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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 01.06.2007
Aktenzeichen: 12 U 9/06
Rechtsgebiete: VOB/B, ZPO


Vorschriften:

VOB/B § 2 Nr. 5
VOB/B § 2 Nr. 6
VOB/B § 2 Nr. 7
ZPO § 139
ZPO § 139 Abs. 5
ZPO § 531 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 29. November 2006 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der durch die Nebeninterventionen entstandenen Kosten werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird gestattet, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung einer Mehrvergütung für Spundwandarbeiten bei der Errichtung eines Lebensmittelmarkts in S, S1, im Jahr 2002.

Mit Generalunternehmervertrag vom 05.09.2002 vereinbarten die Parteien die schlüsselfertige Erstellung des X-Marktes zu einem Pauschalpreis von 2,169 Mio €. Nach dem vertragsgegenständlichen Leistungsverzeichnis sollte auf der nördlichen Grundstücksseite als Absicherung zum Nachbargrundstück eine Spundwand eingepresst werden. Zur Ermittlung der Bodenverhältnisse hatte die Beklagte vor Auftragsvergabe zwei Bodengutachten der Streithelferin zu 1) vom 10.04.2001 und 17.05.2002 eingeholt, welche die Parteien in den Generalunternehmervertrag einbezogen.

Nach Beginn der Vorarbeiten stellte die Klägerin, die die Spundungsarbeiten durch eine Subunternehmerin ausführen ließ, fest, dass die im Abstand von 70 cm ausgebrachten Bohrungen mit einem Durchmesser von 300 mm nicht ausreichten, um die Spundwand einzupressen. Die Parteien stritten darum, ob die technischen Schwierigkeiten auf den Einsatz ungeeigneter Geräte oder darauf zurückzuführen waren, dass die Bodenverhältnisse anders waren als in den Vertragsgrundlagen beschrieben.

In einer Besprechung vor Ort am 16.09.2002 kamen die Parteien überein, die Arbeiten mit größerem Bohrgerät fortzusetzen und die Spundwand anschließend einzubetonieren. Die Kosten sollten von der Beklagten getragen werden, falls der Bodenaufbau von dem Gutachten der Streithelferin zu 1) vom 17.05.2002 abweiche, andernfalls sollte die Klägerin den Mehraufwand tragen. Zur Überprüfung der Bodengutachten sollte ein Sachverständiger hinzugezogen werden. Auf die Aktennotiz des Streithelfers zu 2) wird verwiesen (Anlage K 6).

Die Klägerin holte ein Gutachten des für das Erdbaulaboratorium F tätigen Prof. Dr.-Ing. T vom 26.05.2004 ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass die tatsächlichen Bodenverhältnisse erheblich von den Feststellungen in den Baugrundgutachten der Streithelferin zu 1) abwichen.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin von der Beklagten die Zahlung ihrer unter dem 24.03.2003 mit 244.417,93 € berechneten Mehrkosten der Spundwandarbeiten und die Erstattung der Gutachterkosten in Höhe von 12.186,18 € nebst Zinsen verlangt. Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 244.417,93 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.08.2005 zu zahlen; im Übrigen - hinsichtlich des Anspruchs auf Erstattung der Gutachterkosten sowie der Zinsmehrforderung - hat es die Klage abgewiesen worden.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung rügt es als verfahrensfehlerhaft, dass das Landgericht ihr Bestreiten der Unrichtigkeit der Gutachten der Streithelferin zu 1) als unsubstanziiert zurückgewiesen hat. Der erst im Verhandlungstermin erteilte gerichtliche Hinweis hätte präziser gefasst und ihr hätte Gelegenheit zu schriftsätzlicher Stellungnahme eingeräumt werden müssen.

Sie konkretisiert dementsprechend ihre sachlichen Einwände: Der von der Klägerin beauftragte Gutachter habe im Ergebnis die von der Streithelferin zu 1) festgestellte Bodenbeschaffenheit, die Abfolge von kalkhaltigen Sand-Schluff-Ton-Gemengen und harten Gesteinsbänken, bestätigt. Soweit der Privatsachverständige der Klägerin Prof. Dr.-Ing. T die Gesteinsbänke in die Bodenklassen 6 und 7 einordne, sei das unrichtig, weil dabei die starke Zerblockung des Felses unberücksichtigt bleibe. Im Übrigen habe auch die Streithelferin zu 1) darauf hingewiesen, dass abschnittsweise Material der Bodenklasse 7 anzutreffen sei.

