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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 02.09.2005
Aktenzeichen: 11 UF 101/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1587c Nr. 1
Je nach Lage des Einzelfalls kann bereits eine lange Trennungsdauer bei damit einher gehender wirtschaftlicher Verselbständigung der Ehegatten es rechtfertigen, den Versorgungsausgleich nach § 1587c Nr. 1 BGB teilweise auszuschließen.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

11 UF 101/05 OLG Hamm

In der Familiensache

hat der 11. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Zumdick, den Richter am Oberlandesgericht Lüblinghoff und den Richter am Oberlandesgericht Jellentrup am 02. September 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 29.03.2005 wird der Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Unna vom 28.02.2005 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Von dem Versicherungskonto 11 220140 W 093 des Antragstellers bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Stralsund werden bezogen auf den 31.07.2004 als Ehezeitende Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 433,23 Euro auf das Versicherungskonto 11 071144 W 576 der Antragsgegnerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin übertragen.

Zum Ausgleich der Betriebsrente des Antragstellers bei der LEG Landesentwicklungsanstalt Nordrhein-Westfalen GmbH werden im Wege des erweiterten Splittings von dem Versicherungskonto 11 220140 W 093 des Antragstellers bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Stralsund bezogen auf den 31.07.2004 als Ehezeitende weitere Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 48,30 Euro auf das Versicherungskonto 11 071144 W 576 der Antragsgegnerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin übertragen.

Wegen des Ausgleichs restlicher Rentenanwartschaften von monatlich 67,92 Euro bleibt der Antragsgegnerin die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs vorbehalten.

Die Umrechnung der übertragenen Anwartschaften in Entgeltpunkte (West) wird angeordnet.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die seit dem 01.05.1993 getrennt lebenden Parteien haben am 11.02,1966 geheirateten, aus der Ehe ist ein am 12.09.1968 geborener Sohn hervorgegangen. Die Parteien sind Miteigentümer eines in Unna gelegenen Wohnhauses, das seit der Trennung von dem am 22.01.1940 geborenen Antragsteller allein bewohnt wird.

Der Antragsteller bezieht seit dem 01.09.2003 Altersrenten, die am 07.11.1944 geborene Antragsgegnerin geht noch einer teilschichtigen Erwerbstätigkeit nach. Daneben hat ihr der Antragsteller bis Juli 2004 Trennungsunterhalt von zuletzt monatlich 440,00 Euro gezahlt.

Der Antragsteller hat mit am 28.08.2004 zugestelltem Schriftsatz seiner Bevollmächtigten die Scheidung beantragt, die das Amtsgericht nach vorheriger Abtrennung des Verfahrens über den Versorgungsausgleich durch seitdem 10.01.2005 rechtskräftiges Urteil vom 10.01.2005 ausgesprochen hat.

Den im Beschwerdeverfahren noch streitbefangenen Versorgungsausgleich hat das Amtsgericht anschließend mit Beschluss vom 28.02.2005 durchgeführt und hierbei nach Maßgabe eingeholter Versorgungsauskünfte der beteiligten Versorgungsträger -auf Seiten beider Parteien die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, auf Seiten des Antragstellers daneben die LEG Landesentwicklungsgesellschaft Nordrhein-Westfalen GmbH in Düsseldorf- angeordnet, dass bezogen auf den 31.07.2004 vom Versicherungskonto des Antragstellers bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Versorgungsanwartschaften in Höhe von monatlich 418,48 Euro und monatlich 48,30 Euro auf das Rentenversicherungskonto der Antragsgegnerin bei der Bundesversicherungsanstalt übertragen werden. Wegen restlicher auszugleichender Versorgungsanwartschaften in Höhe von monatlich 132,54 Euro hat das Amtsgericht der Antragsgegnerin dagegen die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs vorbehalten.

Gegen diesen ihm am 07.03.2005 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der unter Hinweis auf die bereits 1993 erfolgte Trennung eine Beschränkung des Versorgungsausgleichs auf den Zeitraum bis Mai 1993 fordert.

