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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 07.12.2005
Aktenzeichen: 11 UF 219/05
Rechtsgebiete: KostO, FGG


Vorschriften:

KostO § 131
FGG § 13 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerden der Antragsgegnerin und des Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamm vom 30.08.2005 abgeändert.

Der Antrag des Antragstellers auf Herausgabe der Kinder D und B B1 wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten werden zwischen den Kindeseltern geteilt. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,- € festgesetzt.

Gründe: Die Parteien, beide Italiener, sind verheiratet, leben aber getrennt. Aus der Ehe stammen zwei Kinder: D T, geboren am 09.09.1994, und B, geboren am 15.04.1998. Nachdem die Antragsgegnerin mit den Kindern im Januar 2005 nach Deutschland ausgereist ist, begehrt der Antragsteller deren Herausgabe zum Zwecke der sofortigen Rückführung. Im Einzelnen liegt Folgendes zu Grunde: Die Antragstellerin ist 29 Jahre alt. Sie ist in Argentinien aufgewachsen und 1990 nach Italien zurückgekehrt. 1991 hat sie den Antragsteller kennen gelernt. Nach der Geburt des ersten gemeinsamen Kindes im September 1994 haben die Parteien im Dezember 1994 geheiratet. Nach Darstellung der Antragsgegnerin ist die Ehe nicht gut verlaufen. Ihr Ehemann soll nicht nur sie selbst geschlagen und vergewaltigt, sondern auch den Sohn D vielfach misshandelt haben. Im letzten Jahr vor der Trennung will sie ihren Mann mehrfach darauf angesprochen haben, dass sie nicht länger mit ihm zusammen leben könne, wenn er sich nicht ändere. Am 06.09.2004 hat sie die Ehewohnung heimlich mit den Kindern verlassen und ist nach Deutschland geflohen, wo sie Aufnahme in einem Frauenhaus gefunden hat. In einem daraufhin vom Antragsteller vor dem Jugendgericht in D1 eingeleiteten Sorgerechtsverfahren haben sich die Parteien daraufhin am 17.11.2004 geeinigt, dass die Kinder bis zum Abschluss der nötigen Untersuchungen in Deutschland bleiben und der Vater die Kinder vom 22.12.2004 bis 05.01.2005 sehen sollte. Am 22.12.04 überließ die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Kinder absprachegemäß, der sie jedoch gegen ihren Willen nach Italien zurückbrachte und über den vereinbarten Rückgabetermin hinaus bei sich behielt. Das Jugendgericht in D1 bestimmte daraufhin einen Termin auf den 14.01.05, in dem es die Parteien und die Kinder anhörte. Durch Beschluss vom 18.01.05 hat es die Kinder alsdann der Mutter zugesprochen, allerdings mit der Maßgabe, dass sie die Kinder keinesfalls außerhalb des nationalen Gebiets bringen und die Kinder so für den Vater unzugänglich machen dürfe. Der Mutter wurde anheim gestellt, sich mit Hilfe des Sozialamts eine eigene Wohnung zu suchen. Besuchskontakte sollten auf neutralem und geschütztem Boden stattfinden. Vor Zustellung dieses Beschlusses ist die Antragsgegnerin mit beiden Kindern nach Deutschland zurückgekehrt, wo sie inzwischen eine eigene Wohnung bezogen hat. Die Kinder besuchen deutsche Schulen und haben bereits ausreichend Deutsch gelernt. Sie fühlen sich hier wohl. Mit Antrag vom 24.06.2005 hat der Antragsteller die Herausgabe der beiden Kinder zum Zwecke der sofortigen Rückführung nach Italien beantragt. Er stützt seinen Anspruch auf das Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (im folgenden: HKÜ): die Mutter habe klar sein Mitsorgerecht für die Kinder verletzt, so dass diese unverzüglich an ihren letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort zurückzuführen seien. Die Antragsgegnerin hat die Zurückweisung