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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 19.03.2001
Aktenzeichen: 13 U 164/00
Rechtsgebiete: ZPO, StVG, PflVG


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 546 Abs. 2
StVG § 7 Abs. 1
StVG § 18 Abs. 1 Satz 1
PflVG § 3 Nr.1 u. 2
Der Eigentümer, der einem Dritten sein Fahrzeug für ca. 1/2 Jahr zum selbständigen Gebrauch überläßt, muß sich Unfallmanipulationen dieses Dritten zurechnen lassen.
OBERLANDESGERICIIT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 U 164/00 OLG Hamm

Verkündet am 19. März 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 19. März 2001 durch die Richter am Oberlandesgericht Zumdick und Walter und die Richterin am Landgericht Kirchhoff

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 15. Juni 2000 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert den Kläger in Höhe von 41.072,08 DM.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Schadensersatzanspruch aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 Satz 1 StVG, 3 Nr.1 und 2 PflVG.

Es kann dahinstehen, ob der Kläger Eigentümer des Pkw Porsche war. Die Beschädigung des Fahrzeugs war jedenfalls nicht rechtswidrig. Sie geschah zumindest mit Einwilligung des Zeugen Ö. Diese Einwilligung muss sich der Kläger zurechnen lassen.

1.

Der Beweis der Unfallmanipulation kann durch den Nachweis einer ungewöhnlichen Häufung von typischen Umständen erbracht werden, die für sich betrachtet auch eine andere Erklärung finden mögen, die in ihrem Zusammenwirken vernünftigerweise jedoch nur den Schluss zulassen, dass der Anspruchsteller bzw. der Fahrzeugführer in die Beschädigung seines Fahrzeugs eingewilligt hat. So liegt der Fall hier. Bei der gebotenen Gesamtschau hat sich der Senat insbesondere von folgenden Gesichtspunkten leiten lassen:

a)

Der Schaden entstand durch einen Anstoß des zurücksetzenden Lkw gegen den stehenden Pkw. Dieser Schadenshergang ließ sich leicht steuern. Durch den nur mit geringer Geschwindigkeit erfolgten Anstoß gegen die rechte Fahrzeugseite des Porsche, mit dem für den Beklagten zu 1) als Fahrer des Lkw keine gesundheitlichen Risiken verbunden waren, konnte ein wirtschaftlich hoher Schaden verursacht werden. Außerdem brauchte wegen der eindeutigen Schuldzuweisung an den rangierenden Beklagten zu 1) nicht mit einer Anspruchskürzung aufgrund von Mitverschulden oder mitwirkender Betriebsgefahr gerechnet zu werden.

b)

Der vom Beklagten zu 1) geschilderte Schadenshergang ist - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - als unabsichtliches Geschehen nicht nachvollziehbar. Der Beklagte zu 1) hat bei seiner persönlichen Anhörung durch das Landgericht erklärt, er sei vor dem weiteren Zurücksetzen ausgestiegen und habe sich den Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen angeschaut. Der Abstand habe 20 bis 30 cm, allenfalls 50 cm betragen. Der Sachverständige Dipl.-Ing. S hat dies dahin präzisiert, dass der Abstand aus technischer Sicht aufgrund der Höhenverhältnisse maximal 30 cm betragen haben kann. Bei einem derart geringen Abstand, der durch die von dem Sachverständigen gefertigten Lichtbilder anschaulich dokumentiert wird, entschließt sich kein Kraftfahrzeugführer, noch weiter zurückzusetzen. Das gilt erst recht, wenn - wie im vorliegenden Fall - hinter dem Lkw ein Fahrzeug der Luxusklasse geparkt ist.

Der von dem Kläger in der Berufungsbegründung erhobene Einwand, der Beklagte zu 1) könne auch aus einer größeren Entfernung langsam zurückgesetzt haben und kurz vor dem Erreichen des Porsche von der Kupplung abgerutscht sein, ist unbegründet. Diese Darstellung widerspricht der eindeutigen Unfallschilderung des Beklagten zu 1) vor dem Landgericht. Auch soweit der Beklagte zu 1) gegenüber der Beklagten zu 2) den Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen mit etwa 1 m angegeben hat, war nicht die Rede davon, dass er erst im Verlauf des Zurücksetzens von der Kupplung abgerutscht sei. Ein derartiger Geschehensablauf ist zudem aus technischer Sicht unwahrscheinlich. Der Sachverständige Dipl.-Ing. B hat vor dem Senat überzeugend erläutert, dass der Lkw vor dem ruckartigen Zurücksetzen allenfalls äußerst langsam gekrochen sein kann.

c)

Die beteiligten Fahrzeuge sind charakteristisch für einen "gestellten" Unfall.