Die Antragsgegnerin verteidigt dagegen die angefochtene Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Feststellungen des Amtsgerichts in seiner angefochtenen- Entscheidung sowie den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 22.06.2005 Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 629 a II, 621 e, 621 I Nr. 6 ZPO zulässige Beschwerde des Antragstellers ist teilweise begründet. Bei der im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gebotenen umfassenden Überprüfung der angefochtenen Entscheidung (vgl. hierzu nur BGH NJW 1983, 173; 1986, 1494; Palandt-Brudermüller, BGB, 64. Aufl. Vorb. v. § 1587 Rz. 15) gilt hierzu im einzelnen folgendes:

1.

Der vom Amtsgericht dem Grunde nach zu Recht zuerkannte, Ausgleichsanspruch der Antragsgegnerin ergibt sich aus §§ 1587,1587 a BGB.

a)

Gemäß § 1587 I BGB findet zwischen den geschiedenen Ehegatten der Versorgungsausgleich statt, soweit für sie oder einen von ihnen in der Ehezeit Anwartschaften oder Aussichten auf eine Versorgung wegen Alters oder Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit der in § 1587 a II BGB genannten Art begründet oder aufrecht erhalten worden sind.

b)

"Ehezeit" ist nach § 1587 II BGB die Zeit vom Beginn des Monats, in dem die Ehe geschlossen worden ist, bis zum Ende des Monats, der der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages vorausgeht. Die Ehezeit der Parteien dauerte danach vom 01.02.1966 bis zum 31.07.2004.

c)

Während dieser Zeit haben beide Parteien nach den eingeholten Auskünften der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und der LEG Landesentwicklungsanstalt Nordrhein-Westfalen GmbH Versorgungsanwartschaften in unterschiedlicher Höhe erworben.

aa)

Nach der vom Amtsgericht eingeholten Rentenauskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Stralsund vom 01.11.2004 (Bl. 37 ff GA) hat der Antragsteller in der Ehezeit Versorgungsanwartschaften in Höhe von monatlich 1.371,25 Euro sowie daneben bei der LEG Landesentwicklungsanstalt Nordrhein-Westfalen GmbH nach deren Auskunft vom 09.11.2004 (Bl. 50 f GA) Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in Höhe von jährlich 7.711,56 Euro erworben, wobei die letztgenannte Versorgung sowohl im Anwartschafts- als auch im Leistungsstadium als statisch zu bewerten ist, ihr Ehezeitanteil allerdings -entgegen der Annahme des Amtsgerichts- nicht vollständig der erworbenen Jahresrente entspricht. Denn im Rahmen des Versorgungsausgleichs ist ungeachtet des bereits früher einsetzenden Rentenbezugs des Antragstellers von einer regelmäßigen Betriebszugehörigkeit bis zum 22.01.2005 (Erreichen des 65. Lebensjahres) auszugehen, während das Ehezeitende bereits am 31.07.2004 erreicht war (s.o.). Der Ehezeitanteil der erworbenen Betriebsrente beträgt mithin nur 98,338 % = 7.583,39 Euro jährlich.

bb)

Die Antragsgegnerin hat dagegen während der Ehezeit bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin nach deren Auskunft vom 29.10.2004 (Bl. 27 ff GA) Rentenanwartschaften von monatlich 534,30 Euro erworben.

cc)

Die von den Ehegatten während der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften sind zwischen ihnen grundsätzlich nach Maßgabe der §§ 1587 a, 1587 b. I BGB in Höhe des hälftigen Wertunterschiedes auszugleichen. Der Streitfall weist indes Besonderheiten auf, die gemäß § 1587c Nr. 1 BGB eine Beschränkung des zu Lasten des Antragstellers durchzuführenden Versorgungsausgleichung als sachgerecht erscheinen lassen. Eine uneingeschränkte Inanspruchnahme des ausgleichspflichtigen Antragstellers würde sich unter Berücksichtigung der beiderseitigen Vermögens- und Einkommensverhältnisse während der Ehe im Sinne der genannten Bestimmung als "grob unbillig" darstellen.

