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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 18.01.2005
Aktenzeichen: 15 W 343/04
Rechtsgebiete: GG, BGB


Vorschriften:

GG Art. 6 Abs. 2 S. 1
BGB § 1626

Entscheidung wurde am 06.06.2005 korrigiert: die Rechtsgebiete und Vorschriften wurden geändert und ein Leitsatz hinzugefügt
Der Vorname "Luka" bzw. "Luca" ist im allgemeinen Bewußtsein der Bevölkerung als Vorname des männlichen Geschlechts lebendig. Der Beigebung eines weiteren männlichen Vornamens für einen Jungen bedarf es daher nicht.
Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bielefeld vom 4. Mai 2004 wird zurückgewiesen.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten für das Erstbeschwerdeverfahren und das Verfahren der weiteren Beschwerde findet nicht statt.

Der Gegenstandswert wird auf 3.000,- € festgesetzt.

Gründe: I. Die zu 1) beteiligten Eheleute sind deutsche Staatsangehörige jugoslawischer Herkunft. Sie wollen ihrem am 1. Februar 2004 geborenen Sohn den alleinigen Vornamen "Luka" geben. Der Standesbeamte bei dem Standesamt Herford hat die Eintragung mit der Begründung abgelehnt, bei dem Vornamen "Luka" handele es sich sowohl um einen männlichen als auch einen weiblichen Vornamen. Der Standesbeamte stützte sich dabei auf eine gutachterliche Stellungnahme des Sprachwissenschaftlers und Namensforschers Dr. Gerhard Müller (Gesellschaft für deutsche Sprache e.V. - Wilfried Seibecke - Institut für Namensforschung) vom 12. Januar 2002. Danach sei der Vorname "Luca" italienischer Herkunft und "von Haus aus" männlich. Seit einiger Zeit habe sich "Luca" allerdings auch als Mädchenname etabliert und sei schon relativ oft - auch als Einzelname - standesamtlich beurkundet worden. Zudem sei der Vorname auch für das Angelsächsische und das Niederländische als Mädchenname belegt. Auch in Jugoslawien sei der Vorname männlich und weiblich. Die Erteilung eines weiteren, die nach Auffassung des Standesbeamten bestehenden Zweifel an der Geschlechtszugehörigkeit des Kindes ausschließenden Namens lehnten die Beteiligten zu 1), die orthodoxen Glaubens sind, aus religiösen Gründen ab. Die Beteiligten zu 1) haben beim Amtsgericht beantragt, das Standesamt anzuweisen, für ihren Sohn den Namen "Luka" als alleinigen Vornamen zu beurkunden. Diesem Antrag hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 4. Mai 2004 stattgegeben. Hiergegen hat die Beteiligte zu 2) sofortige Beschwerde erhoben. Mit Beschluss vom 2. August 2004 hat das Landgericht den Beschluss des Amtsgerichts vom 4. Mai 2004 aufgehoben und den Antrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz rechtzeitig eingelegte weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1). II. Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 49 Abs. 1 S. 2 PStG, 29 FGG statthaft und in der rechten Form eingelegt worden. Die Beschwerdebefugnis Beteiligten zu 1) folgt daraus, dass das Landgericht die amtsgerichtliche Entscheidung zu ihrem Nachteil abgeändert hat. In der Sache ist das Rechtsmittel begründet, weil die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 Abs. 1 FGG i.V.m. § 546 ZPO. Das mit einer zulässigen Erstbeschwerde befasst gewesene Landgericht hat ausgeführt: "Luka" könne als alleiniger Vorname für einen Jungen nicht eingetragen werden, da er nicht hinreichend geschlechtsspezifisch sei. Nach den Ermittlungen des vom Standesamt eingeschalteten Dr. Gerhard Müller und dem Internationalen Handbuch für Vornamen handele es sich bei dem Vornamen "Luka" um einen sowohl männlich als auch weiblich gebräuchlichen Vornamen. Der Vorname "Luka" könne einem Jungen daher nur unter Erteilung eines weiteren, eindeutig männlichen Vornamens gegeben werden. Dies hält letztlich der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Recht, einem Kinde Vornamen zu geben, steht den Sorgeberechtigten zu (Art.6 Abs.2 S.1 GG, § 1626 BGB; vgl. hierzu Diederichsen, NJW 1981, 705). Allgemein verbindliche Vorschriften über die Wahl und die Führung von Vornamen gibt es zur Zeit nicht. Die freie Wahl der Vornamen ist zuvörderst Aufgabe der Eltern, die sie allerdings im Sinne des Kindeswohls auszuüben haben (BVerfG 1BvR 994/98 vom 28.01.2004; StAZ 2004, 109 = FamRZ 2004, 522). Nur wenn letzteres bedroht erscheint, sind die staatlichen Stellen in Ausübung ihrer Aufgaben nach Art.6 Abs.2 S.2 GG befugt und verpflichtet, der elterlichen Entscheidung die Anerkennung zu verweigern. Die durch das Kindeswohl gezogenen Grenzen werden unter anderem dann nicht eingehalten, wenn bei der Namensgebung der natürlichen Ordnung der