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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 03.03.2004
Aktenzeichen: 13 U 162/03
Rechtsgebiete: BRK-Gesetz, BGB


Vorschriften:

BRK-Gesetz § 1
BGB § 249
Der Ausfall eines Behördenfahrzeugs kann nicht im Wege abstrakter Nutzungsentschädigung, sondern nur unter Nachweis der konkreten Vermögenseinbuße abgerechnet werden.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 25.06.2003 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Klägers übersteigt nicht 20.000,00 EUR.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Kläger verlangt von den Beklagten Ersatz des ihm bei einem Verkehrsunfall vom 01.03.2002 entstandenen Schadens. Der Kläger war Halter und Eigentümer des bei dem Unfall beschädigten Krankentransportwagens (KTW) der Marke Volkswagen mit dem amtlichen Kennzeichen 0000000000, mit dem der Zeuge T zusammen mit seiner als Begleitperson für eine zu transportierende Person fungierenden Ehefrau auf der Bundesautobahn A 0 zwischen N und C in Fahrtrichtung C unterwegs war. Gegen 15.00 Uhr kam es im Bereich der Gemeinde H auf dieser Autobahn zu einem Unfall, bei dem der PKW des Klägers auf den PKW des Beklagten zu 1), der bei dem Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist, auffuhr.

Der Kläger hat erstinstanzlich Reparaturkosten, Gutachterkosten, Abschleppkosten, Taxikosten u.a. sowie Nutzungsausfallentschädigung für den Zeitraum vom 01.03. bis 23.05.2002 geltend gemacht. Nachdem der Kläger mit seiner Klage ursprünglich

Zahlung von 42.236,86 EUR verlangt hatte, haben die Parteien, nachdem die Beklagten einen Teil dieses Betrages gezahlt hatten, den Rechtsstreit in der Hauptsache teilweise für erledigt erklärt. Dementsprechend hat der Kläger nur noch die Bezahlung eines Betrages in Höhe von 24.107,98 EUR beantragt.

Auf die weiteren tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 19.786,53 EUR verurteilt, die Klage hinsichtlich der Nutzungsausfallentschädigung, die der Kläger für 84 Tage und mit 49,60 EUR pro Tag, also insgesamt in Höhe von 4.166,40 EUR begehrt, allerdings abgewiesen. Die Teilabweisung wegen der Nutzungsausfallentschädigung hat das Landgericht damit begründet, dass eine solche bei gewerblich genutzten Kraftfahrzeugen grundsätzlich nicht in Betracht komme. Bei vorübergehendem Ausfall gewerblich genutzter Kraftfahrzeuge könne der Geschädigte regelmäßig nur seinen entgangenen Gewinn oder Vorhaltekosten für ein Reservefahrzeug oder Aufwendungen für Miete eines Ersatzfahrzeuges ersetzt verlangen. Solche Schäden bzw. Kosten seien dem Kläger jedoch nicht entstanden.

Mit der Berufung wendet sich der Kläger allein gegen die teilweise Abweisung der Klage hinsichtlich der Nutzungsausfallentschädigung. Zwischen den Parteien besteht kein Streit mehr darüber, dass die Beklagten dem Kläger 100 % des ihm entstandenen Schadens zu ersetzen haben. Der Kläger rügt, das Landgericht habe nicht darauf hingewiesen, dass es von einer gewerblichen Tätigkeit des Klägers ausgehe, obwohl sich bereits aus der klägerischen Bezeichnung im Klagerubrum ergebe, dass der Kläger eine "Körperschaft des öffentlichen Rechts" sei, was sich auch aus § 1 des BRK-Gesetzes ergebe. Dementsprechend sei der Kläger - was in materiellrechtlicher Hinsicht gerügt werde - gerade nicht gewerblich, sondern nur gemeinnützig tätig. Dies ergebe sich auch aus § 48 der Satzung des Klägers, in dem es u.a. heißt:

"Das C Rote Kreuz verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke im Sinne des Abschnitts "steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenordnung. Das C Rote Kreuz ist selbstlos tätig, es verfolgt in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke."

