 140 b). Die Frage, auf welche Weise eine Sicherung der Vorleistung der Verkäuferseite hätte bewerkstelligt werden können, betrifft die weitere Belehrung über Absicherungsmöglichkeiten und nicht den Gesichtspunkt, ob überhaupt eine ungesicherte Vorleistung vorliegt und der Notar eine Belehrung über die hiermit verbundenen Risiken schuldet.

bb)

Die Vorleistung der Kläger war durch die beurkundeten vertraglichen Regelungen nicht ausreichend abgesichert. Im Falle einer vorzeitigen Besitzüberlassung kommt eine Zwangsvollstreckungsunterwerfung bezüglich des Rückgabeanspruches unter gleichzeitiger Vereinbarung eines Rücktrittsrechtes im Falle des Verzuges mit der Zahlung der Nutzungsentschädigung in Betracht. Solche Regelungen sind in dem Grundstückskaufvertrag nicht enthalten. Bei der von dem Beklagten gewählten vertraglichen Gestaltung, wonach die Kläger bis zum Jahre 2005 an den notariellen Kaufvertrag gebunden waren und auch im Falle eines Ausbleibens der Nutzungsentschädigung keine Möglichkeiten hatten, sich vorzeitig von diesem Vertrag zu lösen, fehlte es an einer ausreichenden Sicherung der mit der vorzeitigen Besitzüberlassung verbundenen Gefahr für die Kläger. Dies war darauf zurückzuführen, dass den Klägern als Verkäufern nur für den Fall des Rückstandes mit der erst zum 31.12.2004 fällig werdenden Kaufpreiszahlung ein Rücktrittsrecht eingeräumt worden (§ 5 des Kaufvertrages) und lediglich für den Fall der Nichtdurchführung des Vertrages eine Verpflichtung des Käufers zur sofortigen Räumung mit entsprechendem Verzicht auf Räumungsschutz und einer Zwangsvollstreckungsunterwerfung bezüglich des Räumungsanspruches vorgesehen war, sobald die Auflassungsvormerkung gelöscht war (§ 6 Abs. 7 des Vertrages). Die Löschung der Auflassungsvormerkung war allerdings erst im Falle eines Rückstandes des Käufers mit der Kaufpreiszahlung möglich (§ 8 des Kaufvertrages).

Damit konnten die Kläger sich im Falle einer Störung des durch die vorzeitige Besitzüberlassung begründeten Nutzungsverhältnisses, insbesondere dadurch, dass das geschuldete Nutzungsentgelt nicht gezahlt wurde, nicht ohne weiteres von dem Kaufvertrag lösen. Im Übrigen waren sie bei einem Ausbleiben des Nutzungsentgeltes wegen der Auflassungsvormerkung auch daran gehindert, anderweitig über das Grundstück zu verfügen, bevor sie nicht vom Kaufvertrag zurückgetreten waren, was frühestens mit Ablauf des Jahres 2004 möglich war.

Auf diese durch die vertragliche Gestaltung hervorgerufenen besonderen Risiken hätte der Beklagte die Kläger bei der Beurkundung des notariellen Kaufvertrages hinweisen müssen.

b)

aa)

Nach dem schriftsätzlichen Vorbringen der Parteien ist es unstreitig gewesen, dass der Beklagte die Kläger nicht über die oben genannten Risiken belehrt hat.

Nach seinem eigenen Vorbringen im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 23.08.2006 hat der Beklagte im Hinblick auf die Risiken bei einem Ausbleiben der Zahlung der Nutzungsentschädigung den Klägern erklärt, dass diese Gefahr bestehe, weitere Erklärungen aber nicht abgegeben, weil beide Vertragsteile davon ausgegangen seien, dass dies kein Problem darstelle. Er habe darauf hingewiesen, dass für den Fall des Ausbleibens der Mietzahlung Probleme entstehen würden und was in diesem Fall zu geschehen habe. Hieraus ergibt sich ebenfalls nicht, dass der Beklagte in der erforderlichen Weise über die vertraglichen Risiken belehrt hat.

Eine fehlende Belehrungsbedürftigkeit der Kläger hat der Beklagte nicht ausreichend substantiiert behauptet, worauf der Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.08.2006 hingewiesen hat. Dass die vertraglichen Regelungen sowohl dem Wunsch der Kläger als auch dem Wunsch des Käufers entsprochen haben, reicht zur Annahme einer fehlenden Belehrungsbedürftigkeit nicht aus, wenn nicht zugleich erkennbar wird, dass sich die Kläger als Vorleistungspflichtige der damit verbundenen Risiken und Nachteile bewusst waren, wozu konkreter Sachvortrag des Beklagten fehlt.

