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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 31.01.2007
Aktenzeichen: 11 U 90/05
Rechtsgebiete: BGB, FlHG, FlGFlHKostG NW, ZPO


Vorschriften:

BGB § 839 Abs. 1
FlHG § 24
FlHG § 24 Abs. 2
FlHG § 24 Abs. 2 S. 2
FlGFlHKostG NW § 3
FlGFlHKostG NW § 3 Abs. 2 Nr. 2 b
FlGFlHKostG NW § 3 Abs. 2 Nr. 2 c
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 18. Juli 2005 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

A.

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche wegen amtspflichtwidrigen Verhaltens der Beklagten im Zusammenhang mit der Erhebung von Untersuchungsgebühren nach fleischhygienerechtlichen Bestimmungen in dem Zeitraum vom 01.01.1991 bis zum 07.02.1996. Die Klägerin hat mit der Klage von der Beklagten den Ersatz eines ihr entstandenen Zinsschadens im Hinblick auf den durch das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 26.09.2002 9 K 2582/99 zwischenzeitlich aufgehobenen Teil der Gebührenbescheide und die sich daraus ergebenden Beträge geltend gemacht.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 247.163,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 14.08.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage durch das angefochtene Urteil abgewiesen und hierzu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Klägerin ein gemeinschaftsrechtlicher Amtshaftungsanspruch nicht zustehe, weil für den Zeitraum ab dem 01.01.1994 nicht feststellbar sei, dass die Klägerin sich auf ein durch eine verletzte gemeinschaftsrechtliche Vorschrift verliehenes Recht berufen könne und es für den Zeitraum bis zum 31.12.1993 an einem hinreichend qualifizierten Verstoß gegen eine gemeinschaftsrechtliche Bestimmung fehle. Ein Amtshaftungsanspruch gegen die Beklagte gem. § 839 Abs. 1 BGB scheitere daran, dass sich ein Verschulden der Mitarbeiter der Beklagten bei der Erhebung der Gebühren nicht feststellen lasse. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung ihren erstinstanzlichen Zahlungsantrag unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter.

Sie hält sowohl die Verneinung eines qualifizierten Verstoßes gegen gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen als auch die Ablehnung eines Verschuldens der Mitarbeiter der Beklagten für fehlerhaft.

Für den Zeitraum ab dem 01.01.1994 sei ebenfalls von einem der Klägerin durch die Richtlinie 93/118 EG verliehenen Recht auszugehen, weil die der Entscheidung des EuGH vom 09.09.1999 (NVWZ 2000, 182, 184) zugrunde liegende Situation mit der in diesem Rechtsstreit gegebenen Sachlage nicht vergleichbar sei. Die der Entscheidung des EuGH zugrunde liegende Vorlageentscheidung des VGH Bayern habe eine Fassung des § 24 FlHG zum Gegenstand gehabt, die noch nicht die Verweisung auf gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen in § 24 Abs. 2 der neueren Fassung des FlHG umfasst habe, während am 01.01.1994 die Richtlinie bereits in § 24 Abs. 2 FlHG umgesetzt worden sei und durch diese Vorschrift auf gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen verwiesen werde.

Bei der Erhebung von in den Gemeinschaftsakten nicht vorgesehenen Gebühren handele es sich um einen qualifizierten Verstoß gegen gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen. Aufgrund des ihrer Auffassung nach klaren und eindeutigen Wortlautes der Regelungen habe für die Beklagte kein Ermessensspielraum bestanden. Aus dem Wortlaut ergebe sich eindeutig, dass Trichinenuntersuchungsgebühren und Gebühren für bakteriologische Untersuchungen nicht hätten erhoben werden dürfen. Zumindest stelle sich die Erhebung dieser Gebühren als eine offenkundige und erhebliche Überschreitung von Ermessensgrenzen dar. Aufgrund der offensichtlich fehlenden Abweichungsmöglichkeiten von dem Inhalt der Richtlinien sei auch von einem vorsätzlichen Handeln der Mitarbeiter der Beklagten und aus diesem Grunde ebenfalls von einem qualifizierten Verstoß gegen die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen auszugehen.

