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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 02.02.2005
Aktenzeichen: 11 UF 136/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, EStG


Vorschriften:

ZPO § 323 Abs. 1
BGB § 1569
BGB § 1570
BGB § 1582 Abs. 1
BGB § 1601
BGB § 1603 Abs. 2 S. 1
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 28. Juni 2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Beckum teilweise abgeändert und neu gefaßt.

Unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Beckum vom 28. April 2003 (6 F 210/02) wird der Beklagte verurteilt, wie folgt Unterhalt zu zahlen:

1. An die Klägerin zu 1) ab Januar 2004 monatlich 85,80 €;

2. an die Klägerin zu 2):

a) für Januar bis Mai 2004 monatlich 144,20 €;

b) für die Zeit ab Juni 2004 monatlich 190,48 €.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Parteien sind seit dem 09.12.1999 rechtskräftig geschiedene Eheleute. Aus der Ehe ist das Kind D, geboren am 28.07.1995, die Klägerin zu 2), hervorgegangen. Die Klägerin zu 2) lebt bei der Klägerin zu 1). Der Beklagte ist seit dem 12.05.2000 erneut verheiratet und Vater der am 26.10.2000 geborenen E. Die neue Ehefrau des Beklagten ist nicht berufstätig.

Durch im Scheidungstermin am 09.12.1999 geschlossenen Vergleich (6 F 113/99 AG Beckum) verpflichtete sich der Beklagte, ab Januar 2000 einen monatlichen Unterhalt von 480,00 DM an die Klägerin zu 1) zu zahlen. Durch Urteil vom 06.01.2000 in dem Verfahren 6 F 172/99 ist der Kindesunterhalt für die Klägerin zu 2) auf 327,47 DM festgesetzt worden.

Durch Urteil vom 28.04.2003 änderte das Gericht in dem Verfahren 6 F 210/02 den Vergleich und das Urteil vom 06.01.2000 dahingehend ab, dass der jetzige Beklagte ab Februar 2003 einen Ehegattenunterhalt in Höhe von 22,53 € und einen Kindesunterhalt für die Klägerin zu 2) in Höhe von 50,00 € monatlich zu zahlen hat. Bei der Festlegung der Unterhaltsbeträge ging das Gericht von einer relevanten Reduzierung des Einkommens des Beklagten infolge des Bezuges von Kurzarbeitergeld auf 1.250,00 € netto monatlich aus.

Mit der vorliegenden Klage haben die Kläger die Erhöhung des zu zahlenden Unterhalts nach entsprechend eingeschränkter Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ab Oktober 2003 begehrt.

Sie haben behauptet, der Beklagte verfüge tatsächlich über ein Nettoeinkommen von 1.828,96 € monatlich. Die angegebene Kurzarbeit sei bereits im April 2003 ausgelaufen. Dem Einkommen hinzuzurechnen sei eine durchschnittlich anfallende Steuererstattung von monatlich 70,19 €. Abzuziehen seien ein Nettoarbeitgeberanteil VL von 15,00 € sowie monatliche Fahrtkosten in Höhe von 280,50 €. Der Kredit mit einer Rate von 357,90 € sei zumindest gegenüber dem Kindesunterhalt nicht zu berücksichtigen. Darüber hinaus werde bestritten, dass der Kredit regelmäßig bedient worden sei. Auch gegenüber dem Ehegattenunterhalt sei dieser Kredit nachrangig.

Die Kläger haben beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) Nachscheidungsunterhalt in Höhe von monatlich 273,36 € ab Oktober 2003 und an die Klägerin zu 2) monatlich Kindesunterhalt in Höhe von 190,48 €, ebenfalls ab Oktober 2003 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, über die ausgeurteilten Beträge von 22,53 € und 50,00 € hinaus nicht leistungsfähig zu sein. Sowohl der Ehegattenunterhalt als auch der Kindesunterhalt seien nach einem Einkommen bei Versteuerung nach der Steuerklasse I zu ermitteln. Von dem dann verbleibenden Netto in Höhe von 1.599,22 € sei ein Arbeitgeberanteil VL mit 28,00 € sowie Fahrtkosten von 280,50 € abzuziehen. Darüber hinaus bediene er weiterhin den ehebedingten Kredit mit 357,90 € monatlich, so dass nur ein freies Einkommen von 932,82 € verbleibe. Die Klägerin zu 1) sei zudem verpflichtet, selbst zu ihrem Lebensunterhalt beizutragen.