des Herausgabeanspruchs beantragt und geltend gemacht, sie habe nicht gegen den Beschluss des Jugendgerichts in D1 verstoßen, weil ihr dieser bei der Ausreise nach Deutschland am 18.01.2005 noch nicht bekannt gewesen sei. Zumindest stehe Art. 13 HKÜ der Rückführung der Kinder nach Italien entgegen, weil ihnen in der Familie des Antragstellers die schwerwiegende Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens drohe. Beide Kinder seien durch die in der Familie erlebten Gewalttätigkeiten, den kriminellen Hintergrund ihrer Herkunftsfamilie und die Angst um ihre Mutter psychisch stark belastet. D habe mitbekommen, dass ein Bruder des Antragstellers sie, die Antragsgegnerin, mit dem Tode bedroht habe, wenn sie ihren Ehemann verlasse. Diese Gefahr sei real. Die Kinder, die in Deutschland zum ersten Mal ein freies und unbekümmertes Lebens führen könnten, lehnten daher eine Rückkehr nach Italien strikt ab. Das Amtsgericht hat die Parteien und die Kinder angehört und dem Antrag auf Rückführung stattgegeben. Unabhängig vom Wirksamwerden des Beschlusses des Jugendgerichts in D1 habe die Antragstellerin das Mitsorgerecht des Antragstellers verletzt, so dass die Voraussetzungen für eine Rückführung der Kinder vorlägen. Die Ausnahmetatbestände des Art 13 HKÜ seien ersichtlich nicht erfüllt. Weder seien Gefahren durch die Familie des Antragstellers substantiiert vorgetragen noch Belastungen der Kinder von Krankheitswert durch die Stellungnahme der ärztlichen Beratungsstelle an der DRK-Kinderklinik T belegt. Auch der Vortrag der Antragsgegnerin, Angst vor der Familie des Antragstellers zu haben, sei zu pauschal, als dass er berücksichtigt werden könnte. Ihr sei daher zuzumuten, mit den Kindern nach Italien zurückzukehren. Auch wenn sie das nicht tue und die Kinder daher in die Obhut des Antragstellers kämen, sei zu erwarten, dass dieser die Versorgung der Kinder sicherstellen könne. Gegen diesen Beschluss wenden sich die Antragsgegnerin und das mit den Aufgaben des Jugendamts betraute Diakonische Werk mit der Beschwerde, mit der sie erreichen wollen, dass die Rückgabe der Kinder verweigert wird. Die Antragstellerin belegt die strafrechtliche Verurteilung eines Bruders des Antragstellers, U B1, und wiederholt, dass ihr Leben bei einer Rückkehr nach Italien gefährdet sei, weil die von ihr bewirkte Trennung von ihrem Ehemann dessen Familienehre verletzt habe. Dies müsse nach den Vorstellungen seiner Familie geahndet werden. Diese Vorstellungen von verletzter Ehre rechtfertigten aber nicht die Rückführungsanordnung, denn tatsächlich habe der Vater keinerlei Interesse an den Kindern. Darüber hinaus habe sich jetzt herausgestellt, dass D suizidgefährdet sei, wenn er gezwungen werde, nach Italien zurückzukehren. Auch das Diakonische Werk trägt vor, dass sich die psychosomatischen Beschwerden der Kinder gegenüber dem in erster Instanz geschilderten Zustand verschlechtert hätten. Darüber hinaus äußere D Todesphantasien bis hin zu suizidalen Tendenzen. Die Angst der Kinder vor einer Ermordung der Mutter und dem als gewalttätig erlebten Vater sei ernst zu nehmen. Unter diesen Umständen wäre eine Rückkehr der Kinder nach Italien sowohl mit der Mutter als auch ohne sie zu belastend. Der Antragsgegner verteidigt den Beschluss des Amtsgerichts. Er wiederholt, sich stets um die Kinder gekümmert zu haben. Den Vorwurf der Misshandlung von D bestreitet er ebenso wie die behauptete Suizidgefahr. Der Senat hat ein Gutachten der Dipl.