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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 15.01.2004
Aktenzeichen: 15 W 106/03
Rechtsgebiete: WEG, InsO


Vorschriften:

WEG § 23 Abs. 4
InsO § 80
Ein nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens von dem Insolvenzschuldner gestellter Antrag ist unwirksam und kann die Beschlußanfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 WEG auch dann nicht wahren, wenn der Insolvenzverwalter das Wohnungseigentum nach Fristablauf freigibt.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 W 106/03 OLG Hamm

In der Wohnungseigentumssache

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 15. Januar 2004 auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 10. März 2003 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hagen vom 24. Januar 2003 durch

beschlossen:

Tenor:

Unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen wird auf die Erstbeschwerde des Beteiligten zu 1) die Kostenentscheidung des Amtsgerichts teilweise abgeändert:

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Der Beteiligte zu 1) trägt die im Rechtszug dritter Instanz entstandenen Gerichtskosten und außergerichtlichen Auslagen der Beteiligten zu 2) bis 8) nach einem Gegenstandswert von 3058,60 EUR.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1) bis 8) bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft K-Straße in L, die von der Beteiligten zu 9) verwaltet wird.

Über das Vermögen des Beteiligten zu 1) wurde am 8. März 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt B zum Insolvenzverwalter bestellt.

Mit Schreiben vom 26. November 2001 lud die Beteiligte zu 9) den Beteiligten zu 1) - nicht aber den Insolvenzverwalter - zur Wohnungseigentümerversammlung am 12. Dezember 2001. Dieser Termin wurde mit Schreiben vom 6. Dezember 2001 auf den 13. Dezember 2001 verlegt. Unter Tagesordnungspunkt (TOP) 3 und 4 genehmigte die Versammlung mehrheitlich gegen die Stimme des Beteiligten zu 1) die Wohngeldabrechnung für das Jahr 2000 und erteilte der Beteiligten zu 9) unter TOP 5 die Entlastung.

Diese Beschlüsse hat der Beteiligte zu 1) mit am 11. Januar 2001 bei dem Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz vom Vortag angefochten, und mit Schriftsatz vom 12. Juni 2002 hilfsweise beantragt festzustellen, dass die vorbezeichneten Beschlüsse nichtig seien. Am 8. März 2002 hat der Insolvenzverwalter das Wohnungseigentum des Beteiligten zu 1) aus dem Insolvenzbeschlag frei gegeben.

Mit Beschluss vom 2. Oktober 2002 hat das Amtsgericht den Antrag des Beteiligten zu 1) kosten- und auslagenpflichtig zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat am 22. Januar 2003 mit den Beteiligten in öffentlicher Sitzung vor der voll besetzten Zivilkammer verhandelt. Es hat sodann durch den auf der Position eines Beisitzers personell veränderten Spruchkörper am 24. Januar 2002 die Sache beraten und durch Beschluss vom selben Tag die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1) zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1), die dieser rechtzeitig mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten eingelegt hat. Mit dieser rügt er, dass das Landgericht nicht mit der Besetzung aus der mündlichen Verhandlung über die Beschwerde entschieden habe und das Sitzungsprotokoll den in der Sitzung verkündeten Beschluss, am Ende der Sitzung eine Entscheidung verkünden zu wollen, nicht enthalte. Im übrigen wiederholt der Beteiligte zu 1) seine bereits bisher geäußerten Rechtsansichten.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 WEG, 27, 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 1) folgt daraus, dass seine Erstbeschwerde keinen Erfolg gehabt hat.

Das Rechtsmittel ist in der Sache unbegründet, weil die Entscheidung des mit einer zulässigen Erstbeschwerde befasst gewesenen Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 Abs. 1 S. 1 FGG.

Ohne Erfolg rügt der Beteiligte zu 1) zunächst, das Landgericht hätte in der Besetzung aus der mündlichen Verhandlung über seine Beschwerde entscheiden müssen.

