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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 06.11.2006
Aktenzeichen: 15 W 328/06
Rechtsgebiete: FGG, VBVG


Vorschriften:

FGG § 20 Abs. 1
FGG § 22 Abs. 2 S. 1
VBVG § 2

Entscheidung wurde am 29.01.2007 korrigiert: die Rechtsgebiete, die Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert, Stichworte und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
1) Der Rechtsirrtum eines Betreuungsvereins zur Beurteilung der Frage, ob der Einsatz des dem Betroffenen zugeflossenen Schmerzensgeldes eine unbillige Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII bedeutet, kann nicht als unverschuldet im Sinne des § 22 Abs. 2 S. 1 FGG bewertet werden, wenn der Verein aus diesem Grund die rechtzeitige Anfechtung der Ablehnung einer gegen die Staatskasse gerichteten Vergütungsfestsetzung versäumt hat. Dies gilt auch dann, wenn der Irrtum durch die Stellungnahme des Bezirksrevisors im Festsetzungsverfahren mitverursacht worden ist.

2) Ein Betreuungsverein kann die Festsetzung seiner Vergütung aus dem Vermögen des Betroffenen nicht mit der Begründung anfechten, die Vergütung müsse wegen Mittellosigkeit des Betroffenen gegen die Staatskasse festgesetzt werden.

3) Der beim Vormundschaftsgericht gestellte Antrag auf Festsetzung einer Vergütung aus dem Vermögen des Betroffenen wahrt die Ausschlussfrist des § 2 S. 1 VBVG auch für einen späteren Antrag auf Festsetzung gegen die Staatskasse.


Tenor:

Der angefochtene Beschluss des Landgerichts wird aufgehoben.

Die sofortigen Erstbeschwerden des Beteiligten zu 2) gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Beckum vom 9. November 2005 und vom 15. Dezember 2005 werden als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Für die Betroffene, die infolge eines am 16.2.2000 erlittenen Verkehrsunfalls querschnittsgelähmt ist, war auf ihren Antrag hin zunächst Frau M als Mitarbeiterin des Beteiligten zu 2) durch Beschluss vom 19.5.2005 als Betreuerin bestellt. Durch weiteren Beschluss vom 19.9.2005 wurde der Geschäftsführer des Beteiligten zu 2), Herr G, anstelle von Frau M zum neuen Vereinsbetreuer bestellt.

Aufgrund des Verkehrsunfalls hatte die Betroffene von der I-N Versicherung im Rahmen eines Abfindungsvertrages einen Betrag von insgesamt 510.000,00 € erhalten. Von dieser Summe hat sie einen Betrag von 110.500 € in eine fondsgebundene Rentenversicherung eingezahlt, der Rentenbeginn ist im Februar 2015. Im übrigen ist die Abfindungssumme inzwischen aufgebraucht, insbesondere durch die Errichtung eines behindertengerechten Hauses und die Anschaffung eines behindertengerechten PKW.

Am 14.7.2005 hat der Beteiligte zu 2) beantragt, für den Abrechnungszeitraum 1.4.2005 bis 30.6.2005 Vergütung und Aufwendungsersatz in Höhe von insgesamt 417,18 € aus der Staatskasse zu erstatten. Er hat insbesondere geltend gemacht, dass der Rückkaufswert der fondsgebundenen Rentenversicherung - zu diesem Zeitpunkt 46.949,32 € - nicht dem einzusetzenden Vermögen der Betroffenen zugerechnet werden könne, da die Rentenversicherung aus der Schmerzensgeldzahlung für den Unfall im Jahr 2000 finanziert worden sei.

