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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 16.05.2002
Aktenzeichen: 15 W 104/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 891
BGB § 1155
1) Hat das Grundbuchamt bei einer Eigentümerbriefgrundschuld eine Rangänderung eingetragen, ohne sich den Grundschuldbrief vorlegen zu lassen, so wird das Grundbuch unrichtig, wenn die Grundschuld außerhalb des Grundbuchs abgetreten worden war.

2) An die Eintragung des die Rangänderung bewilligenden Berechtigten der Grundschuld im Grundbuch kann sich in diesem Fall kein gutgläubiger Erwerb des Rangvorrechts zugunsten des Berechtigten eines später bestellten Grundpfandrechts anschließen.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 W 104/02 OLG Hamm

In der Grundbuchsache

betreffend das im Grundbuch von eingetragene Grundstück Gemarkung Flur 73, Flurstück 143,

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 16. Mai 2002 auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) vom 18. Februar 2002 gegen den Beschluß der 11. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 07. Dezember 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Gammelin und die Richter am Oberlandesgericht Budde und Engelhardt

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, den auf die einstweilige Anordnung des Senats vom 13.03.2002 am 15.03.2002 eingetragenen Amtswiderspruch als endgültig zu kennzeichnen.

Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 102.258,38 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Als Eigentümer des vorbezeichneten Grundstücks ist Herr B. In Essen eingetragen. Dieser bestellte in notarieller Urkunde vom 17.04.1996/UR-Nr. 514/1996 Notar) eine Eigentümerbriefgrundschuld an dem Grundstück, die am 24.04.1996 in Abt. III Nr. 16 des Grundbuchs eingetragen wurde. In notariell beglaubigter Erklärung ebenfalls vom 17.04.1996 (UR-Nr. 1996 Notar) trat Herr E die Grundschuld an den Beteiligten zu 2) sowie Frau B als Gesamtgläubiger ab und ermächtigte den Notar, den zu erstellenden Grundschuldbrief an den Beteiligten zu 2) auszuhändigen. Die Abtretungserklärung und der vom Grundbuchamt gebildete Grundschuldbrief wurden dem Beteiligten zu 2) übergeben.

In notarieller Urkunde vom 17.11.1998 (UR-Nr. 1998 Notar) schloß der Grundstückseigentümer mit dem Beteiligten zu 1) einen Darlehensvertrag und bestellte ihm zur Sicherung für die Darlehensforderung eine Briefhypothek mit der Maßgabe, daß diese mit Rang vor dem Recht Abt. III Nr. 16 eingetragen werden sollte. Das Grundbuchamt hat daraufhin am 03.12.1998 diese Hypothek in Abt. III Nr. 17 mit Rang vor dem Recht Abt. III Nr. 16 eingetragen; einen entsprechenden Rangvermerk hat es in der Veränderungsspalte zum Recht Abt. III Nr. 16 eingetragen. Den Grundschuldbrief für das Recht Abt. III Nr. 16 hat sich das Grundbuchamt vor dieser Eintragung nicht vorlegen lassen.

Der Beteiligte zu 2) hat mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 12.05.2000 gegen die erfolgte Eintragung der Hypothek Abt. III Nr. 17 mit Vorrang vor dem Recht Abt. III Nr. 16 Widerspruch erhoben und seine Berechtigung hinsichtlich dieses Rechts durch die Vorlage der Abtretungserklärung vom 17.04.1996 und des Grundschuldbriefes dargelegt. Das Grundbuchamt hat daraufhin am 26.05.2000 in der Veränderungsspalte einen Amtswiderspruch gegen die Eintragung des Vorrangs des Rechtes Abt. III Nr. 17 vor dem Recht Abt. III Nr. 16 zugunsten des Beteiligten zu 2) und Frau B als Gesamtgläubiger des Rechts Abt. III Nr. 16 eingetragen.

Gegen diese Eintragung hat der Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 21.07.2000 Beschwerde mit dem Ziel der Löschung des Amtswiderspruchs eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe den Vorrang des Rechts Abt. III Nr. 17 vor dem Recht Abt. III Nr. 16 gutgläubig erworben, weil die bereits erfolgte Abtretung des Briefrechts aus dem Grundbuch zum Zeitpunkt der Eintragung der Hypothek nicht ersichtlich gewesen sei. Das Grundbuchamt hat der Beschwerde mit Verfügung vom 25.07.2000 nicht abgeholfen. Der Beteiligte zu 2) ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.

Das Landgericht hat durch Beschluß vom 07.12.2000 das Grundbuchamt angewiesen, den am 26.05.2000 eingetragenen Amtswiderspruch zu löschen. Diese Löschung hat das Grundbuchamt am 08.02.2001 durchgeführt.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2), die er mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 18.02.2002 bei dem Landgericht mit dem Ziel der erneuten Eintragung eines Amtswiderspruchs eingelegt hat.

