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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 22.03.2004
Aktenzeichen: 13 U 198/03
Rechtsgebiete: ZPO, EGZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 313a Abs. 1 S. 1
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 540 Abs. 2
EGZPO § 26 Nr. 8
BGB § 823 a.F.
BGB § 847 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 01.08.2003 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufungsinstanz trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Klägerin unterschreitet 20.000,00 EUR.

Entscheidungsgründe:

I.

Von der Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schmerzensgeld gemäß §§ 823, 847 BGB (a.F.).

Nach der Beweisaufnahme geht das Landgericht zu Recht davon aus, dass der Unfall bzw. Sturz der Klägerin sich so ereignet hat, wie diese es vorgetragen hat. Auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils, die seitens der Beklgten in der Berufungsinstanz nicht angegriffen werden, wird verwiesen.

Die Beklagte hat die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht, den Besuchern und Patienten einen möglichst gefahrlosen Zugang zu ihren auf dem Parkplatz abgestellten Fahrzeugen zu verschaffen, nicht verletzt.

Zu dieser Verkehrssicherungspflicht gehört es auch, dass der Eigentümer bzw. Betreiber des Parkplatzes für eine ausreichende Beleuchtung Sorge zu tragen hat. Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung läge dann vor, wenn eine nicht nur unerhebliche Unebenheit auf einem Parkplatz wegen unzulänglicher Beleuchtung nur schwer zu erkennen wäre (BGH NJW 1985, 482, 483). Zu beachten ist aber auch, dass eine Sicherung, die jeden Unfall ausschließt, nicht zu erreichen ist. Es sind nur diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die nach den Erwartungen des jeweiligen Verkehrs im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, eine Gefährdung bei bestimmungsgemäßen Gebrauch nach Möglichkeit abzuwenden. Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht richtet sich nach dem, was ein vernünftiger Benutzer an Sicherheit erwarten darf. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass ein Weg möglichst gefahrlos befahren oder begangen werden kann. Die Verkehrssicherungspflicht in Form der Beleuchtung des Parkplatzes umfasst auch die Bereiche des Parkplatzes, die der Abgrenzung der einzelnen Stellplätze dienen, also auch die hier anzutreffenden Bereiche um die Begrenzungssteine. Die Verkehrssicherungspflicht ist nicht auf die Fläche beschränkt, auf die sich der Fußgängerverkehr nach der Vorstellung des Verkehrssicherungspflichtigen bewegen soll. Das ergibt sich schon daraus, dass der Fußgängerverkehr sich erfahrungsgemäß noch weniger an vorgegebene Wegbegrenzungen hält, als der Fahrzeugverkehr, für den anerkannt ist, dass sich die Verkehrssicherungspflicht auch auf die sogenannte Bankette erstreckt (OLG Köln, VersR 1992, 71). Die Beklagte konnte nicht - wie sie meint - nur damit rechnen, dass die Besucher, die den Parkplatz betreten, nur die vorgesehenen Straßenflächen benutzen, um zu ihrem Fahrzeug zu gelangen. Allerdings ergibt sich dies nicht aus der in der Berufungsschrift zitierten Entscheidung des OLG Celle (NJW-RR 1989, 1419 f), in der nur der Fall behandelt wird, dass jemand über einen Parkplatz geht, der dort gar kein Fahrzeug stehen hat bzw. zum Betreten des Parkplatzes nicht befugt ist.

Den ihr obliegenden Verpflichtungen ist die Beklagte durch die Anbringung der Bega- Mastleuchte mit einem rechten und linken Ausleger, die von der Unfallstelle 12 Meter entfernt steht (Bl. 139 d.A.), nachgekommen. Diese Beleuchtung ist ausreichend gewesen. Der Sachverständige E hat zur Beantwortung dieser Frage die DIN 67528 (Bl. 252 ff d.A.) herangezogen. Er hat festgestellt, dass der dort in Ziffer 4.2.1 genannte Wert der Nennbeleuchtungsstärke (empfohlener Richtwert der mittleren horizontalen Beleuchtungsstärke / gemessen 0,2 m über dem Boden) von 7 Lux unterschritten worden ist. Er beträgt bei Dunkelheit 4,8 Lux, wenn Fahrzeuge in den Stellplätzen neben der Unfallstelle stehen, und ansonsten 5,0 Lux. Der Wert der halbzylindrischen Beleuchtungsstärke (Ziffer 4.2.2 / gemessen in 1,5 m Höhe über dem Boden) von 1 Lux sei hingegen deutlich überschritten worden. Der Sachverständige weist weiter darauf hin, dass die DIN 5035, die sich auch mit Direktbeleuchtung und Beleuchtung auseinandersetzt, bei Rettungswegen 1 Lux ausreichen lässt, um eine einwandfreie Orientierung zu erhalten.

