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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 11.05.2006
Aktenzeichen: 15 Sbd 8/06
Rechtsgebiete: EGBGB, AdWirkG, FGG


Vorschriften:

EGBGB Art. 23
AdWirkG § 5
FGG § 43 Abs. 2 S. 2

Entscheidung wurde am 24.07.2006 korrigiert: die Rechtsgebiete, Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert, Stichworte und ein Leitsatz wurden hinzugefügt
Die besondere Zuständigkeit des Amtsgerichts am Sitz des Oberlandesgerichts für Adoptionsverfahren greift auch dann ein, wenn hinsichtlich des Zustimmungserfordernisses zusätzlich ausländisches Recht anzuwenden ist (Aufgabe der bisherigen Senatsrechtsprechung)
Tenor:

Das Amtsgericht Hamm wird als örtlich zuständiges Gericht bestimmt.

Gründe:

I.

Das betroffene Kind ist aus der ersten Ehe seiner Mutter, der Beteiligten zu 2), mit dem am 03.03.2001 verstorbenen Herrn G hervorgegangen. Das Kind besitzt wie seine Mutter die ukrainische Staatsangehörigkeit. Der Beteiligte zu 3), der deutscher Staatsangehöriger mit polnischer Abstammung ist, hat am 16.01.2002 mit der Beteiligten zu 2) in F die Ehe geschlossen. Die Beteiligten zu 2) und 3) haben ihren gemeinsamen dauernden Aufenthalt in Deutschland, seit deren Eheschließung lebt das betroffene Kind in ihrem Haushalt. Der Beteiligte zu 3) hat in notarieller Urkunde vom 18.08.2005 (UR-Nr. xxx/2005 Notar R.T. in F) mit Zustimmung der Beteiligten zu 1) und 2) beantragt, die Annahme der Beteiligten zu 1) als Kind auszusprechen.

Das Amtsgericht Essen hat die Akten an das Amtsgericht Hamm im Hinblick auf die Annahme einer dort gegebenen örtlichen Zuständigkeit nach §§ 2 und 5 AdWirkG abgegeben. Das Amtsgericht Hamm hat durch Beschluss vom 03.04.2006 die Übernahme der Sache abgelehnt. Der Richter des Amtsgerichts Essen hat daraufhin mit Verfügung vom 18.04.2006 die Sache dem Senat zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts vorgelegt.

II.

Der Senat ist gem. § 5 FGG zur Bestimmung des örtlich zuständigen Amtsgerichts berufen. Die Vorlage ist zulässig, weil zwischen den beteiligten Amtsgerichten Streit darüber besteht, welches von ihnen zur Entscheidung über den Annahmeantrag örtlich zuständig ist.

In der Sache ist die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Hamm begründet.

Nach der allgemeinen Vorschrift des § 43 b Abs. 2 S. 1 FGG ist in Angelegenheiten, welche die Annahme eines Kindes betreffen, das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Annehmende in dem Zeitpunkt, in dem der Antrag eingereicht worden ist, seinen Wohnsitz hatte. Demnach wäre das Amtsgerichts Essen zuständig, weil der Annehmende, der Beteiligte zu 3), in F wohnt. Kommen aber ausländische Sachvorschriften zur Anwendung, dann richtet sich die örtliche Zuständigkeit für die Annahme eines Kindes nach § 43b Abs. 2 Satz 2 FGG i.V.m. § 5 Abs. 1 und 2 des Adoptionswirkungsgesetzes vom 5.11.2001 (AdWirkG). Die darin vorgesehene Zuständigkeitskonzentration auf das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Oberlandesgerichts seinen Sitz hat, gilt aber nur dann, wenn auf die Angelegenheit betreffend die Annahme des Kindes ausländische Sachvorschriften Anwendung finden.

Die vorliegend beantragte Einzeladoption durch nur einen Ehegatten unterliegt gemäß Art. 22 Abs. 1 Satz 2 EGBGB dem Ehewirkungsstatut nach Art. 14 Abs. 1 EGBGB. Da beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung am 16.01.2002 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten, ist gemäß Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB als Ehewirkungsstatut deutsches Recht berufen.

