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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 27.02.2002
Aktenzeichen: 13 U 121/01
Rechtsgebiete: RBerG, BGB, ZPO


Vorschriften:

RBerG § 1 Abs. 1
RBerG § 6 Abs. 2
BGB § 134
ZPO § 543 I 1
ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
Veranlaßt ein Mietwagenunternehmen, daß ein Unfallgeschädigter, der nach dem sog. Unfallersatztarif ein Fahrzeug angemietet hat, seine Schadensersatzansprüche auf Ersatz der Mietwagenkosten an ein Inkassobüro abtritt, läßt sich dann das Mietwagenunternehmen vom Inkassobüro die Ansprüche zur Sicherung der Mietwagenkosten abtreten und fordert dann den Versicherer auf, die Mietwagenkosten direkt an sie zu zahlen, dann liegt eine Umgehung des Rechtsberatungsgesetzes vor mit der Folge, daß sowohl die Abtretung der Forderung an das Inkassobüro als auch die Sicherungsabtretung der Forderung an das Mietwagenunternehmen nichtig ist.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 U 121/01 OLG Hamm

Verkündet am 27. Februar 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Brück, den Richter am Oberlandesgericht Zumdick und den Richter am Amtsgericht Mollenhauer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 18. April 2001 verkündete Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin betreibt ein zur Rechtsberatung zugelassenes Inkassobüro. Sie macht mit der vorliegenden Klage an sie abgetretene restliche Mietwagenansprüche von 3 Unfallgeschädigten geltend.

Nach jeweils einem Verkehrsunfall mieteten die Geschädigten B H und P bei dem Mietwagenunternehmen, in B ein Fahrzeug zum sog. Unfallersatztarif an. Das Mietwagenunternehmen veranlaßte die Geschädigten, ihre Ansprüche auf Ersatz der angefallenen Mietwagenkosten an die Klägerin abzutreten. In der Abtretungserklärung heißt es unter anderem:

"Einziehungsauftrag und Abtretung

Hiermit bevollmächtigte ich, ... die Firma für mich den mir als Schadensersatz zustehenden Anspruch auf Erstattung der angefallenen Mietwagenkosten aus o.a. Unfall in voller Höhe gegen die ... Versicherung ... einzuziehen und alle insoweit erforderlichen und zulässigen Maßnahmen einzuleiten.

Die Firma ist weiterhin bevollmächtigt, alle im Zusammenhang mit dieser Mietwagenforderung zu treffenden Absprachen, Vereinbarungen etc. gegebenenfalls auch mit dritten Personen, in meinem Namen durchzuführen und Geldbeträge mit schuldbefreiender Wirkung entgegenzunehmen.

Gleichzeitig trete ich hiermit die oben genannten Schadensersatzansprüche auf Erstattung der Mietwagenkosten in voller Höhe an die Firma auch zum Zwecke der Einziehung auf eigene Rechnung ab."

In kurzen zeitlichen Abständen nach der Unterzeichnung der Abtretungserklärung durch den jeweils Geschädigten trat die Klägerin jeweils mittels vorformulierter und durch handschriftliche Ergänzung vervollständigter "Sicherungsabtretungserklärung" die Schadensersatzforderung zur Sicherung der Mietwagenkosten an die Firma B ab. Die Erklärung hat folgenden Wortlaut:

"Sicherungsabtretungserklärung

Firma ... - Zedentin - GmbH vertreten durch ihre Geschäftsführer... - Zessionarin - Hiermit trete ich meine Schadensersatzforderung aus dem Verkehrsunfall vom ... in ... gegenüber der ... Haftpflichtversicherung, Geschädigter ... Kfz Versicherungsnummer ... an die Zessionarin zur Sicherung der fällig werdenden Ersatzwagenkosten/Mietwagenkosten anläßlich des vorbezeichneten Unfallereignisses ab.

Die Zessionarin ist berechtigt, die Zahlung der Mietwagenkosten direkt an sich zu verlangen und hierzu die Zession offenzulegen."

Jeweils ein bis zwei Tage später nahm die Firma B diese Abtretung an die Firma B trat nunmehr an die Beklagte heran und forderte sie unter Offenlegung der Sicherungsabtretung zur Zahlung der Mietwagenkosten auf In den jeweiligen Schreiben heißt es unter anderem:

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit legen wir Ihnen die beigefügte und auf uns ausgestellte Sicherungsabtretung der Firma zu dem, in dieser Sicherungsabtretungserklärung näher bezeichneten Unfallereignisses offen.

Wir fordern Sie hiermit auf die uns zur Sicherung abgetretenen Mietwagenkosten aus unserer Rechnungs-Nummer an uns zu bezahlen.