Diese Feststellungen des Sachverständigen zeigen auf, dass die Beleuchtungssituation auf dem Parkplatz sicherlich nicht optimal, aber noch ausreichend ist. Denn durch die Mastleuchte wurde die meteorologisch bedingte Dunkelheit jedenfalls soweit aufgehellt, dass die Klägerin auch in der Lage war, die Begrenzungssteine in Längsrichtung zwischen den Parkbuchten zu erkennen. Das ergibt sich letztlich aus dem Hinweis des Sachverständigen, dass die DIN 5035 für Rettungswege von mindestens 1 Lux vorschreibt.

Soweit der Sachverständige maßgeblich auf das Maß der halbzylindrischen Beleuchtungsstärke abstellt, die in einer Höhe von 1,50 m eine Beleuchtungsstärke von 1 Lux fordert, ist dies nicht zu beanstanden. Zunächst wird dieser Mindestwert von 1 Lux nach den Messungen des Sachverständigen mit 4,8 bzw. 5 Lux deutlich überschritten. Außerdem stellt Ziffer 4.22 der DIN 67528, die die halbzylindrische Beleuchtungsstärke regelt, maßgeblich darauf ab, dass ein Fußgänger eine ihm begegnende Person frühzeitig erkennen kann. Dabei kommt es auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen horizontaler und vertikaler Beleuchtungsstärke an. Hinsichtlich am Boden befindlicher Hindernisse ist es lediglich erforderlich, dass solche Hindernisse in ausreichender Weise erkannt werden können. Dieses Erfordernis wird hier erfüllt. Der Sachverständige hat festgestellt, dass an der Unfallstelle eine ausreichende Beleuchtungsstärke für die sich bewegende Person bei Beobachtung des Umfeldes und des Bodens gegeben ist. Hinzu kommt noch, dass zum Unfallzeitpunkt (Anfang März) der Baum an der Unfallstelle nicht belaubt gewesen ist.

Die Ansicht der Klägerin, dass allein schon die Nichteinhaltung des Nennwertes von 7 Lux (im Bereich von 20 cm über den Boden) eine Verkehrssicherungspflichtverletzung darstelle, greift nicht durch, da es nicht auf den Nennwert ankommt. Die Begrenzungssteine sind auf den Lichtbildern des Sachverständigen zu sehen. Die DIN - Vorschriften können zwar zur inhaltlichen Bestimmung von Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden; jedoch führt nicht schon jede geringfügige Abweichung von einer DIN - Vorschrift zu einer Verkehrssicherungspflichtverletzung. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Vorliegend ist zu beachten, dass die Beleuchtungsverhältnissse an der Unfallstelle variieren können, je nachdem ob die Stellplätze in der Umgebung der Unfallstelle besetzt sind oder nicht. Entscheidend ist, dass - auch wenn der Nennwert (Richtwert) von 7 Lux nicht eingehalten wurde - der Begrenzungsstein dennoch erkennbar war; immerhin hatte der Sachverständige Beleuchtungswerte in Höhe von 20 cm über dem Boden von 4,8 Lux gemessen.

