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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 10.10.2005
Aktenzeichen: 13 U 52/05
Rechtsgebiete: BGB, StVG, AuslVZU, BRAGO


Vorschriften:

BGB § 249
BGB § 252
StVG § 11
AuslVZU § 1
AuslVZU § 2
BRAGO § 118 Abs. 2
1. Die einer Soldatin entgangene Auslandsverwendungszulage stellt einen ersatzfähigen Verdienstausfallschaden dar.

2. Wird zunächst außergerichtlich vom Anwalt allein mit dem KFZ-Haftpflichtversicherer verhandelt und dann, nach Scheitern der Vergleichsbemühungen, die Klage nur gegen die versicherten Personen erhoben, so ist die vorprozessual angefallene Geschäftsgebühr auf die im sich anschließenden gerichtlichen Verfahren entstehenden Gebühren entsprechend § 118 Abs. 2 BRAGO anzunehmen.


Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der Rechtsmittel im Übrigen das am 28.02.2005 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert.

Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin als Gesamtschuldner einen Betrag in Höhe von 9.272,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.10.2004 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt:

Erste Instanz:

Von den Gerichtskosten tragen 34 % die Klägerin und 66 % die Beklagten als Gesamtschuldner. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen 34 % die Klägerin selbst und 66 % die Beklagten als Gesamtschuldner. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) tragen 66 % die Beklagte zu 1) selbst und 34 % die Klägerin. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) tragen 66 % die Beklagte zu 2) selbst und 34 % die Klägerin.

Berufung:

Von den Gerichtskosten tragen 38 % die Klägerin und 62 % die Beklagten als Gesamtschuldner. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen 38 % die Klägerin selbst und 62 % die Beklagten als Gesamtschuldner. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) tragen 62 % die Beklagte zu 1) selbst und 38 % die Klägerin. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) tragen 62 % die Beklagte zu 2) selbst und 38 % die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

I. Die Klägerin, damals Soldatin, wurde bei einem Verkehrsunfall am 06.03.2004 in I als Insassin des Pkw Peugeot 106, amtliches Kennzeichen ##-## #1, verletzt. Die Beklagte zu 2) als Fahrerin des Pkw Opel Corsa, amtliches Kennzeichen ##-## #2, dessen Halterin die Beklagte zu 1) ist, hatte beim Linksabbiegen diesen Unfall allein verschuldet. Die volle Haftung der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig. Die Klägerin verlangt von den Beklagten als Halterin und Fahrerin die Zahlung eines Schmerzensgeldes in einer Begehrensvorstellung von zumindest 6.000,00 EUR, den Ersatz eines Verdienstausfallschadens in Höhe von 7.370,25 EUR, den Ersatz von Fahrt- und Rechtsanwaltskosten, letztere für die Geltendmachung ihrer Ersatzansprüche gegenüber der nicht verklagten Haftpflichtversicherung der Beklagten zu 1). Das Landgericht hat den Verdienstausfallschaden (entgangene Auslandsverwendungszulage) in voller Höhe zuerkannt, gleichfalls Rechtsanwaltskosten in Höhe von noch 1.074,94 EUR - die Versicherung hatte vorprozessual auf die Anwaltskosten einen Betrag von 130,07 EUR bezahlt -. Weiterhin hat das Landgericht der Klägerin Erstattung von Fahrtkosten in Höhe von 311,75 EUR zugesprochen. Beim Schmerzensgeld hat es einen Betrag in Höhe von 1.200,00 EUR für angemessen gehalten, weiter eine allgemeine Kostenpauschale von 25,00 EUR zugunsten der Klägerin angesetzt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil richtet sich die - eingeschränkte - Berufung der Beklagten. Diese greift das Urteil hinsichtlich eines Betrages von 1.536,75 EUR (Schmerzensgeld in Höhe von 1.200,00 EUR, 311,75 EUR Fahrtkosten und 25,00 EUR Kostenpauschale) nicht an, begehrt darüber hinaus jedoch Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und Klageabweisung. Die Beklagten halten die Zuerkennung eines Verdienstausfallschadens für ungerechtfertigt. Sie sind der Auffassung, dass die Anwaltskosten nicht erstattungsfähig seien, jedenfalls nicht in der geltend gemachten Höhe, weil die Klägerin es pflichtwidrig unterlassen habe, die hinter der Beklagten stehende Haftpflichtversicherung mitzuverklagen, wodurch eine Anrechnung der Geschäftsgebühr erfolgt wäre. Die Beklagten beantragen, unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, soweit sie verurteilt worden sind, mehr als 1.536,75 EUR als Gesamtschuldner an die Klägerin zu zahlen. Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und - im Wege der Anschlussberufung - die Beklagten zu verurteilen, an sie als Gesamtschuldner über den vom Landgericht zuerkannten Betrag hinaus weitere 4.800,00 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 8. Oktober 2004 zu zahlen. Die Klägerin vertritt dabei die Auffassung, über den bereits zuerkannten Betrag von 1.200,00 EUR stehe ihr ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 4.800,00 EUR zu. Die Versicherung hat vorprozessual auf den Schmerzensgeldbetrag einen Betrag von 750,00 EUR gezahlt. Entscheidungsgründe:

