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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 08.05.2002
Aktenzeichen: 13 U 228/01
Rechtsgebiete: DÜG, BGB, ZPO


Vorschriften:

DÜG § 1
BGB § 278
BGB § 611
BGB § 831
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Der Reitlehrer verstößt nicht gegen die ihm obliegende Sicherungspflicht gegenüber dem Reitschüler, wenn er während einer Übungsstunde gegen den Widerstand des Pferdes gegen eine Dressurübung (hier: sog. Schenkelweichen) und gegen den Widerstand des Reitschülers wegen Unruhe des Pferdes die Übung durchzusetzen versucht, in dem er die Fortsetzung verlangt und mit einem Eingriff in das Zaumzeug das Pferd führt.

Es gehört zu dem anzuerkennenden Ziel der Ausbildung von Pferd und Reiter, solche Widerstände zu überwinden.

Die Verletzung der Sicherungspflicht kann nur dann vorliegen, wenn weitere, konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Pferd alsbald Steigen wird und den Reiter abwirft.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 U 228/01 OLG Hamm

Verkündet am 08. Mai 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 08. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Brück, den Richter am Oberlandesgericht Schwerdt und den Richter am Amtsgericht Mollenhauer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 23. August 2001 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert die Klägerin um mehr als 20.000,00 Euro.

Tatbestand:

Die am 10. Januar 1982 geborene Klägerin war seit 1991 Vereinsmitglied bei der Beklagten zu 1). Die Beklagte zu 2) ist bei der Beklagten zu 1) als Reitlehrerin beschäftigt.

Am 24.08.1998 nahm die Klägerin mit ihrem Pferd Bell fleur, das die Klägerin Anfang Mai 1998 übernommen hatte, an einer Reitstunde in der Reitanlage der Beklagten zu 1) teil, die die Beklagte zu 2) erteilte. Es handelte sich um einen Gruppenunterricht, an dem auch die Zeuginnen A und C mit ihren Pferden teilnahmen. Die Schülerinnen hatten zuvor schon 10 Reitstunden, jeweils 1 Stunde pro Woche, absolviert.

Auf Anweisung der Beklagten zu 2) sollte das sogenannte Schenkelweichen trainiert werden. Es handelt sich dabei um eine Dressurübung, bei der durch Druck des Reiters auf den Rippenbogen des Pferdes erreicht werden soll, daß das Pferd in Parallelstellung diagonal zur ursprünglichen Gehrichtung vorwärts schreitet. Dabei setzt das Pferd die Vorder- und Hinterbeine jeweils über Kreuz. Diese Übung war auch in den vorangegangenen 5 Reitstunden trainiert worden. Das damals 6-jährige Pferd der Klägerin hatte sich in den vorangegangenen Reitstunden dieser Übung widersetzt und sie nur unzureichend ausgeführt. Auch in der Reitstunde am 24.08.1998 verweigerte das Pferd diese Übung. Dabei kam es zunächst dazu, daß das Pferd Bell fleur kurz mit den Vorderfüßen stieg. Im Anschluß daran, auf der anderen Seite der Halle, bestand die Beklagte zu 2) auf der Fortsetzung der Übung. Als die Klägerin darauf hinwies, daß sich das Pferd widersetze, griff sie in das Zaumzeug, um eine Hilfe zu geben. Streitig ist in diesem Zusammenhang, ob sie unmittelbar in den Gebißring eingriff oder nur in den Zügel, um eine Rechtsstellung zu erreichen und das Pferd dadurch zu einer Vorwärts- und Seitwärtsbewegung nach links zu bewegen und es an einem Vor- und Zurückweichen, wie zuvor, zu hindern. Die Beklagte zu 2) forderte die Klägerin bei ihrem Eingriff auf, unterstützend das Pferd, das nach Kenntnis der Beklagten zu 2) und der Klägerin nervös war, anzutreiben. Das Pferd widersetzte sich weiterhin und stieg - aus streitiger Ursache - auf die Hinterbeine und verlor dabei das Gleichgewicht. Das Pferd stürzte rückwärts auf die zuvor auf den Boden gefallene Klägerin, die dadurch schwer verletzt wurde. Die Klägerin erlitt unter anderem mehrfache Trümmerfrakturen des gesamten Beckenbereichs mit Rupturen der Harnblasse und Risse des Dickdarms. Wegen der operativen und rehabilitationsmedizinischen Maßnahmen wird auf die vorgelegten Gutachten Bezug genommen. Schon jetzt steht fest, daß die Beckenringfraktur zu erheblichen aktuellen Beeinträchtigungen und voraussichtlich fortschreitenden degenerativen Veränderungen sowie zu sonstigen Beschwerden und Beeinträchtigungen führen werden.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung eines Schmerzensgeldes nach einer Vorstellung von 75.000,00 DM für die Verletzungen und Verletzungsfolgen und begehrt die Feststellung ihrer Eintrittspflicht für materielle und immaterielle Zukunftsschäden.