Das Amtsgericht hat der Klage zum Teil stattgegeben und das Urteil des Amtsgerichts vom 28.04.2003 dahingehend abgeändert, dass der Beklagte ab Oktober 2003 an die Klägerin zu 1) einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 85,80 € und an die Klägerin zu 2) einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 190,48 € zu zahlen hat. Bezüglich der Ermittlung des Ehegattenunterhalts hat das Amtsgericht die Steuerklasse I und bei Ermittlung des Kindesunterhalts die Steuerklasse III zu Grunde gelegt. Bei der Steuerklasse III ergebe sich nach Abzug der Fahrtkosten in Höhe von 280,50 € ein Nettoeinkommen von 1.614,20 €. Der ehebedingte Kredit in Höhe von 357,20 € sei hiervon nicht abzuziehen. Bezüglich des Ehegattenunterhalts sei von einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.586,34 € auszugehen. Hinzuzuziehen sei die durchschnittliche Steuererstattung von monatlich 70,19 € und in Abzug zu bringen der Nettoarbeitgeberanteil der VL in Höhe von 22,40 € sowie die Fahrtkosten von 280,50 €. Auch der ehebedingte Kredit in Höhe von 357,90 € sei abzuziehen. Dem Beklagten verbleibe nur ein Einkommen von 995,73 €.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung und beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1. die Klage der Klägerin zu 1) abzuweisen;

2. für die Zeit ab 01. September 2004 das Urteil des Amtsgerichts Beckum vom 28. April 2003 (6 F 210/02) dahingehend abzuändern, daß der Beklagte nicht mehr verpflichtet ist, an die Klägerin zu 1) Ehegattenunterhalt zu zahlen;

3. die Klage abzuweisen, soweit der Klägerin zu 2) ab Oktober 2003 ein höherer monatlicher Kindesunterhalt als 100,00 € zugesprochen wurde.

Die Kläger beantragen,

das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Beckum vom 28.06.2004 aufrechtzuerhalten und die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Berufung auf die viermonatige Kurzarbeit unzulässig sei, weil dies bereits Gegenstand der verfristeten Berufung 11 UF 93/03 in dem Ausgangsverfahren 6 F 210/02 Amtsgericht Beckum gewesen sei.

Die Klägerin zu 1) könne ab September 2004, ab diesem Zeitpunkt besuche die Klägerin zu 2) die dritte Grundschulklasse, einer Teilerwerbstätigkeit nachgehen und hierfür ein monatliches Einkommen von 400,00 € erzielen. Ab 01. September 2004 lebe die Klägerin zu 1) in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit einem Partner, der mindestens 1.400,00 € als Maurer netto verdiene. Als fiktives Versorgungsentgelt für die Führung des Haushalts seien monatlich 400,00 € anzusetzen. Zur Ermittlung der Tabellenbeträge bezüglich des Kindesunterhalts sei von einem Nettoeinkommen von 1.614,20 € auszugehen. Unter Ansetzung der Tabellenbeträge für die beiden Kinder von 275,00 € und 227,00 € liege der Ehegattenunterhalt mit 729,00 € unter dem fiktiv anzurechnenden eigenen Verdienst der Klägerin von 2 x 400,00 €. Vorsorglich sei von seinem Nettoeinkommen der ehebedingte Kredit in Höhe von monatlich 357,90 € abzuziehen sowie monatlich 100,46 € für Anwalts- und Gerichtskosten für das Scheidungsverfahren. Die Kläger behaupten, daß die Klägerin zu 1) und ihr vollschichtig als Maurer arbeitender Lebensgefährte den Haushalt gemeinsam führen würden. Es sei allenfalls ein fiktives Versorgungsentgelt von monatlich 100,00 € anzusetzen. Die komplette Miete und die Nebenkostenvorauszahlung werde von ihrem Lebenspartner erbracht. Sozialhilfe beziehe die Klägerin zu 1) nicht.