-Psychologin L eingeholt. Auf die schriftliche Zusammenfassung der Voruntersuchungen und die mündlichen Ausführungen im Senatstermin (siehe den Berichterstattervermerk) wird Bezug genommen. II. Beide Beschwerden sind zulässig, insbesondere rechtzeitig eingelegt. Sie führen auf Grund der in zweiter Instanz durchgeführten Beweisaufnahme zu einer Ablehnung der Rückgabe der Kinder, weil dies mit der schwerwiegenden Gefahr eines seelischen Schadens beider Kinder verbunden wäre. 1. Die umfassenden Ausführungen des Amtsgerichts zu seiner Zuständigkeit und den Voraussetzungen einer Rückführungsanordnung gemäß Art. 12 in Verbindung mit Art. 3 HKÜ werden nicht angegriffen. Darauf kann daher Bezug genommen werden. 2. Dass sich der Antragsteller am 30.11.04 vor dem Jugendgericht in D1 vorläufig mit dem weiteren Verbleib der Kinder in der Bundesrepublik einverstanden erklärt hat, berechtigte die Antragsgegnerin nicht, die Kinder nach dem Haupttermin am 14.01.05 wieder nach Deutschland zurückzubringen. Der Vater hatte in diesem Termin zwar erklärt, er würde sich angesichts der Äußerungen seiner Kinder nicht widersetzen, wenn die Kinder der Mutter anvertraut würden, sie müssten aber in Italien bleiben. Die am 30.11.2004 erklärte Zustimmung zum Verbleib in Deutschland war damit widerrufen, so dass die Voraussetzungen für eine Ablehnung der Rückführung wegen nachträglicher Zustimmung des anderen Elternteils gemäß Art. 13 Abs. 1 lit. a) 2. Alternative HKÜ nicht gegeben sind. 3. Ebenso wenig lässt sich feststellen, dass der Vater sein Mit-Sorgerecht im Zeitpunkt des Verbringens nach Deutschland nicht ausgeübt habe und daher die Rückführung gemäß Art. 13 Abs. 1 lit. a) 1. Alternative HKÜ abzulehnen sei. Auf die Frage, wie intensiv sich der Antragsteller in der Zeit des ehelichen Zusammenlebens um die Kinder gekümmert hat, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Auf Grund der vom Vater veranlassten Rück-Entführung der Kinder nach Italien waren die Kinder bis zum Haupttermin am 14.01.05 wieder in seiner Obhut. Schon damit hat er sein Interesse an den Kindern deutlich genug bekundet. Er hat sie nach dem Termin im Januar nur deshalb wieder in die Obhut der Antragsgegnerin entlassen, weil die Kinder das so wollten und eine engmaschige Besuchsregelung in Aussicht gestellt war. Das ist kein Fall der Nichtausübung des Sorgerechts. 4. Also bleibt nur die Frage, ob Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ der Anordnung der Herausgabe zum Zwecke der Rückführung entgegensteht. Diese Regelung greift ein, wenn die Rückführung mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden wäre. Eine solche Gefahr steht nach dem im Termin am 30.11.2005 durch die Sachverständige L erstatteten Gutachten zur Überzeugung des Senates fest. Das Gutachten beruht auf einer sorgfältigen Untersuchung der Kinder und ihrer Mutter und ist ausführlich, einfühlsam und nachvollziehbar begründet worden. Die allgemeine Sachkunde und Kompetenz der Sachverständigen ist dem Senat auch aus anderen Verfahren bekannt. Dass in Italien bereits angemessene Vorkehrungen getroffen seien, der festgestellten Gefahr für die Kinder zu begegnen, ist nicht ersichtlich, so dass auch Art. 11 Abs. 4 EG-VO 2201/2003 der Ablehnung der Rückführung nicht entgegensteht. a) Zwar hat die Sachverständige bei D keine Hinweise auf eine posttraumatische Belastungsstörung, akute Depressivität oder Suizidalität festgestellt, wohl aber eine hohe psychische Belastung, die sich in psychosomatischen Symptomen und gravierenden Ängsten äußert. Neben Bauchschmerzen sowie massiven Ein- und Durchschlafstörungen ist es im Laufe des Beschwerdeverfahrens zum ersten Mal auch zu nächtlichem Einnässen gekommen. D erlebt den Vater als