Sie hat behauptet, die Beklagte zu 2) habe das Pferd am linken Gebißring ergriffen und mit Gewalt zu der Lektion zwingen wollen. Das Pferd habe zuvor und auch später Widerstand geleistet und sei zunehmend nervöser geworden. Dabei habe es versucht, panisch in alle Richtungen auszubrechen. Sie, die Klägerin, habe die Beklagte zu 2) gebeten, das Pferd loszulassen und von der Übung abzusehen. Dem sei die Beklagte zu 2) jedoch nicht nachgekommen. Infolge der bekannten Reaktionen des Pferdes in den vorangegangenen Reitstunden und am Unfalltag habe die Beklagte zu 2) diese Reaktion des Steigens voraussehen müssen.

Die Beklagten haben behauptet, die Beklagte zu 2) habe das Pferd nicht am Gebißring sondern im Bereich des oberen Drittels des Zügels festgehalten. Sie habe nicht gewaltsam auf das Pferd eingewirkt sondern nur versucht es zu führen. Die heftige Reaktion des Pferdes sei nicht voraussehbar gewesen. Die Beklagte zu 1) bestreitet darüber hinaus die Voraussetzungen ihrer Haftung. Sie behauptet, die Beklagte zu 1) sei eine jahrelang erfolgreiche und erfahrene Trainerin, die bisher unfallfrei tätig gewesen sei. Außerdem sei sie regelmäßig von Vorstandsmitgliedern in ihrer Tätigkeit überwacht worden, und zwar einmal wöchentlich.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeuginnen H und P sowie durch Einholung des mündlich erstatteten Gutachtens des Sachverständigen K die Klage abgewiesen. Es hat insbesondere unter Würdigung des Gutachtens den Beweis eines schuldhaften Verhaltens der Beklagten zu 2) verneint, weil für sie nach den Umständen nicht vorhersehbar gewesen sei, daß das Pferd der Klägerin steigen würde. Da sich der Unfall kurz nach dem Eingreifen der Beklagten zu 2) ereignet habe, sei ihr auch nicht vorzuwerfen, daß sie den Zwang auf das Pferd, die Übung des Schenkelweichens durchzuführen, überdehnt habe. Auf den durch die Zeuginnen bewiesenen Hinweis der Klägerin, das Pferd habe Angst und sei unruhig, widersetze sich insbesondere der Übung des Schenkelweichens, habe sie nicht sofort die Übung abbrechen müssen. Insoweit stützt sich das Landgericht auf die gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen K.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Klageziel weiterverfolgt. Sie greift im Schwerpunkt das erstinstanzlich erstattete Gutachten des Sachverständigen K und dessen Würdigung durch die Kammer an. Sie wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen und meint, das schon nach den Ausführungen des Sachverständigen K für die Beklagte zu 2) Anlaß bestanden habe, die Übung abzubrechen. Die von dem Sachverständigen festgestellten Ungeschicklichkeiten begründeten für sich schon den Fahrlässigkeitsvorwurf.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld mit 5 % Zinsen über den Basiszinssatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes vom 09. Juni 1998 seit dem 11. Oktober 2000 zu zahlen;

2. festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die sie auf Grund des Reitunfalls vom 24. August 1998 auf der Reitanlage des Beklagten zu 1) in L davontragen wird, soweit Schadensersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen sind.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und wiederholen und vertiefen ihr Vorbringen erster Instanz.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien, des Inhalts des angefochtenen Urteils und der Beweisaufnahme wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf das angefochtene Urteil und auf die Sitzungsniederschriften vom 21. Juni 2001 (Blatt 62 ff. der Akte) und vom 23.08.2001 (Blatt 82 ff. der Akte) Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen C P und C P sowie durch Einholung mündlich erstatteter Sachverständigengutachten des Sachverständigen H und K. Insoweit wird auf den Berichterstattervermerk vom 08. Mai 2002 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes und Schadensersatz. Der Unfall der Klägerin vom 24.08.2000 beruht nicht auf der Verletzung einer Verkehrspflicht durch die Beklagte zu 2); nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, daß die Beklagte zu 2) nicht widerrechtlich gehandelt hat. Daher scheidet die Haftung der Beklagten zu 1) nach § 831 BGB, §§ 611, 278 BGB aus.

1.

Es ist anerkannt, daß ein Reitlehrer verpflichtet ist, Reitschüler vor Schäden zu bewahren, die eine unzureichende Beherrschung des Reitens mit sich bringt. Den Reitlehrer trifft insoweit eine Verkehrspflicht. Diese Pflicht wird verletzt, wenn Gründe vorliegen, von einer bestimmten Übung des Reitunterrichts abzusehen oder die Übung zu unterbrechen, um einen Unfall zu verhindern (vgl. OLG Karlsruhe, VersR 1991, 1261; OLG Köln NJW-RR 91, 51; BGH VersR 82, 348; BGH NJW 1999, 3119).

Die Haftung der Beklagten zu 1) nach § 831 BGB setzt die Feststellung der widerrechtlichen Schadenszufügung durch die Beklagten zu 2) voraus. Grundsätzlich hat der Verletzte die widerrechtliche Schadenszufügung durch eine zu der Verrichtung bestellten Person und deren Handlungsfähigkeit zur Zeit des Schadensereignisses zu beweisen. Da die Tatbestandsmäßigkeit - Verletzung des Körpers - die Widerrechtlichkeit der Handlung indiziert, ist es Sache des Geschäftsherrn, den Ausschluß der Widerrechtlichkeit zu beweisen. Dem Geschäftsherrn obliegt deshalb der Beweis, daß sich der Verrichtungsgehilfe verkehrsrichtig und damit rechtmäßig verhalten hat (BGHZ 24, 21). Steht danach fest, daß sich der Verrichtungsgehilfe so verhalten hat, wie jede andere zuverlässige Person sich sachgerecht und vernünftig ebenfalls verhalten hätte, liegt keine widerrechtliche Schadenszufügung vor (BGH VersR 1975, 447; OLG Oldenburg NJW-RR 1988, 38).

2.

Die Verletzung einer Verkehrspflicht und damit die Widerrechtlichkeit der Schadenszufügung kann sich bei einem Reitunfall aus der Art der Übung, aus dem Alter und der Erfahrenheit von Reitschüler und Pferd, aus konkreten Umständen des Unfalls, aus Warnzeichen in der konkreten Situation, aus einem falschen Eingriff des Reitlehrers oder unterlassenen Maßnahmen, insbesondere aus der Erkennbarkeit/Vorhersehbarkeit der Gefahr im Bezug auf die Art der konkret ausgeführten Übung, der Konstitution des Reitschülers und des Pferdes, der Gewöhnung des Pferdes an die Übung und seinen Ausbildungsstand und aus dem Zusammenwirken von Reiter und Pferd ergeben.

