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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 31.03.2005
Aktenzeichen: 15 W 298/04
Rechtsgebiete: WEG, HeizkostenV


Vorschriften:

WEG § 15 Abs. 2
HeizkostenV § 9a
Die Mindestbeheizung einer Wohnung kann nicht durch einen Beschluss der Eigentümerversammlung erzwungen werden, durch bei der verbrauchsabhängigen Verteilung der Heizungskosten jedem Miteigentümer ein Mindestanteil von 75 % des Durchschnittsverbrauchs aller Wohnungen zugewiesen wird.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 W 298/04 OLG Hamm

In der Wohnungseigentumssache

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 31.03.2005 auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3a) vom 14.07.2004 gegen den Beschluss der 23. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 22.06.2004

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde sowie die den weiteren Beteiligten in diesem Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten werden dem Beteiligten zu 3a) auferlegt.

Der Gegenstandswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 1.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.)

Die Beteiligten zu 1) bis 6) bilden die o.a. Eigentümergemeinschaft, deren Verwalterin die Beteiligte zu 7) ist.

Der Beteiligte zu 1) hat mehrere Beschlüsse der Eigentümerversammlung angefochten. Soweit im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde noch von Interesse geht es um drei mehrheitliche gefasste Beschlüsse, die wie folgt protokolliert wurden:

Zu 2. Mindestbeheizung und Kostenverteilung

a) Mindestbeheizunq Unter Hinweis auf die in der Energieeinsparverordnung (EnEV) enthaltenen Mindeststandards für die Beheizung von Wohngebäuden (§ 2 Nr. 1. und 2. EnEV) sind die im jeweiligen Sondereigentum installierten Heizkörper zum Schutz des gemeinschaftlichen Eigentums (u. a. der Bauusubstanz) ordnungsgemäß in Gebrauch zu halten und zu betreiben. Ein ordnungsgemäßer Gebrauch wird als nicht gegeben angesehen, wenn der Wärmeverbrauch einer Wohnung innerhalb eines Abrechnungszeitraumes unter 75 % des flächenspezifischen Durchschnittsverbrauchs aller Wohnungen absinkt.

b) Kostenverteilung bei Unterschreitunq der Mindestbeheizung Unterschreitet während eines Abrechnungszeitraumes der Wärmeverbrauch einer Wohnung 75 % des flächenspezifischen Durchschnittsverbrauchs aller Wohnungen, wird ein abzurechnender Wärmeverbrauch entsprechend § 9 a der HeizkostenV für vergleichbare Räumlichkeiten ermittelt, der, da im Objekt keine nach Größe und Lage vergleichbaren Räumlichkeiten bzw. Wohnungen vorhanden sind, aus 75 % des flächenspezifischen durchschnittlichen Wärmeverbrauchs aller Wohnungen gebildet wird.

c) Anwendung

Die Regelungen der Ziffern 2. a) und 2. b) finden erstmals auf die Abrechnung des Wirtschaftsjahres 2002 Anwendung.

Über die vorgenannten Anträge [2. a) bis 2. c)] wurde wie folgt abgestimmt:

Ja-Stimmen: 3

Nein-Stimmen: 2

Enthaltungen: 1

Hintergrund der Beschlussfassung ist der Umstand, dass der Beteiligte zu 6) in seiner Wohnung einen weit unterdurchschnittlichen Verbrauch an Wärmeenergie hat, was nach dem Vortrag der Beteiligten zu 3) darauf beruht, dass er die Heizkörper praktisch nicht in Betrieb hat.

Das Amtsgericht hat die Beschlüsse antragsgemäß für ungültig erklärt. Die gegen diese Entscheidung gerichtete sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 3a) hat das Landgericht, soweit die vorgenannten Eigentümerbeschlüsse betroffen sind, zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Eigentümerbeschlüsse auf eine Änderung des Heizkostenverteilungsschlüssels hinausliefen, für die es keine Rechtsgrundlage gebe. Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 3a) mit der sofortigen weiteren Beschwerde, die er durch Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten hat einlegen lassen.

II.)