Ein Verstoß gegen § 551 Nr. 1 ZPO, i.V.m. § 27 Abs. 1 S. 2 FGG liegt nicht vor, auch wenn das LG in anderer Besetzung als in der mündlichen Verhandlung entschieden hat. Entscheidungen in Wohnungseigentumssachen ergehen, anders als im Zivilprozess (vgl. § 309 ZPO), nicht "aufgrund mündlicher Verhandlung". § 309 ZPO ist im Wohnungseigentumsverfahren weder direkt noch entsprechend anwendbar (KG NJW-RR 1994, 278). Es ist daher nicht erforderlich, dass die Entscheidung von den Richtern getroffen wird, die an der mündlichen Verhandlung teilgenommen haben (BayObLG ZMR 2001, 472; BayOblGReport 2002, 119f; Merle in Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9.Aufl., § 44 Rdn. 26). Der Beteiligte zu 1) kann sich auch nicht darauf berufen, die Beschwerdekammer habe nicht ohne erneute mündliche Verhandlung entscheiden dürfen, weil sich die am Beschluss mitwirkenden Richter einen unmittelbaren Eindruck von der Glaubwürdigkeit der Beteiligten hätten machen müssen. Darauf kam es vorliegend nicht an, weil die Entscheidung nicht Ergebnis einer aus dem unmittelbaren Eindruck von Zeugen oder Beteiligten getroffenen Beweiswürdigung ist (vgl. BayObLG WuM 1994, 640 [642]). Das Landgericht hat seine Entscheidung vorliegend nicht auf eventuell in der mündlichen Verhandlung gewonnene Eindrücke über die Glaubwürdigkeit von Beteiligten, sondern auf eine rechtliche Beurteilung des in den entscheidenden Punkten unstreitigen schriftsätzlichen Sachvortrages der Beteiligten gestützt. In diesem Fall ist ein Wechsel in der Besetzung des Beschwerdegerichts unschädlich. Denn den Akteninhalt kann auch ein Richter nachvollziehen, der an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen hat.

Gleichfalls ohne Erfolg rügt der Beteiligte zu 1), die Kammer habe entgegen dem in der Sitzung verkündeten Beschluss seine Entscheidung nicht am Ende der Sitzung getroffen. Dies gilt schon deshalb, weil nach dem Inhalt des mit voller Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde versehenen Protokolls und der gleichlautenden Stellungnahme des Kammervorsitzenden ein die Verkündung einer Entscheidung betreffender Beschluss in der Sitzung nicht ergangen ist.

Das Landgericht hat die Beschlussanfechtungsanträge des Beteiligten zu 1) als unbegründet zurückgewiesen, weil der Beteiligte zu 1) die Beschlussanfechtungsantrag nicht innerhalb der materiell-rechtlichen Ausschlussfrist des § 23 Abs. 4 WEG bei dem Amtsgericht gestellt habe. Zwar sei der Antrag des Beteiligten zu 1) noch innerhalb eines Monats nach Beschlussfassung durch die Eigentümergemeinschaft bei dem Amtsgericht eingegangen. Zur Stellung dieses Antrags sei der Beteiligte zu 1) aber nicht befugt gewesen, weil mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen am 8. März 2001 die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Wohnungseigentum gem. § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter übergegangen sei. Von diesem Zeitpunkt an sei nicht mehr der Beteiligte zu 1), sondern B als Insolvenzverwalter zur Anfechtung der Beschlüsse der Eigentümerversammlung gem. § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG berechtigt gewesen. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis und damit sein Antragsrecht habe der Beteiligte zu 1) erst mit der am 8. März 2003 durch den Insolvenzverwalter erfolgten Freigabe des Wohnungseigentums aus dem Insolvenzbeschlag mit ex-nunc Wirkung wiedererlangt. Da in diesem Zeitpunkt die Anfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 S. 2 WEG bereits verstrichen gewesen sei, sei der Antrag des Beteiligten zu 1) als unbegründet zurückzuweisen gewesen.

Diese von dem Landgericht unter Hinweis auf die einschlägigen Zitatstellen in Literatur und Rechtsprechung gemachten Ausführungen halten den in einer bloßen Wiederholung der bisherigen Rechtsauffassungen sich erschöpfenden Angriffen der Beschwerdebegründung stand und lassen auch darüber hinaus keinen Rechtsfehler erkennen.

Die Anfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 S. 2 WEG ist keine Verfahrensvoraussetzung, sondern eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist (BGHZ 139, 305 = NJW 1998, 3648; BayObLG NJW-RR 1990, 210). Sie wird mit der Einreichung eines hinreichend bestimmten Antrages bei Gericht gewahrt, wenn die Zustellung innerhalb der Monatsfrist oder doch zumindest "demnächst" i.S.d. § 167 ZPO erfolgt. Voraussetzung ist allerdings stets, dass der Antrag von dem hierzu Berechtigten gestellt wird. Im Zeitpunkt der Einreichung der Antragsschrift bei dem Amtsgericht am 11. Januar 2001 war der Beteiligte zu 1) nicht zur Anfechtung der von der Eigentümergemeinschaft gefassten Beschlüsse berechtigt. Denn gem. § 80 InsO war die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Beteiligten zu 1) über sein Vermögen - und damit auch über das Wohnungseigentum - mit der am 8. März 2001 erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter B übergegangen. Die Berechtigung zur Anfechtung der von der Wohnungseigentümergemeinschaft gefassten Beschlüsse hat der Beteiligte zu 1) erst am 8. März 2002 mit der Freigabe des Wohnungseigentums aus dem Insolvenzbeschlag zurück erlangt. Dieser Umstand wirkt nicht zurück auf den Zeitpunkt der Einreichung der Antragsschrift mit der Folge, dass die Beschlussanfechtung als durch einen Berechtigten erfolgt anzusehen wäre.

Gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung u.a. durch die Erhebung der Klage gehemmt. Für diesen Bereich ist anerkannt, dass nur die Klage eines Berechtigten diese Wirkung herbeiführen kann. Entscheidend ist dabei nicht, dass der die Klage Erhebende der Rechtsinhaber ist, sondern dass dieser die Befugnis zur klageweise Geltendmachung des Anspruchs besitzt (Palandt-Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 204, Rdn. 9; BGH LM § 209 Nr. 13). Diese Grundsätze sind auf die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 23 Abs. 4 S. 2 WEG entsprechend anwendbar. Die Frage der Anwendbarkeit von Verjährungsvorschriften auf Ausschlussfristen lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall nach Sinn und Zweck der jeweiligen Vorschrift entscheiden (Palandt-Heinrichs, a.a.O., vor § 194, Rdn. 14 m.w.N.). Die materiell-rechtliche Ausschlussfrist unterscheidet sich von der Verjährung nur dadurch, dass bei der von Amts wegen zu beachtenden Ausschlussfrist das Recht mit dem Fristablauf endet, während die Verjährung nur ein auf Einrede hin zu berücksichtigendes Leistungsverweigerungsrecht begründet, § 214 BGB. Wenn somit bereits bei der Verjährung nur die Klageerhebung durch den Berechtigten zur Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB führt, so kann dies für den Bereich der im gerichtlichen Verfahren jeglicher Disposition der Parteien entzogenen Ausschlussfristen nicht anders beurteilt werden.

Mit ebenfalls zutreffenden Ausführungen hat das Landgericht auch die Zurückweisung des Hilfsantrages durch das Amtsgericht bestätigt. Wenn auch der Insolvenzverwalter nicht zu der Eigentümerversammlung geladen worden und diese Versammlung unter Nichteinhaltung der einwöchigen Einberufungsfrist abgehalten worden ist, vermag dies nach der von dem Senat geteilten Auffassung des Landgerichts nicht die Nichtigkeit der in dieser Versammlung gefassten Beschlüsse, sondern nur deren Anfechtbarkeit zu begründen (vgl. Merle in Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 24, Rdn. 32, 37 m.w.N.). Zuzustimmen ist dem Landgericht mit der in dem angefochtenen Beschluss gegebenen Begründung letztlich auch darin, dass die zu den TOP 3, 4 und 5 der Eigentümerversammlung vom 13. Dezember 2001 gefassten Beschlüsse lediglich anfechtbar und nicht nichtig sind.

Einer Abänderung unterlag die angefochtene Entscheidung lediglich insoweit, als das Landgericht die Kostenentscheidung des Amtsgerichts hinsichtlich der Anordnung der Erstattung der außergerichtlichen Auslagen hat fortbestehen lassen. Da das Landgericht eine Erstattung außergerichtlicher Auslagen für das Erstbeschwerdeverfahren mit Blick auf den sich aus § 47 S. 2 WEG ergebenden Grundsatz, wonach jede Partei die ihr entstandenen außergerichtlichen Auslagen selbst trägt, abgelehnt hat, spricht einiges dafür, dass eine Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung im Kostenpunkt lediglich infolge eines Versehens unterblieben ist. Diese Korrektur hat der Senat mit der vorliegenden Entscheidung nachgeholt.

Da das Rechtsmittel ohne Erfolg bleibt, entspricht es der Billigkeit, dass der Beteiligte zu 1) die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde zu tragen hat (§ 47 S. 1 WEG). Darüber hinaus hat der Senat dem Beteiligten zu 1) auch die den Beteiligten zu 2) bis 8) im Verfahren dritter Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten auferlegt. Grundsätzlich haben zwar die Beteiligten im Verfahren nach dem WEG ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen. Hier liegen jedoch besondere Umstände vor, die eine Ausnahme von diesem Grundsatz rechtfertigen. Amts- und Landgericht haben ihre jeweiligen Entscheidungen ausführlich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht begründet. Die Überprüfung der Entscheidung des Landgerichts von Amts wegen hat in der Sache keinerlei Rechtsfehler ergeben. Auch die Verfahrensrügen waren erkennbar nicht geeignet, die Richtigkeit der getroffenen Entscheidung in Frage zu stellen. Unter diesen Umständen ist es gerechtfertigt, dass der Beteiligte zu 1) auch die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 2) bis 8) zu tragen hat, die er durch sein Rechtsmittel veranlaßt hat.

Die Wertfestsetzung für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde beruht auf § 48 Abs. 3 WEG. Sie folgt der unbeanstandet gebliebenen Wertfestsetzung der landgerichtlichen Entscheidung.

Ende der Entscheidung

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