3.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist bewiesen, daß sich die Beklagte zu 2) als Reitlehrerin in der Übungsstunde vom 24.08.2000 verkehrsgerecht verhalten hat und der Vorwurf unbegründet, sie hätte die Übung des Schenkelweichens mit dem Pferd Bell fleur abbrechen müssen und hätte nicht vom Boden das Pferd führen dürfen, um dessen Widersetzlichkeit gegenüber der Übung zu brechen ist.

a)

Der Beklagten zu 2) ist nicht vorzuwerfen, daß sie die Übung des Schenkelweichens nicht abgebrochen sondern auf deren Fortsetzung bestanden hat. Es war nicht vorhersehbar, daß die Gefahr bestand, das Pferd werde alsbald steigen, die Klägerin abwerfen und verletzen. Dafür sind folgende Umstände maßgebend:

aa)

Bei der Klägerin handelte es sich um eine schon erfahrene Reiterin. Sie hatte ein eigenes Pferd, auf dem sie weiter ausgebildet werden sollte. Bei der Beklagten zu 2) hatte sie bereits 10 Reitstunden genommen, wobei in 5 Reitstunden auch die Übung des Schenkelweichens versucht wurde.

bb)

Bei dieser Übung handelte es sich um eine Grundlage der Dressurausbildung. Der Schwierigkeitsgrad ist gering und übersteigt nicht den Standard, den andere Übungen im Rahmen der Dressur haben. Nach dem Alter des Pferdes und dessen Stand der Ausbildung bedurfte es der Durchsetzung des Schenkelweichens in der Qualifikation des Pferdes.

cc)

Die Nervosität und die Widersetzlichkeit, die Bell fleur gerade gegen die Übung des Schenkelweichens in den vorangegangenen 5 Reitstunden wie auch in der Reitstunde am 24.08.2000 gezeigt hatte, war allein kein Grund, der zu der Befürchtung Anlaß gab, daß Pferd werde steigen und die Klägerin verletzen. Weil aus den vorangegangenen Stunden bekannt war, daß das Pferd eine Abneigung gegen gerade diese Übung hatte, gehörte es zu dessen Ausbildung, wie auch zur Ausbildung der Klägerin, im Schwerpunkt hier anzusetzen um diesen Bestandteil jeder Dressur in die Fertigkeiten von Reiterin und Pferd aufzunehmen. Es bestanden auch keine Anzeichen für Besonderheiten in dieser Reitstunde, die nicht aus den vorangegangenen Stunden schon bekannt waren. Das dem Unfall vorangegangene kurze Steigen von Bell fleur mußte als allgemeiner Ausdruck der Widersetzlichkeit des Pferdes interpretiert werden. Dieses kurze Steigen war auch nicht gefährlich, da es nur zu einem leichten Anheben der Vorderfüße gekommen war. Die Klägerin hat bei dem von ihre geäußerten Wunsch, die Übung abzubrechen auch nicht besonders auf diesen vorangegangenen Vorfall Bezug genommen sondern nur allgemein auf die Nervosität hingewiesen. Aus dieser Aussage der Klägerin ergab sich für die Beklagte zu 2) somit nichts Neues. Es war bekannt, daß Bell fleur gerade mit dieser Übung Schwierigkeiten hatte. Es galt, die Widersetzlichkeit des Pferdes zu überwinden und dafür die reiterlichen Fähigkeiten der Klägerin zu entwickeln. Dass Reitschüler im Falle der Nervosität ihres Pferdes den Wunsch haben, eine Übung nicht fortzusetzen ist eine typische Erscheinung, die im Rahmen des Reitunterrichts überwunden werden soll. Dazu bedarf es des Zusammenwirkens des Reitschülers und des Pferdes, evtl. auch mit Hilfen des Reitlehrers. Das Zusammenwirken der Klägerin und ihres Pferdes war zwar nicht ideal, wie der Sachverständige K festgestellt hat. Es ist jedoch Sinn der Übung und der Durchsetzung der Übung, das Pferd auch an eine weniger geliebte Dressurkomponente zu gewöhnen und der Reiterin die Routine zu vermitteln, die erforderlich ist, sich der Widersetzlichkeit eines Pferdes mit Erfolg entgegenzustellen.

dd)