feindselig und hat sogar Tötungsphantasien entwickelt. Plastisch hat er bei seiner Anhörung im Senatstermin geschildert, dass der Vater ihn zwar anrufe, sich aber nicht etwa nach seinem eigenen Befinden erkundige, sondern nur wissen wolle, was die Mutter mache. Seine Ängste kreisen eindeutig um die antizipierte Rückkehr in seine frühere Lebenssituation in Italien. Dabei steht die Sorge um die Sicherheit seiner Mutter im Zentrum seiner Ängste, die er als real und existentiell gefährdet wahrnimmt, weil er selber Zeuge einer vom Bruder des Vaters ausgesprochenen Todesdrohung gegen die Mutter war, wie sie schon im Beschluss des Jugendgerichts D1 vom 18.01.2005 dokumentiert worden ist. Inwieweit diese Drohung ernst zu nehmen ist, spielt keine Rolle, da sie für D real und nicht überwindbar erscheint. Zwar hat die Belastung aktuell noch keinen Krankheitswert, weil es D tagsüber und in Ablenkungssituationen gelingt, die hohe Belastung effektiv zu bewältigen, bei einer noch höheren Belastung, wie sie durch die Anordnung der Rückführung nach Italien eintreten würde, ist aber nach Einschätzung der Sachverständigen wahrscheinlich, dass es zu einer psychischen Dekompensation kommt. Die gesunde psychische Entwicklung des Jungen wäre dann gefährdet, so dass die schwerwiegende Gefahr eines seelischen Schadens in Folge der Rückgabe des Kindes zu bejahen ist. Dabei spielt es für die Wahrscheinlichkeit der psychischen Dekompensation keine Rolle, ob die Mutter D begleitet und er deren dann noch gesteigerte Ängste vor ihrem Ehemann erleben muss oder ob er gegen seinen Willen in die Hände des Vaters gegeben wird, dem er feindselig gegenübersteht. Anna ist nach den Feststellungen der Sachverständigen zwar deutlich weniger belastet, dennoch kommt nicht in Betracht, ihre alleinige Rückkehr anzuordnen, denn die Trennung von der Mutter, ihrer Hauptbezugsperson, und von dem Bruder, zu dem sie eine besonders enge Bindung hat und um den sie sich sorgt, würde auch bei ihr die schwerwiegende Gefahr eines seelischen Schadens begründen. b) Der Senat verkennt nicht, dass mit der Rückführung typischer Weise verbundene Beeinträchtigungen nach anerkannter (BVerfG FamRZ 1999, S. 85 ff.) und vom Senat geteilter Auffassung (OLG Hamm (Senat), FamRZ 2004, S. 723, 725) nicht geeignet sind, eine Rückführungsanordnung in Frage zu stellen, weil das Abkommen über die Rückführung entführter Kinder sonst leer liefe. Die hier in Frage stehenden Folgen der Rückführung sind aber keine solchen typischen Belastungen. Typische Belastungen entstehen daraus, dass sich entführte Kinder in der Regel mit dem entführenden Elternteil identifizieren und alle Kräfte daran setzen, sich in die neue Situation einzufinden, Fuß zu fassen und soziale Kontakte zu knüpfen. Werden sie dann dem verlassenen Elternteil zum Zwecke der Rückführung übergeben, bricht ihre Welt (erneut) zusammen, was zwangsläufig mit psychischen und gegebenenfalls auch körperlichen Belastungen verbunden ist. Zumutbar und verkraftbar ist das für die Kinder dann, wenn der Elternteil, in dessen Obhut sie für die Rückführung gegeben werden, ihnen auf der Grundlage einer liebevollen emotionalen Beziehung verständlich machen kann, warum die Rückführung erforderlich ist. Diese Voraussetzungen für eine dem Kindeswohl letztlich unschädliche Rückführung sind hier aber nicht gegeben, auch wenn die Kinder die im Dezember 2004 erfolgte Rückentführung durch den Vater unbeschadet überstanden haben und das Jugendgericht in D1 im Januar 2005 noch festgestellt hat, dass es sich sowohl bei der Mutter als auch dem Vater um liebevolle Eltern handele, die