Sein Hinweis auf die bereits in der Vergangenheit mehrfach praktizierte Vermietung des Objektes rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme, dass sich die Kläger über die mit der vorzeitigen Besitzüberlassung verbundenen Risiken bei der konkreten vertraglichen Gestaltung wegen des Zusammenhangs mit dem Verkauf des Grundstücks bewusst waren.

bb)

In jedem Fall hat der Beklagte nach seinem eigenen Vorbringen auch den zweiten Teil der doppelten Belehrungspflicht im Falle einer ungesicherten Vorleistung mangels irgendwelcher Hinweise auf Absicherungsmöglichkeiten der Kläger nicht erfüllt. Diese Pflicht entfällt auch dann nicht, wenn die Vertragsparteien sich über die Risiken der Vertragsgestaltung im Klaren gewesen sein mögen. Denn ohne gleichzeitige Aufklärung über Absicherungsmöglichkeiten werden diese Risiken häufig als unvermeidbar angesehen. Der Notar ist auch in diesem Fall gehalten, die Vertragsparteien über in Betracht kommende Sicherungsmöglichkeiten zu belehren.

2.

Durch das amtspflichtwidrige Verhalten des Beklagten ist den Klägern ein Schaden in Höhe von 19.141,85 € entstanden.

a)

Bei der Ermittlung des durch die Amtspflichtverletzung verursachten Schadens der Kläger und dem dabei zugrunde zu legenden hypothetischen Geschehensablauf im Falle eines pflichtgemäßen Verhaltens des Beklagten bleiben zwei mögliche alternative Geschehensabläufe denkbar, die als Grundlage der Schadensberechnung der Kläger dienen können. Der Senat hat insoweit den für die Kläger ungünstigeren hypothetischen Geschehensablauf zugrunde gelegt, um auf diese Weise einen auf die Amtspflichtverletzung des Beklagten zurückzuführenden und in jedem Fall eingetretenen Mindestschaden der Kläger zu ermitteln.

aa)

Bei der Ermittlung des hypothetischen Geschehensablaufes kann die von den Klägern mit ihrem ergänzenden Vorbringen mit Schriftsatz vom 17.10.2006 (Bl. 101 ff d.A.) dargestellte Fallkonstellation 1 (Bl. 103 ff d.A.) nicht zugrunde gelegt werden. Es handelt sich hierbei um einen hypothetischen Geschehensablauf im Falle einer Belehrung des Beklagten über die Risiken der Vertragsgestaltung, jedoch ohne gleichzeitig Absicherungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Das geschuldete pflichtgemäße Verhalten des Beklagten besteht jedoch darin, die Vertragsbeteiligten über die Risiken aufzuklären und gleichzeitig über Abhilfemöglichkeiten zu beraten. Damit handelt es sich bei dieser Sachverhaltsvariante nicht um das geschuldete pflichtgemäße Verhalten des Beklagten, welches als hypothetischer Geschehensablauf einer Schadensberechnung zugrunde gelegt werden kann.

bb)

Ausgehend von der zweiten hypothetischen Sachverhaltsvariante Belehrung über die Risiken und Beratung über Absicherungsmöglichkeiten kommen zwei alternative Geschehensabläufe in Betracht. Die Kläger tragen insoweit vor, dass sie den Vertrag in diesem Fall mit entsprechenden, ihre Risiken absichernden Vereinbarungen geschlossen hätten. Diese Annahme liegt zur Überzeugung des Senats sehr nahe und kann als zumindest überwiegend wahrscheinlich zugrunde gelegt werden.

Offen geblieben ist nach dem Klägervorbringen allerdings, ob sich der Käufer Q auf vom Beklagten vorgeschlagene Absicherungsmöglichkeiten eingelassen hätte. Dies hat der Beklagte bestritten. Die Kläger haben dies nicht ausdrücklich behauptet.

Auch wenn offen bleibt, ob sich der Käufer Q auf vorgeschlagene Absicherungsmöglichkeiten eingelassen hätte, lässt sich gleichwohl ein Mindestschaden der Kläger mit hinreichender Sicherheit feststellen. Zur Ermittlung dieses Mindestschadens ist der Senat von dem für die Kläger ungünstigeren Fall ausgegangen, dass der Käufer Q sich auf vom Beklagten vorgeschlagene Sicherungsmöglichkeiten eingelassen hätte, der Vertrag zustande gekommen wäre und dem Käufer Q der Besitz an dem Hausgrundstück überlassen worden wäre.