Die Beklagte zu 2) mußte auch sonst nicht fürchten, daß das Pferd auf Grund seines allgemeinen Zustandes, seines Charakters und des von ihm an den Tag gelegten Verhalten, alsbald Steigen würde, die Klägerin dabei abwirft und verletzt. Bis auf das geringfügige Anheben der Vorderfüße in der Reitstunde vom 24.08.2000 war Bell fleur bisher unauffällig. Das Pferd neigte gerade nicht dazu, auszubrechen, sich zu widersetzen und eigenwillig zu sein. Das ist auch der Grund dafür, warum es die Klägerin noch heute - auch nach dem Unfall - reitet. Sonstige außergewöhnliche Umstände bis auf die bekannte Abneigung von Bell fleur gerade gegenüber der Übung des Schenkelweichens werden auch von der Klägerin nicht vorgetragen. Dass die Klägerin selbst gegenüber der Beklagten zu 2) unmittelbar vor dem Unfall zum Ausdruck brachte, nicht über die reiterlichen Fähigkeiten zu verfügen, die Widersetzlichkeit von Bell fleur gegen das Schenkelweichen zu überwinden, mußte für die Beklagte zu 2) keine Besonderheit darstellen, die es gebot, die Übung abzubrechen. Die Äußerung der Klägerin ging nicht über das hinaus, was allgemein bei Unsicherheiten von Reitschülern in vergleichbaren Situationen zu erwarten ist und was - als Ausbildungsziel - überwunden werden soll.

ee)

Die Beklagte zu 2) mußte auch nicht auf andere Maßnahmen ausweichen statt auf der Fortsetzung der Übung durch die Klägerin zu bestehen. Wie dargelegt wäre der Schwierigkeitsgrad anderer Übungen nicht geringer gewesen; es hätte lediglich nicht die bekannten Widersetzlichkeiten des Pferdes gegeben. Ein Ausweichen auf andere Übungen hätte aber dazu geführt, daß Pferd an dieser Stelle in der Ausbildung nicht weiterzubringen, ebensowenig wie die Klägerin in ihrer Fähigkeit, sich als Reiterin durchzusetzen.

Es war nach den Umständen auch nicht geboten, auf einen Einzelunterricht auszuweichen, um gesondert mit der Klägerin und ihrem Pferd Bell fleur das Schenkelweichen zu üben. Da Bell fleur eben nur bei dieser Übung nervös und störrisch war, im übrigen aber die erforderlichen Übungen im Rahmen der Dressurausbildung bewältigte, durfte erwartet werden, daß dies auch mit den normalen reiterlichen Mitteln bei fortschreitender Erfahrung unter Einsatz von Hilfen der Reitlehrerin gemeistert würde. Aus dem gleichen Grunde war auch nicht erforderlich, das Pferd speziell für die Übung des Schenkelweichens durch einen erfahrenen Reiter einreiten zu lassen.

Auch insoweit ist maßgeblich, daß Bell fleur nicht allgemein charakterlich problematisch für die Dressurausbildung war und dieser Weg, der ohnehin nur in Einzelstunden hätte beschriften werden können, der Klägerin das wichtige Ausbildungsziel verbaut hätte, ihren Willen gegenüber dem eigenen Pferd durchzusetzen.

b)

Es liegt auch keine Verletzung der Verkehrspflicht durch die Beklagten zu 2) darin, daß sie vom Boden aus in das Zaumzeug eingriff, um Hilfen bei der Durchsetzung der Übung des Schenkelweichens zu geben.

aa)

Solche Hilfen gehören nach den - wie noch darzulegen ist - überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen K zum Standard und zur üblichen Praxis bei der Ausbildung von Pferd und Reiter.

bb)

Außerdem ist der Senat davon überzeugt, daß die Beklagte zu 2) nicht in das Zaumzeug mit schmerzhafter Auswirkung auf das Gebiß des Pferdes eingegriffen hat. Für die Richtigkeit des Vorbringens der Beklagten zu 2) spricht insoweit, daß sie eine erfahrene Reitlehrerin ist, bei der es seit Jahren nie zu Unfällen kam. Die Aussagen der Zeuginnen H und R bestätigen die Behauptung der Klägerin nicht, die Beklagte zu 2) habe mit schmerzhafter Auswirkung ihre Hilfe gegeben. Die Zeuginnen haben dazu keine gezielten Beobachtungen gemacht und konnten dies nicht bestätigen. Auch die Klägerin konnte und mußte einen solchen Eingriff nicht sehen.

