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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 02.10.2002
Aktenzeichen: 13 U 53/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 326
BGB § 242

Entscheidung wurde am 30.12.2002 korrigiert: Vorinstanz durch Verfahrensgang ersetzt
1. Zur Zulässigkeit der Klage im Urkundsprozess, wenn der Kläger Rücktritts- oder Schadensersatzansprüche aus § 326 BGB geltend macht.

2. Die Geltendmachung von Ansprüchen im Wege des Urkundsprozesses kann gegen § 242 BGB verstossen, wenn das beschleunigte Verfahren des Urkundsprozesses zu verfahrensfremden Zwecken mißbraucht werden soll.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 U 53/02 OLG Hamm 23 O 208/01 LG Münster

Verkündet am 2. Oktober2002

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 2. Oktober 2002 durch die Richter am Oberlandesgericht Zumdick und Schwerdt und den Richter am Amtsgericht Mollenhauer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 21. Dezember 2001 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster abgeändert.

Die Klage wird als im Urkundsprozess unstatthaft abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte im Urkundsprozess auf Rückzahlung ihrer Kaufpreiszahlungen für Lieferungen in Anspruch, die die Beklagte unter dem 24.01.2000 und 19.06.2000 in Rechnung gestellt hat und die von der Klägerin bezahlt wurden.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.07.2001, zugegangen am 18.07.2001, forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung bis zum 19.07.2001 auf, die in den Rechnungen genannten Programme nebst Lizenzen zu übermitteln; anderenfalls werde die Leistung abgelehnt und es seien die angewiesenen Zahlungen in Höhe von insgesamt 55.098,26 DM auf ihre bekannten Konten bis zum 20.07.2001 zur Anweisung zu bringen.

Mit dem zugrundeliegenden Geschäft hat es folgende Bewandnis:

Die Parteien stehen in einem Verbund von Gesellschaften, die sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Software befassen, die für das Management von Hotels eingesetzt wird. Die Software wird von der Firma B hergestellt, die mit dem Namen C auftritt. Geschäftsführer dieser in Holland ansässigen Gesellschaft ist Herr V Diese Firma gründete am 20.01.1998 zusammen mit den derzeitigen Geschäftsführern die Beklagte; Die Fa. C . ist wegen inzwischen erfolgreich durchgeführten Kaduzierung des Geschäftsanteils ausgeschlossen. Herr V wurde als Geschäftsführer der Beklagten abberufen. Die C (Geschäftsführer - V ) und die Beklagte schlössen im Januar 1999 eine Vereinbarung, durch die der Beklagten ein umfassendes, alleiniges Vertriebsrecht in Deutschland für die Produkte der holländischen Gesellschaft eingeräumt wurde. Die Klägerin ist Vertragshändlerin der Software gegenüber den Endkunden (Anwendern). Sie kann nach dem Inhalt des Nutzungsvertrages die Software (B ) nur über die Beklagte beziehen.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die den Rechnungen zugrundeliegenden Lieferungen der Software erfolgt sind und von den von der Klägerin belieferten Hotels betrieben und eingesetzt werden. Voraussetzung für den Betrieb der Software ist - ebenfalls unstreitig -, dass die auf die einzelnen Hotels zugeschnittene Software nur eingesetzt werden kann, wenn dazu individuell erteilte Lizenznummern mitgeteilt und in das System eingegeben werden.

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe diese Lizenznummern - die sie von der holländischen Firma beziehen muss - nicht mitgeteilt und damit ihre vertragliche Verpflichtungen nicht erfüllt. Die Lizenznummern habe sie sich teilweise direkt von von der Fa. C besorgt, teilweise habe sie die Grundlizenzen der Stammversionen eingesetzt, um die Software bei ihren Kunden in Betrieb zu nehmen. Sie hat deshalb die Auffassung vertreten, die Rechte nach § 326 Abs. 1 BGB geltend machen zu können.

Die Beklagte hat dem gegenüber behauptet, sie habe erfüllt, insbesondere auch die Lizenznummern mitgeteilt. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Software bei den Kunden der Klägerin eingesetzt werde. Sie hat behauptet, die Klägerin wolle sie - zusammen mit der holländischen Gesellschaft (V ) aus dem Markt drängen und das Alleinvertriebsrecht unterlaufen. Dem diene auch das Vorgehen im vorliegenden Rechtsstreit, insbesondere in der gewählten Prozessart des Urkundsprozesses, der schon unstatthaft sei, da nicht alle anspruchsbegründeten Tatsachen urkundsbeweislich seien. Dem Vorgehen stehe auch der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen.

