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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 02.04.2008
Aktenzeichen: 13 U 133/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 254
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das am 15.06.2007 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 15.000,00 € (in Worten fünfzehntausend Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Januar 2006 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, alle bisherigen sowie künftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die der Kläger infolge eines Jagdunfallgeschehens vom 08.11.2003 bereits erlitten hat oder aber künftig erleiden wird, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 1/3 und der Beklagte 2/3.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 36 % und der Beklagte 64 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Während einer Treibjagd, die am 08.11.2003 in der Gemeinde Z1, Gemarkung S, stattfand, wurde der Kläger gegen 11.00 Uhr im Rückenbereich von Schrotkugeln getroffen und schwer verletzt. Aus diesem Grunde nimmt er den Beklagten über eine vorprozessuale Zahlung hinaus auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch.

Die Treibjagd erfolgte auf einem mit Raps bewachsenen Feld, das im Osten durch die Straße "T", im Norden durch einen Feldweg und im Westen durch ein Feldgehölz mit überwiegendem Laubholzanteil begrenzt wurde, wobei das Feldgehölz im Norden nicht ganz bis zur Höhe des Feldweges reichte. Der Kläger war als Treiberschütze (Durchgehschütze) eingesetzt und bewegte sich mit der Treiberkette von Süd nach Nord auf den Feldweg zu. Den Vorstehschützen, zu denen auch der Beklagte gehörte, waren Positionen nördlich des Feldweges und im Grenzbereich zwischen Rapsfeld und Feldgehölz zugewiesen. Die nördlichste Position am Rande des Feldgehölzes war dem Zeugen F zugeteilt, die südliche dem Zeugen H und die mittlere dem Beklagten. Der Zeuge Q gehörte zu den Vorstehschützen nördlich des Feldweges.

Eine Fasanenhenne, die der Zeuge F getroffen hatte, fiel in das Waldstück ein. Der Kläger wurde daher ersucht, mit seinem Jagdhund im Gestrüpp des Feldgehölzes nach der Henne zu suchen, während die Treiberkette sich weiter voranbewegte. Der Beklagte sah aus unmittelbarer Nähe, an welcher Stelle der Kläger sich in das Feldgehölz hineinbegab. Der Kläger fand die Fasanenhenne und teilte dies durch Zuruf dem Zeugen F mit. Als Rückweg aus dem Feldgehölz wählte der Kläger nicht den Weg, auf dem er hineingegangen war, sondern ging in Richtung der nordöstlichen Ecke des Feldgehölzes, wo eine Sperrschranke steht und ein Trampelpfad mündet.

Als der Kläger hier eintraf, näherte sich die Treiberkette dem Feldweg, so dass das baldige Ende der Jagd bevorstand. Wegen eines Hasen, der vor der Treiberkette in westlicher Richtung durch das Rapsfeld lief, ertönte der Ruf: "Hase, Hase". Als dieser Hase den Bereich der nördlich positionierten Vorstehschützen verlassen hatte und sich auf einen nördlich des Feldgehölzes gelegenen Wildacker mit einem dort deponierten Misthaufen bewegte, schoss der Kläger auf den Hasen, verfehlte diesen aber. Ein zweiter Schuss des Klägers traf den Hasen, so dass dieser roullierter und nicht weit entfernt von dem Misthaufen liegen blieb. Unmittelbar nachdem der Kläger den Hasen erlegt hatte wurde er von der Schrotgarbe im Rücken getroffen und nach vorne zu Boden geworfen.

Der Beklagte hatte auf den Ruf "Hase, Hase" seine doppelläufige Schrotflinte in Anschlag genommen und zumindest einmal geschossen.

