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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 22.11.2004
Aktenzeichen: 13 U 131/04
Rechtsgebiete: BGB, StVG, StVO


Vorschriften:

BGB § 823
HaftpflG § 1
HaftpflG § 4
StVG § 7
StVG § 17
StVO § 2 Abs. 3
StVO § 41 Abs. 3 Ziff. 6
Fährt ein Kraftfahrer unter Verkennung der vor ihm befindlichen erkennbaren Verkehrssituation (Rückstau vor einer roten Ampel) und trotz einer sichtbar folgenden Straßenbahn in den überdies mit einer - lediglich zur Schaffung einer Abbiegemöglichkeit unterbrochenen - Sperrflächenmarkierung (Zeichen 298) versehenen Gleisbereich auf der linken Fahrspur ein, um das auf der rechten Fahrspur vor ihm befindliche Fahrzeug zu passieren, und zieht er seinen PKW nach Erkennen des Rückstaues auf die rechte Fahrspur zurück, ohne den Gleisbereich vollständig zu räumen, so tritt auch die naturgemäß erhöhte Betriebsgefahr der dann auffahrenden Straßenbahn hinter der verschuldensbedingt erhöhten Betriebsgefahr des PKW ganz zurück.

In diesem Fall spricht auch kein Anschein für ein Verschulden des Straßenbahnführers.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 03.05.2004 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufungsinstanz trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe: I. 1. Wegen des erstinstanzlich vorgetragenen Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen. Das Landgericht hat mit der aus dem angefochtenen Urteil ersichtlichen Begründung die Klage insgesamt abgewiesen und der (gegen den Kläger und seinen Sohn, den Widerbeklagten zu 2, gerichteten) Widerklage der Beklagten zu 2 in vollem Umfang stattgegeben. 2. Mit seiner gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung wendet der Kläger sich lediglich gegen die vollständige Abweisung seiner Klage. Er begehrt nunmehr noch die - das angefochtene Urteil teilweise abändernde - Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner, zur Zahlung von 2.054,92 € nebst Zinsen i.H. von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.10.2002. Zur Begründung führt er ergänzend im Wesentlichen aus: Das angefochtene Urteil sei rechtsfehlerhaft. Bei rechtlich zutreffender Würdigung sei von einer Mithaftung der Beklagten zu 50 % auszugehen. Die Beklagte zu 2 hafte einmal gem. § 1 Abs. 1 HaftpflG; der Entlastungsbeweis nach § 1 Abs. 2 HaftpflG sei - insoweit unstreitig - nicht geführt. Die Beklagte zu 2 hafte ferner nach § 831 BGB als Geschäftsherrin des Beklagten zu 1, der als ihr Verrichtungsgehilfe in Ausführung der ihm obliegenden Aufgaben widerrechtlich dem Kläger Schaden zugefügt habe. Auf ein Verschulden des Beklagten zu 1 komme es insoweit nicht an. Vielmehr müsse die Beklagte zu 2 sich gem. § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB entlasten, wobei Zweifel zu ihren Lasten gingen. Der Entlastungsbeweis sei nicht geführt. Insoweit habe die Beklagte zu 2 erstinstanzlich schon nicht vorgetragen; neues Vorbringen hierzu sei nicht berücksichtigungsfähig (§ 531 ZPO). Die Haftung des Beklagten zu 1 ergebe sich aus § 823 BGB. Entgegen der Annahme des Landgerichts sei von einem Verschulden des Beklagten zu 1 auszugehen. Gegen diesen spreche nämlich der Beweis des ersten Anscheins, da er auf das klägerische Fahrzeug aufgefahren sei. Nach den Feststellungen des Sachverständigen könne der Kläger sich allerdings nicht auf § 7 Abs. 2 StVG berufen. Soweit jedoch das Landgericht ein dem Kläger zurechenbares