eine Bindung zu ihren Kindern hätten. Die schon vom Jugendgericht D1 scharf gerügte Einmischung der Familie des Vaters hat aber inzwischen zu einer qualitativen Veränderung geführt, denn nach den Feststellungen der Sachverständigen L hat D zum Vater keine positiven Bindungen mehr, weil er die Mutter als real bedroht und hilflos erlebt und sich ohne deren gezielte oder bewusste Einflussnahme ausschließlich mit ihr identifiziert hat. c) Der Gefahr eines schwerwiegenden Schadens durch die Rückführung der Kinder ist auch nicht dadurch zu begegnen, dass die Antragsgegnerin, der die Kinder durch den Beschluss des Jugendgerichts D1 vom 18.01.2005 anvertraut sind, gemeinsam mit den Kindern nach Italien zurückfährt. Zwar ist ihr nach der Auffassung des italienischen Gerichts trotz der Bedrohung durch die Familie des Vaters zuzumuten, ihren Aufenthalt in Italien zu nehmen, nach den Feststellungen der Sachverständigen schätzt sie die Gefahr für ihr Leben aber als so real ein, dass offen ist, ob sie sich zu diesem Schritt entschließen kann. Während sie gegenüber der Sachverständigen bei ruhiger Überlegung erklärt hat, sie werde ihre Kinder nicht im Stich lassen, hat sie sowohl vor dem Amtsgericht als auch im Termin vor dem Senat ihre Bereitschaft dazu ernsthaft in Frage gestellt. Darüber hinaus wäre auch die Rückkehr der Mutter zusammen mit den Kindern keine Garantie gegen die drohende psychische Dekompensation bei D, weil sie ihre Ängste nicht beherrschen kann. Nur wenn sie selbst von ihrer Angst loskäme, wofür es ohne längere Behandlung keine reale Aussicht gibt, würden auch die Kinder die nötige Sicherheit gewinnen können. d) Auch Art. 11 Abs. 4 der vorrangigen EG-VO 2201/2003 steht der Ablehnung der Rückführung nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kann die Rückgabe eines Kindes gemäß Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ nicht verweigert werden, wenn nachgewiesen ist, dass angemessene Vorkehrungen getroffen sind, um den Schutz des Kindes nach seiner Rückkehr zu gewährleisten. Solche Vorkehrungen sind aber bisher nicht getroffen und konnten auch nicht getroffen werden, weil die von der Sachverständigen festgestellte Entwicklung bei D nicht voraussehbar war. Vielmehr muss das für die Sorgerechtsentscheidung nach wie vor allein zuständige Jungendgericht in D1 erst prüfen, welche Maßnahmen geboten sind, um das aufgetretene Dilemma zu lösen. Wenn sich die Kinder auf Grund der Ängste ihrer Mutter vor ihrem Ehemann mit dieser identifizieren, ihre Ängste übernehmen und Kontakte zum Vater strikt ablehnen, scheidet aus, sie unvorbereitet in die Obhut des Vaters zu geben. Erst eine umfassende psychologische Untersuchung aller Beteiligten unter Einbeziehung des Vaters wird unter diesen Gegebenheiten einen Weg aufzeigen können, wie eine Rückkehr der Kinder ohne Schaden für ihre seelische Gesundheit organisiert werden kann. 5. Zur Information der Antragsgegnerin über den weiteren Ablauf des Verfahrens weist der Senat abschließend auf folgendes hin: Der Senat hat gemäß Art 11. Abs. 6 EG-VO 2201/2003 eine Abschrift seiner Entscheidung unverzüglich an das zuständige Jugendgericht in D1 zu übermitteln. Dieses hat dann die Möglichkeit zu einer Neuregelung des Sorgerechts. Sollte in diesem Rahmen die Herausgabe der Kinder angeordnet werden, hat dies gemäß Art. 11 Abs. 8 EG-VO 2201/2003 Vorrang vor der die Herausgabe ablehnenden Entscheidung des Senats (Solomon, Brüssel II a, FamRZ 2004, S. 1417). III. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 131 KostO, 13 a FGG.

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