Die Beklagte und ihre Streithelfer beantragen,

das Urteil des Landgerichts Bochum vom 29.11.2005 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat form- und fristgerecht Anschlussberufung eingelegt, mit der sie sinngemäß beantragt, Zinsen bereits seit dem 27.04.2003 zuzusprechen.

Die Beklagte und ihre Streithelfer beantragen,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Den mit der Anschlussberufung verfolgten Zinsanspruch begründet die Klägerin damit, dass sich die Beklagte aufgrund der Rechnung vom 24.03.2003 unter Zugrundelegung einer 3tägigen Postlaufzeit ab dem 27.04.2003 in Verzug befinde.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Dipl.-Ing. Q sowie mündliche Anhörung des Sachverständigen im Senatstermin am 09.05.2007. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 31.01.2007 sowie den Berichterstattervermerk vom 09.05.2007 Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg; die Anschlussberufung der Klägerin ist unbegründet.

1.

Die Klägerin kann von der Beklagten nicht Zahlung von 244.417,93 € verlangen. Sie hat die Unrichtigkeit der Gutachten der Streithelferin zu 1) nicht bewiesen. Eine weitere Beweisaufnahme war entgegen der Ansicht der Klägerin nicht erforderlich.

a) Als Rechtsgrundlage der Mehrvergütungsforderung für die Spundwandarbeiten kommt allein die von den Parteien nach Auftreten der Erschwernisse vereinbarte Kostenregelung hinsichtlich des Mehraufwands in Betracht. Entgegen der Darstellung im landgerichtlichen Urteil kam diese Vereinbarung nicht erst am 25.02.2003, sondern am 16.09.2002 zustande. Das ergibt sich aus der Aktennotiz des Streithelfers zu 2) vom 17.09.2002, die die Vereinbarung der Parteien - unstreitig inhaltlich korrekt - wiedergibt. Danach sollte die Klägerin dann eine über den Pauschalpreis hinausgehende Mehrvergütung für die Spundwandarbeiten verlangen können, wenn der Bodenaufbau anders sei als im Bodengutachten der H GmbH beschrieben. Damit war zugleich klargestellt, dass es für den Mehrvergütungsanspruch der Klägerin - zumindest dem Grunde nach - nicht auf die Voraussetzungen der §§ 2 Nr. 5 bis 7 VOB/B und nicht auf die Abweichung der Arbeitsbedingungen von der Leistungsbeschreibung im Leistungsverzeichnis ankommen sollte. Maßgeblich für die Verteilung des Kostenrisikos sollte allein die Richtigkeit bzw. Unrichtigkeit der in den Gutachten der Streithelferin zu 1) beschriebenen Bodenverhältnisse sein. Mit dieser Regelung haben die Parteien zum einen dem Umstand Rechnung getragen, dass nach dem Vertrag die Beklagte das sog. Baugrundrisiko tragen sollte und zum anderen berücksichtigt, dass es der Klägerin als Unternehmerin oblag, die bauseitigen Vorgaben für ihre Leistung auf ihre Umsetzbarkeit zu überprüfen.

b) Die Klägerin hat den ihr obliegenden Beweis der Abweichung der Bodenverhältnisse von den Baugrundbeschreibungen in den Gutachten der Streithelferin zu 1) nicht erbracht. Dies war nach den getroffenen Vereinbarungen Voraussetzung für den geltend gemachten Mehrvergütungsanspruch.

aa) Die Unrichtigkeit steht nicht bereits aufgrund der Feststellungen des Prof. Dr.-Ing. T in dem Gutachten vom 26.05.2004 bindend fest.

Bei diesem Gutachten handelt es sich nicht um ein für beide Parteien verbindliches Schiedsgutachten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Beauftragung des Prof. Dr.-Ing. T bzw. des Erdbaulaboratiums F durch die Klägerin den von den Parteien für die Einholung eines Gutachtens vereinbarten Rahmenbedingungen, wie sie im Schreiben vom 25.02.2003 festgehalten sind, entsprach. Es lässt sich nicht feststellen, dass nach der getroffenen Absprache das gemeinsam zu beauftragende Gutachten in dem Sinne verbindlich sein sollte, dass andere Beweismöglichkeiten ausgeschlossen sein sollten. Das lässt sich weder dem Schreiben des für die Beklagte tätigen Architekten Y vom 11.02.2003 noch dem Antwortschreiben der Klägerin vom 25.02.2003 entnehmen. Auf die Schiedsgutachtenklausel in § 6 Ziff. 9 des Generalunternehmervertrags nehmen weder die Absprache vom 16.09.2002 noch die im Februar 2003 gewechselten Schreiben Bezug.

