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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 05.11.2004
Aktenzeichen: 11 UF 53/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1666 Abs. 1
Zu den Voraussetzungen, unter denen eine Trennung der Kinder von der elterlichen Familie gem. § 1666 Abs. 1 BGB geboten ist.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

11 UF 53/04 OLG Hamm

In der Familiensache

betreffen die Kinder

R B geboren am 24.09.1999 und

V B geboren am 26.06.2003

hat der 11. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 05. November 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Zumdick und die Richter am Oberlandesgericht Lüblinghoff und Michaelis de Vasconcellos beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluß des Amtsgerichts -Familiengericht - Hamm vom 09. Februar 2004 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 1) trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

Die Beteiligte zu 1) ist die Mutter der am 24.09.1999 und am 26.03.2003 geborenen Kinder R und V B . R ist das eheliche Kind der Beteiligten zu 1) und des von ihr getrenntlebenden Ehemanns, des Beteiligten zu 2). Beide besitzen die polnische Staatsangehörigkeit. Biologischer Vater von V ist nach Angaben der Kindesmutter der Beteiligte zu 3), Herr N , mit dem die Kindesmutter zusammen lebt. Die Kindesmutter, die angibt, bereits seit April 2002 in Polen vom Ehemann getrennt zu leben, reiste zusammen mit dem Ehemann und mit R im Mai 2002 nach Deutschland ein und kam zunächst in der Wohnung ihrer Mutter in Hamm unter. Bereits am 25.05.2002 kehrte der Ehemann nach Polen zurück. Dort soll ein Scheidungsverfahren anhängig sein.

Noch im Mai 2002 zog die Kindesmutter mit R zu dem Beteiligten zu 3), den sie bereits auf Grund eines früheren Aufenthalts in Hamm kannte. Der Beteiligte zu 3), der aus Polen stammt, ist seit ca. 12 Jahren in Deutschland und besitzt inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit. Er arbeitet in Hamm als Kohlenauslieferer.

In den frühen Morgenstunden des 01.09.2003 kam es zu einem Polizeieinsatz in der Wohnung der Beteiligten zu 1) und 3). Ein Nachbar hatte einen Streit in deren Wohnung wahrgenommen und die Polizei verständigt. Vor Ort wurden die Beteiligten zu 1) und 3) und eine weitere männliche Person in alkoholisiertem Zustand angetroffen. Eine Blutspur führte vom Flur in die Küche und in ein Kinderzimmer. Nach dem die Anwesenden zunächst den Beamten den Weg zu dem Kinderzimmer versperren wollten, wurde R dort vorgefunden. Er lag im Bett und streckte den Beamten seine stark blutverschmierte Hand entgegen. Der Junge hatte eine tiefe Schnittwunde im Bereich des linken Daumens erlitten. Nach der ärztlichen Erstversorgung durch die Besatzung des herbeigerufenen Krankenwagens wurde R in der Kinderklinik des EVK überführt. Dort wurde eine bogenförmige Schnittverletzung mit klaffender Wunde diagnostiziert, ferner der Verdacht auf eine psychomotorische Retardierung.

Die Kindesmutter, bei der ein durchgeführter Alkoholtest einen Wert von 0,71 Promille ergab, wurde der Polizeihauptwache zugeführt. Bei ihrer verantwortlichen Vernehmung um ca. 12.30 Uhr sagte sie unter anderem aus, ihr Lebensgefährte sei Alkoholiker, sie liebe diesen Mann abgöttisch. Er mache ihr immer Vorwürfe wegen des Sohnes. Er hasse das Kind regelrecht. Er werfe dem Kind immer vor, es würde ihn komisch angucken oder nicht gehorchen. Er nenne sie dann eine Hure und erlaube ihr nicht, gut zu ihrem Sohn zu sein. Hubert habe wieder angefangen mit R zu schimpfen. Er habe dann auch gesagt, er wolle die Tochter nehmen und mit ihr nach Polen gehen. Der Sohn R sei dann aufgewacht und habe zur Toilette gemußt. Er sei dann zu ihr in die Küche gekommen und habe in ihre Arme gewollt, um zu kuscheln. Sie selbst sei aber mit den Nerven völlig am Ende gewesen und habe vor lauter Wut mit dem Messer, was sie in der Hand gehalten habe, um eine Schnitte Brot abzuschneiden, in seine Hand geschnitten. Sie habe einfach gewollt, daß Hubert mit seinen Beschimpfungen aufhört. Er sollte sehen, daß sie ihn über alles liebe und für ihn sogar ihrem Sohn Schmerzen zufüge.

