Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 07.05.2002
Aktenzeichen: 15 W 282/01
Rechtsgebiete: KostO, EU-Richtlinie


Vorschriften:

KostO § 47
EU-Richtlinie 69/33/EWG
Die von einem Anwaltsnotar auf der Grundlage von § 47 KostO berechnete Gebühr für die notarielle Beurkundung von Kapitalerhöhungsbeschlüssen einer Kapitalgesellschaft ist nicht als Steuererhebung im Sinne der EU-Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17.7.1969 anzusehen.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 W 282/01 OLG Hamm

In der Notariatskostensache

betreffend die Kostenberechnung des Notars vom 07.07.2000 zu dem Urkundsgeschäft Nr. 164/2000,

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 7 Mai 2002 auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 22. August 2001 gegen den Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 2. August 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Gammelin und die Richter am Oberlandesgericht Engelhardt und Christ

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Geschäftswert wird auf 10.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 2) beurkundete am 06.07.2000 zu seiner Urkundenrolle Nr. 164/2000 die Hauptversammlung der Beteiligten zu 1), in welcher unter Punkt 1) der Tagesordnung eine Erhöhung des Grundkapitals um bis zu 1.950.000 Euro unter Ermächtigung des Aufsichtsrates, die Fassung der Satzung entsprechend der tatsächlichen Erhöhung des Grundkapitals zu ändern, beschlossen wurde. Ferner wurden unter Punkt 2) der Tagesordnung Änderungen der Satzung beschlossen.

Für seine notariellen Tätigkeiten erteilte der Beteiligte zu 2) der Beteiligten zu 1) unter dem 07.07.2000 eine Kostenberechnung über einen Gesamtbetrag in Höhe von 11.652,20 DM. Unter Zugrundelegung eines Geschäftswertes i. H. v. 3.863.868,50 DM enthielt die genannte Kostenberechnung eine Gebühr gem. § 47 KostO i. H. v. 10.000,00 DM; der Restbetrag entfiel auf Schreibauslagen, Post- und Telekommunikationsgebühren sowie die gesetzliche Mehrwertsteuer.

Auf die Einwendungen der Beteiligten zu 1) gegen diese Kostenberechnung hat der Beteiligte zu 2) mit Schriftsatz vom 15.12.2000 die Entscheidung des Landgerichts beantragt.

Die Beteiligte zu 1) vertritt die Auffassung, die Gebührenhöhe sei mit der EU-Richtlinie 69/335/EWG vom 17.7.69 in der Fassung vom 14.6.1985 (Richtlinie 85/303/EWG) nicht vereinbar. Hierzu beruft sie sich auf das Urteil des Europäischen.

Gerichtshofes vom 29.9.1999 (NJW 2000, 939 ff = DNotZ 1999, 937). Danach seien in den EU-Mitgliedsstaaten alle Arten von Steuern und Abgaben auf die in Art. 4 der genannten Richtlinie bezeichneten Vorgänge, insbesondere auf die Erhöhung des Kapitals einer Kapitalgesellschaft untersagt. Zulässig sei nur die Erhebung von Gebühren in Höhe des tatsächlichen Aufwandes. Dies müsse auch im vorliegenden Falle gelten. Zwar flössen die notariellen Gebühren nicht der Staatskasse direkt zu. Die Höhe der Gebühren sei jedoch durch die Kostenordnung gesetzlich festgelegt. Auch sei die notarielle Beurkundung gesetzlich vorgeschrieben. Unter Berücksichtigung dieser besonderen Umstände seien auch die Gebühren eines selbständig tätigen Notars als "Steuern" im Sinne der genannten EU-Richtlinie anzusehen. Gerechtfertigt sei lediglich eine dem tatsächlichen Aufwand des Notars entsprechende Gebühr, die sie mit 1.000,00 DM ansetzt. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 29.9.1999 sei jedenfalls aber auf die Kosten der staatlichen Notariate in Baden unmittelbar anzuwenden, so dass bei einer Beurkundung dort wesentlich geringere Gebühren entstanden wären. Der Beteiligte zu 2) sei verpflichtet gewesen, auf diesen Umstand vor der Vornahme der Beurkundung der Hauptverhandlung hinzuweisen. Das Versäumnis eines solchen Hinweises stelle eine unrichtige Sachbehandlung i. S. d. § 16 KostO dar, so dass die entstandenen Mehrkosten nicht zu erheben seien.