Der Kläger hat behauptet, der Beklagte habe nicht nur einen sondern zwei Schüsse abgegeben, von denen der zweite ihn, den Kläger, aus einer Entfernung von nur ca. 20 m getroffen habe. Dass vom Beklagten zwei Schüsse abgegeben worden seien, ergebe sich aus der Aussage des Zeugen F. Außerdem habe außer dem Beklagten zu 1) und ihm, dem Kläger, im fraglichen Zeitpunkt kein Jagdteilnehmer einen Schuss abgegeben. Im Übrigen habe der Beklagte auch selbst eingeräumt, ihn, den Kläger, mit einem Schrotschuss getroffen zu haben, und zwar gegenüber der ermittelnden Polizei, gegenüber seiner, des Klägers, Mutter sowie gegenüber der Y als der hinter dem Beklagten stehenden Jagdhaftpflichtversicherung.

Anspruchskürzendes Mitverschulden sei ihm, dem Kläger, nicht anzulasten, weil er eine auch für den Beklagten im Unfallzeitpunkt gut wahrnehmbare rote Warnweste getragen und sich auch im Übrigen in jeder Hinsicht entsprechend den einschlägigen Sicherheitsvorschriften verhalten habe.

Als Schmerzensgeld hat der Kläger einen Betrag von mindestens 25.000,00 Euro als angemessen angesehen. Er sei von 200 Schrotkörnern getroffen worden, von denen 94 in seinen Körper eingedrungen seien. Nur 55 Schrote hätten in zwei mehrstündigen Operationen entfernt werden können. Die restlichen Schrote zu entfernen sei zu risikoreich gewesen, weil sie sich nah an der Wirbelsäule und sonstigen Körperorganen befänden. Die Verletzungsfolgen würden ihn auf Dauer beeinträchtigen und regelmäßige ärztliche Untersuchungen erfordern. Im Übrigen müsse u.a. berücksichtigt werden, dass der Beklagte grob fahrlässig gegen jagdrechtliche Sicherheitsbestimmungen verstoßen habe.

Der Beklagte hat bestritten, den verletzenden Schuss abgegeben zu haben. Angesichts der Position, die der Hase nach seinem, des Beklagten, ersten Schuss gehabt habe, habe ein zweiter Schuss ohnehin keinen Sinn gehabt. Dass er sich nach dem Unfall selbst irrtümlich als Urheber des fraglichen Schusses bezeichnet habe, beruhe auf Äußerungen anderer Jagdteilnehmer sowie einem Schock, unter dem er wegen des Ereignisses gestanden habe.

Weiter hat der Beklagte ausgeführt, zum Zeitpunkt des Unfalls habe er sich mindestens 40 m vom Kläger entfernt befunden und aus seiner, des Beklagten, Sicht habe man den Kläger wegen des Feldgehölzes gar nicht wahrnehmen können. Zumindest, so hat der Beklagte geltend gemacht, treffe den Kläger hälftiges Mitverschulden. Dieser habe während der laufenden Treibjagd nicht nach der Fasanenhenne suchen dürfen und habe den Wald jedenfalls an der gleichen Stelle wieder verlassen müssen, an der er ihn betreten habe. Ihm, dem Beklagten, habe der Kläger außerdem weder mitgeteilt, dass er die Henne gefunden habe, noch, dass er die Position eingenommen habe, an der er später getroffen worden sei.

Das konkrete Ausmaß der Verletzungsfolgen hat der Beklagte angezweifelt und hat gemeint, durch die vorprozessuale Zahlung von 10.000,00 € sei eine evtl. Schmerzensgeldforderung des Klägers ausgeglichen.

Das Landgericht hat die staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte beigezogen und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Q, F, Y1, C, Y, Y3 und Y4. Es hat als bewiesen angesehen, dass der Beklagte den verletzenden Schuss abgegeben habe, hat das Verhalten des Beklagten als grob fahrlässigen Verstoß gegen jagdrechtliche Sicherheitsbestimmungen gewertet und hat ein Mitverschulden des Klägers als nicht bewiesen angesehen. Es hat dem Feststellungsbegehren stattgegeben und ein Schmerzensgeld von 35.000,00 € als angemessen erachtet, so dass es dem Kläger unter Berücksichtigung der vorprozessualen Zahlung weitere 25.000,00 € zuerkannt hat.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit dem Ziel abändernder Klageabweisung, soweit das Landgericht mehr als hälftige Schadensersatzverpflichtung der Beklagten festgestellt und im Übrigen dem Kläger weiteres Schmerzensgeldkapital zuerkannt hat.