Jeweils zeitlich danach trat auch die Klägerin an die Beklagte heran und verlangte Zahlung der Mietwagenkosten sowie ihrer Inkassogebühren.

Die Beklagte hat zum Teil Zahlung der Mietwagenkosten verweigert, da sie den Unfallersatztarif für überhöht hält. Im übrigen vertritt sie die Auffassung, daß die Abtretung gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoße und daher unwirksam sei

Wegen des weitergehenden Sachverhalts und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat dazu ausgeführt, daß die Einschaltung des Inkassobüros eine Umgehung des Rechtsberatungsgesetzes bezwecke und daher unwirksam sei. Im übrigen hat das Landgericht die einzelnen Schadenspositionen für nicht hinreichend substantiiert erachtet.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die die Auffassung vertritt, es liege kein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz vor. Der Geschädigte habe sich gerade so verhalten, wie es die Rechtsprechung verlange. Sie, die Klägerin, sei nicht Erfüllungsgehilfin des Mietwagenunternehmens. Sie erledige vielmehr die Schadensersatzsansprüche der Geschädigten selbständig. Zwar sei eine Einschaltung von der Autovermietung veranlaßt worden. Das aber sei zulässig und nicht anders zu beurteilen, als wenn die Autovermietung dem Geschädigten den Rat gegeben hätte, sich an einen Anwalt zu wenden.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Firma - hilfsweise an die Klägerin - 10.002,23 DM nebst 4 % Zinsen das 1.215,94 DM seit dem 09.10.1999, 4 % Zinsen aus weiteren 5.437,49 DM seit dem 29.08.2000 und 4 % Zinsen aus weiteren 3 348,80 DM seit dem 29.09.2000 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für richtig und vertieft ihre Rechtsauffassung, das ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz vorliege.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die überreichten Anlagen verwiesen

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten keine Zahlung der Mietwagenkosten verlangen. Die Abtretung der Schadensersatzansprüche stellt eine Umgehung der Vorschrift des Artikel 1 § 1 Abs. 1 RBerG dar und ist damit unwirksam.

1.

Nach dieser Vorschrift des Rechtsberatungsgesetzes darf die Einziehung fremder oder abgetretener Forderungen geschäftsmäßig nur dann geltend gemacht werden, wenn eine entsprechende Erlaubnis der zuständigen Behörden vorliegt.

a)

Die Firma B die eine solche Erlaubnis nicht besitzt, hat daher keine Möglichkeit, geschäftsmäßig für ihre unfallgeschädigten Kunden eine Schadensregulierung durchzuführen. Forderungsabtretungen wären insoweit gemäß § 134 BGB nichtig. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die Forderungen zur Sicherung vom Geschädigten an die Autovermietung abgetreten würden, der Geschädigte selbst die Durchsetzung der Ansprüche in die Hand nimmt und sich das Mietwagenunternehmen erst dann einschaltet, wenn der Geschädigte keine Zahlung erhält und nachdem das Mietwagenunternehmen den Kunden erfolglos zur Zahlung der Mietwagenkosten aufgefordert hat (BGH NJW 74, 1244). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Weder hat der Geschädigte selbst die Regulierung in die Hand genommen noch ist der Sicherungsfall - nämlich Nichtzahlung durch den Kunden - eingetreten.

b)

Das Mietwagenunternehmen hat aber ein großes Interesse daran, die Durchsetzung der Mietwagenkosten gegenüber den Versicherern selbst in die Hand zu nehmen. Seit Jahren streiten Versicherer und Mietwagenunternehmen über die Höhe der ersatzfähigen Mietwagenkosten. Die Mietwagenunternehmen bieten nach einem Verkehrsunfall in der Regel einen sog. Unfallersatztarif an, der deutlich höher liegt als ein anderer Tarif. Dieser Tarif wird unter anderem mit erhöhten Kosten und Risiken gerechtfertigt, was die Versicherer im einzelnen bestreiten. Die dem Senat überreichten Gutachten M vom 20.10.93 und 11.11.94 und A vom 13.08.95 sowie der Aufsatz Albrecht in NZV 96, 49 machen die gegensätzlichen Standpunkte deutlich. Die Klägerin selbst hat das Interesse der Autovermieter, sich den Versicherern geschlossen gegenüber zu stellen mit Schriftsatz vom 02.02.2001 (Seite 7) deutlich gemacht: Die Autovermieter selbst dürfen wegen der Vorschriften des Rechtsberatungsgesetzes die Mietwagenforderung nicht einziehen. Die Vermittlung eines Rechtsanwalts durch Stapelvollmacht wäre berufsrechtlich nicht zulässig und zum anderen würde es bei dieser Vorgehensweise dem Zufall überlassen bleiben, welcher Anwalt mit der Durchsetzung der Schadensersatzforderungen beauftragt würde. Nicht jeder Anwalt ist mit der im vorliegenden Rechtsstreit behandelten Problematik der Unfallersatztarife und der ersparten Eigenaufwendungen vertraut.

