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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 29.11.2000
Aktenzeichen: 13 U 59/00
Rechtsgebiete: GVG, ZPO, ArbGG, VVG, BGB


Vorschriften:

GVG § 17 a Abs. 2 Satz 1
GVG § 17 a
GVG § 17 a Abs. 5
GVG § 17 a Abs. 3 Satz 2
GVG § 17 a Abs. 4 Satz 5
ZPO § 529 Abs. 2 Halbsatz 2
ArbGG § 3
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 d
VVG § 67 Abs. 1 Satz 1
BGB § 823 Abs. 1
Leitsatz:

Zu der Frage, wann eine unerlaubte Handlung eines Arbeitnehmers im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht (§ 2 I Nr. 3 d ArbGG).


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

13 U 59/00 OLG Hamm 6 O 436/99 LG Bielefeld

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2000 durch die Richter am Oberlandesgericht Zumdick und Pauge und die Richterin am Landgericht Kirchhoff

beschlossen:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 11. Januar 2000 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird an das Arbeitsgericht B verwiesen.

Gründe:

I.

Der Beklagte war Arbeitnehmer der Firma B GmbH in V. Das Unternehmen stellt Stahlrohre, Pflegebetten und Lattenroste her. Der Beklagte ist gelernter Bauschlosser und war seit 1969 als Leiter der Entwicklungsabteilung für die Herstellung und Entwicklung neuer Modelle sowie für Reparaturarbeiten zuständig. Zu seinen Tätigkeiten gehörten Schweißarbeiten aller Art.

Am Oktober 1994 nahm der Beklagte nach Feierabend in der Betriebshalle seiner Arbeitgeberin aus Gefälligkeit Schweißarbeiten an dem Unterboden des privaten Pkw Opel Kadett seines Arbeitskollegen vor. Dabei geriet der Pkw in Brand. Der Brand verursachte erhebliche Schäden an der Betriebshalle, der Betriebseinrichtung und den in dem Gebäude gelagerten Vorräten. Die Klägerin ersetzte der Firma auf Grund des abgeschlossenen Feuerversicherungsvertrags den Neuwertschaden und nimmt den Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit aus übergegangenem Recht auf Erstattung des Zeitwertschadens in Anspruch.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat dabei insbesondere die Unzulässigkeit des Zivilrechtswegs gerügt, der geltend gemachte Anspruch sei arbeitsrechtlicher Natur.

Das Landgericht hat der Klage durch Urteil stattgegeben. Es hat die Ansicht vertreten, der beschrittene Zivilrechtsweg sei zulässig.

Gegen diese Rechtsauffassung wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung.

II.

Die Berufung ist begründet.

Der Zivilrechtsweg ist unzulässig. Im vorliegenden Rechtsstreit ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zu beschreiten. Der Rechtsstreit ist daher unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das örtlich zuständige Arbeitsgericht zu verweisen, § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG.

1.

§ 529 Abs. 2 Halbsatz 2 ZPO steht einer Prüfung der Zuständigkeit des Arbeitsgerichts in der Berufungsinstanz nicht entgegen. Das Verhältnis zwischen der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Arbeitsgerichtsbarkeit ist eine Frage des zulässigen Rechtswegs (vgl. § 48 Abs. 1 ArbGG), die ausschließlich nach § 17 a GVG zu klären ist; für eine Anwendung des § 529 Abs. 2 Halbsatz 2 ZPO besteht seit der Neufassung des § 17 a GVG kein Raum mehr (Zöller-Gummer, ZPO, 22. Aufl., § 529, Rn. 13; Baumbach-Albers, ZPO, 58. Aufl., § 529, Rn. 10).

2.

Der Senat ist auch nicht nach § 17 a Abs. 5 GVG gehindert zu prüfen, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Denn diese Vorschrift ist nicht anwendbar, wenn das Gericht erster Instanz wie im vorliegenden Fall entgegen § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG über die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht vorab durch Beschluß entschieden hat, obwohl dies von einer Partei gerügt worden ist (BGHZ 119, 246).

3.

Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit folgt aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 d) i.V.m. § 3 ArbGG. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 d) ArbGG sind die Arbeitsgerichte für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen, ausschließlich zuständig. § 3 ArbGG erweitert die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte auf die Fälle, in denen der Rechtsstreit auf einer oder beiden Seiten durch einen Rechtsnachfolger geführt wird. Hierzu gehört auch die Einzelrechtsnachfolge auf Grund eines gesetzlichen Forderungsübergangs (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 3. Aufl., § 3 Rn. 7).

Die Klägerin macht einen gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 VVG auf sie übergegangenen Schadensersatzanspruch der Firma B gegen den Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB geltend. Dieser Anspruch steht nach dem Tatsachenvortrag der Klägerin, von dem für die Beurteilung der Rechtswegfrage auszugehen ist (BGHZ 131, 169) im Zusammenhang mit dem damaligen Arbeitsverhältnis zwischen dem Beklagten und der Versicherungsnehmerin der Klägerin. Ein solcher Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die unerlaubte Handlung zu dem Arbeitsverhältnis in einer inneren Beziehung steht, so daß sie in der besonderen Eigenart des Arbeitsverhältnisses und den ihm eigentümlichen Reibungs- und Berührungspunkten wurzelt (Germelmann/Matthes/Prütting, a.a.O., § 2, Rn. 75). So liegt der Fall hier. Die Schweißarbeiten wurden in der Betriebshalle der B unter Verwendung der dort vorhandenen Arbeitsmittel durchgeführt. Der Beklagte konnte seine beruflich erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten anwenden. Der zu schweißende Pkw gehörte einem Arbeitskollegen des Beklagten. Daß sich der Vorfall nach Feierabend ereignete und den Arbeitnehmern der Firma B die Durchführung von privaten Schweißarbeiten in den Betriebsräumen nach Darstellung der Klägerin untersagt war, steht der Annahme eines inneren Zusammenhangs mit dem Arbeitsverhältnis nicht entgegen.

4.

Der Senat sieht keine Veranlassung, die Beschwerde gegen diesen Beschluß an den Bundesgerichtshof zuzulassen, § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, der keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und die auch nicht von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht.

Ende der Entscheidung

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