Es bedurfte nicht eines erneuten Gutachtens oder eines Ergänzungsgutachtens hinsichtlich der Beleuchtungssituation an der Unfallstelle. Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.Dies gilt grundsätzlich auch für Tatsachenfeststellungen, die auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens getroffen worden sind (BGH NJW 2003, S. 3480). Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit des Gutachtens können sich aus dem Gutachten oder der Person des Gutachters ergeben, insbesondere wenn das Gutachten in sich widersprüchlich oder unvollständig ist, wenn der Sachverständige erkennbar nicht sachkundig war, sich die Tatsachengrundlage durch zulässigen neuen Sachvortrag geändert hat oder wenn es neue wissenschaftliche Erkenntnismöglichkeiten zur Beantwortung der Sachverständigenfrage gibt (BGH a.a.O.; Zöller-Gummer/Heßler, 24. Aufl., § 529, Rz. 9). Solche Anhaltspunkte liegen hier nicht vor. Nicht ausreichend ist, dass die Klägerin das Gutachten für nicht überzeugend hält (vgl. Zöller a.a.O.).

Der Hinweis der Klägerin, die Wetterbedingungen am Unfalltage seien nicht identisch gewesen mit denen am Tage der Ortsbesichtigung mit dem Sachverständigen E, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn die Tatsache, dass es am Unfalltag nach dem Gutachten des Deutschen Wetterdienstes vom 15.10.2002 geregnet hat (Bl. 184/185 d.A.), hat keinen entscheidenden Einfluss auf die Feststellungen des Sachverständigen. Eine abweichende Beleuchtungsstärke im Vergleich zum Ortstermin wäre allenfalls denkbar, wenn zum Unfallzeitpunkt Nebel geherrscht hätte. Das war aber unstreitig nicht der Fall. Unabhängig davon hat die Klägerin - gemäß der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen E vom 07.06.2002 (Bl. 164/165 d.A.) - bestätigt, dass die Wetterverhältnisse in etwa identisch gewesen seien, indem sie gegenüber dem Sachverständigen ausgeführt hat, es könne zum Unfallzeitpunkt etwas feuchter oder auch etwas dunkler gewesen sein.

Unabhängig davon, ob eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten vorliegt oder nicht, ist ein Anspruch der Klägerin schon aufgrund eines Eigenverschuldens, welches einen etwaigen Verursachungsbeitrag der Beklagten deutlich überwiegt, ausgeschlossen. Die Klägerin muss sich vorwerfen lassen, dass sie nicht über den vorgesehenen Weg bzw. die Fahrfläche zu ihrem Auto gegangen ist, sondern eine Abkürzung zwischen den Autos gewählt hat. Auch wenn dies als sozialadäquat erscheinen mag (s.o.) und ein solches Verhalten angesichts des regnerischen Wetters durchaus verständlich ist, hätte die Klägerin sich von dem Gedanken leiten lassen müssen, dass dieser Weg angesichts der bereits eingetretenen Dunkelheit möglicherweise aufgrund von Hindernissen gefährlicher sein könnte. Denn es ist nicht ungewöhnlich, dass sich zwischen den Parkreihen Abgenzungssteine befinden. Die Beklagte musste auch aufgrund des dort stehenden Baumes dahingehend sensibilisiert sein, dass die Abgrenzung der Parkreihen möglicherweise nicht nur mit farblichen und optischen Mitteln, sondern stattdessen auch mit baulichen Möglichkeiten hergestellt worden sein könnte. Auch ohne die Existenz des Baumes hat der Fußgänger auf dem Parkplatz mit solchen geringen Unebenheiten zu rechnen, wie sie die 10 cm hohen Begrenzungssteinen darstellen (vgl. OLG Kolblenz OLGZ 1993, 102; OLG Hamm NJW-RR 1987, 412). Zu berücksichtigen ist, dass es Fußgängern obliegt, im Sicherheitsinteresse auch Umwege zu gehen. Sowohl aus der von der Klägerin beigebrachten Zeichnung (Bl. 7 d.A.) als auch aus ihren Erklärungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergibt sich, dass die Klägerin nicht zwingend diagonal über die Parkfläche zu ihrem Auto hätte gehen müssen. Vielmehr hätte sie auch - wie sie selbst einräumt - vom Krankenhaus aus zunächst bis zum Parkplatz gehen können, um vor den eigentlichen Stellflächen rechts zu gehen und dann hinter der Stellplatzreihe, in der ihr Fahrzeug stand, über den Fahrweg bis zu ihrem PKW zu gehen. Bei diesem Weg hätte die Klägerin nicht die Begrenzungskante überwinden müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708, Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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