Aus demselben Grunde stelle sich das Verhalten der Mitarbeiter der Beklagten auch i.S.v. § 839 Abs. 1 BGB als schuldhaft dar, weil die Beklagte auf der Grundlage ihrer Satzung nicht vorgesehene Gebühren erhoben habe, die nach den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen eindeutig unzulässig gewesen seien. Der den Mitarbeitern der Beklagten zu machende Verschuldensvorwurf werde noch weiter dadurch untermauert, dass sie, die Klägerin, sich bereits mit den ab dem 01.01.1991 eingelegten Widersprüchen gegen die Gebührenbescheide auf eine Abrechnung nach den europarechtlichen Pauschalgebühren berufen habe.

Die von der Beklagten im Laufe des Berufungsverfahrens zu den Akten gereichten Unterlagen würden nicht hinreichend belegen, dass die Beklagte durch ihre Mitarbeiter eine eigene Rechtsprüfung habe durchführen lassen. Im Übrigen hält sie das Vorbringen der Beklagten zur Frage des Verschuldens für verspätet.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur Zahlung von 247.163,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 14.08.2004 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil als richtig.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Ihr Berufungsvorbringen rechtfertigt keine von der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts abweichende Beurteilung.

I.

Der Klägerin steht weder auf der Grundlage eines gemeinschaftsrechtlichen Haftungsanspruches noch nach den Grundsätzen der Amtshaftung gem. § 839 Abs. 1 BGB ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu. Die Voraussetzungen für beide Haftungsgrundlagen sind bereits dem Grunde nach nicht erfüllt.

1.

Die Beklagte haftet der Klägerin nicht nach den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen der Art. 189, 215 EWG-Vertrag bzw. Art. 249, 288 EGV wegen einer rechtswidrigen Erhebung von Fleischuntersuchungsgebühren in dem Zeitraum vom 09.01.1991 bis zum 07.02.1996 auf Erstattung des geltend gemachten Zinsschadens.

a)

Zwar kann der Klägerin darin gefolgt werden, dass die von der Beklagten in dem oben genannten Zeitraum ihr gegenüber erlassenen Gebührenbescheide für Fleischuntersuchungen ohne wirksame rechtliche Grundlage ergangen sind. Die Festsetzungen von Fleischuntersuchungsgebühren gegen die Klägerin waren rechtswidrig, soweit sie über den in den gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien 85/73 EWG in der Fassung der Entscheidung des Rates 88/408 bzw. der ab dem 01.01.1994 geltenden Richtlinie 93/118 EG vorgesehenen Gebühren lagen. Dies ist durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 26.09.2002 9 K 2582/99 rechtskräftig und mit Bindungswirkung für den vorliegenden Rechtsstreit festgestellt worden (vgl. BGH NVWZ 2001, 465, 466 m.w.N.). Die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil ist von dem OVG Münster wegen der zwischenzeitlich erfolgten Rücknahme der Ausgangsgebührenbescheide mangels Beschwer der Beklagten nicht zugelassen worden.

Hiernach bestand mit den entsprechenden Satzungsregelungen der Beklagten keine Rechtsgrundlage für die folgende über die Pauschalbeträge hinausgehend festgesetzten Gebühren.