Der Senat hat die Parteien im Senatstermin angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf den Berichterstattervermerk verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat im tenorierten Umfang Erfolg.

I.

Die Abänderungsklage ist gem. § 323 Abs. 1 ZPO zulässig, denn die Kläger tragen schlüssig vor, dass mit dem höheren Einkommen des Beklagten eine wesentliche Veränderung der Umstände eingetreten sei.

II.

Der Beklagte ist der Klägerin zu 1) dem Grunde nach gem. §§ 1569, 1570 BGB und der Klägerin zu 2) dem Grunde nach gem. § 1601 BGB unterhaltspflichtig.

1.

Einkommensermittlung

a)

Einkommen des Beklagten

Der Beklagte ist seit dem 12.05.2000 wieder verheiratet und in der Lohnsteuerklasse 3 eingeordnet. Durch die Entscheidung vom 07.10.2003 hat das Bundesverfassungsgericht bestimmt, daß die der neuen Ehe gesetzlich eingeräumten Steuervorteile dieser zu verbleiben haben und nicht an die geschiedene Ehefrau weitergegeben werden dürfen. Für die Einkommensermittlung bedeutet dies, daß der Splittingvorteil in Bezug auf den Ehegattenunterhalt der geschiedenen Ehefrau herauszurechnen ist. Dazu ist das unterhaltsrelevante Einkommen für den Unterhalt der geschiedenen Ehefrau fiktiv nach dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen entsprechend der Lohnsteuerklasse 1 zu ermitteln. Bei der Ermittlung dieses fiktiven Einkommens ist gleichzeitig der in Betracht kommende Realsplittingvorteil gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen. Dabei ist es nach Auffassung des Senats grundsätzlich unerheblich, ob das Realsplitting tatsächlich in Anspruch genommen worden wäre. Kann der nach der bisherigen Rechtsprechung (z. B. BGH FamRZ 1986, 798) einzusetzende Splittingvorteil noch geltend gemacht werden, ist das grundsätzlich berechtigte Erhöhungsverlangen der geschiedenen Ehefrau auf den fiktiven Betrag zu begrenzen, der bei richtiger Zuordnung des Splittingvorteils und ausgleichender Inanspruchnahme des Realsplittings zu zahlen gewesen wäre (Senat, Urteil vom 14.01.2005 - 11 UF 59/04 -, Gutdeutsch, FamRZ 2004, 501).

b)

Fiktives Einkommen des Beklagten (Steuerklasse 1 ohne Realsplittingvorteil)

aa)

Einkommen im Jahr 2003 (berechnet anhand der Dezemberabrechnung 2003, Bl. 51 d. A.):

Bei einem Bruttoeinkommen von errechnet sich bei der Lohnsteuerklasse 1 und einem fiktiven Kinderfreibetrag von 0,5 unter Abzug der Lohnsteuer (Steuerbrutto: 27.051,00 €), der Kirchensteuer, des Solidaritätszuschlags, der Rentenversicherung, der Krankenversicherung (13,9 %) der Arbeitslosenversicherung, der Pflegeversicherung, ein monatliches Nettoeinkommen von 18.933,63 € : 12 = 29.514,27 € - 4.439,00 € - 319,68 € - 195,36 € - 2.637,47 € - 1,880,04 € - 879,16 € - 229,93 € 1.577,80 €

Der Realsplittingvorteil für das Jahr 2003 kann nicht mehr in Anspruch genommen werden, was der Senat hier wegen des relativ geringen Betrages von 460,17 € (9 x 22,53 € + 3 x 85,80 €) nicht zu Lasten des Beklagten gewertet hat.