bb) Die individuelle Vereinbarung des Vorgehens zur Klärung der Streitfrage um die Bodenverhältnisse bedeutete zugleich - was zwischen den Parteien auch nicht im Streit ist -, dass die vorgenannte Schiedsgutachtenklausel insoweit keine Anwendung finden sollte.

cc) Die Klägerin ist beweispflichtig, weil die Beklagte die - unter Verweis auf das Privatgutachten des Prof. Dr.-Ing. T substanziiert - behauptete Unrichtigkeit der Bodengutachten der Streithelferin zu 1) in erheblicher Weise bestritten hat. Die Beklagte hat in der Berufung konkrete Einwände gegen die Ausführungen des Prof. Dr.-Ing. T gemacht. Dieses Verteidigungsvorbringen ist nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Dass die Beklagte sich erst in der Berufung inhaltlich mit dem vorgelegten Privatgutachten auseinandergesetzt hat, beruhte auf einem Verfahrensmangel im ersten Rechtszug. Der vom Landgericht im Verhandlungstermin am 29.11.2005 erteilte Hinweis auf die Notwendigkeit substanziierten Bestreitens des Gegenvorbringens entsprach nicht den Anforderungen des § 139 ZPO und dem Gebot fairen Verfahrens. Nachdem die Beklagte bereits in ihrer Klageerwiderung vom 26.09.2005 ihren Rechtsstandpunkt, das Gutachten des Prof. Dr.-Ing. T sei unbeachtlich, dargelegt hatte, hätte das Landgericht rechtzeitig vor dem Verhandlungstermin auf seine rechtlichen Bedenken hinweisen müssen. Der knappe und wenig präzise Hinweis im Termin barg außerdem ersichtlich die Gefahr, in seiner Bedeutung und Tragweite verkannt worden zu sein, nachdem der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hierauf keine prozessualen Maßnahmen ergriff, insbesondere keinen Antrag auf Schriftsatznachlass nach § 139 Abs. 5 ZPO stellte. Zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung - und aus dem Gebot fairen Verfahrens - wäre das Landgericht gehalten gewesen, den Hinweis zu präzisieren und ggfls. einen Antrag nach § 139 Abs. 5 ZPO anzuregen. Bei verfahrensfehlerfreiem Vorgehen wäre zu erwarten gewesen, dass die Beklagte schon in erster Instanz ihre sachlichen Einwände gegen das von der Klägerin vorgelegte Privatgutachten erhoben hätte.

dd) Die in der Berufungsinstanz durchgeführte Beweisaufnahme hat die behauptete Unrichtigkeit der Bodengutachten der Streithelferin zu 1) nicht bestätigt.

(1) Der Senat schließt sich den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. Q an. Dieser hat die beiden Gutachten der Streithelferin zu 1) hinsichtlich des darin beschriebenen Bodenaufbaus umfassend überprüft und ausgewertet. Er hat seine Feststellungen auf seine allgemeinen geologischen Kenntnisse der Gegend und Erfahrungen gestützt und die Ergebnisse der von der H GmbH und dem Erdbaulaboratorium F ausgebrachten Bodenuntersuchungen ausgewertet. Dass der Sachverständige - im Einverständnis mit den Parteien - keine eigenen Untersuchungen des Baugrundes vorgenommen hat, begründet keine Zweifel daran, dass er die den Feststellungen zugrunde liegenden Tatsachen vollständig und richtig ermittelt hat. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Dokumentationen der Ergebnisse der Rammsondierungen und Rammkernsondierungen der Streithelferin zu 1) und des Erdbaulaboratoriums F Fehler aufweisen. Das war zwischen den Parteien nie im Streit, und auch der Sachverständige hat aufgrund seiner eigenen Erfahrungen keinen Hinweis auf einen Fehler gefunden, der Veranlassung für weitere Bodenaufschlüsse gegeben hätte.

(2) Der Sachverständige hat festgestellt, dass die Gutachten der Streithelferin zu 1) die Bodenverhältnisse am Ort des Bauvorhabens in den wesentlichen Merkmalen korrekt darstellen; Defizite bei den der Gutachtenerstellung zugrunde liegenden örtlichen Bodenuntersuchungen sowie einzelne Ungenauigkeiten in der Bodenbeschreibung sind nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen als unerheblich anzusehen.