Die Kindesmutter, die ebenfalls geringfügige Schnittverletzungen an dem Arm aufwies, wurde wegen Suizidgefahr nach dem Psych-KG in die psychiatrische Abteilung des Marien-Hospitals in Hamm eingewiesen. Dort wurde sie von dem Vormundschaftsrichter ebenfalls noch am 01.09.2003 angehört und sagte dort unter anderem aus, sie habe dem Sohn mit einem Messer in den Finger geschnitten.

Durch einstweilige Anordnung vom 02.09.2003 hat das Gericht den Kindeseltern die elterliche Sorge vorläufig entzogen und dem Jugendamt Hamm als Vormund übertragen. Die Beteiligte zu 5) wurde den Kindern als Verfahrenspflegerin beigeordnet. Im Anhörungstermin vom 16.09.2003 bestritt die Kindesmutter, daß sie ihren Sohn habe verletzen wollen. Sie sei ziemlich aufgeregt gewesen, da sei ihr das Messer wohl aus der Hand gefallen und der Junge müsse sich daran verletzt haben. Sie habe gar nichts von der Verletzung gewußt (Bl. 23 R - 24 R d. A.).

Sie hat die Auffassung vertreten, daß sich das vom Amtsgericht eingeholte Gutachten des Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie Ch T (Bl. 64 - 106 d. A.) nicht hinreichend mit der Frage befasse, inwieweit eine psychiatrische Erkrankung Ursache für die Geschehnisse sei.

Die Vertreterin des Jugendamts (Familienhilfe) und die Vormünderin haben die Auffassung vertreten, die Kindesmutter sei erziehungsunfähig und die Kinder, insbesondere Radoslaw, so stark geschädigt, daß zur Hineingabe in eine Pflegefamilie keine Alternative bestehe und die Vormundschaft angeordnet werden müsse.

Die Verfahrenspflegerin hat ebenfalls die Einrichtung einer Vormundschaft beantragt und die Hineingabe der Kinder in eine geeignete Pflegefamilie.

Der in Polen lebende Beteiligte zu 2) ist durch das Amtsgericht angeschrieben worden und hat Informationen über das Verfahren erhalten, insbesondere auch Terminsnachrichten. Er ist weder zu einem Termin erschienen, noch hat er sich sonst gemeldet.

Beide Kinder befinden sich seit Anfang September 2003 in Bereitschaftspflege.

Das Amtsgericht hat Ermittlungen erhoben in Form der Anhörung der Beteiligten zu 1) und 3), der Einholung des Jugendamtsberichts, der Beiziehung von Arzt- und Entwicklungsberichten bezüglich der Kinder, des Einsatzberichtes der Polizei und des Vernehmungsprotokolls, ferner Beiziehung der Akten Amtsgericht Hamm XVI 3362/L sowie der Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Kinder- und Jugendpsyhiatrie, Psychiatrie und Psychotherapie Ch T .

Mit Beschluß vom 09.02.2004 hat das Amtsgericht die elterliche Sorge für die Kinder den Kindeseltern entzogen und dem Jugendamt Hamm als Vormund übertragen.

Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1) mit ihrer Beschwerde. Sie möchte, daß die Kinder wieder nach Hause kommen und führt zur Begründung aus, daß dort alles in Ordnung sei. Das Gutachten T setze sich nicht mit ihrer psychischen Erkrankung auseinander. Der Sorgerechtsentzug dürfe nur die ultima ratio sein, die Voraussetzungen hierfür lägen nicht vor. Ergänzend nimmt sie Bezug auf die ärztliche Stellungnahme des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. B vom 18.05.2004 (Bl. 196 - 201 d. A.) und auf den Bericht des Sozialdienstes des St. Marienhospitals Hamm vom 02.09.2004 (Bl. 272 - 273 d. A.). Der Senat hat ein weiteres Gutachten gemäß Beweisbeschluß vom 30.06.2004 (Bl. 189 d. A.) zur Frage der Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter eingeholt. Insoweit wird auf das schriftliche Gutachten von Dr. M L vom 06.09.12004 (Bl. 241 - 269 d. A.) verwiesen. Die Umgangskontakte der Kindesmutter und des Beteiligten zu 3) fanden bis zum 25.03.2004 statt. Danach wurden die Besuchskontakte eingestellt, um die Kinder auf die Vermittlung in eine Dauerpflegefamilie vorzubereiten. Ein Verabschiedungskontakt hat am 04.05.2004 stattgefunden.

Der Senat hat die Kindesmutter, den mutmaßlichen Kindesvater von V B , den Beteiligten zu 3), Frau N vom Jugendamt der Stadt Hamm, Frau J als Vormünderin, Frau F als Verfahrenspflegerin angehört. Weiterhin hat der Sachverständigen Dr. L sein Gutachten erläutert. Insoweit wird auf den Vermerk des Berichterstatters vom Senatstermin vom 05. November 2004 verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist gem. §§ 621 e, 621 Abs. 1 Ziff. 2) ZPO zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.

Die gegen die Entscheidung des Amtsgerichts erhobenen Einwände geben dem Senat keine Veranlassung zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Das Amtsgericht ist zu Recht zu der Einschätzung gelangt, daß den Kindeseltern für die Kinder R und V B die elterliche Sorge zu entziehen und dem Jugendamt Hamm als Vormund zu übertragen ist. Die Voraussetzungen der §§ 1666, 1666 a BGB liegen vor.

Gem. § 1666 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes durch mißbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Verhalten eines Dritten gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. Dabei sind Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann (§ 1666 a BGB).

Das Kindeswohl im Sinne von § 1666 Abs. 1 BGB ist gefährdet, wenn eine gegenwärtige oder zumindest nahe bevorstehende Gefahr für seine Entwicklung vorliegt, die so ernst zu nehmen ist, daß sich eine erhebliche Schädigung seines - körperlichen, geistigen oder seelischen - Wohls mit ziemlicher Sicherheit voraussehen läßt, wenngleich die zu erwartenden schädigenden Folgen nicht unmittelbar bevorstehen müssen (BayObLG FamRZ 1996, 1031, 1032; OLG Hamm FamRZ 2004, 1664). Bei der Auslegung des Begriffs des Kindeswohls ist zu berücksichtigen, daß gem. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG dem Erziehungsrecht der Eltern Vorrang zukommt. In dieses Erziehungsrecht darf der Staat nur nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG bei strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingreifen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß die Beurteilung der Erziehungsunfähigkeit der Eltern ihr Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG berührt (vgl. BVerfG FamRZ 2002, 1021 ff.). Das Fehlverhalten der Eltern muß gegenüber dem Kindeswohl eine gewisse Evidenz aufweisen (vgl. Palandt/Dietrichsen, BGB, 63. Aufl., § 1666 Rdnr. 31). Dabei gehört es nicht zum staatlichen Wächteramt gem. Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG, für eine den Fähigkeiten des Kindes bestmögliche Förderung zu sorgen; vielmehr gehören die Eltern und deren sozio-ökonomische Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes (Palandt/Dietrichsen, § 1666 Rdnr. 18). Im Rahmen der §§ 1666, 1666 a BGB ist stets zu beachten, daß kein Kind Anspruch auf "Idealeltern" und optimale Förderung und Erziehung hat und sich das staatliche Wächteramt auf die Abwehr von Gefahren beschränkt. Keinesfalls kann es für eine Trennung des Kindes von den Eltern oder einem Elternteil ausreichen, daß es andere Personen oder Einrichtungen gibt, die zur Erziehung und Förderung eventuell besser geeignet wären (OLG Hamm FamRZ 2004, 1664, 1665).