Zuzüglich Krankengeld laut Angaben des Beklagten im Senatstermin i.H.v. 800,00 € : 12 + 66,67 €

Zwischensumme 1.644,47 €

Abzüglich der Nettoquote der vermögenswirksamen Leistungen (VL), 64 % von 204,33 € (Arbeitgeberanteil berechnet nach Stunden: 1.571,75 € x 0,13 = 204,33) : 12 - 10,90 €

Abzüglich der im Jahr 2003 gezahlten Steuernachzahlung für das Jahr 2002 von 2.383,78 € : 12 = Nach ständiger Rechtsprechung gilt grundsätzlich das sogenannte In-Prinzip. Das bedeutet, dass bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens grundsätzlich die im jeweiligen Zeitraum gezahlten und erstatteten Steuern einkommensmindernd oder einkommenserhöhend abzusetzen sind (zuletzt BGH FamRZ 2003,741,744). - 198,65 €

Zwischensumme 1.434,92 €

Abzüglich Fahrtkosten bei 156 Tagen im Jahr und einer Fahrtstrecke von 45 km: 2.667,60 € : 12 222,30 €

Abzüglich Kreditbelastung bei der O 357,90 €

Abzüglich Beitrag Kindertagesstätte 44,48 €

Berechnetes Nettoeinkommen 810,24 €

Der weitere monatliche Kredit für etwaige Anwalts- und Gerichtskosten von monatlich 100,46 € war dagegen nicht abzuziehen. Dieser Kredit ist gegebenenfalls vom Selbstbehalt des Beklagten zu tilgen.

Das Einkommen des Beklagten liegt mit 810,24 € unterhalb des Selbstbehalts von 840 €.

bb)

Einkommen 2004 (berechnet nach Steuerklasse 1 incl. Realsplittingvorteil, berechnet anhand der Dezemberabrechnung 2004, Bl. 141 d. A.):

(1)

Einkommen Januar bis Mai 2004

Bei einem Bruttoeinkommen von errechnet sich bei einer Lohnsteuerklasse 1 und einem fiktiven Kinderfreibetrag von 0,5 unter Abzug der Lohnsteuer (Steuerbrutto: 27.734,06 €) der Kirchensteuer, des Solidaritätszuschlags, der Rentenversicherung, der Krankenversicherung (13,9 %), der Arbeitslosenversicherung, der Pflegeversicherung, ein monatlicher Nettolohn von 19.092,35 € : 12 = 29.654,97 € - 4.296,00 € - 309,06 € - 188,87 € - 2.704,07 € - 1.927,52 € - 901,36 € - 235,74 € 1.591,03 €

 Dem ist ein Realsplittingvorteil hinzuzurechnen von 353,78 € : 12 = Dieser Realsplittingvorteil errechnet sich, wenn man die titulierte Unterhaltspflicht für die geschiedene Ehefrau für das Jahr 2004 von 12 x 85,80 € = 1.029.60 € zu Grunde legt und darauf das Unterhaltsberechnungsprogramm WinFam, Stand 8/2004 anwendet unter Berücksichtigung der Steuerklasse 1/05. Der Realsplittingvorteil kann hier auch fiktiv berücksichtigt werden, weil der Beklagte diesen Vorteil noch steuerlich geltend machen kann.29,48 €
zuzüglich Krankengeld 500,00 € : 12 41,67 €
Zwischensumme1.662,18 €
abzüglich Nettoanteil VL 129,40 € : 1210,78 €
Fahrtkosten bei 158 Tagen im Jahr 2.701,80 € : 12225,15 €
abzüglich Kosten Kindertagesstätte44,48 €
abzüglich Kredit O357,90 €
berechnetes Einkommen1.023,87 €

Die im Jahr 2004 erfolgte Steuererstattung für das Jahr 2003 hat der Senat hier entsprechend dem Urteil vom 14.01. 2005 - 11 UF 59/04 - nicht berücksichtigt, weil insgesamt fiktiv gerechnet worden ist und um zu verhindern, dass der geschiedenen Ehefrau ein Steuervorteil zukommen könnte, der ihr nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2003,3466 = FamRZ 2003,1821) entzogen sein soll.

(2)