Er bestreitet weiterhin, zwei Schüsse abgefeuert zu haben, wendet sich aber nicht mehr gegen die Feststellung, dass der Kläger von einer Schrotgarbe aus seiner Flinte getroffen worden sei, auch wenn er, der Beklagte, sich dies nicht erklären könne. Er hält daran fest, dass der Kläger aus seiner, des Beklagten, Position nicht sichtbar gewesen sei. Grob fahrlässig, so meint der Beklagte, habe er keineswegs gehandelt. Die Beweisaufnahme des Landgerichts zu den diese Frage betreffenden Umständen sei unvollständig, da der Zeuge H nicht vernommen worden sei. Im Übrigen vertritt der Beklagte weiterhin den Standpunkt, den Kläger treffe aus den schon in erster Instanz angesprochenen Gründen hälftiges Mitverschulden.

Den vom Landgericht als angemessen angesehenen Schmerzensgeldbetrag von insgesamt 35.000,00 € hält der Beklagte für völlig überhöht und verweist u.a. auf den komplikationslosen Verlauf der Operationen und der stationären Behandlung, das bisherige Ausbleiben einer vermehrten Bleikonzentration im Blut sowie das Ausbleiben von Abszessen und Nervenschädigungen, ferner die zurückgewonnene Arbeitsfähigkeit des Klägers sowie dessen ungehinderte Ausübung von Freizeitaktivitäten.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Dortmund teilweise abzuändern und

1. die Klage abzuweisen, soweit der Beklagte zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 25.000,00 € nebst Zinsen verurteilt worden ist;

2. die Klage ferner abzuweisen, soweit das Landgericht festgestellt hat, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger mehr als 50 % aller künftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die der Kläger infolge des Jagdunfallgeschehens vom 08.11.2003 erlitten hat.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags verteidigt er mit näheren Ausführungen die angefochtene Entscheidung.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen H sowie Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen Y. Es hat ferner die Parteien ergänzend angehört.

Die Akte 223 Js 54/04 (221) der Staatsanwaltschaft Dortmund hat vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen, Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, die ärztlichen Stellungnahmen der sachverständigen Zeugen Y vom 30.10.2006 und des sachverständigen Zeugen Y2 vom 09.11.2006, die Sitzungsprotokolle des Landgerichts vom 23.06.2006 und 14.02.2007 sowie das Sitzungsprotokoll des Senats vom 09.01.2008 nebst dem hierzu gefertigten Berichterstattervermerk.

II.

Die Berufung hat nur zum Teil Erfolg.

Dem Grunde nach hat der Beklagte dem Kläger dessen materiellen und immateriellen Schaden aus dem Unfall vom 08.11.2003 vollständig zu ersetzen, so dass der Feststellungsausspruch in der Sache zu bestätigen war. Allerdings wendet sich der Beklagte zu Recht gegen die Höhe des Schmerzensgeldkapitals, das der Senat mit insgesamt 25.000,00 € als zutreffend bewertet ansieht.

1.

Wie schon in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt worden ist, hat der Beklagte nicht nur einen Schuss abgefeuert, um den aus seiner Sicht von rechts nach links in Richtung auf den Kläger zu laufenden Hasen zu treffen, sondern auch einen zweiten. Dies ergibt sich eindeutig aus der glaubhaften Aussage des Zeugen F, der zur Zeit der Schussabgabe nahe bei dem Beklagten gestanden hat. Außer dem Kläger und dem Beklagten hat zum fraglichen Zeitpunkt niemand in Richtung auf den Hasen geschossen. Nach seinen eigenen Angaben auch im Senatstermin hat der Beklagte einmal auf den Hasen geschossen, als sich dieser noch auf dem Rapsfeld im Bereich einer Ackerfurche befand. Da der Kläger außerhalb des Rapsfeldes gestanden hat, also nicht vom ersten Schuss des Beklagten getroffen worden sein kann, verbleibt nur noch die Möglichkeit, dass der Beklagte den Hasen mit seiner Flinte nach links weiterverfolgt hat und den zweiten Schuss dann abgegeben hat, als sich der Kläger genau im Schussfeld des Beklagten befand.