(3) Bei der Überprüfung und Würdigung der Bodengutachten kommt es, was der Sachverständige berücksichtigt hat, entscheidend darauf an, dass sie der Klägerin als bodentechnische Grundlage für die Lösung der ihr übertragenen Bauaufgabe dienen sollten. Entscheidend ist, ob die Klägerin anhand der in den Gutachten der Streithelferin zu 1) enthaltenen Ergebnisse der Bodenuntersuchungen (Rammsondierungen) sowie der textlichen Bodenbeschreibungen hätte erkennen können und müssen, dass die später durchgeführten aufwändigen Spundungsarbeiten erforderlich sein würden.

Das war nach den Feststellungen des Dipl.-Ing. Q der Fall. Der Sachverständige hat bestätigt, dass an der Örtlichkeit die von der H GmbH beschriebenen Schichten aus Lockergestein (Mergel) und Festgestein (Mergelstein) in Wechsellagerung vorhanden sind. Auch die Einordnung in die Bodenklassen 4 bis 7 ist richtig. Dass der Sachverständige - anders als die Streithelferin zu 1) - die Mergelschichten nicht allein der Bodenklasse 4, sondern den Klassen 4 bis 5 (evtl. auch 6) und die Mergelsteinschichten statt den Klassen 5 bis 7 den Klassen 6 bis 7 zuordnen würde, führt nicht zur Unrichtigkeit der von der Streithelferin zu 1) beschriebenen Bodenverhältnisse. Der Sachverständige hat - überzeugend und für den Senat plausibel - ausgeführt, dass die Einordnung der Mergelschichten in Klasse 4 oder 5 für die hier anstehende Frage der Press- oder Rammbarkeit des Bodens nicht entscheidend ist. Soweit es um die festeren Gesteinsschichten geht, ist festzuhalten, dass die Streithelferin zu 1) in ihrem Gutachten vom 10.04.2001 ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass durchgehende Gesteinsschichten der Klassen 6 und 7 auftreten können. Des weiteren hat der Sachverständige seine Einschätzung damit untermauert, dass es für ein Fachunternehmen wie die Klägerin nicht allein auf die angegebenen Bodenklassen ankommt, sondern auch auf die Ergebnisse der schweren Rammsondierungen. Die teilweise hohen Schlagzahlen sowie die Tatsache, dass einige Sondierungen wegen zu hoher Eindringwiderstände abgebrochen werden mussten, gaben deutliche Hinweise auf die Festigkeit des anzutreffenden Bodens.

(4) Das Gutachten der Streithelferin zu 1) vom 17.05.2002 enthält auch keine falschen Angaben über die Mächtigkeit der anzutreffenden Kalksandsteinbänke, die als wenige Dezimeter starke Gesteinsbänke beschrieben werden. Wie der Sachverständige ausgeführt hat, entsprach diese Feststellung nicht nur den Ergebnissen der von der Streithelferin zu 1) ausgebrachten Sondierungen, sondern auch den späteren Bodenuntersuchungen des Prof. Dr.-Ing. T, der auf Gesteinsbänke von 0,1 bis 0,4 m Stärke getroffen ist. Soweit der Privatgutachter der Klägerin davon ausgeht, dass in tieferen Schichten nur noch Felsgestein anzutreffen ist, hat der Sachverständige dem mit nachvollziehbarer Begründung widersprochen. Diese Annahme sei weder aufgrund der ausgebrachten Bodenuntersuchungen noch aufgrund der allgemeinen geologischen Kenntnisse über den Boden in dem S Bereich gerechtfertigt. Im Übrigen musste die Klägerin wegen der oben bereits dargestellten Verläufe der schweren Rammsondierungen damit rechnen, dass in tieferen Schichten mit Fels zu rechnen war.

(5) Die von der Streithelferin zu 1) in dem Gutachten vom 10.04.2001 aufgeführten Bodenkennwerte betreffend die Kohäsion und die Steifemoduli des Mergels hält der Sachverständige zwar für etwas zu gering; das habe aber nicht zu einem unerwarteten Erschwernis für die Spundungsarbeiten der Klägerin führen können. Vielmehr hätte die Klägerin unter Zugrundelegung der niedrig angesetzten Bodenkennwerte mit größeren Schwierigkeiten bei der vertikalen Ausrichtung des Bohrgeräts und mit Bohrkopfverklebungen rechnen müssen. Für die Ramm- und Pressbarkeit des Bodens sind diese Werte indessen nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen von untergeordneter Bedeutung. Außerdem ändern auch die nach den Erfahrungen des Sachverständigen anzusetzenden Steifewerte von 10 bis 25 MN/m² nichts daran, dass es sich bei dem Mergel um problemlos zu bearbeitendes Lockergestein handelt.