Juni bis August 2004

Gegenüber dem zuvor genannten Zeitraum ergibt sich der Unterschied, daß der Kredit gegenüber der O in Höhe von 357,90 € nicht mehr abzusetzen ist. Bei dem Kredit gegenüber der O handelte es sich unstreitig um einen ehebedingten Kredit. Ausweislich des Darlehnsvertrags der O GmbH (Bl. 111 d. Beiakte 6 F 210/02) war die erste Rate fällig am 18.06.1998 in Höhe von 700,00 DM (dies entspricht den 357,90 €). Die letzte Rate sollte fällig sein am 18.05.2004. Der Beklagte hat eingewandt, daß dieses Darlehn erst im Dezember 2004 getilgt ist. Dies bedeutet gleichzeitig, daß er das Darlehn nicht vertragsgemäß bedient hat. Da sich nicht aufklären ließ, wann in der Vergangenheit der Kredit nicht bedient wurde und die Tilgungsraten nur einmal berücksichtigt werden können, ist unterhaltsrechtlich davon auszugehen, dass die letzte Rate im Mai 2004 als getilgt gilt. Bleibt das zuvor erwähnte Darlehn unberücksichtigt, so errechnet sich ein Einkommen für die Zeit von Juni bis August 2004 in Höhe von 1.381,77 €.

(3)

Einkommen ab September 2004

Das Einkommen des Beklagten ab September 2004 bleibt weiter bei der zuvor errechneten Höhe in Höhe von 1.381,77 €.

c)

Dem unterhaltsrelevanten Einkommen ist der Splittingvorteil nur bzgl. des Ehegattenunterhalts der geschiedenen Ehefrau aus den zuvor erwähnten Gründen entzogen. Dem Unterhalt des Kindes aus der geschiedenen Ehe ist der Splittingvorteil dagegen nicht entzogen. Gegen die Zuordnung des Splittingvorteils allein zur "neuen Familie" spricht der unterhaltsrechtliche Gleichrang sämtlicher Kinder eines Unterhaltsverpflichteten, denen er im Streitfall in gleichem Maße gem. § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB gesteigert unterhaltspflichtig ist. Der Senat folgt insoweit der Auffassung des 1. Familiensenats des Oberlandesgerichts Hamm (Urteil vom 05.02.2004 - 1 UF 158/03 - FamRZ 2004, 1575).

Bei der Berechnung der Ansprüche im Mangelfall nach Wiederverheiratung hat demnach eine mehrstufige Berechnung, und zwar in vier Schritten stattzufinden.

aa)

Im ersten Schritt ist der Steuervorteil aus der Wiederheirat unter Berücksichtigung der Inanspruchnahme des Realsplittings zu ermitteln. Dabei berechnet sich der abzuziehende - fiktive - Realsplittingvorteil aus der Differenz, den der Beklagte als Realsplittingvorteil bei Steuerklasse 1/05 hätte und dem Realsplittingvorteil bei Steuerklasse 3/2. Dies deshalb, weil der Beklagte sowohl bei Steuerklasse 1 als auch bei Steuerklasse 3 den Realsplittingvorteil gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 EstG in Anspruch nehmen könnte. Der Realsplittingvorteil nach der Steuerklasse 3 aber muß der "neuen Familie" verbleiben. An diesem Betrag soll die geschiedene Ehefrau nicht teilhaben.

bb)

Im zweiten Schritt ist der zuvor ermittelte Betrag zwischen den Kindern und der insoweit als gleichrangig anzusehenden neuen Ehefrau aufzuteilen.

cc)

Im dritten Schritt ist das fiktiv nach Lohnsteuerklasse 1 (incl. Realsplittingvorteil ggf. abzgl. eines Realsplittingnachteils) ermittelte Einkommen abzüglich des Selbstbehaltes auf die geschiedene Ehefrau und die ihr gleichrangigen Kinder zu verteilen.

dd)

Im vierten Schritt ist der Kindesunterhalt durch Addition der auf die Kinder entfallenden Quoten aus den Rechenschritten zwei und drei festzustellen.

d)

Einkommen der Klägerin zu 1)

Bis Ende August 2004 hat die Klägerin zu 1) kein eigenes Einkommen erzielt. Sie mußte es auch nicht, weil die Klägerin zu 2) noch bis Sommer 2006 zur Grundschule geht (17.1.1 HLL). Ab September 2004 lebt die Klägerin zu 1) mit einem Partner zusammen, der mindestens 1.400,00 € monatlich netto verdient. Wie die Klägerin zu 1) im Senatstermin dargelegt hat, bezahlt dieser Lebenspartner auch die gesamte Miete für die gemeinsame 82 qm große Wohnung. Dafür führt die Klägerin zu 1) ihrem Lebensgefährten unentgeltlich den Haushalt, wobei der Senat davon ausgeht, daß der Lebensgefährte gelegentlich, vor allem am Wochenende, wie die Klägerin zu 1) erklärt hat, im Haushalt mit hilft. Gemäß 6.1 HLL kann für die unentgeltliche Führung des Haushalts ein Betrag zwischen 250,00 und 500,00 € angesetzt werden. Der Senat hat die Haushaltsführung und das daraus resultierende fiktive Einkommen der Klägerin zu 1) - verbunden mit dem Mietvorteil - dahin berücksichtigt, dass der Bedarf der Klägerin zu 1) ab September 2004 von 730,00 € i.H.v. 300,00 € gedeckt ist und ein nicht gedeckter Bedarf von 430,00 € verbleibt.

