Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 24.05.2006
Aktenzeichen: 11 UF 237/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 622 Abs. 3
Wird dem Unterhaltspflichtigen fiktiv eine Erwerbstätigkeit zugerechnet und erleidet er innerhalb der fiktiven Probezeit von 6 Monaten einen Unfall, der zu einer mehrmonatigen Arbeitsunfähigkeit führt, dann ist davon auszugehen, dass der fiktive Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ohne Angabe von Gründen mit einer Frist von 2 Wochen gem. § 622 Abs. 3 BGB gekündigt hätte, so dass die Einkommensfiktion ab diesem Zeitpunkt beendet ist.
OBERLANDES GERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 UF 237/05 OLG Hamm

Verkündet am 24. Mai 2006

hat der 11. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 05. Mai 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Zumdick, den Richter am Oberlandesgericht Michaelis de Vasconcellos und die Richterin am Landgericht Jöhren

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 01.09.2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Gronau teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Zeit von Dezember 2004 bis April 2005 folgenden Kindesunterhalt zu zahlen: für Christian monatlich 234,- € und für Ina monatlich 192,- €.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden der Klägerin zu 9/10 und dem Beklagten zu 1/10 auferlegt.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 4/5 und der Beklagte 1/5 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Parteien haben 1996 geheiratet. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen: Christian, geboren am 27.10.1998, und Iria, geboren am 06.12.2002. Nach am 01.08.2004 erfolgter Trennung verlangt die Klägerin, mit der vorliegenden, am 27.08.2004 eingereichten Klage Kindes- und Trennungsunterhalt. Dem liegt Folgendes zu Grunde:

Der Beklagte ist gelernter Tischler, hat aber während der Ehe überwiegend Lohnersatzleistungen bezogen, nachdem er bereits im Jahre 1982 bei einem Arbeitsunfall einen Bruch des Querfortsatzes am 4. Lendenwirbel erlitten hatte. Bei einer ersten Rehabilitationsmaßnahme im Juni/Juli 1992 wurde bereits eine berufliche Weiterbildung oder Umschulung empfohlen. Der Beklagte erwarb daraufhin einen Ausbildungsschein. Nachdem eine zweite Rehabilitationsmaßnahme im Mai 1997 keinen Erfolg gebracht hatte, verlor er seinen Arbeitsplatz als Tischler. Eine ab August 1999 laufende ABM-Maßnahme als Vorarbeiter/Ausbilder beim Anlernen von Jugendlichen zum Tischler endete im März 2001. Nach einer weiteren Rena-Maßnahme im Mai/Juni 2001 wurde festgestellt, dass der Beklagte zwar nicht mehr als Tischler arbeiten, aber mittelschwere körperliche Tätigkeiten noch vollschichtig ausüben und insbesondere als Vorarbeiter oder Arbeitspädagoge im bisherigen Berufsfeld tätig sein könne. Eine solche Tätigkeit hat der Beklagte in der Folgezeit aber nicht gefunden, sondern blieb arbeitslos. Statt dessen begann er 2002 eine Umschulungsmaßnahme zum Groß- und Außenhandelskaufmann, die er im April 2004 wegen zu häufiger Fehlzeiten abbrach.

Nach der Trennung bezog der Beklagte zunächst Arbeitslosenhilfe, ab Januar 2005 dann Arbeitslosengeld II. Am 01.04.2005 stürzte er auf der Treppe und zog sich eine Luxationsfraktur im rechten oberen Sprunggelenk zu, die operativ versorgt wurde. Das zur Stabilisierung eingebrachte Material wurde am 22.02.2006 ambulant entfernt. Ob Funktionseinschränkungen verbleiben werden, ist bisher nicht geklärt.

Im Jahre 2001 hat der Beklagte als Alleineigentümer ein Reihenhaus mit 50 qm Wohnfläche erworben, das als Ehewohnung diente. Er bewohnt es seit der Trennung allein. Ob er die dafür aufgenommenen Kredite bedient, ist streitig.

Die Klägerin hat ohne Vortrag zum Einkommen des Beklagten für die Kinder Unterhalt nach Einkommensgruppe 1 und für sich selbst das Existenzminimum von monatlich 730,- € verlangt.