Die Festsetzung von gesonderten Untersuchungsgebühren für Trichinenuntersuchungen und bakteriologische Untersuchungen gegen die Klägerin auf der Grundlage der mit Wirkung zum 01.01.1991 angepassten Satzungsregelungen der Beklagten verstieß gegen § 3 Abs. 2 Nr. 2 b und c des FlGFlHKostG NW und § 24 Abs. 2 S. 2 FlHG sowie gegen die oben genannten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen. Nach den genannten fleischhygienerechtlichen Bestimmungen war bei der Gebührenbemessung die Gemeinschaftsrichtlinie 85/73 in ihrer jeweiligen Fassung zu beachten. Art. 5 Abs. 1 S. 1 dieser Richtlinie in der Fassung der Entscheidung des Rates 88/408 bzw. Art. 2 Abs. 4 der anschließend ab dem 01.01.1994 geltenden Richtlinie 93/118 EG sehen vor, dass die in den Richtlinien genannte pauschale Gemeinschaftsgebühr an die Stelle jeder anderen Abgabe für Fleischuntersuchungen und Kontrollen tritt. Zu diesen anderen Abgaben für Fleischuntersuchungen und Kontrollen zählen auch Gebühren für Trichinenuntersuchungen und bakteriologische Untersuchungen. Dies ist durch das Urteil des EuGH vom 30.05.2002 in den verbundenen Verfahren C284/00 und C288/00 bindend festgestellt worden (Rdn. 49, 59 des Urteils).

Die in den Gebührenbescheiden enthaltene Festsetzung einer allgemeinen Untersuchungsgebühr war nach dem rechtskräftigen Urteil des VG Minden wegen unzulässiger Kostenüberdeckung ebenfalls rechtswidrig, weil die dieser Untersuchungsgebühr zugrunde liegende Kalkulation auch Versorgungsbezüge pensionierter Tierärzte bzw. deren Witwen berücksichtigte. Gem. § 3 FgGFlHKostG NW durfte die Pauschalgebühr vom Jahre 1991 bis einschließlich 1993 nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Richtlinie 85/73 EWG in der Fassung der Entscheidung 88/408 nach Art. 2 Abs. 2 nur bis auf den Stand der tatsächlichen Untersuchungskosten angehoben werden. Für den Zeitraum ab dem 01.01.1994 durfte nach der Richtlinie 85/73 EWG in der Fassung der Richtlinie 93/118 EG ein über den Pauschalbetrag hinausgehender höherer Betrag nur dann erhoben werden, wenn die erhobene Gesamtgebühr die tatsächlichen Untersuchungskosten nicht überschreitet, Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 93/118 EG. Bei den in der allgemeinen Untersuchungsgebühr der Beklagten enthaltenen Versorgungsbezügen handelt es sich nicht um die bei den Untersuchungskosten allein berücksichtigungsfähigen Lohnkosten und Lohnnebenkosten für das bei der Untersuchung benötigte Personal und die Kosten, die sich auf die Erbringung der Untersuchungsleistungen beziehen.

Über die vom Landgericht getroffene Feststellung, dass die Beklagte durch die Festsetzung der Gebühren für Trichinenuntersuchungen und bakteriologische Untersuchungen und die Festsetzung der allgemeinen Untersuchungsgebühr gegen gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat, herrscht zwischen den Parteien auch in der Berufungsinstanz kein Streit.

b)

Die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten wegen eines Verstoßes gegen gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen sind deshalb nicht erfüllt, weil sich nicht feststellen lässt, dass die Bediensteten der Beklagten in hinreichend qualifizierter Weise durch die Satzungsregelungen der Beklagten und die auf der Grundlage dieser Satzung ergangenen Gebührenbescheide gegen die genannten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen verstoßen haben. Außerdem kann für die ab dem 01.01.1994 festgesetzten Gebühren nicht festgestellt werden, dass durch die ab diesem Zeitpunkt geltende Richtlinie 93/118 EG jedem einzelnen Geschädigten eine Rechtsposition verliehen werden sollte, auf die er sich berufen kann.

aa)

Die Beklagte hat durch die Festsetzung der Fleischuntersuchungsgebühren in dem streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.1991 bis zum 07.02.1996 auf der Grundlage ihrer zum 01.01.1991 angepassten Satzungsbestimmungen nicht in der für den gemeinschaftsrechtlichen Haftungsanspruch erforderlichen hinreichend qualifizierten Weise gegen die genannten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen verstoßen.