Schon vor und erst recht bei Abgabe des Schusses war der Kläger entgegen der Behauptung des Beklagten für diesen sichtbar, so dass dem Beklagten ein Verstoß gegen die erforderliche Sorgfalt zur Last fällt. Der Kläger hat angegeben, vor der an der nordöstlichen Ecke des Feldgehölzes befindlichen Schranke gestanden zu haben. Dies wird durch die Aussage des Zeugen Q bestätigt, der den Kläger dort zur fraglichen Zeit stehen gesehen hat. Der 1,9 m große und u.a. mit einer roten Warnweste bekleidete Kläger war, wie die Ausführungen des Sachverständigen Y im Senatstermin ergeben haben, für jemanden, der sich wie der Beklagte nahe des Feldgehölzes am westlichen Rand des Rapsfeldes aufhielt, schon aus einer Entfernung von rd. 40 m erkennbar. Erst recht vom westlichen Rand des Rapsfeldes erkennbar war der Kläger aus einer Entfernung von nur etwa 25 m. Aus dieser Entfernung hat der Beklagte seinen zweiten Schuss, mit der er den Kläger traf, aber abgegeben. Denn dass der Schuss nicht aus einer größeren Entfernung abgefeuert worden ist, folgt, wie der Sachverständige ausgeführt hat, aus der Dichte der durch die Schrotgarbe auf der Weste des Klägers gezeichneten Einschusslöcher. Dass der Beklagte sich entgegen seinen eigenen Angaben bei der Schussabgabe nicht mehr auf der ihm ursprünglich zugewiesenen und von der Sperrschranke weiter entfernten Position befunden hat, wird im Übrigen durch die Aussage des Zeugen F, der als Vorstehschütze ursprünglich eine Position nahe der Schranke eingenommen hatte, bestätigt. Denn dieser hat schon im Ermittlungsverfahren ausgesagt, er und der Beklagte seien vor dem fraglichen Geschehen aufeinander zugegangen. Vor dem Hintergrund dieser klaren Aussage bedurfte es nicht der im Senatstermin beantragten ergänzenden Vernehmung des Zeugen F zur Behauptung des Beklagten, er habe seine ursprüngliche Position bis zum Unfallzeitpunkt beibehalten.

Der Umfang, in dem der Beklagte für den Schaden des Klägers aufzukommen hat, ist nicht durch gemäß § 254 BGB anspruchskürzendes Mitverschulden des Klägers eingeschränkt.

Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte darauf, dass der Kläger während der noch laufenden Treibjagd nicht ohne Anweisung des Jagdleiters in dem Feldgebüsch nach der Henne habe suchen dürfen. Denn eine solche Nachsuche war dem Kläger durch den Zeugen C, der zu der Treibjagd eingeladen hatte und selbst an dem Treiben als Durchgehschütze teilnahm, ausdrücklich aufgetragen worden. Der Zeuge F und auch der Beklagte, die mitbekommen haben, dass der Kläger zum Zwecke der Nachsuche das Feldgehölz aufsuchte, haben keinerlei Bedenken gegen eine solche Nachsuche noch während der Treibjagd erhoben. Die sofortige Nachsuche stellte zudem sicher, dass die evtl. nur angeschossene Henne nicht erst nach längeren Qualen verendete, stand somit auch im Einklang mit dem Tierschutzgesetz. Überzeugend hat der Sachverständige daher keinerlei Fehlverhalten des Klägers in der sofortigen Nachsuche gesehen sondern ausgeführt, eine solche sofortige Nachsuche sei bei Jagden der hier zu beurteilenden Art keineswegs ungewöhnlich.

Dem Kläger kann ferner nicht zum Vorwurf gemacht werden, nach Auffinden der Henne eine Information hierüber und somit über das Ende der Nachsuche unterlassen zu haben. Denn nach seiner unwiderlegten Darstellung hat er den Fund sofort durch Zuruf auch gegenüber dem Beklagten gemeldet. Dies hat der Zeuge F bei seiner Vernehmung in erster Instanz bestätigt.

