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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 23.01.2009
Aktenzeichen: 13 UF 88/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 313a Abs. 1
ZPO § 540 Abs. 2
BGB § 1570 Abs. 1
BGB § 1574 Abs. 3
BGB § 1575 Abs. 2
BGB § 1578 Abs. 1
BGB § 1612b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Antragsgegners wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass er verurteilt bleibt, an die Antragstellerin ab Rechtskraft der Scheidung nachehelichen Unterhalt i.H.v. 233,10 € monatlich zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage auf Zahlung nachehelichen Unterhaltes abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Die Berufung des Antragsgegners, die sich nach teilweiser Rücknahme allein noch gegen die Entscheidung zum nachehelichen Unterhalt wendet, ist im Wesentlichen nicht begründet.

Der der Antragstellerin vom Amtsgericht zuerkannte Unterhaltsanspruch ergibt sich aus § 1570 Abs. 1 BGB sowie aus § 1575 Abs. 2 BGB. Die bei der Antragstellerin lebenden gemeinsamen Kinder der Parteien sind in einem Umfang betreuungsbedürftig, der einer mehr als halbschichtigen Tätigkeit der Antragstellerin entgegensteht. Der jüngere Sohn ist sechs Jahre alt und im Sommer 2008 eingeschult worden. Er besucht die Übermittagsbetreuung in der Grundschule. Die 12 Jahre alte Tochter besucht das Gymnasium. Dass die Antragstellerin ihrer grundsätzlich bestehenden teilschichtigen Erwerbsobliegenheit zur Zeit nicht nachkommt, ist nicht zu beanstanden, da sie berechtigterweise eine Fortbildung betreibt, durch welche sie an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist. Sie nimmt im Rahmen einer Weiterbildungsmaßnahme an einer Teilzeitausbildung zur Bürokauffrau teil, nachdem das zuvor bestehende halbschichtige Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber wegen Auslaufens des Projektes beendet worden ist. Diese Fortbildung ist angesichts der Tatsache, dass ein Anknüpfen an die juristische Ausbildung, die sie in 1996 mit dem ersten juristischen Staatsexamen beendet hatte, keine ausreichenden Erfolgsaussichten bietet, nicht nur sinnvoll, sondern gemäß § 1574 Abs. 3 BGB sogar geboten.

Gem. § 1578 Abs. 1 BGB bestimmt sich das Maß des zu gewährenden Unterhaltes nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Diese sind dadurch geprägt worden, dass der Antragsgegner einer auch jetzt noch ausgeübten Tätigkeit als Rechtsanwalt in freier Mitarbeiterschaft nachgegangen ist und die Antragstellerin die gemeinsamen Kinder betreut hat. Dabei haben die Parteien ihren Lebensunterhalt im Wesentlichen aus den Einkünften des Antragsgegners beglichen. Auch nach seiner eigenen Darstellung haben seine Eltern allenfalls in geringem Umfang Barmittel beigesteuert. Der monatliche eheliche Bedarf ist mit mindestens 1.800 € anzunehmen. Denn die Eheleute haben eine Mietwohnung zu einem Mietzins inkl. Nebenkosten von 700 € bewohnt. Für den weiteren Lebensunterhalt (ohne Kosten der Krankenversicherung und der Beiträge zum Versorgungswerk) haben sie mindestens einen Betrag von 1.100 € aufwenden müssen. Diesen Betrag schätzt der Senat in Anlehnung an die sozialhilferechtlichen Bedarfssätze unter Berücksichtigung der Schilderung der Antragstellerin, aus denen sich jedenfalls keine besonders engen wirtschaftlichen Verhältnisse ergaben. Auch der Antragsgegner hat sich nicht darauf berufen, es sei in besonders engen Verhältnissen gelebt worden.

Auf die sich aus den von dem Antragsgegner vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnungen abzuleitenden Einkommensverhältnisse ist dagegen nicht abzustellen. Denn danach hätte der Antragsgegner in den Jahren 2001 bis 2003 nur einen durchschnittlichen Gewinn i.H.v. jährlich 16.700 € erzielt, aus dem noch Krankenversicherungsbeiträge und Beiträge zum Versorgungswerk hätten aufgebracht werden müssen. Aus dem dann verbleibenden Betrag konnten die Parteien ihren Lebensunterhalt in dem von ihnen beschriebenen Zuschnitt nicht finanzieren. Auch der Antragsgegner behauptet nicht, dass er von seinen Eltern in nennenswertem Umfang Barzuwendungen erhalten habe.

Festzustellen ist auch, dass die Betriebsausgaben des Antragsgegners dann rd. 70% der Betriebseinnahmen ausgemacht hätten, da bereits die in seine Gewinn- und Verlustrechnungen eingestellten Einnahmen nur die Hälfte des von ihm erzielten Umsatzes ausmachten. Die andere Hälfte galt bereits die Kosten der Sozietät ab.

Selbst hat der Antragsgegner auch eingeräumt, dass die ausgewiesenen Raumkosten nicht das in der Sozietät liegende Büro, sondern Teile der Mietwohnung betreffen. Zu diesem Ansatz habe ihm sein Steuerberater geraten. Er konnte auch nicht erläutern, welche tatsächlichen Umstände den in den Jahren 2002 - 2004 doch recht hohen Einlagen ( 15.037 €, 20.410 € + 14.543 €) zugrunde lagen.