Das Landgericht hat die für einen hinreichend qualifizierten Verstoß maßgeblichen Kriterien in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend wiedergegeben. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

(1)

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann nicht schon wegen einer mit den Vorgaben der Richtlinien verbundenen erheblichen Verringerung eines Ermessensspielraumes der Beklagten bei der Frage der Gebührenfestsetzung von einem qualifizierten Verstoß ausgegangen werden. Das Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass beide genannten Richtlinien unter den Voraussetzungen in Art. 2 Abs. 2 bzw. Abs. 3 im Hinblick auf die Möglichkeit der Abweichung von den Pauschalbeträgen einen Ermessensspielraum einräumten (vgl. auch EuGH Urt. v. 30. Mai 2002; C284/00 und C288/00 I14 Rdn. 54).

(2)

Gegen die Annahme eines hinreichend qualifizierten Verstoßes spricht zudem die bis zur Entscheidung des EuGH vom 30. Mai 2002 herrschende unklare Rechtslage darüber, ob die nach den Richtlinien geltende Pauschalgebühr auch die Kosten der Durchführung von Trichinen- und bakteriologischen Untersuchungen umfasst.

Diese Frage ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch durch das Urteil des EuGH vom 10. November 1992 in der Rechtssache C156/1991 nicht verbindlich geklärt worden. Diese Entscheidung nimmt wiederholt nur auf den Wortlaut der Richtlinien Bezug, wonach unter den Voraussetzungen und in den Grenzen des Art. 2 von den Pauschalbeträgen abgewichen werden kann.

Auch das Bundesverwaltungsgericht hat noch in seinem Vorlagebeschluss vom 27. April 2000 1 C 12.99 ausgeführt, dass sich dem Gemeinschaftsrecht nicht mit hinreichender Eindeutigkeit entnehmen lasse, ob die ggf. zu erhöhende (gemeinschaftsrechtliche) Pauschalgebühr den Untersuchungsaufwand abdecke, der durch die Untersuchung auf Trichinen ausgelöst werde (S. 13 des Beschlusses). Dem Beschluss ist zu entnehmen, dass sich diese Frage sowohl für die Bestimmungen der Entscheidung 88/408 EWG auf der Grundlage der Richtlinie 85/73 EWG als auch für die Regelungen der geänderten Richtlinie 93/118 EG stellt. Damit bestand die Rechtsunklarheit bis zur Entscheidung des EuGH vom 30. Mai 2002 gerade auch im Hinblick auf die Bestimmung des Art. 5 Abs. 1 der Entscheidung 88/408 EWG, wonach die Pauschalgebühr an die Stelle jeder anderen Abgabe oder Gebühr tritt, und die ähnlich lautende Regelung in Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie 93/118 EG.

(3)

Entgegen der hierzu von der Klägerin vertretenen Rechtsauffassung erscheint es angesichts der erst deutlich nach dem streitgegenständlichen Zeitraum der Gebührenerhebungen durch die Beklagte endgültig geklärten Rechtslage nicht im Sinne eines qualifizierten Verstoßes vorwerfbar, wenn die Bediensteten der Beklagten zusätzliche Gebühren für Trichinenuntersuchungen und bakteriologische Untersuchungen auf der Grundlage der Satzungsbestimmungen erhoben haben.

Der Wortlaut der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen ist schon objektiv nicht geeignet, tragfähige Anhaltspunkte für ein vorsätzliches Handeln der Bediensteten der Beklagten bei dem Erlass der zum 01.01.1991 in Kraft getretenen Gebührensatzung oder im Zeitpunkt des Erlasses der Gebührenbescheide auf der Grundlage dieser Satzung zu begründen.

