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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 02.04.2001
Aktenzeichen: 13 W 8/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 494 a
ZPO § 270 Abs. 3
Leitsätze:

1.

§ 270 Abs. 3 ZPO gilt auch bezüglich der Einhaltung einer gerichtlich angeordneten Klagefrist gem. § 494 a Abs. 1 ZPO.

2.

Der Kläger ist nicht verpflichtet von sich aus den Gerichtskostenvorschuss bei Klageeinreichung einzuzahlen, um ein demnächstige Zustellung i.S. des § 270 Abs. 3 ZPO herbeizuführen; er darf die Anforderung des Gerichtskostenvorschusses abwarten.

Bleibt die gerichtliche Anforderung des Gerichtkostenvorschusses innerhalb angemessener Zeit aus, muss der Kläger tätig werden.

Für die Beurteilung des angemessenen Zeitraums gibt es keine feste Zeitspanne; es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an.

3.

Der Kläger handelt nicht vorwerfbar, wenn er innerhalb von 2 Wochen nach Zugang der gerichtlichen Anforderung den Gerichtskostenvorschuss einzahlt.

4.

Die Erhebung der Klage bei einem sachlich oder örtlich unzuständigen Gericht wirkt im Rahmen des § 494 a ZPO fristwahrend.

5.

Der Wert des selbständigen Beweisverfahrens bestimmt sich nach dem Hauptsachewert.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

13 W 8/01 OLG Hamm 6 OH 27/98 LG Dortmund

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm durch die Richter am Oberlandesgericht Zumdick und Walter und die Richterin am Landgericht Kirchhoff am 2. April 2001

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsteller vom 23.01.2001 wird unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde im übrigen der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 12. Dezember 2000 teilweise abgeändert.

Der Antragsteller zu 1) trägt 1/3 der der Antragsgegnerin zu 2) im selbständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten.

Im übrigen wird der Antrag der Antragsgegnerin zu 2) vom 17.02./10.10.2000 zurückgewiesen.

Der Wert des selbständigen Beweisverfahrens wird auf 9.000 DM festgesetzt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden bei einem Verfahrenswert von 9.000,-- DM wie folgt verteilt:

Die Gerichtskosten tragen der Antragsteller zu 1) zu 1/3 und die Antragsgegnerin zu 2) zu 2/3. Dem Antragsteller zu 1) werden 1/3 der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu 2) auferlegt. Die Antragsgegnerin zu 2) trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu 2) und 3).

Gründe:

I.

Mit der sofortigen Beschwerde wenden sich die Antragsteller gegen die Auferlegung der Kosten der Antragsgegnerin zu 2) im selbständigen Beweisverfahren 6 OH 27/98 Landgericht Dortmund.

Die Antragsteller zu 2) und 3) waren und sind Eigentümer des mit einem Einfamilienreihenhaus bebauten Hausgrundstückes Ö straße in D. Sie bewohnen das Haus zusammen mit ihrem Sohn, dem Antragsteller zu 1). Die Antragsgegner waren Eigentümer des angrenzenden Reihenhausgrundstückes.

Im selbständigen Beweisverfahren haben die Antragsteller die Einholung von Gutachten eines Bausachverständigen und eines Mediziners mit der Begründung beantragt, das eigene Haus weise einen Schimmelpilzbefall auf, der vom verwahrlosten Gebäude der Antragsgegner herrühre. Der Antragsteller zu 1) leide an einer Schimmelpilzallergie. Das selbständige Beweisverfahren werde im Hinblick auf die durch die Beseitigung des Schimmelpilzes anfallenden Kosten und Schmerzensgeldansprüche des Antragstellers zu 1) beantragt.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 8.2.1999 (Bl. 43 d.A.) die Einholung zweier schriftlicher Sachverständigengutachten angeordnet.

Nach Eingang des Gutachtens des Bausachverständigen hat die Antragsgegnerin zu 2) mit Schriftsatz vom 17.02.2000 (Bl. 102 d.A.) die Bestimmung einer Klagefrist gem. § 494 a Abs. 1 ZPO und weiterhin für den Fall des fruchtlosen Ablaufs der Frist beantragt, den Antragstellern gem. § 494 a Abs. 2 ZPO die ihr entstandenen Kosten aufzuerlegen.

Nach Eingang des medizinischen Sachverständigengutachtens hat die Antragsgegnerin zu 2) mit Schriftsatz vom 10.10.2000 nochmals die Anträge vom 17.2.2000 gestellt.

Die Kammer hat nach formloser Zuleitung des Schriftsatzes an die Bevollmächtigte der Antragssteller mit Beschluss vom 25.10.2000 den Antragstellern eine Klagefrist von einem Monat gesetzt. Der Beschluss wurde der Bevollmächtigten der Antragsteller am 9.11.2000 zugestellt. Ohne nochmalige Anhörung der Antragsteller oder Anfrage an die Antragsgegnerin zu 2) dahin, ob zwischenzeitlich Klage erhoben worden sei, hat das Landgericht durch den angefochtenen Beschluss vom 12.12.2000 den Antragstellern die Kosten der Antragsgegnerin zu 2) auferlegt.

