Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 27.01.2006
Aktenzeichen: 11 WF 333/05
Rechtsgebiete: GKG


Vorschriften:

GKG § 48 Abs. 2
GKG § 48 Abs. 2 Satz 1
GKG § 48 Abs. 3 S. 1
GKG § 68
1.)

Wohngeld ist als Einkommen gem. § 48 Abs. 3 S. 1 GKG anzusehen und daher bei der Streitwertberechnung eine Ehesache als Nettoeinkommen zu berücksichtigen.

2.)

Für unterhaltsberechtigte Kinder ist vom Gesamteinkommen ein Pauschalbetrag von 300 Euro pro Kind abzusetzen. Kindergeld ist dagegen als Einkommen zu berücksichtigen.

3.)

Schulden der Parteien sind abzusetzen, soweit diese tatsächlich ratenweise zurückgezahlt werden.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

11 WF 333/05 OLG Hamm

Hamm, den 27.01.2006

in der Familiensache

Tenor:

Auf die Beschwerde der Rechtsanwälte Sturm pp. wird der Beschluss des Amtsgerichts Bottrop vom 05.10.2005 bezüglich der Festsetzung des Streitwerts für die Ehescheidung abgeändert.

Der Streitwert für die Ehescheidung wird auf 3.500,- € festgesetzt.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die Beschwerde, mit der die Rechtsanwälte der Antragsgegnerin die Erhöhung des Streitwerts für die Ehescheidung von 2.000,- € auf 4.670,40 € erstreben, ist gemäß § 68 GKG zulässig. Insbesondere ist der Beschwerdewert von 200,- € überschritten, der sich nach der Differenz richtet, die sich ergibt, wenn man die Wahlanwaltsgebühren nach dem festgesetzten und dem angestrebten Streitwert vergleicht.

Die Beschwerde ist auch überwiegend begründet. Der gemäß § 48 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles, insbesondere der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Parteien sowie des Umfangs und der Bedeutung zu bestimmende Streitwert liegt höher als das Amtsgericht angenommen hat, erreicht aber nicht den von den Beschwerdeführern erstrebten Wert.

1.

Der Senat hat - wie es auch das Amtsgericht für richtig gehalten hat - seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben, dass der Streitwert der Ehescheidung bei Bewilligung von ratenfreier Prozesshilfe für beide Parteien nur mit dem Mindestwert von 2.000,- € bemessen werden könne, denn nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23.08.2005 (NJW 2005, S. 2980) ist diese Rechtsprechung mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Vielmehr muss auch in den Fällen der Bewilligung ratenfreier Prozesskostenhilfe das von den Eheleuten in den letzten drei Monaten vor Klageerhebung erzielte Einkommen Ausgangpunkt der Wertbemessung sein. Dabei ist der Beschwerde Recht zu geben, dass nicht nur die Erwerbseinkünfte der Parteien in die Berechnung einzustellen sind, sondern auch das an die Antragsgegnerin gezahlte Wohngeld von 177,- €. Zwar besteht grundsätzlich Einigkeit, dass (subsidiäre) Sozialleistungen kein für die Streitwertfestsetzung relevantes Einkommen sind (OLG Karlsruhe FamRZ 2002, S. 1135 mit weiteren Nachweisen), Wohngeld ist aber keine solche Sozialleistung, sondern unterhaltspflichtiges Einkommen. Die unterhaltsrechtliche Problematik, dass unvermeidbar hohe Wohnkosten gegenzurechnen sind, kann für die Streitwertfestsetzung schon aus Gründen der Praktikabilität keine Rolle spielen.

Der vom Antragsteller gezahlte Unterhalt ist hingegen nicht gesondert als Einkommen auf Seiten der Antragsgegnerin zu berücksichtigen, denn er ist aus dessen Erwerbseinkommen aufzubringen, das bereits in die Berechnung eingestellt ist.

2.

Der Senat folgt der Praxis, für jedes unterhaltsberechtigte Kind ohne Rücksicht auf die tatsächliche Höhe der Unterhaltsansprüche einen Pauschalbetrag abzusetzen, der sowohl den Bar- wie den Betreuungsbedarf umfasst (Zöller/Herget, ZPO, 25. Auflage, § 3, Rdnr. 16, Stichwort "Ehesachen"; OLG Karlsruhe, a.a.O.). Der Senat hält für angemessen, die schon im Jahr 2000 mit 500,- DM pro Kind angenommene Pauschale (OLG Düsseldorf, FamRZ 2001, S. 432) auf 300,- € anzuheben (so auch der Vorschlag bei Zöller, a.a.O., § 3, Rdnr. 16, Stichwort "Ehesachen").

Weil damit auch der Betreuungsaufwand mit abgegolten ist, kommt aber entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht in Betracht kommt, den Pauschalbetrag von 300,- € bei beiden Eheleuten als Abzugsposten zu berücksichtigen.

Wird die Unterhaltslast für die Kinder berücksichtigt, ist andererseits auch das zur Erleichterung der Unterhaltslast gezahlte Kindergeld als Einkommen zu anzurechnen.

3.

Wie Schulden bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen sind, ist zwar umstritten, mit dem Zweck, das Verfahren möglichst unkompliziert und rasch ablaufen zu lassen, ist aber nur vereinbar, Schulden ohne Rücksicht auf ihre Höhe, ihren Entstehungsgrund oder einen vorhandenen Gegenwert abzusetzen (Zöller, a.a.O.; OLG Karlsruhe, a.a.O.).

Die Höhe der von den Parteien auf die Verbindlichkeiten zu zahlenden Raten ist nachgewiesen.

4.

Demnach ergibt sich folgende Berechnungsbasis:

 Einkommen des Antragstellers1.266,00 €
Erwerbseinkommen der Antragsgegnerin360,00 €
Wohngeldbezug177,00 €
Kindergeld308,00 €
 2.111,00 €
./. Unterhaltslasten für zwei Kinder600,00 €
./. Ratenzahlungen Antragsteller153,00 €
./. Ratenzahlungen Antragsgegnerin77,00 €
anrechenbares Einkommen1.281,00 €
* 33.843,00 €

5. Abschläge:

Dieser Ausgangswert ist je nach Beurteilung der weiteren Kriterien des § 48 Abs. 2 Satz 1 GKG anzuheben oder abzusenken. Da das Verfahren bezogen auf die Vermögensverhältnisse der Parteien, den Umfang und die Zeitdauer als unterdurchschnittlich einzustufen ist, bezogen auf die Bedeutung für die Parteien unter Berücksichtigung der Ehedauer und der Betroffenheit zweier Kinder hingegen nur als leicht überdurchschnittlich, hält der Senat für gerechtfertigt, den Ausgangswert auf 3.500,- € zu reduzieren.

Ende der Entscheidung

Zurück