Sie hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie ab September 2004 wie folgt Unterhalt zu zahlen:

- monatlich je 192,- € für Christian und Iria;

- monatlich 730,- € Trennungsunterhalt für sich selbst.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht, er könne auf Grund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr in seinem Beruf als Tischler arbeiten. Auch die beabsichtigte Umschulung zum Kaufmann habe er aus gesundheitlichen Gründen abbrechen müssen. Er beabsichtige jetzt aber, sich mit einer Ich-AG als Tischler selbständig zu machen, wenn das Arbeitsamt das befürworte und fördere, denn bei freier Zeiteinteilung könne er seinen Gesundheitsproblemen besser Rechnung tragen.

Das Amtsgericht hat die Klage durch Urteil vom 01.09.2005 mit der Begründung abgewiesen, der Beklagte sei leistungsunfähig, denn ihm stehe weniger als der notwendige Selbstbehalt zur Verfügung. Die Zurechnung fiktiver Einkünfte komme nicht in Betracht, denn nach den vorgelegten Berichten über die Reha-Maßnahmen sei der Beklagte fast immer als weiterhin arbeitsunfähig entlassen worden. Daher sei nicht ersichtlich, wie er eine Arbeitsstelle hätte finden können.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie rügt, dass sich aus den vorgelegten Berichten über den Verlauf der Reha-Maßnahmen gerade nicht ergebe, dass der Beklagte erwerbsunfähig sei. Er sei daher gehalten gewesen, sich rechtzeitig und intensiv um eine Wiedereingliederung in den Erwerbsprozess zu bemühen. Da weder dargetan noch ersichtlich sei, dass er solche Bemühungen unternommen habe, sei ihm der als Tischler mögliche Verdienst fiktiv zuzurechnen, der mit 1.850,- € netto zu veranschlagen sei. Zusätzlich sei der Wohnwert der eigengenutzten Immobilie zu berücksichtigen, was eine Herabsetzung des Selbstbehalts um monatlich 226,- € rechtfertige, da er statt der im Selbstbehalt enthaltenen Kosten von 380,- € nur solche von monatlich 154,- € habe. Dann könne er ohne weiteres die Beträge zahlen, die sie in erster Instanz verlangt habe.

Sie meint, die Sprunggelenksfraktur im April 2005 könne sich auf die Zurechnung fiktiver Einkünfte nicht auswirken, denn wie ein möglicher Arbeitgeber auf die Erkrankung reagiert hätte, sei nicht zu prognostizieren.

Gemäß der vom Senat bewilligten Prozesskostenhilfe beantragt die Klägerin unter Rücknahme der weitergehenden Berufung,

den Beklagten unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils wie folgt zur Unterhaltszahlung zu verurteilen:

- für Christian monatlich 241,- € für die Zeit von Dezember 2004 bis April 2005, monatlich 169,- € für die Zeit von Mai bis Juni 2005, monatlich 144,- € für die Zeit von Juli bis November 2005 und monatlich 157,- € ab Dezember 2005;

- für Iria monatlich 192,- € für die Zeit von Dezember 2004 bis April 2005, monatlich 169,- € für die Zeit von Mai bis Juni 2005, monatlich 144,- € für die Zeit von Juli bis November 2005 und monatlich 130,- € ab Dezember 2005.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die Entscheidung des Amtsgerichts und verweist auf das Scheitern der Umschulung und die im April 2005 erlittene Sprunggelenksfraktur. Er meint, auch im Falle fiktiver Veranlagung könne ihm nicht mehr als das bei der letzten ABM-Stelle erzielte Einkommen von brutto 1.380,- € zugerechnet werden, was zu einem nur geringfügig über dem Selbstbehalt liegenden Einkommen führe.

Dem Wohnvorteil stünden Belastungen gegenüber, so dass auch eine Reduzierung des Selbstbehalts ausscheide.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, hat aber nur in geringem Umfang Erfolg. Zwar steht dem Grunde nach außer Streit, dass der Beklagte seiner Ehefrau und den beiden Kindern, die sich nicht selber unterhalten können, gemäß den §§ 1601 ff., 1361 BGB unterhaltspflichtig ist. Die vorgelegten Unterlagen rechtfertigen entgegen der Auffassung des Amtsgerichts auch durchaus die Zurechnung fiktiver Einkünfte, die Möglichkeit der Fiktion endet aber in Folge der Sprunggelenksfraktur des Beklagten Ende April 2005. Ab diesem Zeitpunkt bleibt es daher bei der vom Amtsgericht angenommenen Leistungsunfähigkeit des Beklagten.

