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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 17.01.2003
Aktenzeichen: 11 UF 340/02
Rechtsgebiete: BGB, RPflG, ZPO, GVG, FGG


Vorschriften:

BGB § 1618
BGB § 1618 IV
RPflG § 11 I
RPflG § 11 III Nr. 2a
RPflG § 14
ZPO § 621 I Nr. 1
ZPO § 621 e I
ZPO § 621 e III
ZPO §§ 621 - 621 f
GVG § 23 b I S. 2 Nr. 2
FGG § 50 b Abs. 1
FGG § 64 III S. 1
1.)

Im Verfahren über die Einbenennung nach § 1618 IV BGB sind grds. beide Elternteile und auch das Kind persönlich anzuhören.

2.)

Es stellt einen Verfahrensfehler dar, wenn der Antrag auf Einbenennung ohne persönliche Anhörung mit dem Hinweis zurückgewiesen wird, die Antragsteller hätten nicht dargetan, dass die Einbenennung iSd § 1618 BGB "erforderlich" sei.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

11 UF 340/02 OLG Hamm 11 WF 357/02 OLG Hamm

Hamm, den 17.01.2003

In der Familiensache

Tenor:

Auf die Beschwerden der Antragsteller vom 09.10.2002 und 10.10.2002 wird der Beschluss des Rechtspflegers des Amtsgerichts Hamm vom 16.09.2002 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über den Prozesskostenhilfeantrag der Antragsteller - an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin zu 1. und der Antragsgegner sind durch Urteil des Amtsgerichts Hamm vom 26.01.1999 (32 F 187/97) geschiedene Eheleute. Aus ihrer Ehe sind die im Haushalt der Antragstellerin zu 1. lebenden Söhne R geboren am 08.07.1993, und J geboren am 30.11.1995, hervorgegangen. Die alleinige elterliche Sorge für die Söhne ist im Rahmen des Scheidungsverbundverfahrens der Antragstellerin zu 1. übertragen worden. Diese ist seit dem 21.09.2001 mit dem Antragsteller zu 2. verheiratet und hat im Zuge der Wiederverheiratung den Familiennamen des Antragstellers zu 2. angenommen.

Die Antragsteller beabsichtigen, auch den Kindern ihren Ehenamen zu erteilen. Sie verweisen zur Begründung darauf, dass beide sich fest in die neue Familie integriert fühlten und auch den Wunsch geäußert hätten, denselben Namen wie der Antragsteller zu 2. zu tragen. Diesen betrachteten beide Kinder als ihren wahren Vater und Erzieher. Zum Antragsgegner, der sich schon vor der Scheidung nicht mehr um die Kinder gekümmert habe, bestehe dagegen bereits seit längerer Zeit keine Kontakt mehr. Hinzu kommen, dass der Sohn P wegen psychischer Auffälligkeiten, die auf das Verhalten des Antragsgegners zurückzuführen seien, bis November 2001 für ca. 2 Jahre in einer pädagogischen Einrichtung habe untergebracht werden müsse, inzwischen aber wieder im gemeinsamen Haushalt lebe, wo sich sein Zustand deutlich gebessert habe.

Die Einbenennung sie für die Kinder von entscheidender Bedeutung, um sich vollständig als einheitliche Familie fühlen zu können.

Nachdem der Antragsgegner auf verschiedene vorgerichtliche Aufforderungen, seine Zustimmungen zur Einbenennung der Söhne zu erteilen, nicht reagiert hatte, haben die Antragsteller beantragt, die Einwilligung des Antragsgegners zu der beabsichtigten Einbenennung der Kinder zu ersetzen und ihnen - den Antragstellern - für das Einbenennungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Der Rechtspfleger des Amtsgerichts hat dem Antragsgegner Gelegenheit zur Stellungnahme zum Einbenennungsantrag der Antragsteller gegeben und sodann sowohl ihren Einbenennungs- als auch den Prozesskostenhilfeantrag durch den angefochtenen Beschluss ohne vorherige persönliche Anhörung der Beteiligten mit dem Hinweis zurückgewiesen, die Antragsteller hätten nicht dargetan, dass die Einbenennung i.S.d. § 1618 BGB "erforderlich" sei.

Hiergegen richten sich die Beschwerden der Antragsteller, denen der Rechtspfleger des Amtsgerichts nicht abgeholfen hat.

II.

Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Rechtspflegers des Amtsgerichts vom 16.09.2002 sind zulässig und haben auch in der Sache - vorläufig - Erfolg.

1.