2.

Unterhalt der Klägerin zu 1)

a)

Ab Oktober 2003

Das berechnete Einkommen des Beklagten liegt mit 810 € unter dem notwendigen Selbstbehalt von 840 €. Für Oktober bis Dezember 2003 entfällt die Unterhaltspflicht des Beklagten.

b)

Januar bis Mai 2004

Hier ergibt sich ein berechnetes Einkommen von gerundet 1.024,00 €. Abzüglich des Selbstbehalts in Höhe von 840,00 € verbleiben 184,00 €. Es errechnet sich eine Mangelquote von 13,89 % (184 : (326 für D + 269 für E + 730 für die Klägerin zu 1 = 1325)). Die Klägerin zu 1) geht als geschiedene Ehefrau insoweit gem. § 1582 Abs. 1 BGB der neuen Ehefrau vor. Auf die Klägerin zu 1) entfallen 13,89 % von 730,00 € = 101,40 €.

c)

Juni bis August 2004

Hier ist von einem berechneten Einkommen in Höhe von 1.382,00 € auszugehen. Zieht man den Selbstbehalt ab, so bleiben 542,00 € zu verteilen. Hier errechnet sich eine Mangelquote von 40,91 % (542 : 1.325). 40,91 % von 730,00 € ergibt den Betrag von 298,64 €.

d)

Auch ab September 2004 ist von einem Einkommen des Beklagten von 1.382,00 € auszugehen. Abzüglich des Selbstbehalts des Beklagten in Höhe von 840,00 € verbleiben 542,00 €. Der Einsatzbetrag für die Klägerin zu 1) verringert sich hier jedoch von 730,00 € auf 430,00 €, weil der Selbstbedarf aus den oben genannten Gründen i.H.v. 300,00 € gedeckt ist. Es errechnet sich demnach eine Quote von 52,88 % (542 : 1.025,00). 52,88 % von 430,00 € ergeben 227,38 €.

3.

Unterhalt der Klägerin zu 2)

a)

Ein Unterhaltsanspruch für Oktober bis Dezember 2003 besteht nicht, weil das Einkommen des Beklagten weniger als 840,00 € beträgt.

b)

Januar bis Mai 2004

aa)

Der im ersten Schritt vorzunehmende Vergleich zwischen der inanspruchgenommenen Lohnsteuerklasse 3 und der fiktiven Lohnsteuerklasse 1 ergibt einen Splittingvorteil in Höhe von 3.603,93 € . Dieser Betrag errechnet sich aus der Differenz des Nettoeinkommens zwischen der Lohnsteuerklasse 3/2 und der Lohnsteuerklasse 1/0,5.

Das Nettoeinkommen bei Lohnsteuerklasse 3/2 beträgt 22.696,28 €. ((29.654,97 € ./. 1.190,00 € Lohnsteuer, 2.704,07 € Rentenversicherung, 901.36 € Arbeitslosenversicherung, 1.927,52 € Krankenversicherung, 235,74 € Pflegeversicherung bei einem Steuerbrutto von 27.724,06 €). Das Nettoeinkommen bei Lohnsteuerklasse 1/05 beträgt, wie oben bereits dargestellt, 19.092,35 €.

Die Differenz 22.696,28 € - 19.092,35 € ergibt 3.603.93. Daraus errechnet sich ein monatlicher Splittingvorteil von 300,33 €.