1. Ansprüche für die Zeit von September bis November 2004:

1.1 tatsächliche Einkünfte:

Die Feststellung des Amtsgerichts, dass der Beklagte aus seinen Lohnersatzleistungen keinen Unterhalt zahlen kann, greift die Berufung nicht an. Daran ändert nichts, dass nach seinen Angaben im Senatstermin die bisher nicht berücksichtigte Eigenheimzulage von jährlich 1.200,- € hinzukommt.

a)

Nach dem Bescheid der Agentur für Arbeit vom 30.08.04 hatte er zwar einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe in Höhe von täglich 25,41 €, was einem Monatsbetrag von 762,30 € entspricht (25,41 € * 30 Tage), wegen der von der BfA zurückgeforderten Überzahlung von Übergangsgeld in Höhe von 2.421,60 € ist der Auszahlungsbetrag gemäß dem Bescheid vom 20.09.04 aber auf täglich 5,96 € reduziert worden, was einem monatlichen Auszahlungsbetrag von 178,80 € entspräche. Da vom 05.08. bis 31.12.04 aber insgesamt 3.576,09 € gezahlt worden sind und nur 2.421,60 € zu verrechnen waren, müssen 1.154,49 € zur Auszahlung gekommen sein; das sind, bezogen auf die Gesamtzeit von 149 Tagen, täglich 7,75 €, pro Monat demnach 232,50 €.

b)

Hinzuzurechnen ist die Eigenheimzulage mit monatsanteilig 100,- € (1.200,- € : 12 Monate) und der Wohnwert des Reihenhauses, den der Senat, ausgehend von der unbestritten gebliebenen Angabe, die Wohnfläche betrage 50 qm, mit 275,- € ansetzt (50 qm * 5,50 €). Mit einem Wohnwert von 300,- € zu rechnen, was einem Mietpreis von 6,- € pro qm entspräche, wäre angesichts der ländlichen Prägung Gronaus übersetzt.

Die Grundstückslasten sind abzuziehen. Belegt sind vierteljährliche Zins- und Tilgungsleistungen an die KfW in Höhe von 112,63 € + 352,37 € = 465,- € sowie jährliche Kosten für die Wohngebäudeversicherung und den Schornsteinfeger in Höhe von 134,54 € + 43,64 € = 178,18 €. Hingegen sind die Schulden gegenüber der LBS nach den Angaben des Beklagten im Senatstermin bereits erledigt.

Die Klägerin hat zwar bestritten, dass die vorgenannten Kosten tatsächlich bezahlt worden sind, der Senat hält aber für glaubhaft, dass der Beklagte die geringen Kosten von rund 170,- € laufend zahlt, weil er sonst sein Eigentum gefährden würde und eine Wohnung mieten müsste, die zum gleichen Preis kaum zu haben ist.

Auf der Grundlage der vorstehenden Erörterungen ergibt sich folgender Wohnwert:

 Wohnwert275,00 €
./. mtl. Finanzierungslasten (1/3 von 465,- €)155,00 €
./. mtl. Kosten für Versicherung und Schornsteinfeger (1/12 von 178,18 €)14,85 €
verbleiben105,15 €

c)

Insgesamt beträgt das verfügbare Einkommen daher 232,50 € + 105,15 € Wohnwert + 100,- € anteilige Eigenheimzulage = 437,65. Es liegt damit weiterhin unter dem notwendigen Selbstbehalt von 730,- € und ermöglicht keinerlei Unterhaltszahlungen.

1.2

Dem Beklagten statt der Lohnersatzleistungen fiktive Erwerbseinkünfte zuzurechnen, kommt für die Zeit bis einschließlich November 2004 nach Auffassung des Senats nicht in Betracht.

Die Klägerin hat während des Zusammenlebens hingenommen, dass der Beklagte trotz der im Bericht vom Entlassungsbericht vom 06.06.01 bescheinigten Arbeitsfähigkeit keine erfolgversprechenden Bemühungen um eine neue Erwerbstätigkeit unternommen und auch die Umschulung zum Kaufmann im April 2004 wegen zu häufiger Fehlzeiten abgebrochen hat. Wer aber während der Ehe das Leben von Lohnersatzleistungen hinnimmt, muss dem Unterhaltspflichtigen nach der Trennung ausreichend Gelegenheit geben, sich neu zu orientieren. Dem Beklagten ist daher ab der durch das Schreiben vom 25.05.04 erfolgten Trennungserklärung und der damit verbundenen Aufforderung zur Unterhaltszahlung die übliche Frist für die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz zuzubilligen, die angesichts der schwierigen Lage auf dem Arbeitsmarkt und der schon ab März 2001 bestehenden Arbeitslosigkeit mit gut sechs Monaten zu bemessen ist und erst mit Ablauf des November endet.