Der Beteiligte zu 3) hat beantragt, den Antrag auf Festsetzung gegen die Staatskasse zurückzuweisen, und hat geltend gemacht, die Betroffene sei nicht mittellos. Unter Hinweis auf eine Entscheidung des BVerwG (Beschluss vom 2.12.2004 - 5 B 108/04, NVwZ 2005, 463) hat er die Auffassung vertreten, im Falle von Schmerzensgeldzahlungen fänden die § 90 Abs. 2 Nr. 8 und Abs. 3 S. 1 SGB XII keine Anwendung, so dass das den gesetzlichen Schonbetrag überschreitende Vermögens für die Betreuervergütung eingesetzt werden müsse.

Mit Beschluss vom 9.11.2005 hat das Amtsgericht den Antrag vom 14.7.2005 zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen auf die Stellungnahme des Beteiligten zu 3) verwiesen. Der Beschluss ist dem Beteiligten zu 2) gegen Empfangsbekenntnis übersandt worden und ihm am 14.11.2005 zugegangen.

In der Folgezeit hat das Amtsgericht auf Antrag des Beteiligten zu 2) und nach Anhörung der Betroffenen durch Beschluss vom 15.12.2006 für die Abrechnungszeiträume 1.7. bis 19.8.2005 und 20.8. bis 19.11.2005 eine Vergütung in Höhe von insgesamt 1.532,20 € und durch Beschluss vom 30.3.2005 eine Vergütung von 792,00 € gegen die Betroffene festgesetzt. Der Beschluss vom 15.12.2006 ist der Betroffenen am 19.12.2005 zugestellt worden. Dem Beteiligten zu 2) ist er lediglich formlos übersandt worden.

Eine Festsetzung der Vergütung für den Zeitraum 1.4. bis 30.6.2005 gegen die Betroffene ist hingegen bisher nicht erfolgt.

Mit Schreiben vom 6.4.2006 hat der Beteiligte zu 2) gegen den Beschluss vom 30.3.2006 sofortige Beschwerde eingelegt und unter Hinweis auf einen Beschluss des VG Münster (v. 7.3.2006 - 5 K 2547/04) geltend gemacht, ein dem Betroffenen zugeflossenes Schmerzensgeld einschließlich der damit erworbenen Vermögenswerte sei nicht zu dem vorrangig einzusetzenden Eigenvermögen zu rechnen. Zugleich hat er beantragt, hinsichtlich der Beschlüsse vom 9.11. und 15.12.2005 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und in Abänderung dieser Beschlüsse die Vergütung gegen die Staatskasse festzusetzen.

Der Beteiligte zu 3) ist diesen Anträgen hinsichtlich der Beschlüsse vom 9.11. und 15.12.2005 entgegengetreten und hat geltend gemacht, ein Wiedereinsetzungsgrund liege nicht vor.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde hinsichtlich der Vergütungsfeststezung vom 30.3.2006 abgeholfen und die Vergütung nunmehr gegen die Staatskasse festgesetzt. Im Übrigen hat es die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 24. August 2006 die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 9.11.2005 und 15.12.2005 gewährt und die Vergütung in Abänderung der angefochtenen Beschlüsse für die Zeiträume 1.4. bis 30.6.2005 und 1.7. bis 19.11.2005 gegen die Staatskasse festgesetzt. Ferner hat es "wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage der Wiedereinsetzung bei einem Irrtum über die Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels" die weitere Beschwerde zugelassen. Diese hat der Beteiligte zu 3) am 14.9.2006 eingelegt mit den Anträgen, die Beschluss vom 24.8.2006 aufzuheben, hilfsweise die Betreuervergütung für den Zeitraum 1.7. bis 19.11.2005 geringer anzusetzen. Der Beteiligte zu 2) ist der weiteren Beschwerde entgegengetreten.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht nach §§ 56g Abs. 5 S. 2, 27, 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Da das Landgericht die Entscheidung über die Wiedereinsetzung mit derjenigen über die sofortige Beschwerde verbunden hat, ist auf die sofortige weitere Beschwerde gegen diesen Beschluss auch die Entscheidung über die Wiedereinsetzung nachzuprüfen (BayObLG FamRZ 1990, 429; Keidel/Sternal, FG, 15. Aufl., § 22 Rn. 84). Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 3) folgt daraus, dass durch die Entscheidung des Landgerichts die Beschlüsse des Amtsgerichts zum Nachteil der Staatskasse abgeändert worden sind.