II. Die Klägerin kann Zahlung von 9.272,95 EUR gem. §§ 823, 253 BGB, 7, 18 StVG von den Beklagten als Gesamtschuldner verlangen. 1. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Ersatz ihres Verdienstausfalls in Höhe von 7.370,25 EUR zu. Die Klägerin hat bewiesen, dass sie infolge des Unfalls verhindert war, an einem Auslandseinsatz im Kosovo teilzunehmen. Somit sind ihr bei einem Tagessatz von 79,25 EUR für die vorgesehene Dauer von 93 Tagen 7.370,25 EUR entgangen. Die Auslandsverwendungszulage ist nach Auffassung des Senats ein ersatzfähiger Verdienstausfallschaden. Es ist anerkannt, dass sich die Ersatzpflicht auch auf Zuschläge zum Grundgehalt erstreckt wie etwa Erschwerniszulagen, Auslösungen, Tantiemen und Rückstellungen, nicht aber auf Aufwandsentschädigungen, Fahrtkostenersatz und Trennungszulagen (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl. § 252 Rdn. 9). Aus den §§ 1, 2 der heranzuziehenden Verordnung über die Gewährung eines Auslandsverwendungszuschlags (AuslVZU) ergibt sich, dass die Zulage nicht als Aufwandsentschädigung, sondern als Zulage gezahlt wird. Der Zuschlag gilt die mit der besonderen Verwendung verbundenen materiellen und immateriellen Belastungen und Erschwernisse ab (§ 1 Abs. 2 der Verordnung). § 2 der Verordnung führt die bei der Festsetzung der Zulage berücksichtigten Belastungen und erschwerenden Besonderheiten auf. Für den Auslandseinsatz im Kosovo gilt die Stufe 5, wonach 79,25 EUR bei sehr hohen Belastungen und erschwerenden Besonderheiten gezahlt werden. Die in § 2 beschriebenen besonderen Belastungen sind Erschwerniszulagen in heimischen Arbeitsverhältnissen vergleichbar. Anhaltspunkte dafür, dass die Zahlungen zum Ausgleich von erhöhten Aufwendungen erfolgen, sind der Verordnung nicht zu entnehmen. Dass die Klägerin nicht diesen Belastungen und Erschwernissen ausgesetzt war, stellte sich für sie höchstens als immaterieller Vorteil dar, der den materiellen Schaden nicht ausgleicht, für den der Schädiger einzustehen hat. Die von den Beklagten herangezogene Regelung in § 1 Abs. 1 Nr. 4 Arbeitslosengeld II (Sozialgeld-Verordnung - Alg II -V) hat lediglich Billigkeitscharakter und zeigt nur, dass Auslandsverwendungzulagen nicht im Rahmen der Arbeitslosengeldfestsetzung angetastet werden sollen. Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, die Klägerin sei krankheitsbedingt in der Zeit vom 03.05.2004 bis zum 03.08.2004 nicht zum Einsatz gekommen. Aus der Auskunft der Logistikbrigade 100 vom 14.07.2004 (Bl. 5 d.A.), der schriftlichen Zeugenaussage des Hauptfeldwebels Goerke vom 13.12.2004 (Bl. 56 d.A.) sowie der Stellungnahme des Oberstabsarztes T vom 14.12.2004 (Bl. 58 ff d.A.) ergibt sich, dass die Klägerin ausschließlich wegen ihrer durch den Unfall verletzungsbedingten Einschränkungen und fortdauernden Beschwerden vom Auslandseinsatz zurückgestellt worden war. Der vorangegangene, im März stattgefundene Schwangerschaftsabbruch war dafür nicht kausal. Die Klägerin hat glaubhaft Beschwerden vorgetragen, die durch