Der Senat hat durch Beschluß vom 13.03.2002 das Grundbuchamt im Wege der einstweiligen Anordnung angewiesen, einen vorläufigen Amtswiderspruch mit dem Inhalt des ursprünglich am 26.05.2000 eingetragenen im Grundbuch einzutragen; das Grundbuchamt hat diese Eintragung am 15.03.2002 vorgenommen.

II.

Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 78, 80 GBO statthaft sowie formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 2) folgt daraus, daß das Landgericht das Grundbuchamt angewiesen hat, die ihn begünstigende Eintragung des Amtswiderspruchs zu löschen. Die anweisungsgemäß durchgeführte Löschung des Amtswiderspruchs kann zwar als solche nicht mehr rückgängig gemacht werden. Gleichwohl ist eine weitere Beschwerde mit dem Ziel der erneuten Anweisung an das Grundbuchamt zur Eintragung eines Amtswiderspruchs zulässig, der ohne eine entsprechende Entscheidung des Rechtsmittelgerichts die Bindungswirkung der Entscheidung des Landgerichts entgegenstünde.

In der Sache ist das Rechtsmittel begründet, weil die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 78 S. 1 GBO).

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde des Beteiligten zu 1) gegen die Eintragung des Amtswiderspruchs gem. § 71 Abs. 1 GBO ausgegangen. Da ein Widerspruch einen gutgläubigen Erwerb nicht vermitteln kann, scheidet eine Beschränkung des Beschwerdeziels nach § 71 Abs. 2 GBO aus.

In der Sache hält die Entscheidung des Landgerichts nicht in allen Punkten rechtlicher Nachprüfung stand.

Nach § 53 Abs. 1 S. 1 GBO ist von Amts wegen einen Widerspruch im Grundbuch einzutragen, wenn sich ergibt, daß das Grundbuchamt eine Eintragung unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist. Rechtlich zutreffend hat das Landgericht angenommen, daß die Eintragung des Rangrücktritts des Rechtes Abt. III Nr. 16 gegenüber dem gleichzeitig neu eingetragenen Recht Abt. III Nr. 17 unter Verletzung der §§ 41, 42 GBO erfolgt ist. Nach diesen Vorschriften soll eine Eintragung bei einem Briefgrundpfandrecht nur vorgenommen werden, wenn der Brief vorgelegt wird. Um eine Eintragung in diesem Sinne handelt es sich insbesondere auch bei einer Rangänderung gem. § 880 BGB (Weber in Bauer/von Oefele, GBO, § 41, Rdnr. 11, Demharter, GBO, 24. Aufl., § 41, Rdnr. 4), die der Sache nach hier in der notariellen Urkunde vom 17.11.1998 vereinbart ist. Das Grundbuchamt hätte deshalb ohne die Briefvorlage die Eintragung nicht vornehmen dürfen. Die Vorschrift des § 41 Abs. 1 S. 1 GBO hat zwar nur eine Ordnungsfunktion, so daß ihre Verletzung als solche nicht zur Unrichtigkeit der Eintragung im Grundbuch führt (KG OLGE 8, 318, 319). Jedoch hat das Grundbuchamt bei der Bewilligung einer Rangänderung die Verfügungsberechtigung desjenigen zu prüfen, der die Erklärung abgibt. Da das Briefrecht gem. § 1154 BGB außerhalb des Grundbuchs übertragen werden kann, ist die Vorlage des Briefes zur Prüfung der Verfügungsberechtigung zwingend erforderlich (Demharter, a.a.O., § 41, Rdnr. 1).

