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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 06.11.2006
Aktenzeichen: 15 W 299/06
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 62 Abs. 2 S. 2

Entscheidung wurde am 29.01.2007 korrigiert: die Rechtsgebiete, die Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert, Stichworte und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
Zu den Anforderungen, die an die gerichtliche Ermessensausübung bei der Anordnung der kleinen Sicherungshaft nach § 62 Abs. 2 S. 2 AufenthG zu stellen sind.
Tenor:

Unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wird festgestellt, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts sowie die Anordnung der Haftfortdauer durch das Landgericht rechtswidrig gewesen sind.

Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Betroffenen findet nicht statt.

Gründe:

I.)

Die Betroffene war aufgrund des Bescheids des vormaligen Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 20.07.2004 vollziehbar ausreisepflichtig. Da sie jedoch zunächst ihre minderjährige Tochter betreute, hinsichtlich derer das Bundesamt das Vorliegen von Abschiebungshindernissen festgestellt hatte, wurde sie geduldet. Die Erteilung eines weitergehenden Aufenthaltstitels wurde im Hinblick auf die Anhängigkeit eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens verweigert.

Im Juli 2005 wurde das Kind durch den Kindesvater, einen seinerzeit wohl in Portugal aufhältigen angolanischen Staatsangehörigen, der Mutter entzogen, indem er es auf eine angeblich nur kurze Reise mitnahm, dann aber nicht zurück brachte. Die Betroffene wurde seitens des Beteiligten zu 2) im Oktober 2005 darauf hingewiesen, dass sie keine Aufenthaltserlaubnis erhalten werde, wenn das Kind verschwunden bleibe. Da Nachforschungen nach dem Aufenthalt des Kindes erfolglos blieben, wurde die Betroffene mit Schreiben vom 30.03.2006 auf ihre Ausreisepflicht hingewiesen und zur freiwilligen Ausreise aufgefordert.

Am 28.04.2006 sprach die Betroffene in Begleitung eines angolanischen Staatsangehörigen bei der Ausländerbehörde vor und erklärte dort, diesen kurzfristig in Deutschland heiraten zu wollen, sobald er rechtskräftig geschieden sei. Am 29.05.2006 wurde die Betroffene abermals auf ihre Ausreisepflicht hingewiesen. Daraufhin ließ sie am 12.06.2006 beim Verwaltungsgericht Arnsberg beantragen, den Beteiligten zu 2) im Wege einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihren weiteren Aufenthalt zu dulden. Der Antrag wurde durch Beschluss vom 07.08.2006 zurückgewiesen, der dem Beteiligten zu 2) am 09.08.2006 übermittelt wurde.

Am selben Tag beantragte der Beteiligte zu 2) beim Amtsgericht gegen die Betroffene die Abschiebehaft gemäß § 62 Abs.2 S.2 AufenthG anzuordnen. Mit dem Antrag legte er dar, dass die Betroffene am selben Tag wegen der Verlängerung ihrer (unter Erlöschensvorbehalt stehende) Duldung bei ihm vorgesprochen, und auf Nachfrage erklärt habe, nicht zur freiwilligen Ausreise bereit zu sein. Ein Flugtermin sei für den 17.08.2006 gebucht.

Das Amtsgericht hat die Betroffene im Beisein ihres Verfahrensbevollmächtigten angehört. Seitens des Beteiligten zu 2) wurde dabei ein Schreiben der Gemeinde Z1 vom 30.06.2006 vorgelegt, wonach die Betroffene seit Ende März 2006 in ihrer Unterkunft nicht mehr gesehen worden sei. Man habe erst am 27.07.2006 erfahren, dass sie sich bei ihrem Verlobten in I2 aufhalte. Die Betroffene erklärte hierzu, dass sie ihren neuen Aufenthaltsort vor ca. drei Monaten dem Sozialamt mitgeteilt habe. Eine Nachfrage des Amtsrichters bei dem Sozialamt ergab, dass sich die Betroffene dort unter Angabe ihres neuen Aufenthaltsortes gemeldet hatte, nachdem man die Überweisung der Sozialhilfe eingestellt hatte.

Durch Beschluss vom 09.08.2006 ordnete das Amtsgericht die Sicherungshaft für die Dauer von längstens zwei Wochen an. Es stellte die Tatbestandsvoraussetzungen des § 62 Abs.2 S.2 AufenthG fest und führte in den Entscheidungsgründen weiter aus, dass die Betroffene nicht glaubhaft gemacht habe, dass sie sich der Abschiebung nicht entziehen werde.

