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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 07.06.2005
Aktenzeichen: 15 W 158/05
Rechtsgebiete: ErbbauVO


Vorschriften:

ErbbauVO § 1 Abs. 2

Entscheidung wurde am 19.10.2005 korrigiert: die Rechtsgebiete und Vorschriften wurden geändert, Stichworte und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
1) Ein Erbbaurecht kann einem Grundstück mit der Maßgabe bestellt werden, dass seine Ausübung (hier: Betrieb einer Windkraftanlage) auf einen realen Grundstücksteil beschränkt wird.

2) Dem Zweck des § 1 Abs. 2 ErbbauVO zu gewährleisten, dass das Bauwerkseigentum Hauptinhalt und Hauptzweck des Erbbaurechts bleibt, wird in einem solchen Fall hinreichend Rechnung getragen, wenn das in der Vorschrift vorausgesetzte Verhältnis zwischen der überbauten Fläche und zugeordneten Nebenflächen bezogen auf die der Ausübung des Erbbaurechts unterliegende reale Grundstücksteilfläche gewahrt ist.


Tenor:

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Grundbuchamtes vom 10.02.2005 werden aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Grundbuchamt zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe: I. Der Beteiligte zu 1) ist als Eigentümer des vorgenannten Grundstücks mit einer Fläche von 31.250 qm eingetragen. Mit notariellem Vertrag vom 03.09.2004 (UR-Nr. xx/2004 Notar U in L) bestellte er der Beteiligten zu 2) an diesem Grundstück ein bis zum 30.06.2034 befristetes Erbbaurecht mit folgender Maßgabe (Ziffer II.): "Die tatsächliche Ausübung des am ganzen Grundstück bestellten Erbbaurechts ist jedoch auf eine Teilfläche von ca. 1.500 qm beschränkt. Die Vertragsteile sind sich über die Lage der Teilfläche einig. Sie ergibt sich im übrigen aus dem anliegenden Lageplan, in dem die Teilfläche orange gekennzeichnet ist." Aus den weiteren Bestimmungen der Urkunde ergibt sich, dass das Erbbaurecht dem Betrieb der auf dem Grundstück bereits errichteten Windkraftanlage einschließlich der vorhandenen Schalt-, Meß- und Transformatorenstationen dient und sich auf die nicht bebauten Flächen erstreckt, die der Erbbauberechtigte als Zufahrt, Park- und Lagerplatz nutzen darf. Der Urkunde beigefügt ist ein maßstäblicher Lageplan, aus dem sich der Standort der Windkraftanlage, der Nebenanlagen sowie der Zufahrtsfläche ergibt. Die Urkunde enthält weitere Vereinbarungen über die Bestellung eines Vorkaufsrechts an dem mit dem Erbbaurecht zu belastenden Grundstück, einer Erbbauzinsreallast an dem Erbbaurecht sowie die Löschung einer zugunsten der Beteiligten zu 2) in Abt. II Nr. 10 eingetragenen Dienstbarkeit nebst grundbuchverfahrensrechtlichen Bewilligungen und Anträgen. Der Urkundsnotar hat mit Schreiben vom 08.12.2004 unter Bezugnahme auf § 15 GBO bei dem Grundbuchamt den Vollzug der Anträge aus der Urkunde vom 03.09.2004 beantragt. Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 14.12.2004 mehrere Beanstandungen erhoben, zu deren Behebung es eine Frist bis zum 28.01.2005 gesetzt hat. Die Beanstandung zu Ziffer 2) geht dahin, es müsse dargelegt werden, dass die Nutzung des Bauwerks bezogen auf die Gesamtfläche des Grundstücks von 31.250 qm wirtschaftlich die Hauptsache darstelle. Der Urkundsnotar hat mit Schreiben vom 31.01.2005 den Standpunkt vertreten, die Prüfung gem. § 1 Abs. 2 ErbbauVO habe sich bei der vereinbarten Beschränkung der Ausübung des Erbbaurechts auf eine Teilfläche nur auf diese zu beziehen. Bezogen auf diese Teilfläche stelle die Nutzung der Windkraftanlage erkennbar die Hauptsache dar. Im Übrigen hat er zur Behebung anderer Beanstandungen weitere Urkunden vorgelegt. Durch Beschluss vom 10.02.2005 hat das Grundbuchamt sämtliche Eintragungsanträge zurückgewiesen. In den Gründen seiner Entscheidung hat es an seiner Auffassung festgehalten, § 1 Abs. 2 ErbbauVO erfordere die Feststellung, dass die Nutzung der der Ausübung des Erbbaurechts unterliegenden Teilfläche sich als Hauptsache bezogen auf das Gesamtgrundstück darstelle. Gegen diesen Beschluss haben die Beteiligten zu 1) und 2) mit Schriftsatz des Urkundsnotars vom 14.02.2005 Beschwerde eingelegt, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 01.03.2005 die Beschwerde zurückgewiesen und die sofortige weitere Beschwerde zugelassen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2), die sie mit Schriftsatz des Urkundsnotars vom 23.03.2005 bei dem Landgericht eingelegt haben. II. Die weitere Beschwerde ist als fristungebundenes Rechtsmittel ohne Rücksicht auf seine Zulassung durch das Landgericht gem. § 78 S. 1 GBO statthaft sowie gem. § 80 Abs. 1 S. 3 GBO formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) und 2) folgt bereits daraus, dass ihre erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist. Entgegen der Gestaltung des Rubrums der landgerichtlichen Entscheidung ist der Urkundsnotar nicht etwa persönlich Beteiligter des Beschwerdeverfahrens, sondern aufgrund seiner gem. § 15 GBO vermuteten Vollmacht lediglich Vertreter der Beteiligten, deren Erklärungen sowohl zur Einigung über die Bestellung des Erbbaurechts als auch zur grundbuchverfahrensrechtlichen Herbeiführung der Eintragung im Grundbuch er beurkundet hat. In der Sache ist das Rechtsmittel begründet, weil die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 78 S. 1 GBO). Die weitere Beschwerde führt zur Zurückverweisung der Sache an das Grundbuchamt. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer gem. § 71 GBO zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) ausgegangen. In der Sache hält die Entscheidung des Landgerichts indessen rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Kammer hat ihre Entscheidung dahin begründet, das Erbbaurecht sei mit seinem vereinbarten Inhalt gem. § 1 Abs. 2 ErbbauVO unzulässig. Zwar könne die tatsächliche Ausübung des Erbbaurechts dinglich auf einen realen Teil des belasteten Grundstücks beschränkt werden. Auch in einem solchen Fall sei jedoch die Vorschrift des § 1 Abs. 2 ErbbauVO bezogen auf das Gesamtgrundstück anzuwenden mit der Folge, dass das Bauwerk (hier die Windkraftanlage) wirtschaftlich die Hauptsache darstellen müsse. Davon könne indessen nicht ausgegangen werden, weil die Ausübungsfläche von 1.500 qm nur einen geringen Teil der Gesamtfläche des Grundstücks von 31.250 qm darstelle. Die Auffassung des Landgerichts widerspricht einer gefestigten Entwicklung der obergerichtlichen Rechtsprechung (BayObLGZ 1957, 221 = Rpfleger 1957, 383; 1984, 105 = Rpfleger 1984, 313; OLG Zweibrücken FGPrax 1996, 131; OLG Oldenburg DNotI-Report 1998, 109; LG Ingolstadt, MittBayNot 1992, 56), der sich der Senat bereits mehrfach angeschlossen hat (OLGZ 1972, 189; FGPrax 1998, 126). Der Standpunkt der Rechtsprechung wird auch in der Literatur weitgehend geteilt (vgl. Staudinger/Ring, BGB, 13. Bearb., § 1 ErbbauVO, Rdnr. 16; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 1 ErbbauVO, Rdnr. 1; MK/BGB-von Oefele, 4. Aufl., § 1 ErbbauVO, Rdnr. 20; von Oefele/Winkler, Handbuch des Erbbaurechts, 3. Aufl., Rdnr. 2.69; Ingenstau/Hustedt, ErbbauVO, 8. Aufl., § 1 Rdnr. 27; in diesem Sinne wohl auch zu verstehen Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 13. Aufl., Rdnr. 1693 bei FN 24). Danach kann ein Grundstück zwar rechtlich nur insgesamt mit einem Erbbaurecht belastet werden. Von einer inhaltlich unzulässigen Beschränkung der Belastung eines realen oder ideellen Grundstücksteils zu unterscheiden ist jedoch die als dinglicher Inhalt des Erbbaurechts vereinbarte Beschränkung seiner tatsächlichen Ausübung auf einen realen Grundstücksteil, gegen die keine Bedenken bestehen. So ist die Vereinbarung in den Ziff. II. des Erbbaurechtsbestellungsvertrages entgegen der Auffassung des Grundbuchamtes in seiner Nichtabhilfeentscheidung hier zu verstehen: Das Erbbaurecht ist ausdrücklich an dem gesamten grundbuchmäßig bezeichneten Grundstück bestellt worden. Lediglich die tatsächliche Ausübung des Rechts ist auf eine Teilfläche von gerundet 1.500 qm beschränkt worden, die durch Bezugnahme auf den beigefügten Lageplan hinreichend bestimmt bezeichnet worden ist. Von dieser gefestigten Rechtsprechung abzurücken, sieht der Senat keinen Anlass. Maßgebend für dieses Ergebnis sind die wie folgt zusammengefassten Gründe: Bei der Beschränkung der Ausübung des Erbbaurechts auf einen realen Grundstücksteil handelt es sich um den umgekehrten Vorgang der in § 1 Abs. 2 ErbbauVO vorausgesetzten Erstreckung der Ausübung des Erbbaurechts über die für das Bauwerk erforderlichen Grundstücksfläche hinaus auf Nebenflächen. Die rechtliche Zulässigkeit der Erstreckung auf Nebenflächen impliziert die Möglichkeit, dass die Ausübung des Erbbaurechts auf reale Teile des Grundstücks beschränkt wird. § 1 Abs. 2 ErbbauVO kann nicht dahin verstanden werden, dass die Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus auch für den Fall einer Beschränkung der Rechtsausübung auf einen realen Grundstücksteil Geltung beansprucht und damit mittelbar zum Zwang zur Abschreibung (§ 7 GBO) dieser Teilfläche führt. Für die Zulässigkeit der Vereinbarung einer Beschränkung der Ausübung des Rechts auf reale Grundstücksteile spricht, dass das Erbbaurecht sich als eine gesetzlich besonders geregelte Art der Grunddienstbarkeit darstellt, für die die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung einhellig anerkannt ist. Demzufolge kommt die entsprechende Anwendung des § 1026 BGB bei einer späteren Teilung des belasteten Grundstücks, also das Erlöschen des Erbbaurechts an einem verselbständigten Teilgrundstück in Betracht, auf das sich die Ausübung des Erbbaurechts nicht erstreckt. Der Zweck der Vorschrift des § 1 Abs. 2 ErbbauVO beschränkt sich demgegenüber darauf zu gewährleisten, dass das Bauwerkseigentum Hauptinhalt und Hauptzweck des Erbbaurechts bleibt und die Nutzungsbefugnisse an den Nebenflächen nur untergeordnete Bedeutung haben. Diesem Zweck wird hinreichend Rechnung getragen, wenn das von § 1 Abs. 2 ErbbauVO vorausgesetzte Verhältnis zwischen der überbauten Fläche und zugeordneten Nebenflächen bezogen auf die der Ausübung des Erbbaurechts unterliegenden realen Grundstücksteilflächen gewahrt ist. Daran besteht hier nach dem Inhalt des Erbbaurechtsbestellungsvertrages in Verbindung mit dem in Bezug genommenen Lageplan kein Zweifel, weil die nicht überbauten Grundstücksflächen als Zufahrt, Park- und Lagerplatz ausschließlich dem Betrieb der Windkraftanlage dienen. Die Entscheidung des Landgerichts kann daher mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Sie erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig (§§ 78 S. 2 GBO, 561 ZPO), weil weitere nicht behebbare Eintragungshindernisse, die die abschließende Zurückweisung der Eintragungsanträge rechtfertigen könnten, nicht ersichtlich sind. Der Senat hat deshalb unter Aufhebung auch der erstinstanzlichen Entscheidung die Sache an das Grundbuchamt zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen, das näher zu prüfen haben wird, ob unter Berücksichtigung der weiteren Beanstandungen seiner Zwischenverfügung vom 14.12.2004 und der dazu nachträglich vorgelegten Urkunden die beantragten Eintragungen nunmehr abschließend vorzunehmen sind. Die Wertfestsetzung für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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