Die objektiv bis zum 30. Mai 2002 herrschende Rechtsunsicherheit, das Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit dem Erlass der zum 01.01.1991 in Kraft getretenen Gebührensatzung unter Berücksichtigung der zu diesem Zeitpunkt für die Beklagte zur Verfügung stehenden Informationsquellen sowie die nach dem Inkrafttreten ihrer Satzungsbestimmungen zu dieser Frage ergangenen gerichtlichen Entscheidungen, die der Beklagten ebenfalls keinen Anlass geben konnten, ihre Satzungsbestimmungen zu ändern, rechtfertigen im Gegenteil die Annahme, dass die Beklagte seit dem Jahr 1991 zur Frage der Rechtmäßigkeit der von ihr erhobenen Gebühren zumindest entschuldbar rechtsirrig gehandelt hat.

(a)

Die von der Beklagten in der Berufungsinstanz vorgelegte Korrespondenz belegt, dass ihre Mitarbeiter die Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihr zu Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft geprüft und sich ihre zum Erlass der am 01.01.1991 in Kraft getretenen Satzung führende Rechtsmeinung aufgrund vernünftiger Überlegungen gebildet haben.

Bereits die Bekanntmachung der Protokollerklärung des Agrarrates und der Kommissionen der Europäischen Gemeinschaften zur Entscheidung des Rates 88/408 EWG durch den Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit vom 24.01.1989 (Bl. 309 d.A.) und der der Beklagten mit Verfügung des Regierungspräsidenten Detmold vom 15.08.1989 übersandte Erlass des Ministers für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft NRW vom 14.06.1989 stützten die mit den Satzungsbestimmungen zugrunde gelegte Rechtsauffassung, gesonderte Gebühren für Trichinen- und bakteriologische Untersuchungen erheben zu dürfen. Dies ergibt sich aus der Fußnote 1 der Bekanntmachung vom 24.01.1989 und aus den Regelungen des Erlasses zu Ziff. 1.3 und 3.1 und 3.2.

Die Antwort der Landesregierung vom 19.09.1991 auf eine kleine Anfrage (Bl. 453 ff d.A.) belegt, dass sie mit dem Erlass vom 14.06.1989 auf eine einheitliche Handhabung bei der Gebührenfestlegung unter Berücksichtigung der Entscheidung des Rates 88/408 EWG hingewirkt hat.

Dass die Beklagte mit diesen Vorgaben sodann in Abstimmung mit den übrigen Kreisen des Regierungsbezirkes sowie unter Beteiligung des Regierungspräsidenten im Hinblick auf die Umsetzung der Entscheidung des Rates 88/408 EWG eine Satzung erlassen hat, die weiterhin gesonderte Gebührentatbestände für Trichinen- und bakteriologische Untersuchungen vorsieht, kann der Beklagten nicht zum Vorwurf gereichen. Die Abstimmung mit den übrigen Kreisen und die Beteiligung des Regierungspräsidenten ist durch die von der Beklagten vorgelegte Korrespondenz (Bl. 290 - 292, 446 ff, 456 f d.A.) dokumentiert.

Es ergibt sich weder aus dem Vorbringen der Klägerin noch aus sonstigen Umständen, aus welchen anderen Quellen die Beklagte zu der Erkenntnis hätte gelangen können, dass die von ihr gebildete Rechtsmeinung unzutreffend war und dass bis auf höchste nationale Ebene zu diesen Fragen eine gemeinschaftsrechtswidrige Auffassung vertreten wurde.

Der Senat folgt dem eher als Rechtsauffassung anzusehenden Vorbringen der Klägerin, dass auf Seiten der Beklagten keine Rechtsprüfung stattgefunden habe und die Entscheidungsfindung bei der Beklagten unklar bleibe, nicht. Die zu den Akten gereichten Unterlagen belegen das Gegenteil. Soweit die Klägerin mit diesem Vorbringen den Sachvortrag der Beklagten bestreiten will, fehlt zudem unabhängig von der Erheblichkeit ihres abweichenden Vorbringens ein Beweisantritt dafür, dass sich die Vorgänge im Zusammenhang mit dem Erlass der Satzung zum 01.01.1991 anders als von der Beklagten dargestellt zugetragen haben.