Mit am 11.12.2000 (einem Montag) beim Landgericht Dortmund eingegangenem Schriftsatz vom 11.12.2000 erhoben die Antragsteller zu 2) und 3) Klage gegen die Antragsgegner unter Bezugnahme auf das gegenständliche selbständige Beweisverfahren auf Zahlung von Schadenersatz und Feststellung der Ersatzpflicht (6 O 595/2000). Ein Gerichtskostenvorschuss wurde nicht eingezahlt. Die Kammer setzte mit Beschluss vom 14.12.2000 den Streitwert auf 9.900 DM fest und fragte an, ob die Abgabe an das Amtsgericht Dortmund beantragt werde. Der Beschluss und die Anfrage wurden zusammen mit der Gerichtskostenrechnung der Bevollmächtigten der Antragsteller am 8.1.2001 übersandt. Die Bevollmächtigte beantragte unter dem 12.01.2001 die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Dortmund und teilte mit, dass die Gerichtskosten angewiesen würden. Ohne Veranlassung der Zustellung der Klageschrift und ohne Verweisungsbeschluss gem. § 281 ZPO gab der Vorsitzende der Kammer den Rechtsstreit an das Amtsgericht Dortmund ab (115 C 2017/01). Aufgrund dortiger richterlicher Verfügung vom 16.2.2001 erfolgte die Zustellung der Klageschrift am 23.02.2001.

II.

Die gem. § 494a Abs. 2 S. 3 ZPO statthafte und zulässige sofortige Beschwerde der Antragsteller zu 2) und 3) ist begründet. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers zu 1) hat keinen Erfolg.

1.

Bezüglich der Antragsteller zu 2) und 3) ist die Kostenentscheidung unzutreffend, weil die Klageerhebung fristgerecht aufgrund des Eingangs der Klageschrift am 11.12.2000 erfolgte.

Zwar liegt eine Klageerhebung gem. § 253 Abs. 1 ZPO erst mit Zustellung der Klageschrift vor. Jedoch findet § 270 Abs. 3 ZPO auch im Rahmen des § 494 a ZPO Anwendung (OLG Hamm, OLGA 1994, 141; Zöller-Herget, Rnr. 3 zu § 494 a ZPO; Stein/Jonas/Herget, Rnr. 19 zu § 494 a ZPO m.w.N.).

a)

Gem. §§ 222 Abs. 1, 2 ZPO, 187, 188 BGB ist die Klage rechtzeitig eingereicht worden. Denn das Fristende am 09.12.2000 fiel auf einen Sonnabend.

b)

Obwohl die Klageschrift erst am 23.02.2001 zugestellt wurde, ist die Zustellung demnächst i.S. § 270 Abs. 3 ZPO geschehen.

Eine Zustellung ist jedenfalls dann noch demnächst erfolgt, wenn die durch den Kläger zu vertretende Verzögerung den Zeitraum von 14 Tagen nicht überschreitet (BGH NJW 1996, 1060, 1061; 1999, 3125; 2000, 2282). Bei der Berechnung der Zeitdauer der Verzögerung ist auf die Zeitspanne abzustellen, um die sich die ohnehin erforderliche Zustellung der Klage als Folge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert. Der auf vermeidbare Verzögerungen im Geschäftsablauf des Gerichts zurückzuführende Zeitraum wird nicht angerechnet (BGH NJW 2000 a.a.O.).

Den Gerichtskostenvorschuss braucht der Kläger nicht von sich aus mit der Klage einzuzahlen, er kann vielmehr die Anforderung durch das Gericht abwarten, insbesondere wenn eine Streitwertfestsetzung notwendig ist (BGH NJW 1993, 2811; Zöller-Greger, Rnr. 9 zu § 270 ZPO). Bleibt die Anforderung aus, darf der Kläger allerdings nicht länger als angemessen untätig bleiben (BGH VersR 1992, 433; Zöller-Greger a.a.O.).

Die Antragsteller zu 2) und 3) zahlten bei Klageeinreichung den Gerichtskostenvorschuss nicht ein. Die Kammer setzte im Hinblick auf den Feststellungsantrag den Streitwert fest. Zwar ist die Aufforderung zur Zahlung des Gerichtskostenvorschusses erst nach 4 Wochen an die Bevollmächtige der Antragstellerin abgesandt worden. Dies führt aber nicht zu einer verspäteten Zustellung.