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 45 Abs.1, 43 Abs.1 WEG, 27,29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 3a) ergibt sich daraus, dass seine Erstbeschwerde im Umfang der weiteren Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache ist die sofortige weitere Beschwerde unbegründet, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde des Beteiligten zu 3a) ausgegangen. Auch in der Sache hält die landgerichtliche Entscheidung der rechtlichen Prüfung jedenfalls im Ergebnis stand.

Der sofortigen weiteren Beschwerde ist zuzugeben, dass sich das Landgericht mit dem Umstand, dass der Eigentümerbeschluss zu a) keine Kostenregelung, sondern eine solche über eine Mindestbeheizung enthält, lediglich im Hinblick auf die HeizkostenV auseinander gesetzt hat. Dies ist jedoch unschädlich, da der Beschluss, selbst wenn man ihn isoliert von den folgenden Kostenregelungen betrachtet, nicht den Regeln ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, und deshalb für ungültig zu erklären war.

Gemäß § 15 Abs.2 WEG können die Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss den bestimmungsgemäßen Gebrauch auch des Sondereigentums regeln. In diesem Rahmen fällt es in die Beschlusskompetenz der Gemeinschaft, mit Mehrheit Regelungen auch hinsichtlich der im Sondereigentum stehenden Heizkörper zu treffen, soweit diese Regelung die Funktion der Heizkörper für die gemeinschaftliche Heizungsanlage oder das gemeinschaftliche Verbrauchserfassungssystem sicherstellen soll (BayObLG WuM 1986, 26; OLG Hamburg ZMR 1999, 502ff). Darüber hinaus mag im Einzelfall ein Anspruch der Miteigentümer gegen einen einzelnen Wohnungseigentümer bestehen, die Räume seines Sondereigentums auch zu beheizen. Angesichts der grundsätzlichen Befugnis jedes Miteigentümers, mit seinem Sondereigentum nach Belieben zu verfahren (§ 13 WEG), kann ein solcher Anspruch aber nur in Betracht kommen, wenn im Einzelfall aufgrund des mangelnden Betriebs der Heizungsanlage den anderen Miteigentümern ein nicht unerheblicher Nachteil entsteht, § 14 Nr. 1 WEG (vgl. BayObLG NJW-RR 1990, 854).

Auch wenn man danach im Grundsatz einen Anspruch innerhalb der Eigentümergemeinschaft auf eine Mindestbeheizung bejahen und der Gemeinschaft die grundsätzliche Befugnis zugestehen würde, diesen durch Mehrheitsbeschluss auszugestalten, kann der Beschluss zu a) keinen Bestand haben. Selbst wenn man unterstellt, dass die in dem Gutachten des Sachverständigen K beschriebenen Feuchtigkeitsschäden (auch) auf eine ungenügende Beheizung zurückzuführen sind, könnten die benachteiligten Miteigentümer allenfalls die Einhaltung einer bestimmten Mindesttemperatur verlangen, die geeignet ist, die Nachteile zu vermeiden bzw. auf das unvermeidliche Maß zurückzuführen. Keinesfalls können sie verlangen, dass jeder Miteigentümer seinen Abruf an Heizenergie am Durchschnitt des Verbrauchs der Gemeinschaft orientiert. Eine derartige Regelung ist nicht erforderlich, um den nach § 14 Nr. 1 WEG maßgebenden nachteilsfreien Zustand herbeizuführen. Sie greift daher über Gebühr in das Recht des einzelnen Sondereigentümers aus § 13 WEG ein.

Der Beschluss zu b) war, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, schon deshalb für ungültig zu erklären, weil er im Ergebnis auf eine unzulässige Veränderung des Heizkostenyerteilungsschlüssels hinausläuft, mag es sich auch der äußeren Form nach um eine Verbrauchsschätzung handeln. Zu Unrecht beruft sich der Beschwerdeführer auf § 9a HeizkostenV als Rechtsgrundlage für den Eigentümerbeschluss. Eine Verbrauchsschätzung nach dieser Vorschrift setzt voraus, dass der anteilige Wärmeverbrauch wegen Geräteausfalls oder aus anderen zwingenden Gründen für einen Abrechnungszeitraum nicht erfasst werden kann. Schon der Wortlaut der Vorschrift zeigt, dass als Gründe für die Nichterfassung nur solche in Betracht kommen, die sich lediglich auf eine Abrechnungsperiode beziehen, also grundsätzlich beseitigt werden können. Dementsprechend entspricht es der ganz herrschenden Auffassung, der der Senat sich anschließt, dass so genannte Dauerschätzungen unzulässig sind (Gruber, NZM 2000, 842, 844 Fn.23). Bereits dieser Einschränkung wird der Beschluss zu b) nicht gerecht.