Auch aus den für die Jahre ab 2004 ausgewiesenen Gewinnen konnte der Antragsgegner den tatsächlich an die Antragstellerin für sie und die Kinder gezahlten Betrag von monatlich 600 € nicht aufbringen. Denn danach hatte der Antragsgegner einen durchschnittlichen Jahresgewinn- jeweils unter Hinzurechnung der in 2006 gebildeten, aber noch nicht aufgelösten Ansparabschreibung i.H.v. 2.686,80 € - von 17.937 € ( 2004 - 2007) bzw. 19.659 € (2005 - 2007), aus dem rd. 7.000 € Kosten für Krankenversicherung und Versorgungswerk aufzubringen waren. Damit verblieben ihm nach Abzug der an die Antragstellerin jährlich gezahlten 7.200 € für den eigenen Lebensunterhalt nur 3.737 € bzw. 5.459 €. Da er nach eigenen Angaben die Nebenkosten für die mit seiner neuen Lebensgefährtin bezogene Wohnung i.H.v. monatlich 187 € trägt, verblieben ihm nur 124 € bzw. 267 € für den Lebensunterhalt, was nicht als ausreichend erscheint, insbesondere da auch noch Einkommensteuervorauszahlungen und nach seiner Darstellung im Senatstermin Darlehenszinsen an seine Eltern zu leisten sind.

Aufgrund der vorstehenden Feststellungen zu dem vom Antragsgegner behaupteten Einkommen sowie zu dem mindestens betriebenen Aufwand zur Bestreitung des Lebensbedarfs der Familie, geht der Senat davon aus, dass das Vorbringen des Antragsgegners nicht plausibel ist. Es bestehen unter diesen Umständen keine Bedenken, den Bedarf der Antragstellerin nach dem während der Ehe betriebenen Aufwand zu bemessen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Grundsatz der Wandelbarkeit der ehelichen Lebensverhältnisse und der Teilnahme des unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegatten hieran, da die negative Veränderung der Einkommenssituation des Antragsgegners gegenüber der Zeit des ehelichen Zusammenlebens nicht dargelegt und auch sonst nicht erkennbar ist.

Ausgehend von diesem ehelichen Bedarf errechnet sich der Unterhaltanspruch der Antragstellerin wie folgt:

Von den 1.800 € abzusetzen sind die titulierten Unterhaltsansprüche der beiden Kinder unter Hinzurechnung des hälftigen Kindergeldes mit 276 € und 334 €.

Der Senat berücksichtigt in ständiger Rechtsprechung in Anlehnung an Ziff. 15.2.3 HLL bei der Bestimmung des Bedarfs die Tabellenbeträge auch nach Inkrafttreten des neuen § 1612b BGB. Zwar ist dort in Absatz 1 Satz 2 ausgesprochen, dass das Kindergeld den Barbedarf des Kindes mindert. Diese Regelung betrifft aber zunächst nur die Höhe des Anspruches des Kindes gegen den nicht betreuenden Elternteil. Im Verhältnis der Eltern zueinander sind immer noch beide Eltern anspruchsberechtigt, aber die Auszahlung des Kindergeldes erfolgt nur an denjenigen, der die Obhut über das Kind ausübt. Der nicht betreuende Ehegatte wird an dem Kindergeld beteiligt, indem sich um diesen Betrag seine Unterhaltszahllast verringert. Berücksichtigt man nur die Zahllast, würde der unterhaltsberechtigte Ehegatte an diesem Kindergeldanteil partizipieren, obwohl auf seiner Seite das vereinnahmte Kindergeld in keiner Weise berücksichtigt wird.

Dabei ist der Senat sich bewusst, dass wesentliche Stimmen in der Literatur sich unter Berufung auf die Gesetzesbegründung für eine Berücksichtigung nur des Zahlbetrages aussprechen (so auch 2. FS des OLG Hamm NJW 2008, 2049 m.w.N.) und der BGH im Urteil vom 5.3.2008 = FamRZ 2008, 693 auf diese Literaturstellen hingewiesen hat.

Damit verbleiben zunächst 1.190 €.

Nach Abzug des Erwerbstätigenbonus von 170 €

verbleiben 1.020,00 €

Wenn man nun auf Seiten der Antragstellerin das Arbeitslosengeld i.H.v. 553,80 € absetzt, ergibt sich eine Differenz der Einkommen von 466,20 €, von dem die Antragstellerin die Hälfte 233,10 € verlangen kann.

Der Antragsgegner ist auch nicht leistungsunfähig. Nach dem zugrunde gelegten Einkommen von 1.800 € wird sein Selbstbehalt gewahrt, weil im Rahmen dieser Prüfung nur auf die Zahlbeträge zum Kindesunterhalt abzustellen ist.

Dass sein Einkommen geringer ist, hat er nicht zu beweisen vermocht. Er hat zwar die Gewinn- und Verlustrechnungen vorgelegt, aber wie bereits ausgeführt spricht gegen deren unterhaltsrechtliche Verwertbarkeit, dass aus den danach verbleibenden Einnahmen weder zur Zeit des Zusammenlebens noch jetzt das Auskommen der Familie bzw. jetzt des Antragsgegners allein und der Kindesunterhalt gesichert gewesen wäre. Dem Antragsgegner verbleiben über den Selbstbehalt von 1000 € hinaus noch 110 €, aus denen er auch die behaupteten Umgangskosten aufbringen kann.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3, 708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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