Nach Auffassung des Senats gibt es keine feste zeitliche Grenze für die Frage, wie lange der Kläger auf die Anforderung des Gerichtskostenvorschusses warten darf, ohne zumindestens bei Gericht nachzufragen. Denn ein für eine Verzögerung der Zustellung ursächliches Verhalten kann angemessen nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls gewürdigt werden. Die Prozessbevollmächtigte durfte aufgrund des Feststellungsantrages davon ausgehen, dass eine Streitwertfestsetzung der Kammer erfolgen werde, die naturgemäß aufgrund des internen Geschäftsablaufs mehr Zeit in Anspruch nehmen musste als eine bloße Berechnung des Gerichtskostenvorschusses durch den Kostenbeamten. Zudem war eine Verzögerung aufgrund der Weihnachtsfeiertage und des Jahreswechsels zu erwarten.

Selbst wenn - entgegen der Auffassung des Senats - eine dreiwöchige Frist (vgl. Zöller-Greger, Rnr. 9 zu § 270 ZPO: "ca. drei Wochen"; offengelassen in BGH VersR 1992, 433) zwischen Ablauf der einzuhaltenden Frist und Anforderung des Vorschusses als absolute Obergrenze angesehen würde, wäre gleichwohl eine demnächstige Zustellung noch gegeben. Denn die Nachfrage bei Gericht nach drei Wochen hätte nicht eine den Klägern zuzurechnende Verzögerung von mehr als 14 Tagen herbeigeführt, weil die Vorschussanforderung tatsächlich eine Woche nach Ablauf der drei Wochen übersandt wurde.

Der Zeitraum von der Anforderung des Gerichtskostenvorschusses bis zur Zustellung der Klageschrift ist von den Antragstellern nicht zu vertreten, sondern beruht auf dem vom Gericht zu verantwortenden Geschäftsablauf.

Nach Anforderung des Vorschusses wurde dieser innerhalb von weniger als 14 Tagen und damit nicht vorwerfbar verzögert eingezahlt (vgl. hierzu Zöller-Greger, Rnr. 8 zu § 270 ZPO m.w.N.). Die Bevollmächtige der Antragsteller zu 2) und 3) kündigte bereits mit Schriftsatz vom 12.01.2001 die Zahlung des Vorschusses an und beantragte die Verweisung - nicht formlose Abgabe - des Rechtsstreits an das Amtsgericht Dortmund. Das Landgericht hätte daher nach Einzahlung des Vorschusses unabhängig von der sachlichen Zuständigkeit die Klageschrift zustellen können und müssen (vgl. § 271 Abs. 1 ZPO).

Die Erhebung der Klage beim unzuständigen Gericht wirkt im Rahmen des § 494 a ZPO fristwahrend (OLG Hamm, OLGR 1994, 142), weil die Anordnung des § 494 a Abs. 1 ZPO nur die Klageerhebung als solche erfordert und durch die Erhebung der Klage beim sachlich unzuständigen Gericht Rechtshängigkeit eintritt; die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens sind dann in den Rechtsstreit einbezogen, so dass dem auf Kostenerstattung gerichteten Begehren Genüge getan ist.

Wegen der fristwahrenden Wirkung der Klageerhebung beim unzuständigen Gericht ist es schließlich für die Frage der Anwendung des § 270 Abs. 3 ZPO unerheblich, ob die Prozessbevollmächtigte bei sorgfältiger Prüfung die Klageschrift gleich beim sachlich zuständigen Amtsgericht Dortmund hätte einlegen müssen.

2.

Der Antragsteller zu 1) hat anteilig die Kosten der Antragsgegnerin zu 2) zu tragen.

Denn eine Klageerhebung durch ihn ist unstreitig nicht erfolgt.

3.

In entsprechender Anwendung der §§ 92 Abs. 1, 100 ZPO hat der Antragsteller zu 1) 1/3 der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu tragen.

Der Senat hat in Abänderung der Entscheidung des Landgerichts einen Gesamtverfahrenswert von 9000,-- DM festgesetzt, von dem 3000,-- DM auf den Antragsteller zu 1) entfallen.

Nach zutreffender Ansicht (vgl. Zöller-Hergert, Rnr. 16 "selbständiges Beweisverfahrens" zu § 3 ZPO) ist für den Wert des selbständigen Beweisverfahrens auf den Hauptsachewert abzustellen. Hiervon ist auch das Landgericht ausgegangen, welches ersichtlich die in dem Gutachten vom 24.6.1999 ausgewiesenen Kosten der Schimmelpilzbeseitigung der Wertfestsetzung zugrunde gelegt hat. Dabei ist allerdings außer Acht gelassen worden, dass der Antragsteller zu 1) das selbständige Beweisverfahren im Hinblick auf Schmerzensgeldansprüche beantragte. Da die geltend gemachte Schimmelpilzallergie zu einer anhaltenden erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigung führen kann, schätzt (§ 3 ZPO) der Senat das Interesse des Antragstellers zu 1) auf 3000,-- DM.

4.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt aus den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1, 100 ZPO.

Ende der Entscheidung

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