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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 10.02.2006
Aktenzeichen: 11 WF 405/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 426
Ein vergleichsweise festgelegter Unterhaltsanspruch kann nicht schon deshalb angepasst werden, wenn der Schuldner die bei der Berechnung des Unterhaltsanspruchs berücksichtigten Schulden nach dem Vergleichsabschluss nicht mehr bedient.

Soweit die Unterhaltsberechtigte als Gesamtschuldnerin mit für diese Schulden haltet, kann sie auf Freistellung gegenüber den Gläubigem klagen und so für die zweckgemäße Verwendung des für den Schuldabtrag reservierten Einkommensanteil sorgen.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

11 WF 405/05 OLG Hamm

Hamm, den 10. Februar 2006

in der Familiensache

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerinnen vom 09.12.2005 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bottrop vom 24.11.2005 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin zu 1) ist die geschiedene Ehefrau des Antragsgegners, die am 13.05.1999 geborene Antragstellerin zu 2) dessen Tochter. Der Unterhalt für die Tochter ist durch Vergleich vom 09.10.2002 geregelt worden, der nacheheliche Unterhalt für die Antragstellerin zu 1) durch Vergleich vom 06.02.2004. Dabei ist für die Berechnung des titulierten Ehegattenunterhalts zu Grunde gelegt worden, dass der Antragsgegner monatlich 977,- € zur Abzahlung eheprägender Schulden aufzuwenden habe.

Im Mai 2005 haben die Antragstellerinnen den Antragsgegner zwecks Überprüfung ihrer Unterhaltsansprüche zur erneuten Auskunft über seine Einkommensverhältnisse aufgefordert. Auf Grund der erteilten Informationen will die Antragstellerin zu 1) eine Erhöhung ihrer Ansprüche rückwirkend ab März 2004 geltend machen, die Antragstellerin zu 2) rückwirkend ab Mai 2005. Dafür haben sie Prozesskostenhilfe beantragt.

Das Amtsgericht hat der Antragstellerin zu 2) Prozesskostenhilfe für die Geltendmachung des Regelbetrages der Altersstufe 2 für die Zeit ab Mai 2005 bewilligt. Im übrigen hat es die Anträge zurückgewiesen, weil eine wesentliche Veränderung der den beiden Vergleichen zu Grunde gelegten Einkommensverhältnisse nicht eingetreten sei.

Gegen diesen Beschluss wenden sich die Antragstellerinnen mit ihrer Beschwerde und greifen im Wesentlichen die Auffassung des Amtsgerichts an, dass es nicht darauf ankomme, ob der Antragsgegner die im Vergleich vom 06.02.2004 zu Grunde gelegten Abzahlungen auf eheprägende Schulden in Höhe von monatlich 977,- € erbringe oder das Geld anderweitig ausgebe. Eine solche fiktive Berücksichtigung von Kreditrückzahlungen belasse dem Schuldner aktuell mehr Geld, als er beanspruchen könne. Ob das irgendwann dadurch ausgeglichen werde, dass trotz tatsächlich fortbestehender Schulden deren Erledigung fingiert werde, sei offen, weil möglich sei, dass bis dahin der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt erloschen sei.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, bleibt aber ohne Erfolg. Die dargelegte Erhöhung der Einkünfte des Antragsgegners ermöglicht ihm zwar, ab Verzugsbeginn im Mai 2005 für die Antragstellerin zu 2) den Regelbetrag der Altersstufe 2) zu zahlen, weitere Änderungen kommen aber nicht in Betracht.

1.