Der Zeitraum, in dem die Kläger bei dem hypothetischen Geschehensablauf keine Mietzahlungen erhalten hätten, so dass dieser Ausfall nicht auf die Amtspflichtverletzung des Beklagten zurückzuführen ist, ist in der Variante eines Zustandekommens des Kaufvertrages mit dem Käufer Q mit einer Absicherung der Kläger länger und für die Kläger ungünstiger als im Falle eines Scheiterns des Kaufvertrages, wenn sich der Käufer Q nicht auf Absicherungsmöglichkeiten eingelassen hätte.

cc)

(1)

Bei dem für die Ermittlung des Schadens der Kläger zugrunde zu legenden Abschluss des Kaufvertrages und der Besitzüberlassung an den Käufer Q als hypothetischem Geschehensablauf kann nicht zugrunde gelegt werden, dass zur Absicherung der Kläger die Vorauszahlung eines Kaufpreisteils zum 15.09.2003 vereinbart worden und eine solche Zahlung erfolgt wäre. Eine solche Vereinbarung zur Absicherung der Kläger wäre voraussichtlich an der fehlenden Liquidität des Käufers Q gescheitert. Weil die Kaufpreisfälligkeit auf Wunsch des Käufers Q abweichend von dem Kaufvertragsentwurf vom 31.12.2003 auf den 31.12.2004 hinausgeschoben worden ist, ist es nahezu auszuschließen, dass sich der Käufer Q mit einer Vorauszahlung eines Kaufpreisteils zum 15.09.2003 einverstanden erklärt und diese Zahlung erbracht hätte. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wären auch Vereinbarungen über Sicherheitsleistungen zugunsten der Kläger in Form von Bankbürgschaften oder ähnlichem an der fehlenden Kreditwürdigkeit des Käufers Q, der bereits im Jahre 2002 die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte, gescheitert.

Bei der Ermittlung des Mindestschadens der Kläger und unter Zugrundelegung der für die Kläger dabei ungünstigsten Variante kann daher nur zugrunde gelegt werden, dass ein Vertrag mit dem Inhalt zustande gekommen wäre, der eine Absicherung der Kläger für den Fall der Nichtzahlung der Nutzungsentschädigung in der Weise vorsah, dass ihnen ein Rücktrittsrecht von dem notariellen Kaufvertrag eingeräumt worden wäre und sich der Käufer Q der sofortigen Zwangsvollstreckung im Hinblick auf den Räumungsanspruch der Kläger unterworfen hätte.

(2)

In diesem Fall kann es angesichts des tatsächlichen Geschehens auch für diesen hypothetischen Ablauf als überwiegend wahrscheinlich zugrunde gelegt werden, dass der Käufer Q in dem Zeitraum von September bis Dezember 2003 keine Zahlungen auf die Nutzungsentschädigung erbracht hätte. Bei einer zeitnahen Nachfristsetzung und der Erklärung des Rücktritts vom Kaufvertrag hätten die Kläger bei einer Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung zeitnah die zwangsweise Räumung des Grundstücks veranlassen können. Parallel dazu hätten sie sich nach erklärtem Rücktritt und damit spätestens ab November 2003 um eine anderweitige Vermarktung des Grundstücks bemühen können, ohne zuvor eine Räumungsklage gegen Q erheben zu müssen.

Der Senat hat insoweit keinen Zweifel daran, einen ähnlichen zeitlichen Ablauf bei der Vermarktung des Grundstückes zugrunde zu legen, wie er sich im Anschluss an die Räumung des Grundstückes durch den Käufer Q im Dezember 2004 tatsächlich zugetragen hat. Den Klägern ist es gelungen, das Objekt im Anschluss an die Räumung mit Kaufvertrag vom 22.04.2005 zu einem um 5.000,00 € höheren Kaufpreis zu verkaufen, wobei den Käufern ebenfalls vorzeitig der Besitz überlassen wurde und diese eine gegenüber Q höhere Miete in Höhe von 2.000,00 € zu zahlen hatten. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Kläger eine entsprechende Vermarktung des Objektes nicht auch etwa ein Jahr zuvor zu ähnlichen Bedingungen und in einem vergleichbaren Zeitrahmen hätten durchführen können.