Das Landgericht hat der Klage im Urkundsprozess stattgegeben und der Beklagten die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten. Zur Begründung hat es die Auffassung vertreten, die anspruchsbegründenden Tatsachen seien durch Urkunden bewiesen; zu ihnen gehöre nicht der Nachweis der Nichterfüllung, da die Beklagte nach allgemeinen Grundsätzen die Beweislast für die Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten trage (§ 362 BGB). Die Klage sei auch begründet, da die Nachfristsetzung nicht unangemessen sei, jedenfalls eine angemessene Frist in Lauf gesetzt hätte und auch sonst keine sichere Feststellung dazu getroffen werden könnte, die Klägerin gehe - aus anderen Gründen - unredlich oder zum Schein gegen die Beklagte vor. Mit Ablauf der (angemessenen) Frist sei das Vertragsverhältnis abzuwickeln, so dass der Klägerin ein Anspruch auf Schadensersatz in Form der Rückzahlung des Kaufpreises zustehe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihr Ziel der Klageabweisung weiter verfolgt. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vertritt sie weiterhin die Auffassung, der Urkundsprozess sei nicht statthaft und das Vorgehen der Klägerin sei rechtsmissbräuchlich, weil es dem Ziel diene, sie mit dem alleinigen Nutzungsrecht aus dem Markt zu drängen. Die Klage sei auch in der Sache unbegründet, weil sie ihre vertraglichen Verpflichtungen - Lieferung der Lizenznummern - erfüllt habe.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist begründet. Die Klage ist im Urkundsprozess unstatthaft. Denn es sind entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht alle anspruchsbegründenden Tatsachen durch Urkunden beweislich, § 592 ZPO.

1.

Es kann zunächst dahinstehen, ob die Voraussetzungen des Urkundsprozesses für einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach § 326 Abs. 1 BGB vorliegen. Der Kläger hat sich nämlich auf Rücktritt vom Vertrag gestützt, § 326 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. BGB. Dies ergibt sich schon aus dem anwaltlichen Mahnschreiben vom 16.07.2001, worin die Klägerin die Rückzahlung des Kaufpreises fordert und gerade nicht einen Anspruch auf Schadensersatz für den Fall der fruchtlosen Fristsetzung geltend macht. Mit der Klageschrift hat die Klägerin weiter konkretisiert, dass sie die Durchführung des Vertrages ablehne und Rückzahlung der bezahlten Beträge verlange. Der Geschäftsführer der Klägerin hat bei seiner Anhörung im Senatstermin nochmals klargestellt, er fordere die Rückzahlung des Kaufpreises die, - wie er weiterhin behauptet - die Beklagte die Lizenznummern nicht geliefert habe.

a)

Im Falle des Schadensersatz wegen Nichterfüllung kommt es dem Gläubiger darauf an so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wenn der Schuldner den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte (BGH NJW 1998, 290). Zur Berechnung kommt die sogenannte Surrogationstheorie in Betracht; allein maßgebend ist zunächst die nicht erfüllte Verpflichtung des Schuldners, an deren Stelle als Surrogat ihr Wert tritt, den der Gläubiger im Austausch zu seiner Leistung, zu der er verpflichtet bleibt, verlangen kann. Nach der herrschenden Differenztheorie besteht der Schaden in der Wertdifferenz der Leistungen des Schuldners zuzüglich etwaiger Folgeschäden und der Gegenleistung des Gläubigers. Sie führt zu einem einseitigen Anspruch des Gläubigers auf Schadensersatz, dessen Rechnungsposten die Leistung, die Gegenleistung und etwaige Folgeschäden sind.

In keiner dieser denkbaren Formen berechnet die Klägerin hier einen Schaden. Bei der Geltendmachung ihres Anspruches bleiben sowohl denkbare Folgeschäden (Sonderaufwand, Verlust von Kunden u. ä.) außer Betracht, wie auch Rechnungsstellungen für Ersatzbeschaffungen der angeblich fehlenden Lizenznummern, die für den Betrieb der für die einzelnen Hotels individualisierten Software erforderlich sein sollen. Nach dem Vorbringen der Klägerin, das der Geschäftsführer bei seiner Anhörung durch den Senat konkretisiert hat, hat es solche Folgeschäden und etwaige Aufwendungen für die Ersatzbeschaffung von Lizenzen auch nicht gegeben. Die gelieferte Software konnte danach nämlich in allen Fällen auch ohne die noch geforderten Lizenznummern mit Hilfe der bei der Klägerin vorhandenen Stammlizenzen in Betrieb genommen werden und soll durch das holländische Unternehmen zum Teil zur Verfügung gestellt worden sein. Zu etwaigen Aufwendungen dafür hat die Klägerin nichts vorgetragen. Sie werden auch nicht geltend gemacht. Dies hätte allerdings nahegelegen, wenn sie angefallen wären.