Kernpunkt der Beschwerde ist die Frage, ob es in Betracht kommt, einen vergleichsweise festgelegten Unterhaltsanspruch anzupassen, wenn der Schuldner die bei dessen Berechnung berücksichtigten Schulden nach dem Vergleichsabschluss ganz oder teilweise nicht mehr bedient.

a)

Eine Veränderung der dem Vergleich zu Grunde gelegten Abzahlungsverpflichtungen ist weder dargelegt noch ersichtlich. Die im März 2005 erreichte Ablösung des Konsumkredits der Sparkasse Bottrop (Bl. 97 GA) rechtfertigt nicht, die dem Vergleich zu Grunde gelegte monatliche Zahlungsverpflichtung von 600,- € gegenüber der Sparkasse Bottrop zu ermäßigen oder außer Betracht zu lassen, denn der weitere Kredit dieser Gläubigerin, den beide Eheleute gemeinsam für den Erwerb der dem Antragsgegner gehörenden Eigentumswohnung in Bottrop aufgenommen haben, valutiert per 30.08.2005 noch in Höhe von 78.335,45 € und ist - nach Erledigung des Konsumkredits - nunmehr mit den von der Sparkasse zugestandenen Raten von monatlich 600,- € zu bedienen.

Auch eine Erledigung der Schulden gegenüber der ... Bank und der F Finanz AG ist nicht dargetan. Der Hinweis, die mit dem Kredit der Deutschen Bank erworbene Eigentumswohnung in Dortmund sei inzwischen zwangsversteigert worden, genügt insoweit der Darlegungslast nicht. Weiche Auswirkungen die Zwangsversteigerung der mit dem Kredit der Deutschen Bank erworbenen Eigentumswohnung in Dortmund auf dessen Saldo gehabt hat, könnte die Antragstellerin, die Gesamtschuldnerin ist, bei der Bank erfragen und aus eigenem Wissen vortragen. Nach den Ausführungen im Vorprozess ist im Übrigen davon auszugehen, dass der Versteigerungserlös nicht ausgereicht hat, die Schuld gegenüber der Deutschen Bank zu tilgen.

b)

Die Antragstellerinnen haben sich - insbesondere im Hinblick auf die Mithaftung der Antragstellerin zu 1) - darauf eingelassen, dass der Antragsgegner monatliche Kreditrückzahlungen von 977,- € leistet. Daran sind sie unabhängig von den tatsächlich geleisteten Rückzahlungen festzuhalten, denn an der Grundlage für diese Vereinbarung hat sich nichts geändert.

Die Forderung, die Unterhaltsbeträge rückwirkend entsprechend den tatsächlich geleisteten Rückzahlungen anzupassen und die nur unregelmäßig abgezahlten Schulden für die Zukunft unberücksichtigt zu lassen, ist mit dem Sinn des Vergleichs nicht vereinbar, der längerfristige Planungssicherheit für die Lebensgestaltung der Parteien bieten sollte. Entgegen der Ansicht der Beschwerde ermöglicht das dem Schuldner keineswegs, das zur Schuldentilgung reservierte Einkommen nach seinem Gutdünken für eigene Bedürfnisse einzusetzen:

Soweit die Antragstellerin zu 1) als Gesamtschuldnerin haftet und der Antragsgegner durch den Vergleich die Verpflichtung übernommen hat, die Schulden im Innenverhältnis allein zu tilgen (§ 426 BGB), kann sie auf Freistellung gegenüber den Gläubigem klagen und so für die zweckgemäße Verwendung des für den Schuldabtrag reservierten Einkommensanteils sorgen.

Die Erfüllung der Schulden, für die der Antragsgegner alleine haftet, werden die Antragstellerinnen zwar nicht erzwingen können, weil eine ausdrückliche Verpflichtung dazu ihnen gegenüber fehlt, auch das rechtfertigt aber nicht, den Vergleich unter Nichtberücksichtigung dieser Schulden anzupassen. Zum einen ist damit zu rechnen, dass die nicht bedienten Schulden tituliert und vollstreckt werden, zum anderen stünden die Antragstellerinnen auch bei einer aktuellen Anhebung ihrer Ansprüche nicht besser als bei fiktiver Anrechnung der versprochenen Rückführung, denn es macht keinen Unterschied, ob sich die Frage des vollstreckungsrechtlichen Rangverhältnisses von Unterhalts- und anderen Forderungen jetzt oder später stellt.