Da der Kläger nicht gewerblich tätig sei, greife auch die Rechtsprechung des OLG Hamm (NJW-RR 2001, 165) und des BGH (BGHZ 198, 212 ff) nicht, wonach grundsätzlich bei erwerbswirtschaftlichem, produktiven Einsatz gewerblicher Fahrzeuge kein abstrakter Schaden als Nutzungsausfallentschädigung geltend gemacht werden könne. Außerdem habe sich der Ausfall des KTW auf seinen Betrieb unstreitig weder gewinnmindernd noch kostensteigernd ausgewirkt. Wegen der Dauer des Ausfalls verweist der Kläger auf die Reparaturbestätigung der Fa. L vom 23.05.2002 (Bl. 41 d.A.). Der Tagessatz in Höhe von 49,60 EUR entspreche der Angabe für den hier in Rede stehenden VW T 4 in der Tabelle von Sanden/Danner.

Der Kläger beantragt,

die Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Landgerichts Münster vom 25.06.2003 als Gesamtschuldner zu verurteilen, weitere 4.166,40 EUR nebst

5 % Zinsen p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit 04.07.2002 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das Urteil des Landgerichts.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklgten keinen Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung gemäß § 249 BGB.

Mit Blick auf die Nutzungsentschädigung bei Kraftfahrzeugen sind drei Gruppen zu unterscheiden, und zwar gewerblich genutzte PKW, privat genutzte PKW und Behördenfahrzeuge. Nachdem der Kläger seine Satzung vorgelegt hat (Bl. 306 ff d.A.; § 48), dürfte endgültig feststehen, dass er nicht gewerblich tätig ist, so dass hier von einem Behördenfahrzeug auszugehen ist. Das ergibt sich auch schon aus der Rechtsstellung des Klägers als Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß § 1 BRK-Gesetz (Bl. 309 d.a.9). Die Ersatzfähigkeit des Nutzungsausfalls stellt sich für die drei Fahrzeuggruppen und insbesondere für die Behördenfahrzeuge wie folgt dar:

Beim Ausfall eines privat genutzten PKW steht dem Geschädigten regelmäßig unter folgenden Voraussetzungen eine abstrakte Nutzungsentschädigung zu:

* dem Geschädigten muss ein "fühlbarer Schaden" entstanden sein,

* der Geschädigte müsste während der Ausfallzeit zur Nutzung des Fahrzeuges willens und fähig gewesen sein.

Beim Ausfall eines gewerblich genutzten Fahrzeuges bemisst sich der Schaden nach dem entgangenen Gewinn (§ 252 BGB), den Vorhaltekosten eines Reservefahrzeuges oder der Miete eines Ersatzfahrzeuges. In dieser Fallgruppe ist streitig, ob der Geschädigte Nutzungsentschädigung verlangen kann, wenn sich der Ausfall wegen besonderer Anstrengungen des Geschädigten weder gewinnmindernd noch kostensteigernd ausgewirkt hat. Nach der früheren Rechtsprechung des BGH (BGHZ 70, S. 203; NJW 1985, S. 2471) und einem Teil der Literatur (Becker/Böhme/Biela, Kaftverkehr - Haftpflichtschäden, 22. Aufl., Rz. D 75; Geigel-Rixecker, Der Haftpflichtprozess, 24. Aufl., Kap. 3, Rz. 94) soll in dieser Ausnahmekonstellation eine abstrakte Nutzungsausfallentschädigung möglich sein. Demgegenüber lehnt ein Teil der Rechtsprechung (OLG Düsseldorf, VersR 1995, S. 1321; OLG Schleswig, VersR 1996, S. 866; OLG Köln VersR 1997, S. 506; OLG Hamm, 9. Senat, NJW RR 2001, S. 165 unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung) und die überwiegende Literatur (Palandt - Heinrichs, BGB, 63. Aufl., Rz. 24a; Wussow - Karczewski, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl., Kap. 41, Rz 44; Greger Haftpflichtrecht des Straßenverkehrs, 3. Aufl, Anh. I, Rz 129) eine abstrakte Entschädigung gänzlich ab. Diese Auffassung wird mit der Entscheidung des Großen Senats des BGH vom 09.07.1986 (BGHZ 98, S. 212 ff) begründet. Dort sind der erwerbswirtschaftliche produktive Einsatz gewerblicher Fahrzeuge mit der Möglichkeit konkreter Ausweisung des Ausfalls und der eigenwirtschaftliche Einsatz privater Kraftfahrzeuge, die sich nicht in einem Gewinnentgang niederschlagen, einander gegenübergestellt; zugleich wird die abstrakte Entschädigung nur für letztere wegen ihrer zentralen Bedeutung für die eigenen - private - Lebenshaltung begründet. Nach dieser Ansicht kann ein vorübergehender Ausfall gewerblicher Fahrzeuge regelmäßig nur nach dem entgangenen Gewinnn (§ 252 BGB), den Vorhaltekosten eines Reservefahrzeuges oder der Miete eines Ersatzfahrzeuges bemessen werden.