2. Ansprüche für die Zeit von Dezember 2004 bis März 2005:

2.1

Die tatsächlichen Einkünfte haben sich ab Januar 2005 zwar leicht verbessert, weil das ab diesem Zeitpunkt gezahlte Arbeitslosengeld II monatlich 477,08 € betragen hat, auch unter Berücksichtigung des Wohnwerts von monatlich 105,31 € und der Eigenheimzulage von monatlich 100,- € ergibt sich aber weiterhin kein den notwendigen Selbstbehalt von 730,- € übersteigendes Einkommen.

2.2 fiktive Einkünfte:

Die Auffassung des Amtsgerichts, nach dem aus den ärztlichen Berichten über die Rehabilitations-Maßnahmen deutlich gewordenen Gesundheitszustand des Beklagten sei nicht ersichtlich, wie er eine Arbeitsstelle hätte finden können, ist nicht nachvollziehbar. Gemäß dem letzten Entlassungsbericht vom 06.06.2001 ist vielmehr davon auszugehen, dass er zwar nicht mehr im erlernten Beruf als Tischler arbeiten, aber immerhin vollschichtig mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne überwiegende Zwangshaltungen ausüben oder als Arbeitspädagoge oder Vorarbeiter im Berufsfeld des Tischlers tätig sein könnte.

Dieser Annahme steht nicht entgegen, dass der Beklagte die ab 2002 durchgeführte Umschulung zum Groß- und Außenhandelskaufmann abgebrochen hat, weil er sich trotz der Möglichkeit zum Wechsel zwischen Sitzen und Stehen häufig krankmelden musste und schließlich zu viele Fehlzeiten aufgewies. Eine Verschlechterung des Gesundheitszustands gegenüber der Einschätzung im letzten Entlassungsbericht folgt daraus nicht, denn die von Zeit zu Zeit auftretenden Rückenbeschwerden sind nach wie vor gut zu behandeln und hindern die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht.

Bei der am 15.02.05 durchgeführten Untersuchung zur Bewilligung einer neuen Reha-Maßnahme ab Mai 2005 ist zwar Arbeitsunfähigkeit ab dem 25.01.05 bescheinigt worden, es ist aber weder belegt noch ersichtlich, dass diese Arbeitsunfähigkeit länger angedauert hätte, zumal ein sofortiger Beginn der Rena-Maßnahme gerade nicht befürwortet worden ist.

Also ist davon auszugehen, dass es dem Beklagten möglich gewesen wäre, bis Ende November 2004 eine seiner verbliebenen Erwerbsfähigkeit entsprechende Arbeitsstelle zu finden, wenn er sich ab Ende Mai 2004 im gebotenen Umfang darum bemüht hätte.

Bei der Prognose der möglichen Einkünfte ist zu allerdings berücksichtigen, dass Stellen als Arbeitspädagoge selten sind und Vorarbeiterstellen nicht an jemanden vergeben werden, der seit über drei Jahren nicht mehr in seinem Beruf gearbeitet hat. Da der Beklagte die schwere körperliche Tätigkeit als Tischler nicht mehr ausüben kann, hätte er sich daher auf der Grundlage seiner erlernten handwerklichen Fähigkeiten einen Anlernberuf mit nur mittelschwerer körperlicher Arbeit suchen müssen. Da ihm angesichts der gesundheitlichen Anfälligkeit nicht mehr als 167 Arbeitsstunden pro Monat zuzumuten sind und der erzielbare Stundenlohn unter Berücksichtigung aller Umstände trotz vorhandener Qualifikationen auf nicht mehr als 9,- € zu schätzen ist, errechnet sich ein mögliches Brutto-Monatseinkommen von 1.503,- € (167 Stunden à 9 €). Davon wären nach den ab 2005 gültigen Steuer- und Abgabetarifen übrig geblieben:

 Bruttolohn1.503,00 €
./. Lohnsteuern (Steuerklasse 1/1 Kinderfreibetrag)126,33 €
./. SoliZ0,00 €
./. RV-Beitrag146,54 €
./. AV-Beitrag48,85 €
./. KV-Beitrag (Beitragssatz: 14,3)107,46 €
./. PV-Beitrag12,77 €
möglicher Nettoverdienst1.061,05 €

Nur den Bruttobetrag von 1.380,- € zu Grunde zu legen, den der Beklagte bei seiner letzten Stelle als Vorarbeiter und Ausbilder beim Diakonieverbund Schweicheln erzielt haben will, gibt es keinen Anlass, denn insoweit handelte es sich um eine ABM-Stelle, die der Wiedereingliederung ins Arbeitsleben diente und daher im Lohnniveau nicht typisch ist.

Addiert man die Eigenheimzulage von monatsanteilig 100,- € und den Wohnwert von 105,15 € zu dem vorgenannten fiktiven Arbeitsverdienst, ergibt sich ein anrechenbares Einkommen von 1.266,20 €.

2.3 Bedarf:

Bei diesem Einkommen ist der Bedarf der beiden Kinder aus Einkommensgruppe 1 zu entnehmen und beträgt für Christian, der schon im Oktober 2004 in die zweite Altersstufe aufgerückt ist, 241,- € und für Iria 199,- €. Dass in erster Instanz für Christian nur ein geringerer Betrag geltend gemacht worden ist, steht dem Einsatz des zutreffenden Tabellenbetrags nicht entgegen, denn der Beklagte hat sich nicht auf fehlenden Verzug berufen.

Die Berechnung des Bedarfs der Klägerin selbst erübrigt sich angesichts der eingeschränkten Leistungsfähigkeit und der Tatsache, dass die Klägerin dem Kindesunterhalt Vorrang einräumt.

2.4 Leistungsfähigkeit:

Wird der Beklagte fiktiv veranlagt, steht ihm auch der notwendige Selbstbehalt für Erwerbstätige zu, der 840,- € beträgt. Eine Kürzung des Selbstbehalts wegen geringerer Wohnkosten kommt nicht in Betracht, wenn - wie geschehen - der Nutzungswert des im Eigentum des Beklagten stehenden Reihenhauses mit dem angemessenen Mietwert bei der Einkommensberechnung berücksichtigt wird. Also stehen für Unterhaltszwecke 1.266,20 € ./. 840,- € = 426,20 € zur Verfügung, so dass der Bedarf der beiden Kinder, der sich auf 241,- € + 199,- €= 440,- € beläuft, zu 96,9 % erfüllt werden kann. Dann sind zu zahlen:

- für Christian: 241,- €* 96,9 % = 233,53,- €

- für Iria: 199,- €* 96,9 % = 192,83 €

Gerundet sind dann - auch unter Beachtung der Vorschriften über die Kindergeldanrechnung - 234,- € und 192,- € zu zahlen.

3. Ansprüche für die Zeit vom 01.05.2005 bis zum 10.03.2006:

Für die Zeit ab dem 01.05.2005 stellt sich die im PKH-Beschluss des Senats vom 22.02.2006 noch offen gelassene Frage, ob die Einkommensfiktion zu beenden ist, weil der Beklagte die ihm fiktiv zugerechnete Stelle wegen der am 01.04.2005 erlittenen Sprunggelenksfraktur in der Probezeit voraussichtlich wieder verloren hätte. Sie ist zu bejahen.

a)

Eine Einkommensfiktion auf unbestimmte Zeit kann nicht angenommen werden, da im Arbeitsleben immer gewisse Veränderungen eintreten können, wozu auch der Verlust des Arbeitsplatzes aus in der Person des Unterpflichtigen liegenden Gründe gehört (Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Auflage, Rdnr. 635).