Soweit die Antragsteller sich mit ihrer Beschwerde vom 10.10.2002 gegen die Zurückweisung ihres Antrags auf Ersetzung der Zustimmung des Antragsgegners zur Einbenennung der Kinder nach § 1618 BGB wenden, handelt es sich bei ihrem Rechtsmittel um eine befristete Beschwerde nach §§ 11 I, III Nr. 2a, 14 RPflG i. V. mit §§ 621 1 Nr. 1, 621e I und III ZPO, die als solche sowohl zulässig als auch begründet ist.

a)

Gegenstand des Verfahrens ist in der Hauptsache eine Familiensache, da das Recht der Eltern zur Bestimmung des Kindesnamens Ausfluss der elterlichen Sorge und damit auch die hier in Rede stehende Ersetzung der Zustimmung eines nicht sorgeberechtigten Elternteils zur Namensänderung seines Kindes ein die elterliche Sorge betreffendes Verfahren i. S. von §§ 23b I S. 2 Nr. 2 GVG, 621 I Nr. 1 ZPO ist (BGH FamRZ 1999, 1648; OLG Stuttgart, OLG Report 1999, 297, 298; OLG Bamberg, MDR 2000, 524; Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 621 Rz. 27). Aus diesem Grunde sind nach § 64 III S. 1 FGG die Vorschriften der §§ 621-621 f ZPO anzuwenden. Gegen Endentscheidungen in Familiensachen gem. § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist nach § 621 e Abs. 1 ZPO die befristete Beschwerde statthaft. Die Ersetzung der Zustimmung des nichtsorgeberechtigten Elternteils wie auch deren Ablehnung ist eine solche Endentscheidung.

b)

Das Verfahren erster Instanz leidet an einem gravierenden Verfahrensfehler, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung führt. Das Amtsgericht hat bei seiner Entscheidung die Beteiligungsrechte der Kindeseltern und hier in erster Linie das der Antragstellerin als Kindesmutter (§ 50 a Abs. 1 Satz 2 FGG) nicht ausreichend beachtet, ebenso wenig wie im übrigen auch das der Kinder selbst (§ 50 b Abs. 1 ZPO (vgl. Bumiller/Winkler, FGG, 7. Aufl., § 25 Rz. 8; OLG Rostock, FamRZ 2000, 695; OLG Bamberg, MDR 2000, 524; OLG Celle, FamRZ 1999, 1377, 1378).

aa)

Wie bereits dargestellt, handelt es sich bei der Einbenennung und der Ersetzung der Zustimmung des nichtsorgeberechtigten Elternteils um eine Angelegenheit der Personensorge. Nach § 50 a Abs. 1 Satz 2 FGG ist in einem solchen Fall der sorgeberechtigte Elternteil (hier die Antragstellerin zu 1.) ebenso wie nach § 50 a II FGG auch der nicht sorgeberechtigte Elternteil (hier der Antragsgegner) in der Regel persönlich anzuhören. Die persönliche Anhörung beider Elternteile durch das Gericht erscheint schon im Hinblick auf die Bedeutung der Entscheidung sowohl für das Kind, aber auch für dessen Eltern, grundsätzlich unverzichtbar und ist jedenfalls dann unentbehrlich, wenn sie zur Sachaufklärung gemäß § 12 FGG erforderlich ist. Dabei steht nicht so sehr die Ermittlung äußerer, sondern vielmehr die Erforschung psychologisch bedeutsamer Umstände im Vordergrund (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 50a FGG Rz. 3), die gerade bei der Beurteilung der Frage, ob eine Namensänderung zum Wohl des Kindes erforderlich ist, von ausschlaggebender Bedeutung sind. Weder die schriftliche Darstellung der Kindesmutter noch diejenige ihrer Verfahrensbevollmächtigten im vorliegenden Verfahren ersetzen die persönliche Anhörung der Eltern, weil das Gericht sich einen eigenen Eindruck von der Situation verschaffen muss, um die Frage, ob die Einbenennung des Kindes zu seinem Wohl erforderlich ist, beurteilen zu können. Eine Ausnahme hiervon darf nach § 50 a Abs. 3 FGG nur dann gemacht werden, wenn hierfür schwerwiegende Gründe vorliegen. Solche sind hier indes weder ersichtlich noch im Beschluss des Amtsgericht dargetan. Das Amtsgericht hätte der Kindesmutter deshalb Gelegenheit geben müssen, die von ihr befürchtete Gefährdung des Kindeswohls durch die behaupteten Probleme der Kinder mündlich zu erläutern. Dies ist jedoch nicht geschehen und wird nachzuholen sein.

bb)

Nach § 50 b Abs. 1 FGG ist in Angelegenheiten der Personensorge zudem schon aus Gründen der Sachaufklärung grundsätzlich auch das betroffene Kind persönlich anzuhören, wenn es - wie hier vorgetragen - auf dessen Neigungen, Bindungen und Willen ankommt. Dass eine solche Anhörung wegen fehlender Verständigungsmöglichkeit von vornherein unfruchtbar wäre, kann angesichts des Alters der Kinder nicht ohne weiteres unterstellt werden.

cc)

Aufgrund der unterbliebenen Anhörung der Kindeseltern und der Kinder leidet das amtsgerichtliche Verfahren an einem wesentlichen Verfahrensmangel, der zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht führt. Eine Nachholung der Anhörung im Beschwerdeverfahren erschien dem Senat nicht sinnvoll (vgl. hierzu auch Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, § 25 Rz. 7).

2.

Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Beschluss auch hinsichtlich der Zurückweisung des Prozesskostenhilfeantrags der Antragsteller aufzuheben und die Sache auch insoweit an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung lassen sich erst nach der gebotenen persönlichen Anhörung der Kindeseltern und der Kinder mit ausreichender Sicherheit beurteilen.

Ende der Entscheidung

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