Die sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache Erfolg und führt zu einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Verwerfung der Erstbeschwerde als unzulässig.

1. Beschluss vom 9.11.2005

Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen die Ablehnung seines Antrages auf Festsetzung der Vergütung für den Zeitraum 1.4. bis 20.6.2005 war wegen Versäumung der Beschwerdefrist (§ 22 Abs. 1 FGG) unzulässig. Der Beschluss vom 9.11.2005, der eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung enthält, ist dem Beteiligten zu 2) gegen Empfangsbekenntnis am 14.11.2005 zugegangen, so dass die zweiwöchige Beschwerdefrist zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde am 6.4.2006 bereits abgelaufen war.

Klarstellend ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass am Verfahren auf Festsetzung der Vergütung nach § 56g Abs. 1 FGG nicht die als Betreuer bestellten Mitarbeiter des Betreuungsvereins beteiligt sind, sondern vielmehr der Betreuungsverein selbst, hier also der Beteiligte zu 2). Der Anspruch auf Vergütung steht nämlich nach § 1908e Abs. 1 BGB (Rechtslage bis zum 30.6.2005) bzw. § 7 Abs. 1 VBVG (Rechtslage seit dem 1.7.2005) dem Betreuungsverein zu, nicht dem einzelnen Vereinsbetreuer (§ 1908e Abs. 2 BGB bzw. § 7 Abs. 3 VBVG).

Das Landgericht hat das Schreiben vom 6.4.2006 dahingehend gewürdigt, dass hierdurch Herr G in seiner Eigenschaft als Betreuer im Namen der Betroffenen die Wiedereinsetzung beantragt und Beschwerde gegen die Beschlüsse vom 9.11. und 15.12.2005 einlegt habe. Hierfür lassen sich dem Wortlaut des Schreibens jedoch keinerlei Anhaltspunkte entnehmen. Herr G hat das Schreiben vielmehr ausdrücklich in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des Betreuungsvereins unterschrieben und hierdurch zu erkennen gegeben, dass das Rechtsmittel durch den Beteiligten zu 2) eingelegt wird.

Der Betroffenen selbst steht gegen den Beschluss vom 9.11.2005 aber auch kein Beschwerderecht zu. Gegenstand des Verfahrens war insoweit der Antrag des Beteiligten zu 2) auf Festsetzung der Betreuervergütung gegen die Staatskasse. In diesem Verfahren ist der Betreute nicht beschwerdebefugt (vgl. BayObLG FamRZ 2004, 138; Jurgeleit/Maier, Betreuungsrecht, § 56g FGG, Rn. 31). Dies gilt auch dann, wenn im Verhältnis zwischen Betreuer und Staatskasse die Mittellosigkeit des Betreuten verneint und deshalb ein Anspruch gegen die Staatskasse abgelehnt wird (vgl. BayObLG FamRZ 2001, 377). Der Betreute wird durch diese Entscheidung nicht in seinen Rechten im Sinne des § 20 Abs. 1 FGG beeinträchtigt. die Entscheidung wirkt nur "inter partes", also im Verhältnis zwischen Betreuer und Staatskasse. Eine Bindungswirkung für das Verhältnis zwischen Betreuer und Betreutem tritt nicht ein. Der Betreute ist berechtigt, in einem späteren Verfahren, das die Festsetzung von Ansprüchen des Betreuers gegen ihn betrifft, alle Einwendungen geltend zu machen. Er kann sich insbesondere auch auf seine Mittellosigkeit berufen (BayObLG a.a.O., Jurgeleit/Maier a.a.O.).