Ebenfalls streitig wird in der Rechtsprechung und Literatur die Frage diskutiert, ob beim Ausfall eines Behördenfahrzeuges die Möglichkeit der abstrakten Nutzungsentschädigung besteht.

Der BGH hat noch in seiner Entscheidung vom 26.03.1985 (NJW 1985, S. 2471) vor Erlaß der Entscheidung des Großen Senats (BGHZ 98, 212) ausgeführt, dass eine Entschädigung für Nutzungsausfall nicht nur für private Fahrzeuge gewährt wird. Vielmehr komme eine solche Entschädigung für zeitweise entzogene Gebrauchsvorteile durchaus auch nach der Beschädigung von gewerblich genutzten Fahrzeugen, Behördenfahrzeugen oder Fahrzeugen gemeinnütziger Einrichtungen in Betracht, falls sich deren Gebrauchsentbehrung nicht unmittelbar in einer Minderung des Gewerbeertrages (entweder in entgangenen Einnahmen oder über die mit der Ersatzbeschaffung verbundenen Unkosten) niederschlägt. Liegt aber kein konkret bezifferbarer Verdienstentgang vor, so ist es dem Geschädigten grundsätzlich nicht verwehrt, anstelle des Verdienstentganges eine Nutzungsentschädigung zu verlangen, wenn dessen Voraussetzungen im Übrigen vorliegen. Bei diesen Voraussetzungen handelt es sich um das Vorliegen eines fühlbaren wirtschaftlichen Nachteils sowie des Nutzungswillens und der Nutzungsmöglichkeit. Diese Ansicht wird auch nach der Entscheidung des BGH vom 09.07.1986 nur noch von dem OLG München (NZV 1990, S. 348 ff) sowie teilweise in der Literatur (Becker/Böhme/Biela a.a.O.; Geigel-Rixecker a.a.O.) vertreten.

In der Literatur wird jedoch überwiegend - ebenfalls mit Hinweis auf die Entscheidung des großen Senats für Zivilsachen vom 09.07.1986 (BGHZ 98, S. 212 ff) - vertreten, dass eine abstrakte Nutzungsentschädigung für Behördenfahrzeuge nicht (mehr) möglich sei (Wussow-Karczewski, Unfallhaftpflichtrecht, a.a.O., Rz. 43; Palandt - Heinrichs, a.a.O. Rz. 24; Greger a.a.O.). Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 09.07.1986 dargestellt, dass die abstrakte Nutzungsentschädigung im BGB nur ausnahmsweise zugelassen sei (§§ 288, 290, 849 BGB). Aus diesem Grunde legte er auch Wert auf die Feststellung, dass in Anlehnung an den Grundgedanken, der der Rechtsprechung der KFZ-Nutzungsentschädigung zugrunde liege, eine Ergänzung der Regelungen des BGB zur abstrakten Nutzungsentschädigung auf Sachen beschränkt bleiben müsse, auf deren ständige Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen sei (BGH a.a.O. S. 222). Der BGH hat darauf abgestellt, dass die Sache für die eigene Lebenshaltung so von Bedeutung sein müsse, dass sich der Funktionsverlust im Vermögen des Betroffenen niederschlage; der Ersatz für Verluste des eigenen Gebrauchs müsse grundsätzlich Fällen vorbehalten bleiben, in denen die Funktionsstörung sich typischerweise als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirke.

Legt man diese Grundsätze des BGH zugrunde, kann es für Behördenfahrzeuge nicht die Möglichkeit der abstrakten Nutzungsentschädigung geben. Denn die vom BGH dargestellten Auswirkungen treten in dieser Form letztlich nur bei Privatpersonen auf.

Dieser Ansicht tritt der Senat bei. Für sie spricht außerdem, dass sie im Einklang mit den Grundgedanken des Schadensersatzrechts steht, wonach ein Schaden definiert ist mit einer konkreten Vermögenseinbuße; diese Vermögenseinbuße wiederum wird anhand der Differenzhypothese mittels des Vergleichs der Vermögenslage vor und nach dem Schadensereignis ermittelt. Eine abstrakte Nutzungsentschädigung kann bei dem Ausfall von Behördenfahrzeugen nicht an die Stelle einer konkreten Schadensbemessung treten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.



Ende der Entscheidung

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