Der Beteiligte zu 2) vertritt demgegenüber die Auffassung, die genannte EU-Richtlinie finde auf selbständige Anwaltsnotare in Deutschland keine Anwendung. Dies ergebe sich auch aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 29.9.1999. Insoweit seien die Notargebühren nicht als "Steuern" anzusehen.

Der Präsident des Landgerichts hat mit Schreiben vom 19.4.2001 zu der Beschwerde Stellung genommen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 02.08.2001 die Beschwerde zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen.

II.

Die weitere Beschwerde ist infolge Zulassung durch das Landgericht gemäß § 156 Abs. 2 S. 2 KostO statthaft und im übrigen fristgerecht eingelegt.

Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) folgt aus der Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde.

In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht, § 156 Abs. 2 Satz 4 KostO.

Das Landgericht war mit einer zulässigen Beschwerde der Beteiligten zu 1) befasst. In einem Verfahren nach § 156 KostO ist derjenige als Beschwerdeführer anzusehen, der entweder selbst die Beschwerde eingelegt oder von sich aus dem Notar gegenüber Einwendungen gegen die Kostenberechnung erhoben hat, die der Notar seinerseits dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt hat (§ 156 Abs. 1 Satz 1 und 3 KostO).

Gem. § 47 S. 1 KostO wird für die Beurkundung von Beschlüssen von Hauptversammlungen das Doppelte der vollen Gebühr erhoben. Die Gebühr beträgt, da sie vor dem 01.01.2002 fällig geworden ist (§ 161 KostO), in keinem Falle mehr als 10.000,00 DM, § 47 S. 2 KostO. Im vorliegenden Falle ist durch die Beurkundung der Beschlüsse der Hauptversammlung der Beteiligten zu 1) gemäß Verhandlung vom 6.7.2000 zu Urkundenrolle Nr. 164/2000 des Beteiligten zu 2) diese Gebühr entstanden, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat.

Das Landgericht hat weiter ausgeführt: Die Erhebung der auf der Grundlage des § 47 KostO für die notarielle Beurkundung von Beschlüssen von Hauptversammlungen betreffend die Erhöhung des Kapitals einer Kapitalgesellschaft durch einen selbständig tätigen Notar beruhenden Notargebühren verstoße nicht gegen die Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17.7.1969 i. d. F. der Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10.6.1985. Diese Richtlinien, welche die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital beträfen, könnten nur dann Auswirkungen auf die selbständig tätigen Notare in Deutschland haben, wenn ihre Gebühren eine Steuer i. S. d. Richtlinie darstellten. Unter Berücksichtigung des Zwecks dieser Richtlinie, nämlich der Harmonisierung der Gesellschaftssteuer und des Verbotes weiterer (indirekter) Besteuerungen, seien die Gebühren für die notariellen Beurkundungen eines unter die Richtlinie fallenden Rechtsgeschäftes in einem Rechtssystem, in dem der Notar Beamter sei und ein Teil dieser Gebühren dem Staat für die Finanzierung seiner Aufgaben zufließe, als Steuer i. S. d. Richtlinie anzusehen, wie der Europäische Gerichtshof entschieden habe (NJW 2000, 939, 940). Diese Voraussetzungen seien vorliegend aber nicht gegeben. Der Beteiligte zu 2) sei nämlich selbständig tätiger Notar. Er sei zwar gem. § 1 BNotO (unabhängiger) Träger eines öffentlichen Amtes, jedoch kein Beamter. Vielmehr übe er sein Amt zwingend in selbständiger Tätigkeit aus, so dass ihm Beurkundungsgebühren als unmittelbarer Gläubiger selbst zuflössen. Im Falle eines in diesem Sinne selbständig tätigen Notars flössen keinerlei Gebührenanteile an den Staat zur Finanzierung allgemeiner staatlicher Aufgaben. Auch die Abgaben an Kammern, Versorgungswerke o. ä. berufsständische Einrichtungen stellten keine Abführung von Gebührenanteilen an den Staat dar, weil diese nicht dem allgemeinen Staatshaushalt zukämen. Die Annahme einer Steuer i. S. d. genannten Richtlinie lasse sich schließlich auch nicht daraus ableiten, dass der Staat in bestimmten Fallkonstellationen die Inanspruchnahme notarieller Leistung gesetzlich vorschreibe. Dies ginge weit über den Wortlaut und die Zielsetzung der Richtlinie sowie den Willen des Richtliniengebers hinaus. Dementsprechend habe auch der Europäische Gerichtshof ausdrücklich danach differenziert, ob der beurkundende Notar Beamter sei und ein Teil der entstandenen Gebühren dem Staat zur Finanzierung seiner Aufgaben zufließe. Aufgrund dieser klaren Formulierung seien die selbständig tätigen Notare bewusst vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen. Die von ihnen erhobenen Gebühren für die notarielle Beurkundung, hier der Erhöhung des Kapitals, erfüllten nicht den Tatbestand einer Steuer i. S. d. genannten Richtlinien.

Diesen Ausführungen stimmt der Senat zu. Die genannten Richtlinien können nur dann Auswirkungen auf die selbständigen Notare in Deutschland haben, wenn ihre Gebühren eine Steuer im Sinne der Richtlinie darstellen. Das Landgericht hat hierzu die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zutreffend zitiert. Danach sind die Gebühren für die notarielle Beurkundung eines unter die Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17.07.1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital i. d. F. der Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10.06.1985 fallenden Rechtsgeschäfts nur in einem Rechtssystem, in dem der Notar Beamter ist und ein Teil dieser Gebühren dem Staat für die Finanzierung anderer Aufgaben, d.h. für Zwecke außerhalb der Rechtspflegeeinrichtung "Notariat", zufließt, als Steuer i. S. d. Richtlinie anzusehen (EuGH aaO. Nrn. 22, 23). Dies trifft auf die selbständigen Notare in Deutschland nicht zu. Denn sie sind keine Beamten und nur ihnen fließen die Gebühren zu, von denen sie sämtliche für ihre Tätigkeit erforderlichen Sach- und Personalmittel aufbringen müssen. Weder die von dem Notar an den Staat abzuführenden Steuern noch die Abgaben der Notare an die Notarkammern stellen eine Abführung von Gebührenanteilen an den Staat dar. Denn die Pflicht zur Zahlung von Steuern betrifft die allgemeine Steuerpflicht jedes Berufstätigen und die Abgaben an die berufsständische Einrichtungen fließen nicht dem allgemeinem Staatshaushalt zu (vgl. dazu Görk, DNotZ 1999, 851, 856 ff).

Da der Europäische Gerichtshof auf Grund der von ihm vorgenommenen Differenzierungen die Frage, ob auch die Gebühren der selbständigen Notare unter den Begriff der Steuer i. S. d. Richtlinie fallen, inzident mitentschieden hat (so zutreffend Görk, aaO., S. 859, 865, 875), bedarf es keiner Vorlage zum Zwecke der Vorabentscheidung i. S. d. Art. 234 S. 2 EGV.

Der Beteiligte zu 2) hat die Beteiligte zu 1) im Zusammenhang mit seiner Urkundstätigkeit nicht darüber belehrt, dass diese Tätigkeit nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes möglicherweise eine geringere Gebühr auslöst, wenn sie von einem Notar im Staatsdienst ausgeübt wird. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht indessen im Hinblick auf diese unterbliebene Belehrung eine Amtspflichtverletzung des Beteiligten zu 2) verneint, die Grundlage für eine Nichterhebung dieser Kosten nach § 16 Abs. 1 Satz 1 KostO oder für einen der Beteiligten zu 1) gemäß § 19 BNotO zustehenden Schadensersatzanspruch sein könnten, mit dem sie aufrechnen könnte. In diesem Zusammenhang ist das Landgericht zu Recht von dem allgemein anerkannten Grundsatz ausgegangen, dass es dem beurkundenden Notar im allgemeinen obliegt, im Rahmen seiner Tätigkeit diejenige sachgerechte Vorgehensweise zu wählen, die mit den geringsten Kosten verbunden ist bzw. auf eine solche Möglichkeit hinzuweisen (vgl. hierzu Bengel in KLBR, KostO, 14. Aufl., § 16 Rn. 49). Aus der Pflicht, die bei ihm anfallenden Gebühren möglichst gering zu halten, ergibt sich jedoch nicht die Verpflichtung des Notars, seinen Mandanten, der ihn aufgesucht hat und seine Tätigkeit in Anspruch nehmen will, darauf hinzuweisen, dass dieser möglicherweise kostengünstiger bei einem anderen, zB. badischen Notar die Beurkundung durchführen lassen könne.

Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 KostO.

Ende der Entscheidung

Zurück