Darüber hinaus ist bei der Prüfung einer Kindeswohlgefährdung im Sinne des §§ 1666, 1666 a BGB auch zu berücksichtigen, daß Art. 8 EMRK das Recht auf Achtung des Familienlebens garantiert und Eingriffe des Staates nur unter engen Voraussetzungen zuläßt. Dieses Gebot einer Achtung des Familienlebens führt dazu, daß der Staat bei der Vornahme von Eingriffen grundsätzlich so handeln muß, daß eine Fortentwicklung der familiären Erziehung erfolgen kann; er hat geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um den betreffenden Elternteil und das Kind wieder zusammen zu führen (vgl. EuGHMR, FamRZ 2002, 1393).

Gemessen an den vorstehend genannten Kriterien ist die Herausnahme der Kinder aus dem Familienverband gerechtfertigt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt, auf den es für die vorliegende Entscheidung ankommt, läßt sich eine fortdauernde Gefährdung des Kindeswohls bejahen.

1.

Das körperliche und seelische Wohl von R ist unzweifelhaft durch die Kindesmutter am 01.09.2003 stark verletzt worden. Daß sie ihren Sohn am 01.09.2003 bewußt mit dem Messer in die Hand geschnitten hat, stellt auch die Kindesmutter, wie ihre Anhörung im Senatstermin ergeben hat, nicht mehr in Abrede. Das Motiv, ihr eigenes Kind mit dem Messer zu verletzen lag darin, daß es zu einem Streit zwischen ihr und ihrem Lebensgefährten Herrn N gekommen war.

Dieses Fehlverhalten in Bezug auf das körperliche und seelische Wohl von R ist evident. Aus diesem gravierenden Fehlverhalten läßt sich auch eine Wiederholungsgefahr für die Zukunft ableiten.

In der Beurteilung dieses Geschehens macht sich der Senat auch die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. L zu eigen. Danach imponiert schon die Art der Gewaltanwendung. Sie unterscheidet sich von anderen Arten der Gewaltanwendung gegenüber Kindern oder Säuglingen (durch Schläge oder Schütteln) dadurch, daß es hier zusätzlich zum Einsatz eines Messers gekommen ist und daß dem Kind damit zielgerichtet in die Hand geschnitten worden ist. Hinzu kommt, daß das Motiv der Mutter kaum nachvollziehbar ist und nicht als einmaliger Ausrutscher in einer Konfliktsituation gewertet werden kann. Der Sachverständige hat überzeugend dargestellt, daß der Gewaltausbruch der Mutter seine Ursache in der Beziehung zu ihrem Lebensgefährten N hat. Die Kindesmutter ist nicht in der Lage, diesen Ursachenzusammenhang zu reflektieren und damit das Gefährdungspotential für ihre Kinder in Zukunft zu reduzieren. Auch in Zukunft kann es demnach zu einer vergleichbaren Verletzung mit vielleicht noch gravierenderen Folgen kommen.

2.

Dieser Gefährdung des Kindeswohls kann auch nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen begegnet werden. Selbst wenn die Kindesmutter ihren Aufenthalt in eine stationäre Mutter-Kind-Einrichtung verlegen würde, wäre in Zukunft eine vergleichbare Gefährdung und Verletzung ihrer Kinder nicht ausgeschlossen.

Der Sachverständige hat auch hierzu ausgeführt, daß dann die Frage sei, was aus der Beziehung der Kindesmutter zu Herrn N werde. Falls sich die Mutter allein ihrer Kinder wegen in solch eine Einrichtung begäbe und sich allein den Kindern zuwenden würde, könnte die Beziehungsproblematik - auch nach Auffassung des Senats - erneut eskalieren und es so zu einer erneuten massiven, in der Art nicht vorauszusehenden Gewaltanwendung gegen die Kinder kommen. Die Mutter sei, nicht nur aus intellektuellen Gründen, nicht in der Lage, das eigene Verhalten zu reflektieren. Der Sachverständige hat diesen Zustand mit dem Begriff der "Seelenblindheit" beschrieben. Es bedürfe einer langjährigen Therapie, um diesen Zustand zu beheben. Solange dieser Zustand nicht behoben ist, kann es aus Sicht des Senats nicht verantwortet werden, die Kindesmutter unbeaufsichtigt mit ihren Kindern allein zu lassen.