Für sie bestand vor dem Unfall keine Veranlassung, gezielt auf die Einzelheiten des Eingriffs der Beklagten zu 2) zu achten; außerdem hatte sie sich auf ihre Aufgaben zu konzentrieren und die Anweisungen der Beklagten zu 2) zu beherzigen, die sie ihr unmittelbar vorher gegeben hatte. Es kann auch nicht übersehen werden, das der Vortrag der Klägerin dazu nicht eindeutig ist.

cc)

Der Eingriff der Beklagten zu 2) in das Zaumzeug ist auch grundsätzlich unproblematisch und muß nicht unmittelbar schmerzufügende Wirkung auf das Pferd haben. Neben dieser Feststellung hat der Sachverständige K ferner dargelegt, daß auch ein Eingriff am Gebißring für das unfallursächliche Steigen von Bell fleur keine Rolle spiele.

4.

Diese Feststellungen beruhen auf dem Gutachten des Sachverständigen K das nach Überzeugung des Senats zutrifft. Zwar steht dessen Beurteilung im Gegensatz zu der des Sachverständigen H, der insbesondere die Auffassung vertreten hat, die Beklagte zu 2) hätte die Übung abbrechen müssen und nicht vom Boden aus eingreifen dürfen. Der Senat folgt jedoch nicht dem Sachverständigen H, weil der Sachverständige H über die bessere Qualifikation zur Beurteilung der hier maßgebenden Streitfragen besitzt und seine Ausführungen im Gegensatz zu denen des Sachverständigen H überzeugen.

a)

Der Sachverständige K ist ein seit Jahren qualifizierter Reitlehrer, der auch jetzt noch als solcher tätig ist. Er ist darüber hinaus Ausbilder von Reitlehrern und Mitglied in Prüfungskommissionen zum Erwerb des sog. A-Scheins, über den auch die Beklagte zu 2) verfügt.

b)

Der Sachverständige H hat sich dagegen auf allgemeine Anweisungen und Unterlagen gestützt, die er aus Anlaß seiner Beauftragung herangezogen hat. Als vereidigter Sachverständiger deckt er zwar auch - nach eigenen. Angaben - die reiterliche Ausbildung ab; er verfügt jedoch nicht über unmittelbare Erfahrungen in ständiger Praxis, wie dies bei dem Sachverständigen K der Fall ist. Sein Schwerpunkt liegt auch nicht in der Ausbildung von Reitschülern sondern der von Pferden, die er selbst züchtet, sowie - als Sachverständiger - in für die Bewertung von Pferden.

c)

Der Stellungnahme des Sachverständigen K gebührt auch deshalb der Vorzug, weil seine Beurteilung auf die Kernpunkte konzentriert ist, die er zuverlässig herausgearbeitet hat. Er hat - im Gegensatz zu dem Sachverständigen H - praxisgerecht die allgemeine Reitlehre einbezogen und danach unter Beurteilung der konkreten Situation, die sich der Beklagten zu 2) darbot, plausibel begründet, daß eine Gefahr, wie sie sich in dem Unfall realisiert hat, nicht vorhersehbar auch die gebotenen Hilfen durch Eingriff in das Zaumzeug für das außergewöhnliche Verhalten des Pferdes Bell fleur nicht ursächlich war. Seine Ausführungen lassen erkennen, daß er nicht dazu neigte, Fehler der Beklagten zu 2) zu übersehen, herunterzuspielen und grundlos als gewisse Ungeschicklichkeiten einzustufen. Dieses Ergebnis hat er vielmehr im einzelnen begründet.