Bei dieser Sachlage hätte es folglich auch nicht im Interesse der Klägerin gelegen, als Folge des Verzuges Schadensersatz zu verlange. Denn dann wäre nach der herrschenden Differenztheorie (s. o.) eine entsprechende Schadensberechnung erforderlich gewesen, bei der der Wert der erhaltenden Leistungen hätte berücksichtigt werden müssen. Unstreitig hat die Beklagte nämlich die den Rechnungen zugrundeliegende Software geliefert. Diese hat die Klägerin weiter verkauft und dafür Erlöse erzielt. Sie ist auch zur Anwendung gekommen. Da die erbrachten Leistungen der Beklagten für die Klägerin nicht wertlos waren, müsste sie sich demnach deren Wert gegenüber dem Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises im Wege der Saldierung anrechnen lassen.

Das wollte die Klägerin erkennbar nicht. Ihr Begehren war von Anfang an auf Rücktritt vom Vertrag gerichtet mit der Folge, dass ein Rückgewährschuldverhältnis eintrat. Ein Schadensersatzanspruch ist ausgeschlossen. Es kommt auch kein Übergang zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach Erklärung des Rücktritts mehr in Betracht (vgl. Palandt/Heinrichs, 61. Aufl., § 325 BGB, Rn. 8, 24 m. w. N.).

Der Senat verkennt nicht, dass in der Regel der Rücktritt im Vergleich zum Anspruch auf Schadensersatz ungünstiger ist und deshalb im Zweifel nicht gewollt wird. Hier hatte aber die Klägerin - wie noch darzulegen sein wird - auch aus anderen Gründen die Vorstellung entwickelt, im Falle des Rücktritts ihre Kaufpreiszahlungen ohne weiteres zurückerstattet zu bekommen und dies in dem beschleunigten Verfahren des Urkundsprozesses geltend machen zu können.

b)

Dies ist indes nicht der Fall. Auf den Anspruch der Klägerin nach § 326 Abs. 1 S. 2 2. Alt. BGB finden gemäß § 327 BGB die Vorschriften für das vertragsgemäße Rücktrittsrecht entsprechend Anwendung. Die aus § 346 BGB folgende Verpflichtung der Parteien, empfangene Leistungen zurückzugewähren, sind gemäß § 348 BGB Zug um Zug zu erfüllen. Zwar ist die Leistung der Klägerin im Sinne des § 592 ZPO durch Urkunden zu beweisen, nicht dagegen die Leistungen der Beklagten, deren Umfang streitig ist, von denen aber der Rückzahlungsanspruch der Klägerin abhängt.

Soweit die Geschäftsführer der Parteien bei ihrer Anhörung übereinstimmend erklärt haben, dass die Grundversionen der Software von der Beklagten geliefert worden sind, wie auch Updates im Wege der Übergabe einer CD, hilft dies nicht weiter. Den vorgelegten Urkunden sind die Lieferungen der Beklagten im einzelnen nicht zu entnehmen und können mit Hilfe von Urkunden daher auch für einen - auch im Urkundsverfahren grundsätzlich zulässigen (vgl. Baumbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 592, Rn. 3) Zug-um-Zug-Antrag - nicht bezeichnet werden.

2.

Selbst wenn das Begehren des Klägers auf Rückzahlung ihrer Kaufpreiszahlung als Anspruch auf Schadensersatz im Sinne des § 326 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB aufzufassen wäre, würde nichts anderes gelten können. Der der Klägerin angeblich entstandene Schaden ist nämlich ebenfalls nicht durch Urkunden unter Beweis gestellt. Die Höhe des Schadens gehört aber zu den konstitutiven Voraussetzungen eines im Urkundsprozesses zuerkennungsfähigen Zahlungsanspruchs.

Wie dargelegt bedürfte es dann einer Differenzrechnung, da die Klägerin die gelieferten Komponenten und deren Wert, der unstreitig als solcher besteht, nach Maßgabe des § 592 ZPO in einer Saldierung einstellen müsste. Die Summe der Kaufpreiszahlungen ist jedenfalls nicht identisch mit einem etwaigen Schaden.

II.

Die Klage ist im Urkundsprozess auch deshalb unstatthaft, weil diesem Verfahren der Einwand unzulässiger Rechtsausübung gemäß § 242 BGB entgegensteht.