Mit der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde ließ die Betroffene insbesondere rügen, dass das Amtsgericht das ihm durch § 62 Abs.2 S.2 AufenthG eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt habe. Seitens des Beteiligten zu 2) wurde zu der sofortigen Beschwerde durch Schreiben vom 15.08.2006 Stellung genommen. In diesem wurde darauf hingewiesen, dass die Betroffene noch am 09.08.2006 auf Nachfrage erklärt habe, zu einer freiwilligen Ausreise nicht bereit zu sein, da sie in Deutschland zu heiraten gedenke. Zudem habe sie ihren Aufenthaltsort gewechselt, ohne dies der Behörde mitzuteilen, und ihre Heiratsabsichten prompt in dem Moment geäußert, in welchem eine Abschiebung konkretisiert worden sei.

Durch Beschluss vom 16.08.2006 hat das Landgericht die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Sicherungshaft verhältnismäßig sei. Eine freiwillige Ausreise sei vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Betroffene der Aufforderung zur freiwilligen Ausreise vom 30.03.2006 nicht nachgekommen sei, nicht gesichert.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die mittlerweile abgeschobene Betroffene mit der sofortigen weiteren Beschwerde. Sie beantragt festzustellen, dass die angegriffenen Entscheidungen rechtswidrig waren.

II.)

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 106 Abs. 2 S. 1 AufenthG, 7 Abs. 1, 3 S. 2 FEVG, 27, 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Betroffenen ergibt sich bereits daraus, dass ihre Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist. Gegenstand des Verfahrens ist der mit der sofortigen weiteren Beschwerde gestellte Antrag des Betroffenen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der amtsgerichtlichen und landgerichtlichen Entscheidung. Nach Maßgabe der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. etwa NJW 2002, 2456; wistra 2006, 59) kann das erforderliche Rechtschutzbedürfnis mit Rücksicht auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes in Fällen schwerwiegender Grundrechtseingriffe nicht alleine wegen des Wegfalls der effektiven Beeinträchtigung verneint werden.

In der Sache ist das Rechtsmittel begründet, weil die Vorinstanzen, das Landgericht auf der Grundlage einer zulässigen ersten sofortigen Beschwerde, die Haftvoraussetzungen rechtsfehlerhaft bejaht haben, § 27 Abs. 1 FGG.

Zutreffend haben die Vorinstanzen angenommen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 62 Abs. 2 S. 2 AufenthG vorlagen. Nach dieser Vorschrift kann ein Ausländer für die Dauer von längstens zwei Wochen in Sicherungshaft genommen werden, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen waren erfüllt. Im Bescheid des Bundesamtes war der Betroffenen die Abschiebung angedroht und ihr eine Frist zur Ausreise von einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids gesetzt worden. Der Bescheid war rechtskräftig, so dass die Ausreisefrist ersichtlich abgelaufen war. Weiter lagen der Behörde Heimreisedokumente für die Betroffene vor und für sie war ein Flug nach Angola für den 17.8.2006 gebucht, so dass die Abschiebung binnen der 2 Wochen-Frist erfolgen konnte.

Über diese Tatbestandsvoraussetzungen hinaus ist Anordnung der Haft in § 62 Abs. 2 S. 2 AufenthG durch das Wort "kann" in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt. Diese Ermessensausübung hat unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgebots im Hinblick auf den Eingriff in die persönliche Freiheit des Betroffenen unter Abwägung mit dem Zweck der gesetzlichen Vorschrift zu erfolgen, im Allgemeininteresse eine zügige Durchführung der vollziehbaren Abschiebung des Betroffenen zu sichern (Senat FGPrax 2004, 53 = NVwZ-RR 2004, 303; OLG München, Beschluss v. 6.7.2006 - 34 Wx 87/06, bei Melchior, Abschiebungshaft, Anhang). Die tatrichterliche Entscheidung muss die für die Ermessensausübung maßgeblichen Gründe erkennen lassen. Das Rechtsbeschwerdegericht kann zwar nicht die sachliche Richtigkeit der tatrichterlichen Ermessensentscheidung nachprüfen. Zu überprüfen ist jedoch, ob der Tatrichter ein Ermessen überhaupt ausgeübt oder die Notwendigkeit dazu verkannt hat (OLG München, a.a.O.).

Den Begründungen der Entscheidung der Vorinstanzen lassen sich jedoch keine hinreichenden Erwägungen zur Ausübung dieses Ermessens entnehmen. Die Vorinstanzen haben auch keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen zu den für die Ausübung des Ermessens maßgeblichen Umständen getroffen, so dass es dem Senat auch nicht möglich ist, ausnahmsweise im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens eine eigene Ermessensausübung vorzunehmen (vgl. dazu Keidel/Meyer-Holz, FG, 15. Aufl., § 27 Rn. 56).