Verschulden des Widerbeklagten zu 2 (und Sohnes des Klägers) angenommen habe, habe es schon nicht aufgezeigt, gegen welche gesetzlich normierte Verpflichtung hier schuldhaft verstoßen worden sein solle. Jedenfalls könne nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nur ein (dem Kläger zurechenbares) gering zu bewertendes Verschulden des Widerbeklagten zu 2 angenommen werden; insbesondere sei nicht bewiesen, dass dieser unmittelbar und in geringem Abstand vor der Straßenbahn nach links ausgeschert sei. Das vorgenannte Verschulden rechtfertige keine alleinige Haftung des Klägers; vielmehr sei unter Berücksichtigung der höheren Betriebsgefahr der vom Beklagten zu 1 geführten Straßenbahn eine Haftungsquote von 50 % anzunehmen. 3. Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil und begehren dementsprechend die Zurückweisung der klägerischen Berufung. Sie führen ergänzend im Wesentlichen aus: Die (ja auch vom Haftpflichtversicherer des Klägers akzeptierte) Entscheidung des Landgerichts sei im Ergebnis nicht zu beanstanden, da der streitgegenständliche Unfall ausschließlich durch den Sohn des Klägers (den Widerbeklagten zu 2) schuldhaft verursacht worden sei, indem dieser sich rücksichtslos, unter Verkennung der Verkehrssituation vor ihm (Stau vor der roten Ampel) und unter Verstoß gegen § 2 Abs. 3 StVO auf den Straßenbahnschienen eingeordnet habe, um schneller voran zu kommen, obwohl ihm die vom Beklagten zu 1 geführte Straßenbahn unmittelbar gefolgt sei. Angesichts des geringen Abstandes zwischen Straßenbahn und klägerischem PKW habe sich die spezielle Betriebsgefahr der Straßenbahn (fehlende Ausweichmöglichkeit, Schwerfälligkeit) hier überhaupt nicht realisiert. Hinzu komme, dass der Sohn des Klägers auch noch verbotswidrig eine ausschließlich der Straßenbahn vorbehaltene Sperrfläche befahren habe. Dem Beklagten zu 1 sei demgegenüber keinerlei Verschulden anzulasten. Vor diesem Hintergrund sei im Rahmen der - auch nach § 4 HaftpflG gebotenen - Abwägung der Verursachungsbeiträge von einem völligen Wegfall einer Haftung der Beklagten auszugehen. Eine Haftung der Beklagten zu 2 aus § 831 BGB scheide auch gem. § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB aus. Bei dem Beklagten zu 1 handele es sich nämlich um einen erfahrenen, seit 1974 in Diensten der Beklagten zu 2 stehenden, ordnungsgemäß ausgebildeten und regelmäßig weitergeschulten Straßenbahnfahrer. Ferner sei der Beklagte zu 1 - ausweislich der nunmehr überreichten Aufstellung (Bl. 219 GA) - auch regelmäßig und von diesem unbemerkt in Zivil überwacht worden, ohne dass sich dabei (Bedenken gegen seine Eignung rechtfertigende) Auffälligkeiten ergeben hätten. 4. Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Akten #####/############## der Stadt F haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. II. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Die vollständige Abweisung der Klage durch das Landgericht ist nicht zu beanstanden. 1. Hinsichtlich des Beklagten zu 1 kommt - davon geht zu Recht auch der Kläger aus - allenfalls eine Haftung nach § 823 BGB in Betracht (das StVG ist gem. § 1 Abs. 2 StVG bei Schienenfahrzeugen nicht einschlägig; die Haftung nach § 1 HPflG trifft allein der Bahnbetriebsunternehmer). Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger eine schuldhafte Herbeiführung des hier in Streit stehenden Verkehrsunfalls durch den Beklagten zu 1 (namentlich ein zu schnelles Fahren oder eine verspätete Reaktion) nicht bewiesen hat. Die Aussage des erstinstanzlich vernommenen Zeugen T (Bl. 67 GA) ist hinsichtlich des Zustandekommens des hier in Streit stehenden Unfalls unergiebig. Auch aus den zu Beweiszwecken verwerteten Beiakten (namentlich der dortigen Angaben des Beklagten zu 1 und des Sohnes des Klägers) ergibt sich kein klares Bild des Unfallhergangs, insbesondere hinsichtlich der jeweiligen Geschwindigkeiten, der Fahrzeugabstände und einer etwa verspäteten Reaktion des Beklagten zu 1. Der Sachverständige T2 hat in seinem Gutachten (vgl. inbes. Bl. 126 ff. GA) dementsprechend auch überzeugend ausgeführt, dass eine überhöhte Geschwindigkeit oder eine verspätete (Brems-)Reaktion seitens des Beklagten zu 1 zwar durchaus möglich seien, sich mangels vorhandener objektiver Spuren und vorhandener Unwägbarkeiten jedoch nicht feststellen und beweisen ließen. Bedenken ergeben sich insoweit auch nicht etwa daraus, dass die Beklagten selbst vorgetragen haben (vgl. Bl. 33 f. GA; ähnlich im Kern auch die Angaben des Beklagten zu 1 im Ermittlungsverfahren), der Beklagte zu 1 habe zunächst - als vor ihm der Sohn des Klägers auf die linke Fahrspur gewechselt sei - lediglich abgebremst und eine Notbremsung erst eingeleitet, als er bemerkt habe, dass der Sohn des Klägers unter gleichzeitigem Abbremsen wieder auf die rechte Fahrspur hätte zurückkehren wollen, was ihm wegen der Nähe zum Stauende nicht mehr vollständig möglich gewesen sei. Eine Verpflichtung zu einer sofortigen (für die Fahrgäste nicht ungefährlichen) Notbremsung beim ersten Fahrspurwechsel des Sohnes des Klägers kann nämlich nicht angenommen werden, zumal der Beklagte zu 1 nach seiner unwiderlegten Darstellung zunächst angenommen hatte, der Sohn des Klägers habe nach links auf den Parkplatz des Supermarktes abbiegen - also den Fahrstreifen sogleich wieder räumen - wollen (vgl. zur Örtlichkeit die polizeiliche Unfallskizze Bl. 52 = 138 GA und die Lichtbilder Bl. 148 GA, aus denen sich auch ergibt, dass die Unterbrechung der Schraffierung der linken Fahrspur - so auch der Sachverständige, Bl. 121 GA - lediglich der Schaffung einer Abbiegemöglichkeit zum Supermarkt dient). Grundsätzlich darf sich der Straßenbahnführer darauf verlassen, dass andere Verkehrsteilnehmer auf seinen Vorrang gem. §§ 2 Abs. 3, 9 Abs. 3 StVO Rücksicht nehmen. Erst in dem Moment, in dem sich die Gefahr einer Kollision aufdrängt und eine rechtzeitige Räumung des Gleisbereichs unwahrscheinlich ist oder sich die Straßenbahn sonst einer unklaren Verkehrssituation nähert, entfällt die Berechtigung des Straßenbahnführers, auf seinen Vorrang zu vertrauen und ist er ggfs. zur Einleitung einer Schnellbremsung verpflichtet (vgl. zum Ganzen OLG Düsseldorf NZV 1994, 28 ff.; OLG Hamm NZV 1991, 313; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 2 StVO, Rdn. 64 und § 9 StVO, Rdn. 36; ). Dass solche Umstände hier vorgelegen hätten, lässt sich nicht feststellen. Überdies ist nach den Ausführungen des Sachverständigen ohnehin nicht feststellbar, dass der Beklagte zu 1, dann, wenn er schon bei Erkennbarkeit des ersten Spurwechsels des Sohnes des Klägers reagiert und (mit der entsprechenden Reaktions- und Schwellphase von 1,6 sec.) eine Notbremsung eingeleitet hätte, die Kollision hätte vermeiden können. Vor diesem Hintergrund kann der Kläger sich auch nicht mit Erfolg auf einen Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Beklagten zu 