den Unfall bedingten Verletzungen hätten bis in den Mai 2004 fortgedauert. So ist attestiert, dass sie wegen der erlittenen HWS-Distorsion, der Schulterprellung links, der Schienbeinprellung rechts, der LWS-Zerrung und einer Beckenverwringung für die Zeit vom 08.03. bis zum 19.04.2004 in vollem Umfange dienstbefreit war und vom 20.04. bis zum 10.05.2004 noch halbschichtig dienstfähig eingeschränkt war. Die sich hierüber verhaltenden Auskünfte der Bundeswehr sind eindeutig. Der Klägerin steht ein weiterer Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 800,00 EUR zu. Die Verletzungen der Klägerin stehen fest und sind durch die ärztlichen Bescheinigungen dokumentiert. Im Vordergrund steht ihre HWS-Verletzung im Sinne einer nicht unerheblichen Distorsion. Aber die Klägerin hatte auch, wie erwähnt, eine Schulterprellung, eine Schienbeinprellung, eine LWS-Zerrung und eine Beckenverwringung erlitten. Diese Einschränkungen rechtfertigen das zuerkannte Schmerzensgeld von insgesamt 2.000,00 EUR. Ein weitergehendes Schmerzensgeld kann der Klägerin nicht zuerkannt werden. Insbesondere trifft es nicht zu, dass die Beklagte zu 2) grob fahrlässig gehandelt hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt nur dann vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wurde und dieses auf einer auch subjektiv vorwerfbaren besonderen Sorglosigkeit beruhte. Dafür liegen im Streitfall keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Es handelt sich bei dem fehlerhaften Linksabbiegen der Beklagten zu 2) um ein Einzelversagen im Straßenverkehr, wie es immer wieder vorkommt, das auf Unachtsamkeit beruht. Bezeichnenderweise hat die Staatsanwaltschaft Münster das gegen die Beklagte zu 2) eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung eingestellt, da es sich nicht um schwerwiegende Tatfolgen oder eine besonders rücksichtslose Tatausführung handele (vgl. Bl. 26, 27 d. BA 9 Js 646/04 Staatsanwaltschaft Münster). Ein Schadensersatzanspruch auf die Anwaltsgebühren für die außergerichtlichen Verhandlungen mit der Haftpflichtversicherung der Beklagten zu 1) steht der Klägerin nicht in der geltend gemachten Höhe zu. Zu berücksichtigen ist zum einen, dass der in der anwaltlichen Abrechnung vom 17.08.2004 berechnete Gegenstandswert von 13.783,07 EUR überhöht ist. Wie sich aus den vorstehenden Urteilsgründen ergibt, konnte die Klägerin lediglich in Höhe von 9.707,00 EUR Schadensersatz von der Haftpflichtversicherung verlangen (7.370,25 EUR Verdienstausfall, 2.000,00 EUR Schmerzensgeld, 311,75 EUR Fahrtkosten und 25,00 EUR Kostenpauschale). Darüber hinaus erscheint der Ansatz einer Gebühr von 9/10 überhöht. Gem. § 118 BRAGO erhält der Rechtsanwalt 5/10 bis 10/10 der vollen Gebühr. Das rechtfertigt im vorliegenden Fall nicht mehr als den Ansatz der Mittelgebühr von 7,5/10. Berechnet man nun auf einen Gegenstandswert von 9.707,00 EUR die vorgerichtlichen Gebühren, so fallen bei 7,5/10 Gebühr jeweils 364,50 EUR an. Somit ergibt sich folgende allein gerechtfertigte Rechnung:

7,5/10 Geschäftsgebühr 364,50 EUR + 7,5/10 Besprechungsgebühr 364,50 EUR Auslagen 20,00 EUR 749,00 EUR + 16 % Mehrwertsteuer 119,84 EUR 868,84 EUR.

Nunmehr hat mit der entsprechenden Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens eine Anrechnung zu erfolgen. Wird zunächst (allein) außergerichtlich vom Anwalt mit dem Haftpflichtversicherer verhandelt - wie hier vgl. Bl. 50 ff. - und dann nach Scheitern der Vergleichsbemühungen die Klage nur gegen die versicherten Personen erhoben, so ist die vorprozessual angefallene Geschäftsgebühr nach h.M. auf die im sich anschließenden gerichtlichen Verfahren entstehenden Gebühren entsprechend § 118 Abs. 2 BRAGO anzurechnen (OLG Karlsruhe zfs 1994, 343; OLG München NJW-RR 1994, 1483; LG Karlsruhe MDR 1993, 584; Jahnke in van Bühren Anwaltshandbuch Verkehrsrecht Teil 5 Rdn. 68). Die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens ermittelt sich, da gemäß § 61 RVG für die Klage das RVG heranzuziehen ist, nach der Nr. 3100 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zum RVG. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nunmehr die oben ermittelten Anwaltskosten von 868,84 EUR in die Streitwertberechnung der gerechtfertigten Schadensersatzforderung einzubeziehen ist. Andererseits sind gezahlte 750,00 EUR und 130,07 EUR abzuziehen. Somit ergibt sich folgende Berechnung:

9.707,00 EUR + 868,84 EUR - 750,00 EUR - 130,07 EUR 9.695,77 EUR.

Ermittelt man für den Betrag von 9.695,77 EUR die anzusetzende Gebühr, so ergibt sich eine Gebühr von 486,00 EUR. Dabei ist allerdings nicht berücksichtigt, dass die Verfahrensgebühr nach RVG sich auf 1,3 beläuft. 486,00 EUR sind somit mit 1,3 zu multiplizieren. Es ergeben sich 631,80 EUR. Da somit die Gebühr der Tätigkeit vor Gericht höher ist, ist die Geschäftsgebühr des vorprozessualen Verfahrens von 364,50 EUR in vollem Umfange abzuziehen. Somit berechnet sich die Schadensersatzforderung der Klägerin hinsichtlich der Anwaltsgebühren letztlich wie folgt:

364,50 EUR + 20,00 EUR 384,50 EUR + 16 % Mehrwertsteuer 61,52 EUR 446,02 EUR

Abschließend ergibt sich somit die der Klägerin zustehende Forderung wie folgt:

1. 7.370,25 EUR 2. 311,75 EUR nicht angegriffene Fahrtkosten 3. 25,00 EUR nicht angegriffene Kostenpauschale 4. 2.000,00 EUR Schmerzensgeld 9.707,00 EUR

1. 446,02 EUR noch verbleibende Schadensersatzforderung bezüglich der Anwaltskosten 10.153,02 EUR - 750,00 EUR Zahlung - 130,07 EUR Zahlung 9.272,95 EUR.

Die Entscheidung bezüglich der Zinsen folgt aus §§ 291, 288, 247 BGB. Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 97, 708 Ziff. 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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