Um bei der nachfolgenden Schadensberechnung unter Zugrundelegung eines Mindestschadens der Kläger etwaigen Unsicherheiten im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf der Vermarktung Rechnung zu tragen, hat der Senat zugrunde gelegt, dass den Klägern nach Rücktritt und ggf. zwangsweiser Räumung des Grundstückes spätestens ab April 2004 entweder der Kaufpreis oder aber eine von den Käufern zu zahlende Nutzungsentschädigung zumindest in der von Q geschuldeten Höhe zur Verfügung gestanden hätte oder sie im Falle einer Vermietung des Objektes ebenfalls ab diesem Zeitpunkt Miete in entsprechender Höhe erhalten hätten. Insoweit kann es offen bleiben, ob es den Klägern nach gescheiterter Durchführung eines sie ausreichend absichernden Kaufvertrages mit Q gelungen wäre, das Objekt zu verkaufen, der Kaufpreis in diesem Fall in üblicher Weise fällig gestellt worden wäre oder es zu einer vorzeitigen Besitzüberlassung unter gleichzeitiger Vereinbarung der Zahlung einer Nutzungsentschädigung gekommen wäre oder ob das Objekt von den Klägern nur im Wege einer Vermietung hätte vermarktet werden können.

Die Kläger haben unwidersprochen vorgetragen, dass die von Q zu zahlende Miete der von den Vormietern gezahlten Miete entsprochen habe und diese jeweils ausgereicht habe, um ihre Finanzierungsbelastungen abzudecken. Die Kläger hätten damit ab April 2004 bei einer Vermietung oder im Falle eines Verkaufs mit vorzeitiger Besitzüberlassung Miete und Nebenkosten in Höhe von 1.593,75 € erzielen können. Im Falle eines Verkaufes mit üblicher Kaufpreisfälligkeit wären ihnen Belastungen in gleicher Höhe erspart geblieben.

dd)

Entgegen der Auffassung des Beklagten kann für den hypothetischen Geschehensablauf nicht davon ausgegangen werden, dass der Käufer Q die Räumung des Grundstückes bei einer sofortigen Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung bezüglich des Räumungsanspruches im Wege einer Vollstreckungsgegenklage hätte verzögern können. Es kann als zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen angesehen werden, dass der Käufer Q im Wege einer Vollstreckungsgegenklage dieselben Einwendungen gegenüber der Räumungsverpflichtung erhoben hätte, die er zum Gegenstand seines Sachvortrages in dem zwischen ihm und den Klägern geführten Rechtsstreit gemacht hatte. In dem zwischen ihm und den Klägern geführten Rechtsstreit ist dem Käufer Q für seine Rechtsverteidigung trotz der Vielzahl der dort erhobenen Einwendungen keine Prozesskostenhilfe bewilligt worden (Bl. 67 d. BA 14 C 70/04 AG Essen-Borbeck). Es kann daher auch nahezu als ausgeschlossen angesehen werden, dass der Käufer Q bei umgekehrter prozessualer Initiativlast ohne Gewährung von Prozesskostenhilfe eine Vollstreckungsgegenklage gegen die Kläger angestrengt hätte, und es ist ohne näheren Sachvortrag des Beklagten auch nicht erkennbar, mit welchen Einwendungen ein Prozesskostenhilfegesuch des Käufers Pätzoldt hätte Erfolg haben können.

b)

aa)

Bei der Schadensberechnung ist zugunsten der Kläger zunächst ab April 2004 ein monatlicher Betrag in Höhe von 1.593,75 € zugrunde zu legen und zwar wie bereits ausgeführt unabhängig davon, ob die Kläger diesen Betrag als Mietzahlung vereinnahmt hätten oder durch eine vollständige Kaufpreiszahlung im Falle eines Verkaufs ihre Finanzierungsdarlehen zurückgeführt hätten und ihnen damit monatliche Belastungen in identischer Höhe erspart geblieben wären.

(1)

Unter Berücksichtigung eines Zeitraums von insgesamt 13 Monaten bis einschließlich April 2005 ergibt sich ein Betrag in Höhe von 20.718,75 €. Abzüglich der von dem Käufer Q auf die Nutzungsentschädigung gezahlten 865,01 € verbleibt ein Betrag in Höhe von 19.853,74 €, der der weiteren Schadensberechnung zugrunde zu legen ist.