Dem Kläger gereicht es ferner nicht zum Nachteil, dass er beim Verlassen des Feldgehölzes nicht den gleichen Weg genommen hat wie beim Hineingehen. Eine Jagdregel, die dies vorschreibt, ist nicht ersichtlich. Als Treiberschütze oblag es dem Kläger vielmehr, sich der Treiberwehr sobald als möglich anzugliedern. Aus diesem Grunde lag es nahe und war mit der Aufgabe des Klägers eher zu vereinbaren, wenn er den Anschluss an die zwischenzeitlich vorangerückte Treiberreihe auf möglichst kurzem Wege, folglich auf einem vom Hinweg abweichenden Weg zu erreichen suchte. Ein solches Verhalten hat auch der Sachverständige Y aus der Sicht jagdlich vernünftigen Verhaltens als logisch angesehen.

Schließlich hat der Kläger nicht in vorwerfbarer Weise zu seiner Verletzung beigetragen, indem er nach Verlassen des Dickichtes davon abgesehen hat, sich bei den benachbarten Schützen zu melden. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Z2 gehört es zu den jagdlichen Gepflogenheiten, dass man sich wieder anmeldet. Dass der Kläger dem nicht gerecht geworden ist, lässt sich jedoch nicht feststellen. Denn der Kläger hat erklärt, schon als er aus dem Dickicht das Auffinden der Henne gemeldet habe, habe er erklärt, er werde erst weiter vorne aus dem Feldgehölz wieder herauskommen. Als er dann dort herausgekommen sei, habe er sich bemerkbar gemacht, indem er nach rechts geschaut, gerufen und die Hand gehoben habe. Auch diese Darstellung des Klägers ist durch die Beweisaufnahme nicht widerlegt.

2.

Als Schmerzensgeldkapital erachtet der Senat einen Betrag von insgesamt 25.000,00 € als angemessen und auch ausreichend.

Im Alter von erst 24 Jahren ist der Kläger im Rückenbereich, Kopf- und Nackenbereich sowie am rechten Oberarm von einer Schrotladung aus der Flinte des Beklagten getroffen und nach vorne zu Boden geworfen worden. Ihm war sofort klar, was ihm hier widerfahren war. Er litt unter starken Schmerzen, insbesondere im Rückenbereich mit schmerzhafter Einschränkung der Schulterbeweglichkeit beiderseits. Er war von ca. 200 Schrotkugeln getroffen worden, von denen ca. 94 nicht von der Kleidung abgehalten worden sondern teils tief in den Körper eingedrungen waren. 13 Tage lang musste der Kläger stationär behandelt werden. Während einer noch am Unfalltage durchgeführten Operation, die mehr als 2 1/2 Stunden dauerte, konnten 46 Schrotkugeln aus der Rückenpartie und eine Kugel aus dem Hinterkopf entfernt werden. Etwa 10 Tage später wurden weitere acht Schrotkugeln operativ geborgen. Auf die Beseitigung der restlichen 39 Schrotkugeln aus dem Körper des Klägers musste verzichtet werden, weil sie sich tief in der Rückenmuskulatur neben der Wirbelsäule befinden. Verblieben sind Narben im Bereich des Nackens, des Rückens und der rechten Körperflanke. Es besteht die grundsätzliche Gefahr einer schleichenden Bleivergiftung, auch wenn aus medizinischer Sicht eine Steigerung der Bleiwerte im Blut und im Urin als äußerst unwahrscheinlich eingestuft werden, eine weitere Intoxikation durch Blei also nicht erwartet wird, da von einer Einkapselung der restlichen Schrotkugeln im Körper des Klägers ausgegangen wird. Der Kläger litt noch einige Zeit nach dem Unfall unter Schreckhaftigkeit bei knallartigen Geräuschen und ist erst nach geraumer Zeit wieder zur Jagd gegangen. Er muss sich im Hinblick auf die grundsätzliche Gefahr einer Bleivergiftung regelmäßig einschlägigen Kontrollen unterziehen. Im Frühjahr 2007 kam es zu einer Verklebung des Schulterblattes auf dem Thorax, die unter physiotherapeutischer Anleitung behoben werden musste. Der Kläger leidet unter der Vorstellung, dass es doch noch zu einer Bleivergiftung kommen kann oder auch nur zu einer Wanderung der Schrotkugeln im Körper.