Hiervon ist der Realsplittingvorteil nach bereits oben erwähnter Berechnung i.H.v. von jährlich 139,78 € (358.78 € bei Steuerklasse 1/05 - 214,00 € bei Steuerklasse 3/2 , berechnet nach WinFam, Stand 8/2004) abzuziehen, so daß ein Steuervorteil in Höhe von 3.464,15 € verbleibt. Dies ergibt einen monatlichen Betrag von 288,68 €.

bb)

Im zweiten Schritt ist dieser Betrag von 288,68 € zwischen der neuen Ehefrau und den Kindern gleichrangig zu verteilen. Bei einem Gesamtbedarf von 1.130,00 € (535,00 € für die neue Ehefrau, 326,00 € für die Klägerin zu 2) und 269,00 € für das Kind E) ergibt sich eine Mangelquote von 25,55 % (288,68 € : 1.130,00 €). 25,55 % von 326,00 € ergibt einen Betrag von 83,29 €.

cc)

Im dritten Schritt ist das bereits oben nach Lohnsteuerklasse 1 ermittelte fiktive Einkommen des Beklagten abzüglich des Selbstbehaltes auf die geschiedene Ehefrau und die gleichrangigen Kinder zu verteilen. Dies ergibt bei der oben erwähnten Mangelquote von 13,89 % für die Klägerin einen Anteil von 45,28 € (13,89 % von 326,00 €).

dd)

Die im vierten Schritt vorzunehmende Addition der Quoten aus den Rechenschritten zwei und drei (83,29 € + 45,28 €) ergibt den Gesamtbetrag von 128,57 €, gerundet 129,00 €.

c)

Juni bis August 2004

aa)

Der Steuervorteil beträgt weiterhin 288,68 €.

bb)

Es bleibt bei dem erwähnten Anteil von 83,29 €.

cc)

Da sich das zu verteilende Einkommen auf 542,00 € erhöht, errechnet sich bei der oben erwähnten Mangelquote von 40,91 % der Betrag von 133,37 €.

dd)

Die Addition der zuvor genannten Beträge von 83,29 € + 133,37 € ergibt einen Unterhaltsanspruch in Höhe von 216,66 €.

d)

Ab September 2004

aa)

Der Steuervorteil ist wie zuvor mit monatlich 288,68 € anzusetzen.

bb)

Es bleibt bei dem erwähnten Anteil von 83,29 €.

cc)

Hier erhöht sich die Mangelquote auf 52,88 %, wie oben dargestellt. Daraus errechnet sich (52,88 % von 326,00 €) der Betrag von 172,39 €.

dd)

Die Addition ergibt den Betrag von 255,68 €.

4.2

Ergebnis

a)

Auf die Klägerin zu 1) entfällt folgender Unterhalt:

Januar bis Mai 2004 101,00 €;

Juni bis August 2004 299,00 €;

ab September 2004 227,00 €.

b)

Auf die Klägerin zu 2) entfallen:

Januar bis Mai 2004 129,00 €;

Juni bis August 2004 217,00 €;

ab September 2004 256,00 €.

c)

Das Amtsgericht hat tituliert, dass der Beklagte ab Oktober 2003 an die Klägerin zu 1) einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 85,80 € und an die Klägerin zu 2) einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 190,48 € zu zahlen hat. Dieses Urteil ist nur von dem Beklagten, nicht aber von den Klägern angegriffen worden. Der Senat ist deshalb daran gehindert, über einen monatlichen Gesamtbetrag von 276,28 € hinauszugehen. Diesen Betrag hat der Senat allerdings nahezu ausgeschöpft und hat dabei das Einverständnis der Klägerin zu 1) unterstellt, daß über den Betrag von 85,80 € hinausgehende Unterhaltsansprüche der Klägerin zu 1) auf Unterhaltsansprüche der Klägerin zu 2) verrechnet werden sollen. Daraus ergibt sich folgendes:

Von Oktober bis Dezember 2003 hat der Beklagte keinen Unterhalt, von Januar bis Mai 2004 an die Klägerin zu 1) weiter 85,80 € und an die Klägerin zu 2) 144,20 € (129,00 € + Differenz zwischen 85,80 € und 101,00 €), ab Juni 2004 an die Klägerin zu 1) 85,80 € und an die Klägerin zu 2) 190,48 € zu zahlen.

5.0

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92, 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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