1 berufen. Ein typischer Geschehensablauf, der nach allgemeiner Lebenserfahrung unter Berücksichtigung der Besonderheiten schienengebundener Fahrzeuge, auf ein Verschulden des Beklagten zu 1 schließen ließe, steht eben nicht fest (vgl. zur Frage des Anscheinsbeweises beim Auffahren einer Straßenbahn auf ein im Gleisbereich befindliches Fahrzeug allgemein OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG Hamm, a.a.O.; Hentschel, a.a.O.; Geigel-Zieres, Der Haftpflichtprozess, 24. Aufl., Kapitel 27, Rdn. 275). Auch das - überdies erst in der Berufungsinstanz ins Spiel gebrachte - Überwachungsprotokoll (Bl. 219 GA), aus dem sich ergibt, dass der Beklagte zu 1 bei Überwachungen auch schon einmal zu schnell oder "recht schnell" gefahren ist, lässt keine hinreichend sicheren Schlüsse auf eine fehlerhafte (insbes. zu schnelle) Fahrweise des Beklagten zu 1 bei dem hier in Rede stehenden Vorfall zu. Dass das Landgericht - soweit ersichtlich - weder den Widerbeklagten zu 2 noch den Beklagten zu 1 selbst angehört oder als Partei vernommen, sondern sich auf die Verwertung der Beiakten (mit den dortigen Angaben der vorgenannten Beteiligten) zu Beweiszwecken beschränkt hat, ist nicht zu beanstanden, zumal der Kläger insoweit auch keinerlei Rügen erhebt und insbesondere den auf Vernehmung seines Sohnes (jetzt wieder als Zeuge) gerichteten Beweisantrag (vgl. dazu Bl. 2 und 50 GA) nicht wiederholt. Schließlich vermag der Senat auch nicht zu erkennen, dass hier etwa eine Beweisvereitelung seitens der Beklagten angenommen werden und zur Beweislastumkehr oder der Annahme eines Fehlverhaltens des Beklagten zu 1 führen könnte (vom Kläger - anders als in erster Instanz, vgl. Bl. 163 GA - auch nicht mehr geltend gemacht). Dass der Beklagte zu 1 es unmittelbar nach dem Unfall versäumt hat, das Kurzweg-Registriergerät auszuschalten, so dass die Aufzeichnungen der Unfallphase überschrieben wurden, kann nicht als missbilligenswerte Beweisvereitelung gewertet werden (vgl. zum Begriff der Beweisvereitelung nur Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 286, Rdn. 14a). Die Beklagten haben aus Sicht des Senats zu Recht darauf verwiesen, dass dieses Versäumnis des Beklagten zu 1 angesichts der Unfallsituation durchaus verständlich und entschuldbar erscheint; insoweit dürfte ein Vorwurf auch eher der unfallaufnehmenden Polizei zu machen sein. Jedenfalls könnte eine etwa anzunehmende, allenfalls fahrlässige Beweisvereitelung nicht zur Annahme einer Beweislastumkehr oder - im Rahmen der Beweiswürdigung - zur Annahme eines unfallursächlichen Fehlverhaltens des Beklagten zu 1 führen. Nach alledem ist eine Haftung des Beklagten zu 1 schon dem Grunde nach zu verneinen. 2. Anders verhält es sich bei der Beklagten zu 2. Deren Haftung ergibt sich hier nämlich dem Grunde nach - unabhängig von einem schuldhaften Fehlverhalten des Beklagten zu 1 - unzweifelhaft aus § 1 Abs. 1 HaftpflG. Der Entlastungsbeweis nach § 1 Abs. 2 HaftpflG (höhere Gewalt als Unfallursache) ist unstreitig nicht geführt; auch eine Unabwendbarkeit des Unfalls für den Beklagten zu 1 i.S. des § 13 Abs. 3 HaftpflG ist - davon gehen letztlich auch die Beklagten aus - nicht bewiesen (nach den Feststellungen des Sachverständigen ist eine verspätete Reaktion des Beklagten zu 1 möglich, also nicht auszuschließen). Ob die Beklagte zu 2 daneben auch aus § 831 Abs. 1 BGB (also für ein nach dieser Vorschrift vermutetes Verschulden) haftet oder sie