Nach seinen Ausführungen handelt es sich bei dem Schenkelweichen um eine Anfängerübung, die auch schon mit einem vierjährigen bzw. sechsjährigen Pferd eingeübt werden kann. Die Art der Ausbildung - einmal wöchentlich mit einer Ausbildungsstunde als Gruppenunterricht - sei nicht zu beanstanden und angemessen, so lange das Pferd nicht zu Widerspenstigkeit und panischer Reaktion neige, was bei Bell fleur allgemein nicht der Fall war. Die Aufforderung der Beklagten zu 2), die Übung fortzusetzen, sei angemessen gewesen, es habe sich um eine Normalsituation gehandelt, wie sie im Rahmen der reiterlichen Ausbildung häufig vorkomme und die überwunden werden müsse. Reitlehrgänge seien gerade dazu da, solche Widerstände des Pferdes zu brechen und die reiterlichen Fähigkeiten dazu zu entwickeln. Der Hinweis der Klägerin hätte allein noch nicht genug Anlaß geboten, von der Durchführung der Übung abzusehen. Es sei insbesondere nicht vorhersehbar gewesen, daß das Pferd steigen werde. Dies sei auch nur von erfahrensten Leuten in der Reiterei zuverlässig zu beurteilen. Dass es zuvor in der gleichen Stunde zu einem leichten Steigen des Pferdes gekommen sei, sei außerdem nicht so ungewöhnlich, als dies weitergehende Vorsichtsmaßnahmen geboten hätte. Auch der konkrete Eingriff der Beklagten zu 2) sei angemessen gewesen. Zur besseren Beherrschung habe allenfalls die Kommunikation zwischen der Beklagten zu 2) und der Klägerin intensiver ausfallen können. Die Erklärungen der Klägerin seien jedoch typisch für Reitstunden, in denen sich Schüler unsicher fühlen; es gehöre zu dem unmittelbaren Ausbildungsziel, den Schülern zu helfen, auch solche Situationen zu überwinden.

Die von dem Sachverständigen H demgegenüber geäußerte Auffassung, die Beklagte zu 2) hätte mit einer leichteren Übung die Reitstunde fortsetzen können und müssen, ist nicht hinreichend begründet. Dem steht auch die unstreitige und übereinstimmende Auffassung der Sachverständigen entgegen, dass Dressurübungen allgemein keine Sonderrisiken begründen, die besondere, spezielle Vorkehrungen gegen das Verhalten eines Tieres rechtfertigen; vielmehr es in der Rechtsprechung wiederholt anerkannt worden, daß die Dressur als die reiterliche Disziplin gilt, die die geringsten Gefahren mit sich bringt (vgl. Senat in 13 U 166/99 - OLG Hamm NJW-RR 2001, 390; Terbille in Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Auflage, Kapitel 11 Rn. 43). Die konsequent und plausibel begründete Auffassung des Sachverständigen K, das Ziel des Reitunterrichtes bestehe auch darin, dem Reitschüler Sicherheit für die verschiedenen Bewegungsarten und -möglichkeiten des Pferdes zu geben und den Reitschüler zu lehren, sich gegen Widersetzlichkeiten des Pferdes durchzusetzen, ist ebenfalls anerkannt (vgl. Terbilie a.a.O., Rn. 52).

Die dazu eingenommene Auffassung des Sachverständigen H auf eine andere Übung auszuweisen, führt den Unterricht dagegen nicht weiter. Anders wäre dies allenfalls dann zu beurteilen, wenn es sich um ein Problempferd gehandelt hätte, das Bell fleur - auch nach Auffassung der Klägerin - gerade nicht ist. Den Reitlehrer trifft zwar grundsätzlich die Verpflichtung, die Fähigkeiten des Reitschülers und die mit dem Reitunterricht verfolgten Ziele mit Blick auf die bestehenden Gefahren gegeneinander abzuwägen. Dabei kommt es auch darauf an, um welche reiterliche Disziplin es im Einzelfall geht. Da sich die Fortbewegung bei Dressurübungen nur langsam vollzieht, ist ein widersetzliches Verhalten des Pferdes weniger gefahrträchtig zu beurteilen als etwa die Fortsetzung der Übung des Galopp, bei der es zuvor zu Auffälligkeiten gekommen ist (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 21.02.1991 - 6 U 223/90).

Diese von dem Sachverständigen K gewürdigten Abwägungsaspekte hat der Sachverständige H außer Betracht gelassen und sich auf die allgemeine Gefahrenlage bezogen, ohne zwingende Gründe darzulegen, die die von dem Sachverständigen K dargelegten und anerkennenswerten Gründe geboten, die für eine Fortsetzung der Übung des Schenkelweichens am 24.08.2000 aus Sicht eines verantwortungsbewußten, zielorientierten und zuverlässigen Reitlehrers sprachen.

Die Berufung war daher mit den Nebenenfolgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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