(6) Die Bodengutachten der Streithelferin zu 1) sind auch nicht deshalb als unrichtig zu qualifizieren, weil die vorangegangenen Bodenuntersuchungen nicht den Vorgaben der DIN 4020 entsprachen. Danach hätten vor Erstellung des ersten Gutachtens direkte Bodenaufschlüsse unmittelbar im Bereich der später einzubringenden Spundwand ausgebracht werden müssen. Dass sich die Streithelferin zu 1) stattdessen mit der Auswertung räumlich entfernter Kernbohrungen und indirekter Aufschlüsse durch Rammsondierungen begnügt hat, ist im Ergebnis unschädlich. Hätte die Streithelferin zu 1) diese weiteren Bodenuntersuchungen angestellt, wäre sie nicht zu anderen Erkenntnissen gelangt. Wie der Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, stimmt die Bodenbeschreibung der H GmbH mit seinen eigenen geologischen Erfahrungen und Kenntnissen überein und wird von den Ergebnissen der später vom Erdbaulaboratorium F durchgeführten direkten Bodenaufschlüsse bestätigt.

(7) Soweit in dem Gutachten der Streithelferin zu 1) vom 17.05.2002 von dem Erfordernis zusätzlicher Auflockerungsbohrungen gesprochen wird, hält der Sachverständige dies für eine missverständliche Formulierung. Ein Fachunternehmen hätte unter Berücksichtigung der beschriebenen Bodenbeschaffenheit erkennen können und müssen, dass eine reine Auflockerung nicht ausreichte, um die Spundwand einzubringen, sondern dass Bohrungen mit anschließendem Bodenersatz erforderlich sein würden.

Ob dem zu folgen ist, kann letztlich dahinstehen. Nach der Vereinbarung der Parteien vom 16.09.2002 kam es entscheidend auf die Richtigkeit der von der Streithelferin zu 1) beschriebenen Bodenverhältnisse an. Der Hinweis, es würden "voraussichtlich je Spundbohle 3 m - 5 m Auflockerungsbohrungen erforderlich werden", ging über die Baugrundbeschreibung hinaus und betraf bereits die - der Klägerin obliegende - Würdigung, welche Baumaßnahmen sich als nötig erweisen würden.

(8) Der Senat folgt dem Sachverständigen letztlich auch in seiner zusammenfassenden Feststellung, dass ein Fachunternehmen wie die Klägerin aufgrund des von der Streithelferin zu 1) hinreichend präzise und im wesentlichen zutreffend beschriebenen Bodenaufbaus die schwierigen Bedingungen für die Spundung und den daraus resultierenden aufwändigen Leistungsumfang hätte erkennen können und müssen.

Einer Ergänzung des Bodengutachtens oder der Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen für Spezialtiefbau, wie sie die Klägerin im nachgelassenen Schriftsatz vom 16.05.2007 beantragt hat, bedarf es nicht. Der Sachverständige Dipl.-Ing. Q hat die streitige Beweisfrage umfassend beantwortet. An seiner fachlichen Kompetenz hat der Senat keinen Zweifel. Dem steht nicht entgegen, dass der Sachverständige als Geologe die Frage zu beantworten hatte, wie ein Bauunternehmer die Bodengutachten zu verstehen hatte. Da Bodengutachten in aller Regel zur Vorbereitung eines Bauvorhabens eingeholt werden, ist bei der Würdigung durch einen Sachverständigen üblicherweise nicht allein die fachgeologische Einschätzung, sondern auch das bei einem Bauunternehmer bzw. Bauherren zu erwartende Verständnis zu berücksichtigen. Der Sachverständige Q war hierzu aufgrund seiner Erfahrungen und Kenntnisse uneingeschränkt in der Lage, wovon sich der Senat, der als Spezialsenat für Baurechtsstreitigkeiten ebenfalls über einschlägige Erfahrungen verfügt, in der mündlichen Verhandlung überzeugt hat.

2. Die mit der Anschlussberufung verfolgte Zinsmehrforderung ist - mangels Hauptforderung der Klägerin - unbegründet.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 101 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, § 543 Nr. 1 ZPO. Ebenso wenig erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 Nr. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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