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist (§ 22 Abs.2 Satz 1 FGG) konnte dem Beteiligten zu 2) entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht gewährt werden. Die dem Senat in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung obliegende Nachprüfung der landgerichtlichen Entscheidung über die Wiedereinsetzung (vgl. BayObLG FamRZ 1990, 429; Keidel/Sternal, a.a.O., Rn. 84; Bassenge/Herbst/Roth, FGG/RPflG, 10. Aufl, § 22 FGG, Rn. 23) ergibt, dass die Fristversäumung nicht als unverschuldet bewertet werden kann.

Der Beteiligte zu 2) macht in der Sache geltend, dass die Rechtslage durch das Amtsgericht bei der Entscheidung über den Vergütungsantrag vom 14.7.2005 hinsichtlich der Mittellosigkeit unzutreffend beurteilt worden sei und dass er dies binnen der Rechtsmittelfrist nicht erkannt habe. Er irrte damit nicht über formelle Voraussetzungen des Rechtsmittels, sondern allenfalls über die möglichen Erfolgsaussichten einer Beschwerde. Ein derartiger Irrtum über die materielle Rechtslage begründet jedoch keine Wiedereinsetzung (vgl. BayObLG, NJW-RR 2000, 772; Keidel/Sternal, a.a.O., Rn. 65; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl, § 233 Rn. 23).

Bei Anwendung der ihm als anerkannten Betreuungsverein zumutbaren Sorgfalt hätte der Beteiligte zu 2) bereits durch eine Überprüfung der vom Beteiligten zu 3) angeführten Entscheidung des BVerwG (NVwZ 2005, 463) ohne weiteres feststellen können, dass diese die maßgebliche Frage gerade offen gelassen hatte und auf den Besonderheiten des Asylbewerberleistungsgesetzes beruhte. Im Übrigen hätte sich ihm anhand der gängigen Kommentare und Handbücher zum Betreuungsrecht sofort erschlossen, dass die vom Beteiligten zu 3) vertretene Rechtsauffassung nicht im Einklang mit der bisher zu dieser Rechtsfrage ergangenen Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur steht. Die Frage, ob Vermögen des Betroffenen, dass ihm infolge Schmerzensgeldzahlungen zugeflossen ist, für die Betreuervergütung einzusetzen ist, wird bereits seit längerem in Anschluss an die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zum Sozialhilferecht (vgl. BVerwGE 98,256 = NJW 1995, 3001; VG Braunschweig, BtPrax 1992, 78) auch für das Betreuungsrecht in Rechtsprechung und Literatur - soweit ersichtlich einhellig - in dem Sinne beantwortet, dass der Einsatz des Schmerzensgeldes eine unbillige Härte i.S. des § 88 Abs. 3 BSHG bzw. jetzt § 90 Abs. 3 SGB XII darstellt (Thür. OLG, FGPrax 2005, 125; LG Köln, BtPrax 1998, 196; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1836c BGB, Rn. 18; Knittel, Betreuungsgesetz, § 1836c BGB, Rn. 12; HK-BUR/Wienhold-Schött/Deinert, §1836c BGB, Rn. 59; Dodegge/Roth, Betreuungsrecht, 2. Aufl., Teil F Rn. 272; MüKo-BGB/Wagenitz, 4. Aufl., § 1836c BGB, Rn. 16; Jürgens/Winterstein, Betreungsrecht, 2. Aufl., § 1836c BGB, Rn. 13; Deinert/Lütgens, 3. Aufl., Die Vergütung des Betreuers, S. 183; vgl. auch OLG Köln, BtPrax 2005, 237, zur Härtebeihilfe wegen einer Zwangssterilisation in der Zeit des Nationalsozialismus).