Außer diesen Verletzungen und Verletzungsfolgen war bei der Schmerzensgeldbemessung auch zu berücksichtigen, dass das Schmerzensgeldkapital von dem haftpflichtversicherten Beklagten nicht persönlich aufgebracht werden muss und dass der Kläger wegen der Art der Rechtsverteidigung des Beklagten lange und hart für die Durchsetzung seiner Ansprüche hat kämpfen müssen. Im Übrigen hält der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht ein sowohl objektiv als auch subjektiv über einfache Fahrlässigkeit hinaus gesteigertes Unfallverschulden des Beklagten für gegeben. Auf die Rufe "Hase, Hase" hat der Beklagte seine Flinte umgehend in Anschlag genommen und hat den Hasen dann verfolgt, während dieser zwischen der Treiberkette und den nördlichen Vorstehschützen hindurchlief. Er hat danach ein erstes Mal geschossen. Den Hasen hat er dann weiterverfolgt und schließlich einen zweiten Schuss abgegeben. Dass der Beklagte schon auf den Hasen gezielt hat, als sich der Hase noch im Bereich der Treiber und der Vorstehschützen befand, ergibt sich aus der Aussage des Zeugen H, an deren Richtigkeit zu zweifeln kein Anlass besteht, zumal die Aussage dieses Zeugen in dem hier interessierenden Punkte übereinstimmt mit der eigenen Schilderung des Beklagten im Ermittlungsverfahren vom 18.11.2003. Schon vor der Abgabe des ersten Schusses hat sich der Beklagte damit in einer gegen Nr. 5 der Hauptregeln für das Verhalten der Jäger auf Treibjagden und sonstigen Gesellschaftsjagden verstoßenden Weise verhalten. Denn der Beklagte hat dabei Personen aus der Treiberkette und auch nördlich positionierte Vorstehschützen gefährdet. Aber auch nach der Abgabe des ersten Schusses hat er weiterhin auf den Hasen gezielt, wobei er nunmehr den Kläger gefährdete. Ersichtlich hat sich der Beklagte zu diesem Zeitpunkt über seine Verpflichtung, niemanden mit der Waffe zu gefährden, in bedenkenloser Weise hinweggesetzt. Der Senat folgt dem Sachverständigen Z2, der das Verhalten des Beklagten als grobes jagdliches Fehlverhalten gewertet hat.

Dennoch erachtet der Senat einen Schmerzensgeldbetrag von 25.000,00 € für ausreichend, zumal der Heilungsverlauf relativ komplikationslos gewesen ist und der Kläger schon bald nach dem Unfall ins Berufsleben zurückgefunden hat. Nicht ganz zu Unrecht verweist der Beklagte darauf, dass es gerechtfertigt erscheint, die immateriellen Beeinträchtigungen des Klägers als weniger gravierend anzusehen als diejenigen einer Person, die unfallbedingt mit einer Hepatitis-C-Infektion belastet ist, zumal es bei dem Kläger gerade nicht zu der befürchteten Bleivergiftung gekommen ist. Zur Bestimmung der Größenordnung des angemessenen Schmerzensgeldes hat der Senat die vom Kläger vorgelegte Entscheidung des Landgerichts München I vom 21.09.2005 mitberücksichtigt. Insgesamt erschien ein Schmerzensgeld von 25.000,00 € in der vorliegenden Sache als angemessen.

3.

Insbesondere wegen der im Körper des Klägers verbliebenen Schrotkugeln besteht die Möglichkeit weiterer Schadensverwirklichung, so dass dem Feststellungsbegehren nach Maßgabe der Haftungsquote von 100 % im vollen Umfange stattzugeben war.

4.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 543, 708 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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