Aus den Arztberichten nach der Sprunggelenksfraktur ist zu entnehmen, dass der Beklagte bis über den 07.07.2005 hinaus gänzlich arbeitsunfähig war (Bl. 149: keine volle Belastung des Beins für weitere sechs Wochen; Reha-Maßnahme ab dem 16.06.05 (Bl. 155): auch danach fortbestehende Arbeitsunfähigkeit). Der Beklagte hat zwar nicht belegt, wie lange die Arbeitsunfähigkeit über den 07.07.05 hinaus angedauert hat, gleichwohl wird man nicht annehmen können, dass er schon bald nach der Reha-Maßnahme wieder voll einsatzfähig war. Aus dem Attest des Hausarztes vom 20.03.06 ergibt sich zwar, dass vor der im Februar 2006 erfolgten Materialentfernung keine Arbeitsunfähigkeit mehr bestand, andererseits aber auch, dass nach der Operation schon bei leichter bis mittlerer kurzfristiger Belastung Schmerzen aufgetreten sind und das Verbleiben von Funktionseinbußen bis heute nicht absehbar ist. Da solche körperlichen Beeinträchtigungen nach einer operativ versorgten Fraktur eher normal sind, ist davon auszugehen, dass jeder Arbeitgeber nach dem Unfall des gesundheitlich sowieso labilen Beklagten Anfang April 2005 keine andere Möglichkeit gesehen hätte, als das Arbeitsverhältnis innerhalb der üblichen Probezeit von 6 Monaten, die im April noch nicht abgelaufen war, ohne Angabe von Gründen mit einer Frist von 2 Wochen gemäß § 622 Abs. 3 BGB zu beenden. Unter Einrechnung der Zeit zur Einholung der notwendigen Informationen wäre eine Kündigung mit hoher Wahrscheinlichkeit zum 30.04.2005 erfolgt. Zwar hat die Klägerin Recht, dass eine solche Reaktion des Arbeitgebers nicht zwingend ist, gleichwohl kommt insoweit keine Beweislastentscheidung zu Lasten des Beklagten in Betracht, denn unter Berücksichtigung aller Umstände bleiben bei lebensnaher Betrachtung keine vernünftigen Zweifel daran, dass ein potentieller Arbeitgeber die Möglichkeit der Kündigung auch genutzt hätte.

b)

Auch wenn man mangels genauerer Atteste davon ausgeht, dass der Beklagte ab August 2005 wieder arbeitsfähig war, so gab es doch durch die Schmerzen bei der Belastung des Sprunggelenks weitere Beeinträchtigungen, welche die nach Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit gebotenen erneuten Bewerbungen zusätzlich erschwerten. Der Beklagte hatte deshalb nach Einschätzung des Senats vor der endgültigen Klärung etwa verbleibender Funktionseinschränkungen des Sprunggelenks keine reelle Chance, erneut einen Arbeitsplatz zu finden. Dass der Beklagte unterlassen hat, sich sogleich ab dem 07.07.2005 erneut zu bewerben, kann deshalb noch nicht wieder zur Zurechnung fiktiver Einkünfte führen.

c)

Also ist für den gesamten Zeitraum vom 01.05.2005 bis zum 10.03.2006 auf die seit Beginn des Jahres 2005 unveränderten tatsächlichen Einkünfte abzustellen, die keinerlei Unterhaltszahlungen ermöglichen.

4. Ansprüche ab dem 11.03.06:

Nach dem Attest des Hausarztes des Beklagten vom 20.03.2006 war dieser zwar nur bis zum 10.03.2006 arbeitsunfähig geschrieben, konnte sich also ab dem 11.03.2006 erneut um in Stelle in den oben näher umschriebenen Berufsfeldern bewerben, dennoch sind bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung die Voraussetzungen für die erneute Zurechnung fiktiver Einkünfte noch nicht wieder eingetreten. Inwieweit die vom Hausarzt beschriebenen, nach der Sprunggelenksfraktur verbliebenen bewegungsabhängigen Schmerzen seine Einsatzfähigkeit beeinträchtigen und aktuelle Bewerbungen sinnlos machen, weil der Zeitpunkt der endgültigen Genesung noch offen ist, bedarf im vorliegenden Verfahren keiner weiteren medizinischen Aufklärung. Selbst wenn sich nämlich ergeben würde, dass der Beklagte bereits jetzt bei seinen Bewerbungsgesprächen einen klaren Zeitrahmen für die Überwindung aller Beschwerden angeben könnte, ist die ihm dafür zustehende Frist von 5 bis 6 Monaten noch nicht abgelaufen, so dass auch die Zurechnung fiktiver Einkünfte noch nicht wieder in Betracht kommt. Es bleibt daher bis auf weiteres bei seiner Leistungsunfähigkeit.

Die nähere Prüfung der Voraussetzungen für die erneute Zurechnung fiktiver Einkünfte ist daher einer künftigen Leistungsklage vorzubehalten.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97, 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Ziffer 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück