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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 05.01.2004
Aktenzeichen: 15 W 153/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 10 Abs. 1
WEG § 22 Abs. 1
Die Bezeichnung des Sondereigentums in der Teilungserklärung als "später zu Wohnzwecken dienende Räume im Dachgeschoß" kann nicht dahin ausgelegt werden, dass sie dem betreffenden Sondereigentümer ein Ausbaurecht einräumt, umfassend alle Eingriffe in das Gemeinschafts- oder gar Sondereigentum anderer Wohnungseigentümer durchführen zu können, sofern sie nur erforderlich sind, um baubehördlichen Auflagen für die Aufnahme einer Wohnnutzung des Dachgeschoßraums (insbesondere im Hinblick auf den Feuerschutz) zu entsprechen.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 W 153/03 OLG Hamm

In der Wohnungseigentumssache

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 5. Januar 2004 auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 3. April 2003 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hagen vom 21. Februar 2003

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beteiligten zu 1) werden die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde auferlegt.

Eine Erstattung außergerichtlicher Auslagen findet nicht statt.

Der Geschäftswert wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Miteigentümer der eingangs genannten Anlage. Die Beteiligte zu 1) ist Eigentümerin des im Dachgeschoss gelegenen Teileigentums, das in § 2 der Teilungserklärung vom 5.10.1982, ergänzt und geändert durch die Erklärung vom 27.6.1983 bezeichnet ist als

"Nutzfläche:

4. 169,235/1000 Miteigentumsanteil

später zu Wohnzwecken dienende Räume im Dachgeschoß, Nr. 4 des Aufteilungsplanes, groß 80,16 qm, verbunden mit dem Kellerraum Nr. 4 des Aufteilungsplanes."

Dieses Eigentum hat sie im Jahr 1988 von der Sparkasse W erworben, nachdem diese es zuvor im Zwangsversteigerungsverfahren ersteigert hatte. Zu dieser Zeit war das Teileigentum bereits zu einer Wohnung ausgebaut und ist seitdem als solche genutzt worden.

Die Beteiligte zu 1) begehrt im vorliegenden Verfahren von den übrigen Mitgliedern der Anlage die Zustimmung zur Durchführung einzelner Baumaßnahmen, um ihr Sondereigentum entsprechend der Baugenehmigung der Stadt H vom 20.12.1999 als Wohnung nutzen zu dürfen. Die Kosten für den Umbau einschließlich der Kosten für den Bauleiter und die Erstellung einer Prüfstatik und der Hotelübernachtung für die Bewohner der Wohnung im 2. Obergeschoss für 3 Tage belaufen sich nach einer Aufstellung des Architekten X aus Februar 2000 auf 46.342,00 DM (in diesem Betrag sind auch Kosten in Höhe von 4.500,00 DM für einen von der Baubehörde nicht geforderten Rauchabzug im Treppenhaus enthalten). Die Arbeiten umfassen nach dieser Aufstellung iVm. den Auflagen im Wesentlichen

1. die feuerbeständige Bekleidung der Mittelfette innerhalb der Wohnung und des Treppenhauses,

2. die Beplankungen der Holztreppenunterseiten im Treppenhaus mit nicht brennbaren Baustoffen,

3. das Spachteln der Fugen und Anschlüsse und das anschließende Tapezieren der Wände des Treppenhauses bis zur Dachhaut,

4. den Einbau von zwei Dachflächenfenstern mit mind. 1 m² Öffnung,

5. die Errichtung eines Rettungspodests mit Absturzsicherung auf dem Dach als Gitterrost,

6. die Beplankung der Decke des 2. Obergeschosses (ca. 100 m²) und deren anschließende Tapezierung,

7. den Einbau einer neuen rauchdichten und selbstschließenden Wohnungseingangstür mit Rauchmelder

8. den Einbau einer neuen rauchdichten und selbstschließenden Kellertür.

Die Beteiligte zu 1) hat beantragt, die Beteiligten zu 2) bis 4) zu verpflichten, der Durchführung der Baumaßnahmen zuzustimmen, die die Stadt H mit ihrer Baugenehmigung vom 20.12.1999 für den Ausbau des Dachgeschosses zu einer Wohnung fordert.

Die Beteiligten zu 2) bis 4) sind diesem Antrag entgegengetreten. Sie haben geltend gemacht, der gestellte Antrag sei unzulässig, weil sich aus ihm nicht die durchzuführende Baumaßnahme ergebe und auch nicht, ob sich die Maßnahme auf das Sondereigentum der Beteiligten zu 1) oder anderer Beteiligter oder das Gemeinschaftseigentum beziehe. Darüber hinaus fehle es an einer Anspruchsgrundlage.

Das Amtsgericht und das Landgericht haben den Antrag der Beteiligten zu 1) abgelehnt. Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die rechtzeitig eingelegte sofortige weitere Beschwerde.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Darstellung in der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG, 45 Abs.1 WEG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) ergibt sich daraus, dass ihre erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache hat die weitere Beschwerde keinen Erfolg, weil die Entscheidung des Landgerichts im Ergebnis richtig ist, § 27 FGG.

Nicht gefolgt werden kann der Ansicht des Landgerichts, die Beteiligte zu 1) könne von den übrigen Beteiligten die Zustimmung zu den umfangreichen Umbauarbeiten nicht verlangen, weil das ihr gehörende Sondereigentum nach dem Grundbuchinhalt nicht Wohnungseigentum sei und sie keinen Anspruch auf Umwandlung ihres Teileigentums in Wohnungseigentum habe. Dabei hat das Landgericht nämlich übersehen, dass ein Teileigentum jedenfalls dann, wenn die übrigen Miteigentümer zustimmen, auch zu Wohnzwecken genutzt werden kann. Vorliegend ist durch die geänderte und im Grundbuch eingetragene Teilungserklärung zum Inhalt des Sondereigentums der Beteiligten zu 1) gemacht worden, dass dieses "später Wohnzwecken dienen" darf. Eine solche Verbindung eines Teileigentums mit Elementen des Wohnungseigentums ist rechtlich unbedenklich zulässig (Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 1 Rn. 29). Damit ist die Beteiligte zu 1) berechtigt, ihr Teileigentum zu Wohnzwecken zu nutzen.

Die Entscheidung des Landgerichts kann daher keinen Bestand haben. Einer Aufhebung bedarf es indes nicht, weil sich die Entscheidung aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist, §§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, 561 ZPO.

Nach § 22 Abs. 1 WEG können bauliche Veränderungen, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, nicht gemäß § 21 Abs. 4 WEG verlangt werden. Die Zustimmung eines Wohnungseigentümers ist aber nur insoweit erforderlich, als durch die Veränderung dessen Rechte über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Nicht erfasst werden von § 21 WEG bauliche Veränderungen, die sich auf den Bereich des Sondereigentums beschränken, insoweit setzt allein § 14 Nr. 1 Schranken (BayObLG WuM 1995, 731).

Soweit die Beteiligte zu 1) beabsichtigt, das Dach gemäß der von ihr vorgelegten Aufstellung des Architekten X in der Weise auszubauen, dass ein Rauchabzug errichtet, zusätzliche Dachflächenfenster eingebaut und ein Rettungspodest auf dem Dach erstellt werden sollen, handelt es sich zweifelsfrei um zustimmungspflichtige bauliche Veränderungen. Durch diese Maßnahmen wird das Gemeinschaftseigentum in Abweichung vom Zustand bei Entstehung des Wohnungseigentums gegenständlich umgestaltet und das äußere Erscheinungsbild verändert (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 62. Aufl., § 22 Rn. 1). Sie können nach der Generalklausel des § 22 Abs. 1 S. 2 WEG in Verbindung mit § 14 Nr. 1 WEG gegen den Willen anderer Wohnungseigentümer nur verwirklicht werden, soweit diesen kein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil erwächst. Hierzu gehört jede nicht ganz unerhebliche (§ 242 BGB), an objektiven Maßstäben zu bewertende Beeinträchtigung (BGHZ 116, 392 = NJW 1992, 978; BayObLG WuM 1994, 565; KG FGPrax 2000, 217 = NZM 2001, 341; Senat WuM 1995, 220; OLG Zweibrücken FGPrax 1999, 220). Die genannten Dachausbauten stellen einen Eingriff in die Dachkonstruktion dar und bedeuten für die Zukunft eine erhöhte Wartungs- und Reparaturanfälligkeit (KG OLGZ 1992, 426). Darüber hinaus stellen sie, zumindest was die Errichtung eines Rettungspodestes angeht, eine optische Beeinträchtigung dar. Sie sind damit nach § 22 Abs. 1 WEG zustimmungspflichtig. Das gleiche gilt hinsichtlich der Beplankungsarbeiten an der Decke in der Wohnung der Beteiligten zu 3). Insoweit ergibt sich ergänzend aus § 3 Nr. 1 c der Teilungserklärung eine Zustimmungspflicht, weil es sich um einen Eingriff in deren Sondereigentum handelt.

Ein Wohnungseigentümer, der eine bauliche Veränderung durchführen möchte, für die eine Zustimmung anderer, nachteilig betroffener Wohnungseigentümer erforderlich ist, hat grundsätzlich keinen Anspruch auf die Erteilung der Zustimmung, es sei denn, dass sich die aus dem Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander ableitbaren Treuepflichten aufgrund außergewöhnlicher Umstände zu einer Zustimmungspflicht verdichten, § 242 BGB. Die übrigen Wohnungseigentümer können ihre Zustimmung grundsätzlich verweigern oder auch an Bedingungen oder Auflagen knüpfen (BayObLG NZM 1998, 1014; NJW 2002, 71 = FGPrax 2001, 190; Staudinger/Bub, BGB/WEG, 12. Aufl., § 22 Rn. 47, 49; Weitnauer, WEG, 8. Aufl., § 22 Rn. 13; Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 22 Rn. 113).

Ein Anspruch auf Zustimmung ergibt sich hier nicht daraus, dass nach der Teilungserklärung eine Nutzung der Räume der Beteiligten zu 1) im Dachgeschoss für Wohnzwecke vorgesehen und gestattet ist. Diese Bestimmung in der Teilungserklärung ist nach den Grundsätzen, die für alle Grundbucheintragungen gelten, auszulegen. Abzustellen ist danach auf den Wortlaut, aber auch den Sinn und Zweck der Regelung, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung ergibt (vgl. Palandt/Bassenge, a.a.O., § 10 Rn. 7 mit weiteren Nachweisen). Maßgeblich ist daher vorliegend insbesondere die Sicht eines Dritten, der in die Gemeinschaft eintritt und anhand der Regelung in der Teilungserklärung sich ein Bild verschaffen will, welche Maßnahmen er aufgrund der zulässigen Wohnnutzung des Teileigentums durchführen darf bzw. hinnehmen muss. Unter Anlegung dieser Maßstäbe ist die Ergänzung des § 2 der Teilungserklärung dahin auszulegen, dass die dem Eigentümer der Räume Nr. 4 des Aufteilungsplans gewährte Gestattung, seine Räume als Wohnung zu nutzen, die übrigen Miteigentümer nur dazu verpflichtet, die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse, die bei der Begründung des Wohnungseigentums bzw. der Änderung der Teilungserklärung vorlagen, hinzunehmen, d.h. insbesondere das Recht des Eigentümers des Teileigentums Nr. 4 zu respektieren, dieses unter Berücksichtigung der damaligen baulichen Gegebenheiten zu Wohnzwecken zu nutzen. Hierzu gehörte auch die Pflicht, es hinzunehmen, dass der Sondereigentümer dieses Teileigentums gewisse bauliche Maßnahmen durchführt, um es als Wohnung nutzen zu können, indem er z.B. seine Räumlichkeiten an die Versorgungsleitungen anschließt, eine Heizung und ein WC installiert oder eine Dämmung anbringt. Andererseits lässt jedoch die Teilungserklärung lediglich eine Wohnnutzung zu, ohne dem Teileigentümer ein darüber hinausgehendes Ausbaurecht einzuräumen. Bei der gebotenen objektiven Betrachtung kann die Regelung daher nicht so verstanden werden, dass dem Teileigentümer sämtliche Eingriffe in das Gemeinschafts- oder gar Sondereigentum anderer Wohnungseigentümer gestattet werden sollten, sofern sie nur erforderlich sind, um baubehördlichen Auflagen zu entsprechen. Auf bauliche Veränderungen außerhalb des räumlichen Bereichs des Teileigentums mussten sich die übrigen Wohnungseigentümer deshalb nicht einstellen.

Es ist deshalb der eigenen Risikosphäre der Beteiligten zu 1) zuzuordnen, sich die Voraussetzungen für eine baubehördliche Zulässigkeit der Wohnnutzung im Rahmen des vorhandenen Bestandes des Gemeinschaftseigentums zu beschaffen. Auf dieser Grundlage bestehen auch keine außergewöhnlichen Umstände, aus denen ausnahmsweise eine Zustimmungspflicht aus § 242 BGB hergeleitet werden könnte. Die erteilte öffentlich-rechtliche Baugenehmigung mit ihren Auflagen ist für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung. Denn sie ist unbeschadet der Rechte Dritter ergangen und hat insbesondere nicht deren Zustimmung ersetzt (allgemeine Meinung, vgl. Senat NJW-RR 1996, 971; Bärmann/Pick/ Merle, a.a.O., § 22 Rn. 118 mit weiteren Nachweisen).

Soweit die Rechte der übrigen Beteiligten durch die beabsichtigten Baumaßnahmen nicht betroffen werden - wie dies offensichtlich hinsichtlich der Verkleidung der Mittelfette im Sondereigentumsbereich der Beteiligten zu 1) und des Austausches der Wohnungseingangstür und der Kellertür zu dem Kellerraum Nr. 4 des Aufteilungsplans der Fall ist -, ist der geltend gemachte Anspruch bereits deshalb als unbegründet zurückzuweisen, weil insoweit eine Zustimmung der übrigen Beteiligten nicht erforderlich ist. Es besteht kein Anlass, den Antrag der Beteiligten zu 1) dahin auszulegen, dass er etwa auf die Feststellung gerichtet ist, dass es hinsichtlich bestimmter baulicher Maßnahmen keiner Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer bedarf. Denn der Antrag der Beteiligten zu 1) betrifft einheitlich sämtliche Maßnahmen, die zur Erfüllung baubehördlicher Auflagen erforderlich sind. An der isolierten gerichtlichen Klärung der Zulässigkeit einzelner Maßnahmen ohne Rücksicht auf einen Erfolg ihres Leistungsantrages hinsichtlich der zweifelsfrei zustimmungspflichtigen Maßnahmen hat die Beteiligte zu 1) erkennbar kein schutzwürdiges Feststellungsinteresse.

Da das Rechtsmittel nicht erfolgreich ist, entspricht es der Billigkeit, die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde der Beteiligten zu 1) aufzuerlegen, § 47 Satz 1 WEG.

Im Hinblick auf die nach § 47 Satz 2 WEG zu treffende Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten folgt der Senat der in Wohnungseigentumssachen anzuwendenden Regel, dass jeder Beteiligte seine Kosten zu tragen hat und eine Kostenerstattung nur ausnahmsweise stattfindet. Eine Ausnahme ist vorliegend aber nicht geboten.

Die Wertfestsetzung beruht auf § 48 Abs.3 WEG.

Ende der Entscheidung

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