Bei dem Pkw Porsche 911 Carrera Coupe des Klägers handelt es sich um ein zum Unfallzeitpunkt vier Jahre und vier Monate altes Fahrzeug der Luxusklasse mit zwei Vorschäden. Die Beschädigung eines solchen Fahrzeugs bringt dem "Geschädigten", der, wie hier der Kläger, auf der Grundlage fiktiver Reparaturkosten abrechnet und das Fahrzeug in Eigenregie instandsetzen lässt, erhebliche finanzielle Vorteile. Die Kosten für die Reparatur in einer Fachwerkstatt sind bei Luxusfahrzeugen überdurchschnittlich hoch. Sie betragen vorliegend trotz des nur Leichten Anstoßes und des optisch geringfügigen Schadensbildes 36.393,38 DM. Durch die Instandsetzung des Schadens in Eigenregie fallen bedeutend niedrigere Kosten an. Der Kläger hat mit dem Zeugen Ö, der eine Reparaturwerkstatt betreibt, einen Fachmann an der Hand, der die Reparatur für ihn kostengünstig durchführen konnte. Das Fahrzeug war zudem erst etwa 3 1/2 Monate vor dem Unfall auf den Kläger zugelassen worden, hatte während dieser Zeit aber bereits einen Schaden erlitten.

Bei dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) handelte es sich um einen Lkw, Baujahr 1987, der bei der Kollision aufgrund des unterhalb des Kastenaufbaus angebrachten Unterfahrschutzes keine nennenswerte Beschädigung erlitten hat.

d)

Der "Unfall" hat sich an einem Samstag auf einem Gewerbegelände ereignet. Mit neutralen Zeugen musste zu diesem Unfallzeitpunkt an diesem Unfallort nicht gerechnet werden. Unbeteiligte Zeugen sind entsprechend auch nicht vorhanden.

e)

Der Zeuge Ö, und der Beklagte zu 1) sind miteinander bekannt. Der Zeuge Ö hat dem Beklagten zu 1) eine Halle auf dem Gewerbegelände, auf dem sich der "Unfall" ereignet hat, vermietet. Die von dem Kläger mit Schriftsatz vom 6. März 2001 behaupteten Differenzen zwischen dem Zeugen und dem Beklagten zu 1) sind nicht näher dargelegt.

2.

Dass der Kläger persönlich in die Beschädigung des Porsche eingewilligt hat, lässt sich nicht feststellen. Das Schadensereignis war aber zumindest zwischen dem Beklagten zu 1) und dem Zeugen Ö abgesprochen. Der Kläger muss sich das betrügerische Verhalten des Zeugen Ö entgegenhalten lassen. Denn der Zeuge hatte im Hinblick auf den Porsche eine Stellung inne, die derjenigen eines Repräsentanten oder Wissensvertreters im Sinne des Versicherungsvertragsrechts vergleichbar ist. Der Kläger ist mit dem Zeugen Ö befreundet. Wenn er in Deutschland ist, wohnt er im Haus des Zeugen. Der Kläger hält sich jedoch etwa die Hälfte des Jahres in der Türkei auf. Während dieser Zeit war der Zeuge Ö berechtigt, das Fahrzeug zu nutzen. Der Kläger hat dem Zeugen sogar eine Generalvollmacht erteilt, so dass der Zeuge während der Abwesenheit des Klägers die volle Verfügungsmacht über das Fahrzeug hatte. Diese zeitweise Überlassung des Pkw zum selbständigen Gebrauch reicht aus, um dem Kläger das Verhalten des Zeugen Ö zuzurechnen (OLG Gelle NZV 1991, 269; Senatsurteile vom 7. März 1994 - 13 U 169/93 - und vom 20. September 1995 - 13 U 81/95 -). Die - strengeren - Anforderungen an eine Repräsentantenstellung im Rahmen des Versicherungsvertragsrechts müssen aufgrund der unterschiedlichen Interessenlagen nicht vorliegen. Während in der Sachversicherung ein dringendes Interesse des Sachinhabers dahin anzuerkennen ist, sich umfassend zu versichern (auch gegen vorsätzliche Schädigungen durch Personen seines Lebenskreises), eine Leistungsfreiheit des Versicherers also nur unter strengen Voraussetzungen gerechtfertigt ist, verdient in Haftpflichtfällen das Interesse des Versicherers, nicht aufgrund von vorsätzlichen Taten Versicherungsleistungen zu erbringen, stärkere Beachtung (Dannert, NZV 1993, 13, 15).

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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