Eine solche Überprüfung, die keine besonderen Schwierigkeiten in sich barg, durfte vom Beteiligten zu 2) als anerkanntem Betreuungsverein erwartet werden. Von diesem kann wie von einem berufsmäßig tätigen Betreuer verlangt werden, dass er über die für eine ordnungsgemäße Wahrnehmung seiner Aufgaben notwendigen Rechtskenntnisse verfügt oder sich anzueignen in der Lage ist bzw. in Zweifels- oder sonstigen schwierigen Fällen sich der Hilfe entsprechender Fachleute bedient.

Dass seine Fehleinschätzung gegebenenfalls durch die Stellungnahme des Beteiligten zu 3) mitverursacht worden ist, vermag den Beteiligten zu 2) nicht zu entlasten. Die von der Kammer in diesem Zusammenhang angeführten Entscheidungen rechtfertigten eine andere Beurteilung nicht. Soweit in der Rechtsprechung eine Wiedereinsetzung im Einzelfall bei besonders zweifelhafter Rechtslage gewährt worden ist (vgl. dazu BGH FamRZ 1978, 231; Keidel/Sternal, a.a.O., Rn. 66), greift diese Ausnahme vorliegend nicht ein, da die maßgebliche Rechtsfrage bereits obergerichtlich entschieden war. Auch wenn diese Rechtsprechung noch zu § 88 Abs. 3 BSHG ergangen ist, so bestand doch keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass unter der Geltung des § 90 Abs. 3 SGB XII, der die bisherige Regelung des BSHG wortgleich übernommen hat, etwas anderes gelten könnte. Die vom Landgericht angeführte Entscheidung des BVerfG (NJW 2004, 2887) betrifft einen gänzlich anders gelagerten Sachverhalt: In dem zu beurteilenden Fall hatten die beteiligten Gerichte durch falsche Hinweise bei gleichzeitig schwer verständlicher gesetzlicher Regelung den Rechtsmittelführer veranlasst, die Rechtsmittelbegründung beim unzuständigen Gericht einzureichen, wodurch dieser die Rechtsmittelbegründungsfrist versäumt hatte.

2. Beschluss vom 15.12.2005

Auch soweit der Beteiligte zu 2) sich mit seiner Erstbeschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 15.12.2005 wendet, ist das Rechtsmittel nicht zulässig.

Allerdings ist es entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht verfristet, so dass es einer Entscheidung über eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht bedurfte. Die Frist des § 22 Abs. 1 FGG wird nur durch eine Bekanntgabe nach § 16 Abs. 2 FGG in Gang gesetzt. An einer solchen fehlt es hier. Der Beschluss vom 15.12.2005 ist lediglich der Betroffenen selbst, nicht jedoch dem Beteiligten zu 2) förmlich zugestellt worden. Auch eine Heilung des Zustellungsmangels gem. §189 ZPO scheidet aus, da ausweislich der Verfügung des Rechtspflegers vom 15.12.2005 eine förmliche Zustellung an den Beteiligten zu 2) überhaupt nicht verfügt und damit offensichtlich auch nicht gewollt war (vgl. Keidel/Schmidt, a.a.O., §16 Rn. 63; Zöller/Stöber, a.a.O., § 189 Rn. 2).

Der Beteiligte zu 2) ist jedoch nicht beschwerdeberechtigt i.S. des § 20 Abs. 1 FGG, da er durch den Beschluss vom 15.12.2005 nicht in seinen Rechten beeinträchtigt wird. Mit dem Beschluss hatte das Amtsgericht den von ihm gestellten Vergütungsanträgen entsprochen. Eine Rechtsbeeinträchtigung ergibt sich auch nicht daraus, dass der festgesetzte Anspruch gegen die Betroffene möglicherweise nicht durchsetzbar ist. Denn in diesem Fall ist der Beteiligte zu 2) durch den von ihm angefochtenen Beschluss nicht gehindert, eine Festsetzung gegen die Staatskasse zu beantragen.