1.

Nach herrschender Auffassung wird auch das Prozessrecht von dem aus § 242 BGB folgenden Grundsatz beherrscht, dass jeder in Ausübung seiner Rechte und Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln hat (Palandt/Heinrichs, 61. Aufl., § 242 BGB, Rn. 1; BVerfGE 101, 401; BGH NJW-RR 2000, 208; OLG Frankfurt/Main NJW-RR 2001, 1078). Ein solcher Fall kann auch dann vorliegen, wenn Möglichkeiten des Prozessrechts zu verfahrensfremden Zwecken missbraucht werden (vgl. Baumbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., Einleitung III, Rn. 57 m. w. N.).

2.

Die Beklagte wendet mit Recht ein, dass die Klägerin hier im Urkundsprozess vorgehen will, um mit dessen Mitteln verfahrensfremde Zwecke zu verfolgen. Diese Feststellung beruht auf folgenden Erwägungen:

a)

Für den - wie dargelegt erfolglosen - Versuch der Klägerin, mit Hilfe des Urkundsprozesses unter Verkürzung der Beweismöglichkeit der Beklagten zügig einen vollstreckbaren Titel zu erstreiten, besteht kein erkennbarer, zwingender sachlicher Grund. Abgesehen davon, dass die Geltendmachung eines Anspruchs aus § 326 BGB im Urkundsprozess schon für sich gesehen ungewöhnlich ist, kann auch kein Grund dafür erkannt werden, dass die Klägerin unter dem 09.11.2001 in diesem Verfahren Klage erhebt, wo die angeblich unvollständigen Lieferungen der Klägerin schon in der ersten Hälfte 2000 erfolgten und die Kaufpreisforderung ebenfalls schon lange erfüllt wurden. Die Klägerin hat auch keinen Grund dafür angegeben, warum sie solange mit der Wahrnehmung ihrer Rechte gewartet hat. Andererseits steht - wie dargelegt - fest, dass die Klägerin mit den Lieferungen der Beklagten - soweit sie auch nach ihrem Vorbringen erfolgt sind - arbeiten konnte, ihre Kunden bedient hat und alle Geschäfte wie vorgesehen abgewickelt worden sind. Dass dies letztlich durch Einsatz vorhandener Stammlizenzen für Grundversionen möglich war, oder durch Direktlieferung der Firma C , mag dahinstehen.

Jedenfalls ist kein dringendes Bedürfnis der Klägerin weder im Jahre 2000 noch im Jahre 2001 erkennbar, wonach es ihr gerade auf die schnelle Durchsetzung ihres Anspruchs hätte ankommen müssen.

b)

Demgegenüber verdichten sich eine Reihe von Indizien zur Gewissheit dafür, dass die Beklagte mit Hilfe der schnellen Titulierung eines Anspruchs in geltend gemachter Höhe aus ihrer Marktposition, die sie durch den Nutzungsrechtsvertrag aus Januar 1999 inne hat, verdrängt werden soll.

aa)

Ein wirtschaftliches Interesse liegt insoweit vor. Die Klägerin hatte zuvor - nach den übereinstimmenden Erklärungen der Geschäftsführer der Parteien - direkte Vertragsbeziehungen zu der holländischen Firma C und bezog von dieser die Software, die sie nach dem Abschluss des Nutzungsrechtsvertrages über die Beklagte als Zwischenhändlerin einkaufen musste. Sie steht unstreitig auch jetzt mit der holländischen Firma in direkten Vertragsbeziehungen wie sich daraus ergibt, dass sie angeblich fehlenden Lizenzen von dort bezogen haben will.

bb)

Die holländische Firma hat offenkundig ebenfalls ein großes Interesse daran, von der Bindung des Nutzungsrechtsvertrages freigestellt zu sein. Die ursprünglich vorgesehene Beteiligung dieser Firma der Klägerin diente der gemeinsamen Vermarktung ihrer Produkte in Deutschland. Die Gemeinsamkeit der Vermarktung ist jedoch gescheitert, weil die Klägerin erfolgreich kaduziert hat und deshalb der Geschäftsführer der holländischen Firma - V - nicht Geschäftsführer bei der Klägerin werden konnte und auch sonst kein Beteiligungsverhältnis besteht. Um der langfristigen Bindung zu entgehen, wäre es danach auch im Interesse von V , dass die Beklagte insolvent und auf diesem Wege aus ihrer Rechts- und Marktposition verdrängt wird.

cc)