Daneben findet nach der ergänzenden kollisionsrechtlichen Sonderregelung des Art. 23 EGBGB für den statusverändernden Rechtsvorgang der Adoption zusätzlich auch ukrainisches Recht Anwendung (vgl. Palandt/Heldrich BGB 65. Aufl. Art. 23 EGBGB Rn. 1). Denn die Vorschrift Art. 23 EGBGB beruft neben dem Adoptionsstatut zusätzlich das Personalstatut des betroffenen Kindes für die Notwendigkeit und die Erteilung der Zustimmung des Kindes oder einer Person, zu dem es in einem familienrechtlichen Verhältnis steht, insbesondere eines Elternteils; hierher gehören neben der Erforderlichkeit auch die Wirksamkeitsvoraussetzungen der Zustimmung einschließlich ihrer Ersetzbarkeit und gegebenenfalls ihrer behördlichen und gerichtlichen Genehmigungsbedürftigkeit (Palandt/Heldrich, a.a.O., Art 23 EGBGB Rn. 3). Das Zustimmungserfordernis des Kindes sowie seiner Eltern zur Adoption ist daher sowohl nach dem Adoptionsstatut als auch nach dem Personalstatut des Kindes zu erfüllen, d.h. es ist kumulativ anzuknüpfen, um so hinkenden Statusveränderungen vorzubeugen. Daher gehört die ergänzende Sonderregelung des Art. 23 EGBGB nicht in den Bereich von Vorfragen, sondern zur Hauptfrage der Adoption selbst (BayObLGZ 2004, 368 = FGPrax 2005, 65 = FamRZ 2005, 1694 = StAZ 2005, 297 = BayObLGR 2005, 279).

Allerdings hat der Senat in seinem Beschluss vom 21.11.2002 (FGPrax 2003, 75 = FamRZ 2003, 1042) für die Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit gem. § 43 b Abs. 2 S. 2 AdWirkG ausschließlich darauf abgestellt, ob auf die Annahme im Sinne des Art. 22 EGBGB insgesamt ausländisches Recht Anwendung findet, während er die Sondernorm des Art. 23 S. 1 EGBGB lediglich als Vorfrage qualifiziert hat, die die Zuständigkeitskonzentration nicht begründen kann. An dieser Beurteilung hält der Senat bezogen auf die Sonderanknüpfung in Art. 23 S. 1 EGBGB im Hinblick auf abweichende Entscheidungen anderer Obergerichte (BayObLG a.a.O.; OLG Stuttgart StAZ 2004, 134; OLG Zweibrücken FGPrax 2005, 69) nicht mehr fest. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat hierzu in seinem Beschluss vom 16.12.2004 ausgeführt (a.a.O.):

"Jedenfalls ist weder dem Gesetzeswortlaut des § 43b Abs. 2 Satz 2 FGG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 AdWirkG noch den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucks. 14/6011, S. 57 zu Art. 4 Abs. 2) eindeutig zu entnehmen, dass der Gesetzgeber eine Einschränkung dahingehend beabsichtigt hat, dass eine Zuständigkeitskonzentration nicht gegeben sein soll, wenn sich Teile der Hauptfrage nach ausländischem Recht beurteilen (so im Ergebnis auch: OLG Stuttgart Beschluss vom 2.12.2003 FamRZ 2004, 1124/1125). Eine solche einschränkende Auslegung des § 43b Abs. 2 Satz 2 FGG ist auch nicht durch die ratio legis veranlasst, da eine Zuständigkeitskonzentration an einem zentralen Vormundschaftsgericht auch für die Prüfung von Teilen der Hauptfrage - deren Beantwortung unter Anwendung ausländischer Sachvorschriften durchaus rechtlich schwierig sein kann - im Ergebnis sinnvoll ist; darüber hinaus könnte eine solche einschränkende Auslegung zu vielfältigen Zuständigkeitsstreitigkeiten wegen der dann erforderlichen Abgrenzung von Teil- zu Hauptfragen führen, die möglichst zu vermeiden sind (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.)."

Nach erneuter Überprüfung kann sich der Senat dieser Argumentation nicht verschließen und gibt seine bisherige Auffassung auch mit dem Ziel einer Vereinheitlichung der Rechtsprechung auf.

Der Ehe- und Familienkodex der Ukraine vom 20.06.1969 in der Fassung vom 30.01.1996 regelt in den Artikeln 104 ff den Kreis der Zustimmungsverpflichteten in die Adoption von Kindern (abgedruckt bei Bergmann/ Ferid /Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Ukraine; vgl. dort auch Abschnitt III, Ziffern 45, 50 der Verordnung des Bildungsministeriums der Ukraine über die Freigabe von Kindern mit ukrainischer Staatsangehörigkeit für die Adoption durch ukrainische und ausländische Staatsbürger sowie über die Kontrolle ihrer Lebensbedingungen in den Familien der Adoptiveltern vom 30.07.1996: Danach bedarf die Adoption von Kindern mit ukrainischer Staatsangehörigkeit und einem Wohnsitz außerhalb der Ukraine durch ausländische Staatsbürger der Genehmigung oder vorheriger Zustimmung des Zentrums).

Da also im vorliegenden Fall auch ausländische Sachvorschriften zur Anwendung kommen, ist gemäß § 43b Abs. 2 Satz 2 FGG, § 5 Abs. 1 Satz 1 AdWirkG das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - am Sitz des Oberlandesgerichts örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Annehmende seinen Wohnsitz hat, hier also das Amtsgericht Hamm.

Ende der Entscheidung

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