sich gem. § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB entlasten kann, spielt deshalb letztlich keine Rolle und bedarf keiner weiteren Aufklärung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen der hier vorzunehmenden und sogleich noch zu erörternden Abwägung der Verursachungsanteile (§§ 4 HaftpflG, 17 StVG) ein lediglich (etwa gem. § 831 BGB oder § 18 StVG) vermutetes Verschulden nicht zu berücksichtigen ist (vgl. dazu allgemein nur Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 254, Rdn. 47 und Hentschel, a.a.O., § 17 StVG, Rdn. 31, jeweils m.w.Nachw. aus der Rechtsprechung). Ein (zur Haftung der Beklagten zu 2 nach § 823 Abs. 1 BGB führendes) konkretes unfallursächliches Organisations- oder Überwachungsverschulden der Beklagten zu 2 hat der Kläger erstinstanzlich nicht dargetan; auch in der Berufungsinstanz fehlt es an hinreichendem - ohnehin gem. § 531 ZPO kaum berücksichtigungsfähigem - Vorbringen hierzu. Insbesondere lässt sich ein (bestrittenes) unfallursächliches Verschulden der Beklagten zu 2 im o.g. Sinne nicht, jedenfalls nicht ohne weiteres aus den in der Berufungsinstanz von den Beklagten vorgelegten und vom Kläger im Zusammenhang mit der Frage des Entlastungsbeweises (vgl. Bl. 222 f. GA) in Bezug genommenen Unterlagen (namentlich dem Überwachungsprotokoll Bl. 219 GA) herleiten. Danach ist bei der gem. §§ 4 HaftPflG, 17 StVG vorzunehmenden Abwägung der Verursachungsanteile auf Seiten der Beklagten zu 2 nur die naturgemäß (wegen ihrer Schienengebundenheit und des - auch gewichtsbedingt - längeren Bremsweges) erhöhte Betriebsgefahr der Straßenbahn (vgl. dazu nur Hentschel, a.a.O., § 17 StVG, Rdn. 43) anzusetzen. Es kann hier - trotz der Unaufklärbarkeit des genauen Ablaufs, insbesondere der Fahrzeugabstände - davon ausgegangen werden, dass diese erhöhte Betriebsgefahr sich auch ursächlich ausgewirkt hat (so offenbar auch OLG Düsseldorf NZV 1994, 28 ff. in einem ähnlich gelagerten Fall). Insoweit streitet - anders als bei der Frage eines Verschuldens des Beklagten zu 1. - auch der Beweis des ersten Anscheins für den Kläger. Auf Seiten des Klägers, der ja nunmehr (zu Recht) selbst von seiner Mithaftung gem. §§ 7, 17 StVG (jedenfalls zu 50 %) ausgeht, ist im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung - darin ist dem Landgericht zuzustimmen - ein die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges erheblich erhöhendes (vgl. dazu allgemein nur Hentschel, a.a.O., § 17 StVG, Rdn. 11) Verschulden des Sohnes des Klägers (= Fahrer des klägerischen PKW) anzusetzen. Dieser durfte gem. § 2 Abs. 3 StVO angesichts der auch nach klägerischer Darstellung (allerdings danach in einem Abstand von geschätzt 200 m; vgl. Bl. 2 GA) sichtbar folgenden Straßenbahn nicht auf die linke Fahrspur wechseln, zumal für ihn nach den (als solchen auch nicht beanstandeten) Feststellungen des Sachverständigen (Bl. 129 f. GA) bei aufmerksamer Beobachtung die vor ihm befindliche Verkehrssituation (Rückstau vor der roten Ampel) - und damit auch die Gefahr des Blockierens des Gleisbereiches - erkennbar gewesen wäre und jedenfalls ein längeres Fahren auf der linken Spur zwecks Überholens oder gar ein Vorfahren auf dieser Spur bis zur Ampel im Hinblick auf die schraffierte Sperrflächenmarkierung gem. § 41 Abs. 3 Ziff. 6 StVO (vgl. dazu die Lichtbilder Bl. 146 ff. GA) ohnehin von vornherein verboten war. Da die Unterbrechung der Sperrfläche ersichtlich lediglich