Nach der Rechtsprechung des BGH (u.a. Beschluss vom 19.05.2004 -XII ZB 14/03-, FamRZ 2004, 1181 ff, 1183), der der Senat insoweit folgt, kann je nach Lage des Einzelfalls bereits eine lange Trennungszeit bei damit einher gehender wirtschaftlicher Verselbständigung der Ehegatte es rechtfertigen, den Versorgungsausgleich teilweise auszuschließen. Zur Begründung wird zu Recht darauf verwiesen, dass der Versorgungsausgleich dem Gedanken Rechnung tragen soll, dass jede Ehe infolge der auf Lebenszeit angelegten Lebensgemeinschaft schon während der Erwerbstätigkeit des oder der Ehegatten im Keim (auch) eine Versorgungsgemeinschaft ist (BGH aaO. unter Hinweis auf BGH Urteil v. 11. 2. 2004 - XII ZR 265/02 -, FamRZ 2004, 601, 605). Aus diesem Grund werden die während der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften gemäß dem ursprünglichen gemeinsamen Zweck der beiderseitigen Alterssicherung aufgeteilt. Für den Versorgungsausgleich fehlt danach die rechtfertigende Grundlage, solange die eheliche Lebensgemeinschaft durch Trennung der Eheleute aufgehoben ist (BGH aaO. m.w.N.). Dass der Versorgungsausgleich nach der gesetzlichen Regelung nicht auf die Zeit der ehelichen Lebensgemeinschaft beschränkt, sondern grundsätzlich für die gesamte Ehezeit vorgeschrieben ist (§ 1587 BGB), steht dem nicht entgegen, da diese gesetzliche Regelung in erster Linie auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht und insbesondere dem Ausgleichsverpflichteten die Möglichkeit nehmen soll, den Ausgleichsanspruch durch Trennung von dem Ehegatten zu manipulieren (BGH aaO.).

Im Streitfall ging der Entschluss zur Trennung von der Antragsgegnerin aus, die ein weiteres Zusammenleben mit dem Antragsteller aufgrund seines für sie nicht mehr tolerablen Verhaltens und ihrer eigenen Erkrankung -wegen der Einzelheiten wird insoweit auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 22.06.2005 verwiesen- ernsthaft und endgültig ablehnte. Ihren Unterhalt stellte die Antragsgegnerin in der Folgezeit in wesentlichen Teilen durch eigene Erwerbstätigkeit sicher, daneben wurde sie bis Juli 2004 auf der Grundlage der privatschriftlichen Trennungsvereinbarung der Parteien vom 30.04.1993 (Bl. 92 GA) von dem Antragsteller durch Unterhaltszahlungen unterstützt, und zwar zunächst in Höhe von monatlich 1.100,00 DM, später in Höhe von monatlich 440,00 Euro. Die geleisteten Unterhaltszahlungen des Antragstellers glichen dabei in der Sache zugleich den von ihm gezogenen Gebrauchsvorteil (§ 100 BGB) durch unentgeltliche Nutzung der im Miteigentum beider Parteien stehenden Immobilie aus, auch wenn insoweit keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen wurde. Weitergehende wirtschaftliche Verpflichtungen bestanden zwischen den Parteien nach der Trennung dagegen nicht mehr, was sich insbesondere auch darin widerspiegelt, dass der Antragsteller seitdem die laufenden -auch verbrauchsunabhängigen- Kosten der gemeinsamen Immobilien ebenso allein getragen hat wie die Raten der noch laufenden Hausfinanzierung sowie die angefallenen Renovierungs- und Instandsetzungskosten, Bei dieser dargelegten Sachlage wäre es nach Einschätzung des Senats i.S.d. § 1587c Nr. 1 BGB grob unbillig, die Antragsgegnerin trotz ihrer Abkehr von der Ehe und der danach vollzogenen weitgehenden wirtschaftlichen Verselbständigung der Parteien im Wege des Versorgungsausgleichs gleichwohl uneingeschränkt an sämtlichen nach der Trennung erworbenen Versorgungsanwartschaften des Antragstellers teilhaben zu lassen: Vielmehr erscheint es aus Gründen der Billigkeit sachgerecht, den Versorgungsausgleich zeitlich auf diejenigen Anrechte beider Parteien zu beschränken, die bis zum Zeitpunkt einer frühestmöglichen Einleitung des Scheidungsverfahrens, d.h. nach am 01.05.1993 erfolgter Trennung (Bl. 57 GA) in Ansehung des zu wahrenden Trennungsjahrs (§ 1565 I, II BGB) bis einschließlich 30.04.1994, erworben wurden.