Durch die Eintragung der Rangänderung ist das Grundbuch auch unrichtig geworden. Materiell-rechtlich setzt die Rangänderung neben der Eintragung im Grundbuch die dingliche Einigung mit dem Berechtigten des zurücktretenden Rechts voraus (§ 880 Abs. 2 S. 1 BGB). Daran fehlt es hier, weil der im Grundbuch eingetragene Inhaber der Grundschuld diese bereits zuvor an den Beteiligten zu 2) und Frau B gem. §§ 1192, 1154 BGB wirksam abgetreten hatte. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kommt auch im Hinblick darauf, daß der Grundstückseigentümer B im Grundbuch noch als Inhaber der Grundschuld eingetragen war, ein gutgläubiger Erwerb des Vorrangs des Rechts Abt. III Nr. 17 nicht in Betracht. Denn an die Eintragung des Berechtigten im Grundbuch kann sich bei einem Briefgrundpfandrecht ein gutgläubiger Erwerb nicht anknüpfen, weil in Ansehung der Gläubigerstellung die Vermutungswirkung aus § 1155 BGB vorrangig zu beachten ist. Nach dieser Vorschrift finden zugunsten des Besitzers eines Grundschuldbriefs, dessen Gläubigerrecht sich aus einer zusammenhängenden, auf einen eingetragenen Gläubiger zurückführenden Reihe von öffentlich beglaubigen Abtretungerklärungen ergibt, die Vorschriften der §§ 891 bis 899 BGB in gleicher Weise Anwendung, wie wenn der Besitzer des Briefes als Gläubiger im Grundbuch eingetragen wäre. Der in dieser Weise legitimierte Besitzer des Grundschuldbriefes gilt also fiktiv als im Grundbuch eingetragener Berechtigter. Die Vermutungswirkung des § 891 BGB gilt also ausschließlich für den im Sinne des § 1155 BGB Ausgewiesenen, so daß sich an die Verfügung des im Grundbuch eingetragenen Berechtigten zwangsläufig ein gutgläubiger Erwerb nicht anschließen kann. Darauf beruht es, daß das Grundbuchamt die Bewilligungsberechtigung bei einem Briefgrundpfandrecht nur feststellen kann, wenn der Brief und ggf. die auf den eingetragenen Grundschuldgläubiger zurückgehende Kette von öffentlich-beglaubigten Abtretungserklärungen vorlegt wird. Im vorliegenden Fall sind der Beteiligte zu 2) und Frau B die im Sinne des § 1155 BGB legitimierten Gläubiger der Briefgrundschuld Abt. III Nr. 16. Ein gutgläubiger Erwerb zu ihren Lasten durch die Verfügung des noch eingetragenen Grundschuldgläubigers ist ausgeschlossen.

Nach derzeitigem Sachstand kann allerdings nicht völlig ausgeschlossen werden, daß der Beteiligte zu 1) die Darlehensforderung und mit ihr die Hypothek Abt. III Nr. 17 außerhalb des Grundbuchs übertragen hat (§ 1154 BGB) und dadurch hinsichtlich des Rangs der Hypothek gem. § 892 Abs. 1 S. 1 BGB ein gutgläubiger Erwerb stattgefunden hat. Dies könnte abschließend nur geprüft werden, wenn der Hypothekenbrief für das Recht Abt. IM Nr. 17 vorgelegt wird, was bislang nicht geschehen ist. Allerdings kann im allgemeinen ein Amtswiderspruch nach § 53 Abs. 1 S. 1 GBO nur eingetragen werden kann, wenn glaubhaft ist, daß die Unrichtigkeit des Grundbuchs zur Zeit der Eintragung des Amtswiderspruchs fortbesteht (Demharter, a.a.O., § 53, Rdnr. 28). Gleichwohl steht dieser Gesichtspunkt der Eintragung des Amtswiderspruchs hier nicht entgegen. Denn nach § 53 Abs. 2 S. 1 GBO bedarf es zur Eintragung eines Amtswiderspruchs nicht der Vorlage des Hypothekenbriefes, wenn der Widerspruch den in § 41 Abs. 1 S. 2 GBO bezeichneten Inhalt hat. Im Sinne dieser Vorschrift ist die Hypothek auch dann unrichtig eingetragen, wenn ihr Rang unrichtig verlautbart ist (KG JFG 7, 408, 410). In diesem Zusammenhang bewirkt die Vorschrift des § 53 Abs. 2 S. 1 GBO, daß da« Grundbuchamt bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Eintragung eines Amtswiderspruchs vorliegen, die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs außer Betracht zu lassen hat, sofern der Brief nicht vorliegt (BayObLGZ 1995, 399, 406; Meikel/Streck, Grundbuchrecht, 8. Aufl., § 53, Rdnr. 131). Unabhängig davon bleibt das Grundbuchamt gem. § 62 Abs. 3 S. 2 GBO verpflichtet, den Beteiligten zu 1) zur Vorlage des Hypothekenbriefes anzuhalten, um durch nachträgliche Eintragung des Vermerkes die Übereinstimmung zwischen dem Inhalt des Briefes und dem Grundbuch herzustellen.

Da aufgrund der einstweiligen Anordnung des Senats zwischenzeitlich ein vorläufiger Widerspruch gegen die Eintragung des Vorrangs des Rechts Abt. III Nr. 17 vor dem Recht Abt. III Nr. 16 bereits eingetragen ist, konnte der Senat sich bei seiner abschließenden Entscheidung auf die Anweisung an das Grundbuchamt beschränken, den Widerspruch in der Veränderungsspalte als endgültig zu kennzeichnen. Denn bereits dem vorläufigen Widerspruch kommen dieselben Rechtswirkungen wie einem abschließend eingetragenen Amtswiderspruch zu (RGZ 113, 223, 234; Senatsbeschluß vom 13.07.1989 - 15 W 154/89).

Die Wertfestsetzung für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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