der Schaffung einer Abbiegemöglichkeit nach links auf das gegenüberliegende Supermarktgelände diente, durfte der Sohn des Klägers auch diesen Bereich für sich genommen nicht einfach zu dem klägerseits behaupteten - aus Sicht des Beklagten zu 1 nicht, jedenfalls nicht ohne weiteres erkennbaren - Zweck des Passierens eines zunächst angenommenen einzelnen parkenden Fahrzeuges auf dem rechten Fahrstreifen befahren; dies gilt natürlich erst recht bei - hier unstreitig erfolgtem - Erkennen einer nachfolgenden Straßenbahn, zumal eine Unzumutbarkeit der Vorranggewährung keinesfalls ersichtlich ist und überdies § 5 Abs. 4 StVO ein eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausschließendes Verhalten forderte. Der Sohn des Klägers musste unter den hier gegebenen Umständen in jedem Fall der Straßenbahn Vorrang gewähren und durfte nicht vor der (von ihm ja unstreitig erkannten) Straßenbahn in den Gleisbereich einfahren und diesen gar - wie letztlich geschehen und auch voraussehbar - versperren (vgl. zum Ganzen allgemein nur Hentschel, a.a.O., § 2 StVO, Rdn. 64 f. sowie Geigel/Zieres, a.a.O., 27. Kapitel, Rdn. 74 ff. und 275). Das Verschulden des Sohnes des Klägers wiegt aus Sicht des Senats - entgegen der Auffassung des Klägers - schwer und führt zu einer ganz erheblichen Erhöhung der Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass hier demgegenüber die (von vornherein erhöhte) Betriebsgefahr der Straßenbahn völlig zurücktritt. Zwar geht etwa Grüneberg in Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 7. Auflage, Rdn. 332 ff. beim Auffahren einer Straßenbahn auf ein im Gleisbereich anhaltendes Fahrzeug trotz des Vorrechts der Straßenbahn gem. § 2 Abs. 3 StVO davon aus, dass regelmäßig eine Haftungsverteilung von 1:1 bis 2:1 zu Lasten des Straßenbahnhalters in Betracht komme. Eine solche Haftungsverteilung erscheint dem Senat hier angesichts des - die Annahme eines bloßen Regelfalles ausschließenden - gravierenden Verschuldens des Sohnes des Klägers jedoch keinesfalls angemessen. Insoweit teilt der Senat auch nicht die Einschätzung des Kammergerichts in der vom Kläger angeführten Entscheidung NZV 2001, 426 ff. [dort hat das Kammergericht - bei einer ohnehin nicht vergleichbaren Unfallkonstellation und überdies offenbar, wie oben ausgeführt zu Unrecht, auch unter Berücksichtigung eines bloß gem. § 831 BGB vermuteten Verschuldens des Bahnbetreibers - trotz eines "besonders leichtfertigen" Verhaltens der PKW-Fahrerin und nicht feststellbaren Verschuldens des Straßenbahnführers eine Haftungsquote von 50:50 angenommen). Vielmehr erscheint es dem Senat hier gerechtfertigt, die (naturgemäß erhöhte) Betriebsgefahr der Straßenbahn ganz zurücktreten zu lassen, da der Sohn des Klägers durch sein schwerwiegendes Fehlverhalten, nämlich seine - wie oben ausgeführt - in mehrfacher Hinsicht verkehrswidrige Fahrweise, die entscheidende Ursache für den Unfall gesetzt hat. Ein völliges Zurücktreten der Straßenbahnbetriebsgefahr hinter einem schwerwiegenden unfallursächlichen Fehlverhalten des PKW-Fahrers ist von der Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen auch schon mehrfach angenommen worden (vgl. die auch bei Grüneberg, a.a.O. aufgeführten Entscheidungen des OLG Düsseldorf NZV 1994, 28 ff., des OLG Hamm VersR 1988, 1250 und des OLG Braunschweig VersR 1969, 1048). 3. Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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