Welche Erwägungen für diese Ermessenentscheidung maßgebend sein können, kann nicht allgemein, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles bestimmt werden. Der Senat hält aus den Gründen seiner Entscheidung vom 02.12.2004 (FGPrax 2005, 90) an seiner Auffassung fest, dass die Anordnung der kleinen Sicherungshaft nach § 62 Abs. 2 S. 2 AufenthG nicht die positive Feststellung voraussetzt, dass konkrete Anhaltspunkte für eine Entziehungsabsicht des Betroffenen bestehen. Aus denselben Gründen hält es der Senat für bedenklich, wenn in der Rechtsprechung teilweise die Anordnung der kleinen Sicherungshaft davon abhängig gemacht wird, es müsse zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Absicht des Betroffenen festgestellt werden können, den Vollzug der Abschiebung zu erschweren oder zu vereiteln (OLG Hamburg, Beschl. v. 03.02.2004 - 2 Wx 128/02; OLG Oldenburg, Beschl. v. 10.04.2006 - 13 W 63/05; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.06.2006 - I-3 Wx 106/06, sämtlich bei Melchior, Abschiebungshaft, Anhang Rechtsprechung). Andererseits kann die Ermessensentscheidung nicht sachgerecht getroffen werden, ohne das bisherige Gesamtverhalten des Betroffenen in die Abwägung einzubeziehen. Denn es geht im entscheidenden Punkt darum, ob erwartet werden kann, dass der Betroffene zum Vollzug der bevorstehenden Abschiebung tatsächlich zur Verfügung stehen wird. So stünde es beispielsweise mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in Einklang, die kleine Sicherungshaft gegenüber einem Betroffenen anzuordnen, der aus tatsächlichen Gründen nicht selbst ausreisen kann, im Übrigen aber seinen ausländerrechtlichen Verpflichtungen vollständig nachgekommen ist und ordnungsgemäß in der ihm zugewiesenen Unterkunft wohnt (so auch aus der Sicht des Senats zutreffend OLG Oldenburg a.a.O.). Durch die gerichtliche Ermessenentscheidung muss insbesondere ausgeschlossen werden, dass die Haft bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 S. 2 AufenthG pauschal angeordnet wird und die Haft auf diese Weise in erster Linie der Erleichterung des tatsächlichen Vollzugs der Abschiebung dienen könnte. Umgekehrt kann etwa ein ausländerrechtlich inkorrektes Verhalten des Betroffenen (beispielhaft Einreise mittels Schlepperorganisation unter Weggabe der Personalpapiere, zögerliche Mitwirkung bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten) die nahe liegende Gefahr begründen, dass er auch den letzten Schritt gehen könnte, sich so einzurichten, dass er am Tage der ankündigten Abschiebung nicht zur Verfügung steht. Im Rahmen der Würdigung des Gesamtverhaltens des Betroffenen ist dann auch zu bewerten, ob eine erklärte Verweigerung der Ausreise für das Vorliegen einer solchen Gefahr spricht. In diesem Zusammenhang ist das Ergebnis der nach § 5 Abs. 1 FEVG durchzuführenden persönlichen Anhörung des Betroffenen von tragender Bedeutung. Gegenüber diesen sich aus der Person des Betroffenen ergebenden Gesichtspunkten muss das staatliche Interesse an dem Vollzug der Abschiebung (etwa Umfang und Dauer der Vorbereitung der bevorstehenden Abschiebung und deren Kostenaufwand, beschränkter Gültigkeitszeitraum der beschafften Heimreisepapiere) abgewogen werden (OLG München, Beschl. v. 06.07.2006 - 34 Wx 87/06 - bei Melchior s.o.).

Die für diese Ermessenentscheidung zu berücksichtigenden Gesichtspunkte sind vom Gericht gem. § 12 FGG von Amts wegen zu ermitteln. Es obliegt der Ausländerbehörde, mit der Begründung des Haftanordnungsantrages diejenigen tatsächlichen Anknüpfungspunkte vorzubringen, die dem Gericht die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen insbesondere im Zusammenhang mit der persönlichen Anhörung des Betroffenen ermöglichen.

Den vorgenannten Anforderungen genügen die Entscheidungen der Vorinstanzen nicht. Der amtsgerichtlichen Entscheidung lässt sich schon nicht entnehmen, ob das Amtsgericht sich seines Ermessensspielraums überhaupt bewusst war. Ebenso wenig wird klar, von welchem Sachverhalt das Amtsgericht ausgegangen ist. Soweit die Entscheidungsgründe auf § 62 Abs.2 S.3 AufenthG abstellen, spricht dies eher gegen eine Ermessensausübung. Zudem geht die genannte Vorschrift von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis aus, dass für die Haftanordnung nach § 62 Abs.2 S.2 AufenthG nach den oben dargelegten Grundsätzen gerade nicht gelten kann.