Der Berücksichtigung eines Zeitraums bis einschließlich April 2005 steht es nicht entgegen, dass die Kläger ursprünglich einen Zeitraum von September 2003 bis lediglich Dezember 2004 geltend gemacht hatten und nun erstmals eine Entschädigung auch für den Zeitraum von Januar bis April 2005 ersetzt verlangen. Zwar handelt es sich bei der Geltendmachung des letztgenannten Zeitraums um eine Klageänderung. Diese ist jedoch gem. § 533 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO zulässig. Die Klageänderung ist i.S.v. § 533 Nr. 2 ZPO nur auf gem. § 529 ZPO ohnehin zu berücksichtigende Tatsachen gestützt. Die Tatsachengrundlage für die Berücksichtigung dieses erweiterten Zeitraumes steht fest, weil den Klägern ein anderweitiger Verkauf des Objektes erst zum 22.04.2005 gelungen ist und diese Tatsache bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Parteivorbringens war. Hieraus ergibt sich zugleich die Sachdienlichkeit der Klageänderung, weil ohne erhöhten Aufwand ein weiterer Rechtsstreit über Schadensersatzleistungen für diesen Zeitraum vermieden wird.

(2)

Auf den Schaden der Kläger wirkt es sich nicht aus, dass die Kläger über vorauszuzahlende Nebenkosten ggf. hätten abrechnen müssen. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat entsprachen die Nebenkostenzahlungen in Höhe von 360,00 € monatlich den auch schon im Rahmen des Vormietverhältnisses anfallenden Nebenkosten.

bb)

Darüber hinaus hat der Beklagte den Klägern die Rechtsverfolgungskosten zu erstatten, die bei hypothetischem pflichtgemäßen Verhalten nicht angefallen wären. Insoweit können die Kläger im Hinblick auf die durch den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Essen-Borbeck festgesetzten und von Q zu erstattenden 6.106,15 € von dem Beklagten einen Teilbetrag in Höhe von 3.362,20 € und im Hinblick auf die Rechtsverfolgungskosten zur Geltendmachung der Miete für den Zeitraum von Juni 2004 bis August 2004 den geltend gemachten Betrag in Höhe von 925,91 € ersetzt verlangen.

Im Falle einer Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung bezüglich eines Räumungsanspruches bei Liquidierung des Kaufvertrages durch Rücktritt der Kläger wären den Klägern die Kosten der Rechtsverfolgung des gegen Q geführten Rechtsstreits, die von den Klägern nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat bezahlt worden sind, erspart geblieben.

Anstelle der Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 6.106,15 € für den Rechtsstreit, mit dem die Kläger gegenüber Q Mietzahlungsansprüche und den Räumungsanspruch geltend gemacht haben, wären den Klägern allerdings für eine Klage auf Zahlung von bis zum Zeitpunkt der Räumung nicht gezahlter Miete über einen Zeitraum von maximal drei Monaten voraussichtlich Rechtsverfolgungskosten nach einem Streitwert von 4.781,25 € (3 x 1.593,75 €) entstanden. Bei einem für die Berechnung eines Mindestschadens anzunehmenden und für die Kläger ungünstigen Verlauf wäre der Rechtsstreit durch zwei Instanzen geführt worden. Ebenso wie nach dem tatsächlichen Geschehensablauf hätten die Kläger von Q voraussichtlich keine Zahlungen auf die hierfür anzusetzenden Gerichtskosten und ihre eigenen außergerichtlichen Kosten erlangen können.

Bei einem Streitwert von 4.781,25 € wären für zwei Instanzen insgesamt sieben Gebühren gem. KV 1210 und 1220 in Höhe von jeweils 121,00 €, mithin 847,00 € an Gerichtskosten angefallen.

Für die anwaltliche Vertretung durch zwei Instanzen wären für die erste Instanz 2,5 Rechtsanwaltsgebühren und für die zweite Instanz 2,8 Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von jeweils 301,00 € und damit insgesamt 5,3 Rechtsanwaltsgebühren angefallen. Dies ergibt einen Betrag in Höhe von 1.595,30 €. Zzgl. 2 x 20,00 € Auslagenpauschale errechnen sich 1.635,30 € netto und inkl. Umsatzsteuer ein Betrag in Höhe von 1.896,95 €. Insgesamt sind daher an Rechtsverfolgungskosten, die den Klägern auch bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten entstanden wären, 2.743,95 € von dem geltend gemachten Betrag von 6.106,15 € abzuziehen. Als insoweit ersatzfähiger Schaden verbleibt ein Betrag von 3.362,20 €.