Zieht der Staat einen berufsmäßigen Betreuer heran, hat er auch die Verpflichtung, diesem die ihm gesetzlich zustehende Entschädigung zu gewährleisten (vgl. grundlegend zum aus § 12 Abs. 1 GG abzuleitenden Vergütungsanspruch des Berufsvormunds BVerfGE 54, 251 = NJW 1980, 350), d.h. die Erstattung der zum Zweck der Betreuung gemachten Aufwendungen und die Entlohnung sicherzustellen (BayObLGZ 1997, 301; 2003, 261 = FamRZ 2004, 305). Zwar ist diese Einstandspflicht nur subsidiär, der Betreuer kann darauf verwiesen werden, seine Ansprüche zunächst aus dem Vermögen des Betreuten zu befriedigen. Sie kommt aber zum Tragen, wenn der Betreuer aus nicht von ihm zu vertretenden Gründen seine Forderungen ganz oder teilweise nicht (mehr) gegen den Betreuten durchsetzen kann. Dabei kommt es nach dem Sinn und Zweck dieser subsidiären Einstandspflicht nicht darauf an, ob der Betreuer, etwa in Form einer Festsetzung gegen den Betroffenen, bereits einen rechtskräftigen Titel über seinen Anspruch in der Hand hat oder nicht. Schon nach dem Gesetzeswortlaut ist es nicht ausgeschlossen, den Anspruch gegen die Staatskasse auch noch dann zu erheben, wenn bereits eine Festsetzung gegen den Betroffenen vorliegt. Entscheidend ist letztlich aber, dass der Betreuer aufgrund der staatlichen Beauftragung nicht ohne Entschädigung bleiben darf (vgl. BayObLGZ 2003, 261). Dass der Entschädigungsanspruch bereits gegen den Betreuten rechtskräftig festgesetzt ist, steht nicht entgegen. Die Rechtskraft wirkt nur zwischen Betreuer und Betreutem, nicht aber im Verhältnis zur Staatskasse. Auch die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme besteht nicht. Befriedigt die Staatskasse den Vergütungsanspruch des Betreuers, geht der gegen den Betreuten festgesetzte Anspruch auf die Staatskasse über (§ 1836e Abs. 1 Satz 1 BGB). Dies kann der Betreute geltend machen, falls der Betreuer versuchen sollte, aus dem Titel zu vollstrecken (BayObLG a.a.O.).

Die spätere Geltendmachung der Ansprüche gegen die Staatskasse ist nicht nach § 2 S.1, 1. Halbsatz VBVG ausgeschlossen. Zur Wahrung des Vergütungsanspruchs genügt es, dass dieser "beim Vormundschaftsgericht" geltend gemacht wird. Die in dieser Weise erfolgte Geltendmachung des Anspruchs wahrt die Ausschlussfrist unabhängig davon, ob der Vergütungsanspruch später gegen den Betroffenen oder gegen die Staatskasse festzusetzen ist. Dies folgt aus § 2 S. 1, 2. Halbsatz VBVG, der mit der inhaltsgleichen Regelung des § 1835 Abs. 1 S. 2, 2. Halbsatz BGB für den Anspruch auf Aufwendungsersatz korrespondiert. Die Geltendmachung des Anspruchs beim Vormundschaftsgericht gilt danach auch als Geltendmachung gegenüber dem Betroffenen. Dieselbe Wirkung muss folglich auch umgekehrt die Geltendmachung durch Antrag auf Festsetzung aus dem Vermögen des Betroffenen für die Wahrung der Frist gegenüber der Staatskasse haben. Denn nach Sinn und Zweck der Regelung kann es dabei nicht darauf ankommen, ob der Betreuer konkret Festsetzung gegen den Betreuten oder gegen die Staatskasse beantragt. Es soll gerade vermieden werden, dass er bei Zweifeln hinsichtlich der Mittellosigkeit den Betreuten und die Staatskasse parallel in Anspruch nehmen muss (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 65. Aufl., § 1835 BGB, Rn. 18).

Ende der Entscheidung

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