3.

Die Gefahr, daß es in Zukunft insbesondere zu einer körperlichen Gewaltanwendung kommt, besteht nicht nur gegenüber R , sondern nach Auffassung des Senats auch gegenüber dem Kind V . Dabei hat der Senat berücksichtigt und unterstellt, daß dieses Kind das gemeinsame Kind der Kindesmutter und von Herrn N ist. Solange die Kindesmutter mit Herrn N zusammen ist, bestünde nicht die Gefahr, daß die Kindesmutter annimmt, Herr N sei auf dieses Kind eifersüchtig. Die Annahme der Eifersucht war für die Kindesmutter ja Anlaß der Gewaltanwendung. Käme es allerdings zu einer Beziehung zu einem anderen Mann, dann wäre - jedenfalls aus Sicht der Kindesmutter - in Bezug auf die Eifersucht eines anderen Mannes die Situation mit derjenigen vergleichbar, wie sie bei R vorgelegen hat. Solange nicht sicher ist, daß die Kindesmutter in der Lage ist, ihr eigenes Verhalten, gerade innerhalb einer Beziehung zu reflektieren, ist auch hier aus den bereits vorgenannten Gründen - nicht auszuschließen, daß es zu einem Gewaltausbruch gegenüber diesem Kind kommen kann.

4.

Die Kindesmutter ist darüber hinaus nicht in der Lage, ihre Kinder R und V zu erziehen. Sie war und ist nur in der Lage, die unmittelbaren Bedürfnisse des täglichen Lebens für ihre Kinder zu befriedigen. Sie war allerdings schon nicht in der Lage, dafür zu sorgen, daß sich ihre Kinder altersgerecht psychomotorisch entwickeln konnten. So befand sich R am 01.09.2003 im Zustand der erheblichen psychomotorischen Retardierung. Er konnte als fast vierjähriges Kind unter anderem nicht frei die Treppe rauf und runter gehen, nicht balancieren und auf einem Bein stehen, wie dem Bericht der Frau G vom Evangelischen Krankenhaus Hamm - Klinik für Kinder- und Jugendmedizin - vom 11.09.2003 (Bl. 60 d. A.) zu entnehmen ist. R hat zudem keine normale Sprache und konnte seine Bedürfnisse nicht äußern.

Auch V wies bereits Spuren von grober Vernachlässigung auf. Die Verfahrenspflegerin hat hierzu nachvollziehbar am 03.02.2004 (Bl. 119 R d. A.) dargelegt, daß dieses Kind in ihrem jungen Babyalter von der Pflegemutter habe angesprochen werden müssen als sie wach im Bett lag. Sie habe keine Bedürfnisse geäußert. Zu einer solchen Verhaltensweise kann es - auch nach Auffassung des Senats - nur dadurch gekommen sein, daß dieses Kind durch die Kindesmutter grob vernachlässigt worden ist. Daraus ergibt sich, daß die Kindesmutter nicht in der Lage war, die Kinder altersentsprechend zu erziehen. Sie wird hierzu auch nicht in der Lage sein, solange sie sich im Zustand der vom Sachverständigen beschriebenen "Seelenblindheit" befindet. Ohne eine lang anhaltende Therapie wird die Kindesmutter diesen Zustand nicht überwinden können. Es ist derzeit nicht absehbar, ob und wann die erheblichen Defizite der Erziehungsfähigkeit überwunden werden können.

5.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG, die Wertfestsetzung beruht auf § 131, 30 Abs. 2 KostO.

Die Voraussetzungen zur Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 621 e Abs. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO) liegen nicht vor.



Ende der Entscheidung

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