Darüber hinaus wären auch die weiteren Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 925,91 € für die Geltendmachung der Miete ab Juni 2004 gemäß Rechnung vom 12.05.2005 nicht angefallen. Die Rechnung, die der Beklagte der Höhe nach nicht angegriffen hat, bezieht sich entgegen der Auffassung des Beklagten nicht auf anwaltliche Tätigkeit im Zusammenhang mit dem durch zwei Instanzen geführten Rechtsstreit der Kläger gegen Q.

Der Beklagte schuldet den Ersatz dieser Rechtsverfolgungskosten auch vor dem Hintergrund, dass die Kläger es unterlassen haben, im Anschluss an den Abschluss des vor dem Amtsgericht Essen-Borbeck geführten Rechtsstreits zu klären, ob Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Käufer Q Erfolg haben würden. Einerseits erscheint die Geltendmachung dieser weiteren Mietzahlungsansprüche im Wege eines Mahnverfahrens auch vor dem Hintergrund des ungewissen Erfolges von Vollstreckungsmaßnahmen nicht von vornherein sachwidrig. Andererseits hat das amtspflichtwidrige Verhalten des Beklagten die Geltendmachung auch dieser Mietzahlungsansprüche herausgefordert. Die Kläger waren nicht gehalten, den Beklagten im Hinblick auf dessen Schadensersatzverpflichtungen zu entlasten und auf die gerichtliche Geltendmachung ihrer Ansprüche zu verzichten.

Insgesamt ergibt sich daher ein Gesamtschaden der Kläger in Höhe von 24.141,85 €, welcher im Wege der Vorteilsausgleichung im Hinblick auf den durch den anschließenden Verkauf des Hausgrundstückes im April 2005 erzielten um 5.000,00 € höheren Kaufpreis gegenüber dem Verkauf an den Käufer Q um diesen Betrag zu kürzen ist. Damit verbleibt als ersatzfähiger Schaden ein Betrag in Höhe von 19.141,85 €.

Zzgl. zu diesem Betrag können die Kläger von dem Beklagten die nicht anrechnungsfähigen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.331,10 € ersetzt verlangen.

cc)

Die weiteren von den Klägern geltend gemachten Schadenspositionen sind nicht ersatzfähig, weil sei auch im Falle eines pflichtgemäßen Verhaltens des Beklagten entstanden wären.

Hierbei handelt es sich zunächst um die den Klägern im Zusammenhang mit dem Rücktritt vom Kaufvertrag nach der Kostenrechnung vom 12.05.2005 (Anlage K 8) entstandenen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 5.714,48 €. Es erscheint nicht überwiegend wahrscheinlich, dass dieser Betrag einschließlich der Besprechungsgebühr in Höhe von 1.924,80 € unter Berücksichtigung des hypothetischen Geschehensablaufes nicht ebenfalls angefallen wäre. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Kläger das Rücktrittsverlangen und die Aufforderung zur Rückgabe des Hausgrundstückes ohne anwaltliche Vertretung geltend gemacht hätten. Vermutlich wären die Bevollmächtigten der Kläger dabei ähnlich wie in ihrem Schriftsatz vom 10.11.2003 (Anlage K 4) vorgegangen. Es erscheint ohne weiteres denkbar, dass von den Rechtsvertretern der Kläger im Wege einer Besprechung mit der Gegenseite auch der Versuch einer einvernehmlichen Regelung über die Rückgabe des Hausgrundstückes angestrebt worden wäre und die Besprechungsgebühr auf diese Weise ebenfalls entstanden wäre.

Darüber hinaus wären auch die Zwangsvollstreckungskosten und die Kosten für die Löschung der Auflassungsvormerkung in Höhe von 426,20 € und 138,00 € nach dem eigenen Vorbringen der Kläger bei diesem hypothetischen Geschehensablauf ebenfalls angefallen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1 2. Alt. ZPO.

Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen richten sich nach §§ 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Rechtssache im Hinblick auf die bisher soweit ersichtlich höchstrichterlich nicht entschiedene Frage, ob im Falle einer vorzeitigen Besitzüberlassung bei Abschluss eines notariellen Kaufvertrages mit mietvertraglichen Elementen von einer ungesicherten Vorleistung auszugehen ist, grundsätzliche Bedeutung hat. Eine Beschränkung der Revisionszulassung ist mit dieser Erläuterung nicht verbunden.

Ende der Entscheidung

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