Versuche, dieses Ergebnis herbeizuführen, sind unter Beteiligung der Klägerin tatsächlich unternommen worden. Diese fügen sich in den zeitlichen Ablauf der zwischen V und der Beklagten aufgetretenen Schwierigkeiten, die zu der Kaduzierung führten, plausibel ein. Nachdem die streitgegenständlichen Geschäfte in der ersten Jahreshälfte 2000, in der die Beklagte erfolglos versuchte, V zur Leistung der Stammeinlage zu bewegen, abgewickelt waren (Lieferung der Beklagten an die Klägerin, Zahlung der Rechnung vom 24.01.2000 undd 19.06.2000) erklärte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Auftrag von V die fristlose Kündigung des bisherigen Geschäftslokals der Beklagten am 19.12.2000. Am 12.01.2001 übersandte die Klägerin die hier gegenständlichen bezahlten Rechnungen der Beklagten an die Rechtsanwälte S pp, um einen (mit V ) gemeinsamen Konkursantrag gegen die Beklagte vorzubereiten (Bl. 68 d. A.), der am 20.07.2001 auch gestellt wurde. Die Beklagte war jedoch weder zahlungsunfähig noch überschuldet. Auch in dem Gutachten des Sachverständigen L vom 24.09.2001, das in dem wie verabredet eingeleiteten Insolvenzverfahren - IN /01 - eingeholt wurde, wird die Möglichkeit festgestellt, dass von den Antragstellern das Ziel verfolgt werde, die Beklagte als Marktteilnehmer auszuschließen. Außerdem wird berichtet, es sei angeboten worden, die Anträge auf Eröffnung des Konkursverfahrens zurückzunehmen, wenn auf das vertragliche Wettbewerbsverbot (des Nutzungsrechtsvertrages) verzichtet werde.

Die mit dem Urkundsprozess erstrebte schnelle Titulierung steht daher offenkundig im Zusammenhang mit der Erfolglosigkeit des Insolvenzantrages.

dd)

Die Vorbereitung des erhobenen Anspruchs aus § 326 Abs. 1 BGB durch das Schreiben vom 16.07.2001 mit Fristsetzung und Ablehnungsandrohung muss ebenfalls zusammen mit dem Bestreben der Klägerin und der holländischen Firma C gesehen werden. Das zeitnahe Verfolgen des Individualanspruchs - auf vertragsgemäße Erfüllung durch Nachlieferung angeblich noch fehlender Lizenzen - und die Beteiligung an dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nur so zu erklären, da dies in der Sache zur zweckentsprechenden Verfolgung realer Interessen widersprüchlich wäre.

Es spricht alles dafür, dass es der Klägerin auf solche Interessen überhaupt nicht mehr ankam. Wie bereits dargelegt, hat sich im Laufe des Rechtsstreits herausgestellt, dass die Klägerin die Lieferungen der Software für die vorgesehenen Hotels mit Erfolg eingesetzt hat und die ihr gegenüber bestehenden vertraglichen Ansprüche erfüllen konnte. Die angeblich fehlenden Lizenznummern braucht sie nicht mehr, da sie - wie ebenfalls dargelegt - Stammlizenzen einsetzte oder von V direkt beliefert wurde. Deshalb bestand auch kein Grund für eine derart kurze Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung, wie sie im Schreiben vom 17.07.2001 erfolgte. Dies legt es im Gegenteil nahe, dass es ihr überhaupt nicht mehr auf die Nachlieferung ankam.

c)

Die dem Urkundsprozess eigentümliche Unvollständigkeit der Sachprüfung findet ihren inneren Grund in einer dem Arrestverfahren ähnlichen vorläufigen Sicherung des Gläubigers mit der für diesen günstigen Folge, dass die Möglichkeit einer direkten Zwangsvollstreckung nach §§ 704 ff. ZPO eröffnet wird. Die Prüfung eines dementsprechenden besonderen Schutzbedürfnisses des Gläubigers bedarf es im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung des Urkundsverfahrens nicht. Ergibt sich allerdings, dass die Vorteile dieser Prozessart und die Erleichterungen der Beweisführung für die klagende Partei und die Beschränkungen für die beklagte Partei bewusst zu anderen, verfahrensfremden und nicht anzuerkennenden Zwecken missbraucht werden sollen, ist dieser Schutz zu versagen. So liegen die Dinge aus den dargelegten Gründen hier.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Entscheidung beruht auf gesicherten Rechtsgrundsätzen der Rechtsprechung. Die Revision ist daher weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Sie hat auch keine grundsätzliche Bedeutung, da sie im wesentlichen auf den hier vorliegenden Besonderheiten des Einzelfalles beruht.



Ende der Entscheidung

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