Darüber hinaus liegt hier keine "Nichterfassung" des Verbrauchs aus einem sonstigen zwingenden Grund vor. Der nach Maßgabe der HeizkostenV abgelesene Verbrauch steht vielmehr fest, so dass schon aus diesem Grund kein Raum für eine ersetzende Schätzung bleibt. Der Beschwerdeführer beruft sich hier auch nicht auf eine fehlerhafte Anzeige der Erfassungsgeräte o.a.. Vielmehr macht er geltend, dass der tatsächliche Wärmeeintrag in die Wohnung des Beteiligten zu 6) durch die Meßgeräte nicht richtig erfasst werden könne, da es infolge der Nichtbeheizung dieser Wohnung zu einer verstärkten Wärmeübertragung aus den benachbarten Wohnungen komme. Damit rügt er aber keinen Grund im Sinne des § 9a HeizkostenV, sondern eine Ungenauigkeit des Systems. Das Problem der Wärmeübertragung bzw. die hiermit sachlich identischen Probleme des Lagevorteils/Lagenachteils und des unterschiedlichen Nutzungsverhaltens hat der Verordnungsgeber zwar gesehen, jedoch nur insoweit berücksichtigt, als die hieraus resultierenden Ungereimtheiten durch eine Erhöhung des verbrauchsunabhängigen Umlageanteils bis zu 50% in ihrer Relevanz verringert werden können (vgl. Lammel, HeizkostenV, 2.Aufl., § 6 Rdn.51f; § 7 Rdn.14ff; Bub/Treier/v.C2, Hdbuch, 2.Aufl., S.550 Rdn.104f). Eine weitergehende abrechnungstechnische Lösung dieses Problems sieht die HeizkostenV nicht vor. Die Verschiebungen zwischen tatsächlichem "Wärmeempfang" und festgestelltem Verbrauch, die hierdurch eintreten, müssen grundsätzlich hingenommen werden. Sie beruhen primär auf den baulichen Gegebenheiten, wobei der tatsächliche Umfang der Wärmeübertragung zudem angesichts der Vielzahl der relevanten Faktoren (vgl. hierzu OLG Düsseldorf NZM 2000, 875, 876) mit einem vertretbaren Aufwand kaum objektivierbar sein dürfte.

Da es somit an der Grundlage für eine die tatsächliche Verbrauchserfassung ersetzenden Schätzung fehlt, erweist sich der Eigentümerbeschluss als Verbrauchsfiktion, durch die, wie die sofortige weitere Beschwerde auch einräumt, eine nach Auffassung der Mehrheit zu geringe Beheizung einer bestimmten Wohnung sanktioniert werden soll. Eine solcher Beschluss verstößt damit im Ergebnis gegen den zwingenden Charakter der HeizkostenV (§ 3 S.1 HeizkostenV).

Der Eigentümerbeschluss zu c), der lediglich der Umsetzung der vorhergehenden Beschlüsse dient, teilt deren rechtliches Schicksal.

Auch die Entscheidung des Landgerichts über die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten ist als Ermessensentscheidung nicht zu beanstanden.

Da die sofortige weitere Beschwerde ohne Erfolg bleibt, entspricht es der Billigkeit, dass der Beteiligte zu 3a) die Gerichtskosten des Verfahrens trägt (§ 47 S.1 WEG). Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beteiligte zu 3a) mit der sofortigen weiteren Beschwerde keine Gesichtspunkte vorgetragen hat, die geeignet gewesen wären, die insoweit übereinstimmenden Entscheidungen der Vorinstanzen in Frage zu stellen, entspricht es auch der Billigkeit, dass er dem Beteiligten 1) die in dieser Instanz entstandenen außergerichtlichen Auslagen erstattet (§ 47 S.2 WEG).

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 48 Abs. 3 WEG. Sie folgt der unbeanstandet gebliebenen Festsetzung durch das Landgericht.

Ende der Entscheidung

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