(b)

Es ist auch nicht erkennbar, dass die Beklagte sich nach dem 01.01.1991 hätte veranlasst sehen müssen, ihre Gebührensatzung anzupassen und auf die Erhebung von gesonderten Gebühren zu verzichten.

Die nachfolgend ergangenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Minden vom 08.12.1993 (Bl. 293 ff d.A.), des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 19.01.1995 (Bl. 305 ff d.A.), des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 17.12.1993 und der daraufhin ergangenen Entscheidung des OVG Münster vom 19.01.1995 (Bl. 311 ff d.A.) geben der Beklagten - auch vor dem Hintergrund der von der Klägerin zwischenzeitlich erhobenen Widersprüche - keinen Anlass, von ihrer vertretenen Rechtsauffassung abzuweichen. Allen Entscheidungen ist gemeinsam, dass es jedenfalls nicht erkennbar ist, dass Gebühren für Trichinenuntersuchungen von den Pauschalgebühren erfasst sind. Dementsprechend bestand für die Beklagte auch keine Veranlassung, bei der zum 01.01.1995 in Kraft getretenen Satzung Bl. 378 ff d.A.), die Grundlage für die ab diesem Zeitpunkt erlassenen Gebührenbescheide geworden ist, auf die Erhebung der gesonderten Gebühren zu verzichten.

(4)

Soweit die Klägerin das ergänzende Vorbringen der Beklagten zu der Frage, ob sich ihre Mitarbeiter aufgrund einer sorgfältigen und gewissenhaften Prüfung ihre Rechtsmeinung gebildet haben, für verspätet hält, kann dem nicht gefolgt werden. Die Frage, welche Kenntnisstände und Überlegungen auf Seiten der Beklagten für den Erlass der Satzungsbestimmungen maßgeblich waren, hat für die Entscheidung des Landgerichts weder für die Frage des qualifizierten Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht noch für die Frage des Verschuldens bei dem Amtshaftungstatbestand gem. § 839 Abs. 1 BGB eine entscheidende Bedeutung erlangt. Aus diesem Grund hat der Senat der Beklagten durch den am 17.02.2006 verkündeten Auflagenbeschluss Gelegenheit gegeben, hierzu ergänzend vortragen (Bl. 272 d.A.). Vor diesem Hintergrund kann wegen der Bestimmung des § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht von einem verspäteten Vorbringen der Beklagten ausgegangen werden.

Zusammenfassend kann wegen der objektiven Rechtsunklarheit im Hinblick auf das Bestehen und den Umfang eines Ermessensspielraumes, einem jedenfalls nicht vorsätzlich begangenen Verstoß gegen gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen und der Entschuldbarkeit eines Rechtsirrtums zum Zeitpunkt des Erlasses der Satzungsbestimmungen und dem Erlass der Gebührenbescheide nicht von einem hinreichend qualifizierten Verstoß gegen gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen ausgegangen werden.

bb)