Die Autovermietung B hat daher zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen den Weg gewählt, ein Inkassobüro einzuschalten. Dabei hat sie nicht - wie die Klägerin es darzustellen versucht - der Klägerin lediglich formularmäßig einen Kunden vermittelt und anschließend mit der Durchsetzung der Forderung nichts mehr zu tun gehabt. Die Autovermietung hat vielmehr weiterhin die Schadensregulierung selbst in die Hand genommen. Sie hat jeweils noch vor der Klägerin die Beklagte angeschrieben, auf die Sicherungsabtretung an sich selbst hingewiesen und Zahlung an sich verlangt. Für diese Sicherungsabtretung und dieses Zahlungsverlangen an sich selbst gab es nach der Vollabtretung der Forderung des Geschädigten an die Klägerin keine Grundlage mehr. Im Verhältnis Autovermietung B zur Klägerin gab es nichts zu sichern. Die Geschädigten hatten ihre Ersatzansprüche zwecks Durchsetzung an die Klägerin in vollem Umfang abgetreten. Eine rechtliche Beziehung der Klägerin zur Autovermietung B bestand nicht. Wenn sich die Autovermietung wegen ihrer Mietwagenkosten hätte sichern wollen, dann hätte diese Sicherung nur im Verhältnis zu ihrem Kunden erfolgen können. Nur diese waren Schuldner der Mietwagenkosten. In Wahrheit war es daher so, daß die Konstruktion nur dem Zweck diente, es der Autovermietung zu ermöglichen, ihre Interessen bezüglich der Geltendmachung des Unfallersatztarifes gegenüber dem Versicherer durchzusetzen und unter diesem Aspekt die Schadensersatzansprüche ihrer Kunden geltend zu machen/ Dies wird besonders deutlich an dem Fall P. Bereits unter dem 03.08.2000 hatte sich für den Geschädigten P Rechtsanwalt M gemeldet, der - neben anderen Schadenspositionen - auch die Mietwagenkosten geltend gemacht hat. Auch wenn nicht verkannt wird, daß die Abtretung durch den Geschädigten P an die Klägerin schon unter dem 28.07.2000 (Blatt 61 GA) erfolgt war, so machte diese Situation doch deutlich, daß es der Autovermietung nicht in erster Linie darum ging, dem Geschädigten eine rechtskundige Person für die Schadensregulierung zu vermitteln, sondern daß es um die Durchsetzung eigener Ziele ging. Ansonsten wäre es nicht notwendig gewesen, daß in diesem Fall ein Teil der Schadensersatzansprüche durch einen Rechtsanwalt, der andere Teil, nämlich die Mietwagenkosten durch ein Inkassobüro geltend gemacht wird. Es handelt sich um eine bloße Anpassung der Vertragsverhältnisse an die Rechtsprechungsgrundsätze, während in Wahrheit die Autovermietung B die Ansprüche, insbesondere den Unfallersatztarif verfolgen und durchsetzen will.

2.

Rechtsfolge dieser Umgehung des Rechtsberatungsgesetzes ist die Nichtigkeit aller damit im Zusammenhang stehenden Rechtsgeschäfte (Altenhoff-Busch-Kemnitz, Rechtsberatungsgesetz, 10. Auflage 1993, Artikel 1 § 1 Rn. 287 m.w.N.). Damit ist sowohl die Abtretung der Forderung des Geschädigten an die Klägerin als auch die Sicherungsabtretung an die Autovermietung b nichtig. Die Klägerin kann nicht einwenden, daß das Rechtsberatungsgesetz für diese Fälle der Umgehung keine ausdrückliche Nichtigkeit vorsieht. Die in Artikel 1 § 6 Abs. 2 Rechtsberatungsgesetz enthaltenen ausdrücklichen Bestimmungen für eine Umgehung sind nur besondere Beispiele, die den allgemeinen Rechtsgrundsatz deutlich machen, daß eine Umgehung von Verbotsgesetzen nicht statthaft ist (Altenhoff-Busch-Kemnitz, RberG, Rn. 288).

3.

Auf die die Parteien interessierende Frage nach der Ersatzfähigkeit von Kosten nach dem Unfallersatztarif (vgl. dazu BGH r+s 96, 266 mit kritischer Anmerkung Lemcke) hat der Senat nicht einzugehen.

4.

Da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, läßt der Senat die Revision gemäß § 543 I 1 ZPO zu.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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