Das Risiko, dass der Antragsgegner bei fiktiver Anrechnung von Schuldtilgungen im Zeitpunkt der (fiktiven) Erledigung der Schuld möglicher Weise nicht mehr unterhaltspflichtig ist, sind die Antragstellerinnen bewusst und zu Recht eingegangen, weil die ehelichen Lebensverhältnisse durch die Schulden und die damit verbundene finanzielle Einschränkung geprägt waren. Das kann durch die Abänderungsklage nicht korrigiert werden.

2.

Zwar ist richtig, dass sich das anrechenbare Einkommen des Antragsgegners gegenüber der Prognose bei Vergleichsabschluss erhöht hat, das rechtfertigt aber nur die Anhebung der Zahlungsverpflichtung gegenüber der Antragstellerin zu 2) auf den aktuellen Regelunterhalt (für die das Amtsgericht bereits PKH bewilligt hat), nicht aber auch eine Erhöhung des Trennungsunterhalts.

a)

Das im Vergleich zu Grunde gelegte Einkommen beruhte auf folgender Prognose:

 Fortschreibung des 2003 erzielten Nettoeinkommens1.658,00 €
Fortschreibung der Steuererstattung für 2003213,00 €
zusammen1.871,00 €
./. Fahrtkosten (geschätzt)76.00 €
anrechenbar1.795,00 €

b)

Während sich das durchschnittliche Erwerbseinkommen in 2004/2005 nach den vorgelegten Unterlagen deutlich auf 1.834,- € erhöht hat, kann für die Prognose der Steuererstattung nur der durch das Realsplitting mögliche Steuervorteil zu Grunde gelegt werden, den das Amtsgericht unwidersprochen auf 100,- € pro Monat geschätzt hat. Also ergibt sich als aktuelles Einkommen:

 Durchschnittliches Nettoeinkommen1.834,00 €
Steuererstattung100,00 €
zusammen1.934,00 €
./. Fahrtkosten76,00 €
verbleiben1.858,00 €

c)

Unter Berücksichtigung des ab Mai 2005 für Juliane geschuldeten Regelbetrages der Altersstufe 2) stehen für den Ehegattenunterhalt nicht mehr als die 300,- € zur Verfügung, zu deren Zahlung sich der Antragsgegner bereits verpflichtet hat. Das zeigt die nachfolgende Berechnung:

aa)

Bis einschließlich Juni 2005 kann der Antragsgegner unter Berücksichtigung des dem Kindesunterhalt eingeräumten Vorrangs und des einverständlich mit 715,- € bemessenen Selbstbehalts für den Ehegattenunterhalt aufbringen:

 anrechenbares Erwerbseinkommen1.858,00 €
Wohnwert der selbstgenutzten Wohnung350,00 €
 2.208,00 €
./. nach dem Vergleich zu bedienende Schulden977,00 €
./. Regelunterhalt für Juliane241,00 €
./. Selbstbehalt (wie Vergleich)715,00 €
verfügbar275,00 €

bb)

Für die Zeit ab Juli 2005 sinkt die Leistungsfähigkeit sogar noch weiter, weil der für die Tochter aufzubringende Regelunterhalt auf monatlich 247,- € steigt und der mit 715,- € angenommene Selbstbehalt (85,1 % von 840,- €) wegen der ab dem 01.07.2005 erfolgten Anpassung auf 758,- € anzuheben ist (85,1 % von 890,- €):

anrechenbares Erwerbseinkommen|1.858,00 € Wohnwert der selbstgenutzten Wohnung|350,00 € |2.208,00 € ./. nach dem Vergleich zu bedienende Schulden|977,00 € ./. Regelunterhalt für Juliane|247,00 € ./. Selbstbehalt (wie Vergleich)|758,00 € verfügbar|226,00 €

Ende der Entscheidung

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