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass er mit dem Landgericht der Auffassung ist, dass es jedenfalls für die ab dem 01.01.1994 erlassenen Gebührenbescheide an der weiteren Voraussetzung für die Haftung wegen Verstoßes gegen gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen fehlt, wonach es sich bei der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung um eine dem Einzelnen verliehene Rechtsposition handeln muss. Insoweit ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH durch Urteil vom 09.09.1999 (NVWZ 2000, 182, 184 Rdn. 28), dass durch Art. 2 Abs. 1 der für die Zeit ab dem 01.01.1994 geltenden Richtlinie 93/118 EG keine unbedingte Verpflichtung der Mitgliedstaaten begründet wird, auf die sich der Einzelne berufen kann. Im Hinblick auf die in der Regelung enthaltene Befugnis, eine spezifische, die tatsächlichen Untersuchungskosten deckende Gebühr zu erheben, fehlt es an einer unbedingten Verpflichtung. Entgegen der Auffassung der Berufung der Klägerin ändert auch der zwischenzeitliche Umsetzungsakt in § 24 Abs. 2 FlHG bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie entgegen der der Entscheidung des EuGH zugrunde liegenden Situation, die sich mit einer Fassung des § 24 FlHG ohne diesen Umsetzungsakt zu befassen hatte, hieran nichts. Unabhängig von der Frage der Umsetzung vermag die Richtlinie 93/118 EG schon ihrem Inhalt nach keine hinreichend unbedingte und klare Verpflichtung der Mitgliedsstaaten und damit kein der Klägerin durch Gemeinschaftsrecht verliehenes Recht zu begründen.

2.

Aus den vorangegangenen Ausführungen folgt zugleich, dass der Klägerin auch gem. § 839 Abs. 1 BGB schon dem Grunde nach kein Anspruch auf Ersatz ihrer Zinsschäden zusteht.

Zwar stellt sich die durch das Verwaltungsgericht Minden mit Urteil vom 26.09.2002 rechtskräftig festgestellte rechtswidrige Gebührenerhebung als amtspflichtwidriges Verhalten gegenüber der Klägerin dar. Ebenso kommt ein amtspflichtwidriges Verhalten auf Seiten der Beklagten durch den Erlass der Satzungen mit objektiv gemeinschaftsrechtwidrigem Inhalt in Betracht.

Diese Amtspflichtverletzungen können der Beklagten jedoch nicht vorgeworfen werden, weil ein Verschulden ihrer Bediensteten nicht feststellbar ist.

a)

Im Hinblick auf den Erlass der Gebührenbescheide konnten die hiermit befassten Bediensteten der Beklagten mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auf die Rechtmäßigkeit der den Gebührenbescheiden zugrunde gelegten Satzungsbestimmungen vertrauen. Es ist nicht erkennbar, aus welchem Grunde die mit dem Erlass der Gebührenbescheide befassten Bediensteten der Beklagten Veranlassung hatten, die Rechtmäßigkeit der Gebührensatzungen und insbesondere die Vereinbarkeit mit gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen in Zweifel zu ziehen. Die Bediensteten der Beklagten konnten sich bei dem Erlass der Gebührenbescheide darauf beschränken, die Regelungen daraufhin zu überprüfen, ob diese mit den Satzungsbestimmungen der Beklagten in Einklang standen und im Übrigen auf die Satzung als Rechtsgrundlage vertrauen.

b)

Wegen des Erlasses der ab dem 01.01.1991 und ab dem 01.01.1995 in Kraft getretenen Gebührensatzungen und zur Frage, ob die Beklagte innerhalb des hier maßgeblichen Zeitraumes Anlass hatte, die Rechtmäßigkeit ihrer Satzungsbestimmungen in Frage zu stellen, wird auf die vorangegangenen Ausführungen Bezug genommen. Es ist nicht feststellbar, dass die Beklagte sich nicht aufgrund sorgfältiger und gewissenhafter Prüfung der zu Gebote stehenden Hilfsmittel eine als vertretbar anzusehende Rechtsmeinung gebildet und diese in der Folgezeit aufrechterhalten hat.

3.

Soweit die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch darauf stützt, dass gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen nicht zeitnah und fehlerfrei in innerstaatliches Recht umgesetzt worden sind und eine nicht rechtzeitige und gemeinschaftsrechtskonforme Umsetzung in bundes- und landesgesetzliche fleischhygienerechtlichen Bestimmungen beanstandet, so haftet jedenfalls nicht die Beklagte für eventuelle gesetzgeberische Versäumnisse auf diesem Gebiet.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 543 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

III.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 247.163,51 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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