Das Landgericht hat mit seiner Entscheidung maßgeblich darauf abgestellt, dass die Betroffene die ihr eingeräumte Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise nicht genutzt habe. Dies zeigt zwar einen Gesichtspunkt auf, der in die notwendige Abwägung einfließen kann, schöpft den vorliegenden Sachverhalt jedoch nicht hinreichend aus. Die Kammer hat sich insbesondere nicht mit dem Umstand auseinander gesetzt, dass die Betroffene während des fraglichen Zeitraums veraltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch genommen hatte, wenn auch letztlich erfolglos. Das legale Bemühen um einen wenigstens geduldeten Aufenthalt kann dem Betroffenen jedoch -jedenfalls soweit keine weiteren Umstände hinzutreten- in aller Regel nicht vorgehalten werden. Feststellungen zu weiteren Umständen, die Durchführung der Abschiebung in Frage stellen könnten, hat das Landgericht nicht getroffen. Ebenso fehlt es an Feststellungen zu Umständen die eine besondere Erschwerung der Abschiebung begründen könnten. Auf dieser tatsächlichen Grundlage ist die erforderliche Ermessensausübung nicht möglich.

Im Hinblick auf die fehlende bzw. unzureichende Ermessensausübung sind die Entscheidungen der Vorinstanzen nicht verfahrensfehlerfrei zustande gekommen. Die Anordnung der Abschiebungshaft und die Anordnung ihrer Fortdauer waren bereits deswegen rechtswidrig, ohne dass es darauf ankommt, ob im Ergebnis eine andere Sachentscheidung hätte getroffen werden müssen (BGH NJW 2002, 1801, 1803 a.E.).

Die Erstattung außergerichtlicher Kosten war nicht anzuordnen.

Über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Betroffenen ist nach § 16 FEVG zu entscheiden. Danach hat das Gericht, wenn es den Antrag der Verwaltungsbehörde auf Anordnung der Freiheitsentziehung ablehnt, zugleich die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, der Gebietskörperschaft aufzuerlegen, der die Verwaltungsbehörde angehört, wenn das Verfahren ergeben hat, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrages nicht vorlag. Die Vorschrift findet im Falle der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung entsprechende Anwendung.

Ob ein begründeter Anlass zur Antragstellung vorgelegen hat, ist dabei nach dem Sachverhalt zu beurteilen, der von der Behörde zur Zeit der Antragstellung unter Ausnutzung aller ihr nach den Umständen des Einzelfalls zumutbaren Erkenntnisquellen festgestellt werden konnte; ein schuldhaftes Verhalten von Verwaltungsbediensteten wird nicht vorausgesetzt (vgl. Senat, Beschluss v. 14.12.2005 - 15 W 381/05 -).

Nach diesem Prüfungsmaßstab hat eine Erstattungsanordnung zu unterbleiben. Wie festgestellt, lagen zum Zeitpunkt der Antragstellung die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 S. 2 AufenthG vor. Die Begründung des Antrags lässt mit dem Hinweis, die Betroffene habe auch noch am 09.08.2006 verlauten lassen, sie sei nicht bereit in ihr Heimatland zurückzukehren, im Ansatz ein bei der Ermessensentscheidung verwertbares Element erkennen (vgl. oben). Zudem waren durch den Beteiligten zu 2) mit der Instrumentalisierung der vagen Heiratspläne der Betroffenen und ihres Wegzugs nach I2 weitere Umstände aufgezeigt, die jedenfalls der weiteren tatsächlichen Aufklärung bedurften, um ihre Relevanz für die Ausübung des Ermessens beurteilen zu können. Hätte die gerichtliche Ermessensentscheidung entsprechend den obigen Ausführungen danach auch in einem größeren Rahmen das Gesamtverhalten der Betroffenen berücksichtigen müssen, wozu insbesondere auch weitere Feststellungen erforderlich gewesen wären, so wäre es in erster Linie Sache des Gerichts gewesen, im Rahmen der Amtsermittlungspflicht solche Tatsachen in das Verfahren einzuführen.

Die Anordnung der Kostenerstattung kann auch nicht auf § 13a Abs.1 S.1 FGG gestützt werden. Der Senat hält insoweit an seiner Auffassung fest, dass § 16 FEVG als lex specialis die Vorschrift des § 13a FGG auch in dem vorliegenden Zusammenhang verdrängt. Selbst wenn man dies jedoch anders sehen wollte, käme eine Kostenerstattung nicht in Betracht. Es ist nämlich ersichtlich kein Gebot der Billigkeit, die Verwaltungskörperschaft der Ausländerbehörde mit Kosten zu belasten, wenn das gerichtliche Verfahren zu keinen eindeutigen Feststellungen hinsichtlich der materiellen Voraussetzungen der Haft geführt hat und dies nicht auf einem Fehlverhalten der Behörde beruht. Soweit die Betroffene meint, materielle Erstattungsansprüche zu haben, ist es ihr unbenommen, diese im Zivilrechtsweg geltend zu machen.

Ende der Entscheidung

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