2. Ausgleichsberechnung:

a)

Bei einer nach § 1587 c BGB aus Billigkeitsgründen auf die im Zeitraum 01.02.1966 -30.04.1994 erworbenen Anrechte der Parteien beschränkten Versorgungsausgleich sind auf Seiten des Antragstellers entsprechend der ergänzenden Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Stralsund vom 01.06.2005 (Bl. 94 GA) in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbene Anrechten in Höhe von monatlich 1.021,62 Euro in die Berechnung einzustellen, während der berücksichtigungsfähige Ehezeitanteil seiner bei der LEG Landesentwicklungsgesellschaft Nordrhein-Westfalen GmbH erworbenen Betriebsrente nur 64,2659 % beträgt (Gesamtzeit 361 Monate; ausgleichsrelevanter Ehezeitanteil 232 Monate), was einer Jahresrente von 4.955,88 Euro entspricht. Im Rahmen der gebotenen Dynamisierung ist dabei aufgrund der Art der Versorgungszusage sowie im Hinblick auf den bei Ehezeitende bereits laufenden Rentenbezug des Antragstellers die Tabelle 7 der BarwertVO anzuwenden und dementsprechend für die Ermittlung des Barwertes ein Multiplikator von 10,3 zugrunde zu legen. Es errechnet sich so bezogen auf den 31.07.2004 eine "dynamisierte" Anwartschaft in Höhe von 232,44 Euro: (4.955,88 Euro x 10,3 = 51.045,56 Euro Barwert x 0,0001742628 = 8,8954 EP x 26,13 Euro aktueller Rentenwert).

Die in gleicher Zeit (01.02.1966 - 30.04.1994) erworbenen Anwartschaften der Antragsgegnerin in der gesetzlichen Rentenversicherung belaufen sich dagegen entsprechend der hierzu erteilten ergänzenden Rentenauskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin vom 23.06.2005 (Bl. 106 ff GA) auf 155,16 Euro.

Es errechnet sich danach ein Wertunterschied von (1.021,62 Euro + 232,44 Euro -155,16 Euro =) 1.098,90 Euro, der nach § 1587a I BGB hälftig, mithin in Höhe von 549,45 Euro, zugunsten der ausgleichsberechtigten Antragsgegnerin auszugleichen ist.

b)

Der Ausgleich hat hinsichtlich der Wertdifferenz der beiderseitigen Anrechte der Parteien in der gesetzlichen Rentenversicherung, d.h. in Höhe eines Betrages von (1.021,62 ./. 155,16 = 866,46 : 2 =) 433,23 Euro nach § 1587b I BGB durch Splitting zu erfolgen, während der Ausgleich weiterer Anrechte in Höhe von monatlich 48,30 Euro durch erweitertes Splitting nach § 3 b I Nr. 1 VAHRG erfolgen kann.

Der Ausgleich restlicher (549,45 ./. 433,23 ./. 48,30 Euro =) 67,92 Euro monatlich ist dagegen auch bei einer zeitlichen Beschränkung nach § 1587c Nr. 1 BGB dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorzubehalten.

3.

Gemäß § 1587 b VI BGB war die Umrechnung der zu übertragenden Rentenanwartschaften in Entgeltpunkte anzuordnen.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 93 a ZPO, die Wertfestsetzung beruht auf § 49 GKG.

Ende der Entscheidung

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