Geschlechter nicht Rechnung getragen wird, wenn also Jungen oder Mädchen Vornamen beigelegt werden, die im allgemeinen Bewusstsein als Vornamen des jeweils anderen Geschlechts lebendig sind (vgl. BGHZ 73, 239, 241 = NJW 1979, 2469 = FamRZ 1979, 466 = StAZ 1979, 238). Das wird allgemein als selbstverständlich empfunden und bildet auch den Ausgangspunkt für die Regelung des Personenstandsgesetzes, dem die Auffassung zugrunde liegt, dass die einem Kind gegebenen Vornamen geeignet sein sollen, ohne weiteres dessen Geschlecht erkennen zu lassen. Ist der Vorname nicht eindeutig männlich oder weiblich, steht dies der Eintragung dann nicht entgegen, wenn dem Kind ein weiterer, den Zweifel über das Geschlecht ausräumender Vorname beigelegt wird (vgl. Senat, StAZ 1998, 322; 1996, 208; NJW-RR 1994, 580). Bei Beachtung dieser Grundsätze können selbst Phantasienamen zulässig sein (vgl. BayObLG, StAZ 1984, 127, 128). Soweit die - auch vom Amtsgericht geteilte - Auffassung vertreten wird, es gelte nicht das Prinzip der Geschlechtsoffenkundigkeit von Vornamen (vgl. etwa AG Duisburg, StAZ 1997, 74, 75; AG Tübingen, StAZ 1981, 242ff.), wird insbesondere der o.a. Grundsatz nicht hinreichend gewürdigt, dass nicht nur das Recht der Eltern auf Namensbestimmung, sondern auch das wohlverstandene Interesse des Kindes zu berücksichtigen ist, welches gerade in einer das Geschlecht eindeutig kennzeichnenden Namensgebung bestehen kann. Das Landgericht hat die vorgenannten Grundsätze herangezogen, seine Entscheidung trägt ihnen jedoch nicht hinreichend Rechnung. Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass in den Fällen, in denen der Vorname nicht eindeutig männlich oder weiblich ist, die Eintragung dieses Vornamens nur unter Beilegung eines weiteren, den Zweifel über das Geschlecht ausräumenden Vornamens erfolgen darf. Die darauf aufbauende Feststellung des Landgerichts, der Vorname "Luka" sei nicht hinreichend geschlechtsspezifisch, fußt allerdings auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage. Das Landgericht hat seine Feststellung, "Luka" sei ein geschlechtsneutraler Vorname auf das Ergebnis der Stellungnahme des Dr. Gerhard Müller von der Gesellschaft für deutsche Sprache e.V. vom 18. Mai 2004 und die in dem Internationalen Handbuch für Vornamen enthaltenen Angaben gestützt. Die Erläuterungen des Dr. Müller ihrerseits stützen sich auf standesamtliche Eintragungen, verzeichnet bei Wilfried Seibicke "Historisches Deutsches Vornamenbuch". Nach neueren Unterlagen sei "Luka" in Deutschland mehrmals als Mädchenname und auch als Jungenname beurkundet worden. Das Landgericht hat jedoch dem Umstand, in welchem Umfang "Luka" als Vorname für Jungen und Mädchen gewählt worden ist, keine Bedeutung beigemessen. Dies ist aus folgendem Grund rechtsfehlerhaft. Steht nämlich fest, dass der Vorname "Luka" im allgemeinen Bewusstsein der Bevölkerung in Deutschland als männlicher Vorname lebendig ist, ist dieser Vorname gerade nicht geschlechtsneutral und es bedarf der Beigebung eines weiteren, eindeutig männlichen Vornamens nicht. Ausgangspunkt der rechtlichen Bewertung auch hinsichtlich der Geschlechtsoffenkundigkeit ist nicht ein vermeintliches Gewohnheitsrecht, sondern allein der Aspekt des Kindeswohls, da allein unter diesem Aspekt (Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG) der Staat befugt ist, dem auf Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG beruhenden Namensbestimmungsrecht der Eltern die Anerkennung zu verweigern. Eine solche Gefährdung des Kindeswohls kann jedoch nur angenommen werden, wenn der gewählte Vorname, etwa weil er im Bewußtsein der Bevölkerung dem anderen Geschlecht zugeordnet wird, nicht geeignet ist, die Selbstidentifikation des Kindes zu fördern, sondern im Gegenteil Anlass zu Belästigungen und Behinderungen sein kann. Hiervon kann nicht bereits dann ausgegangen werden, wenn ein bestimmter Vorname, der im allgemeinen Bewußtsein der Bevölkerung mit hinreichender Klarheit einem Geschlecht zugeordnet wird, im Hinblick auf eine abweichende Verwendung in einem anderen Sprachkreis oder aus anderen Gründen zur Eintragung auch für das andere Geschlecht zugelassen wird. Derartige Eintragungen nehmen dem Vornamen im allgemeinen Bewusstsein noch nicht die eindeutige Geschlechtszuordnung (Senat, B.v. 29. April 2004 15 W 102/03 -, NJOZ 2004, 4297). Dieser Rechtsfehler nötigt allerdings nicht zur Zurückverweisung der Sache. Die bisherigen Feststellungen des Landgerichts und darüber hinaus zur Verfügung stehende allgemein zugängliche Erkenntnisquellen ermöglichen dem Senat eine abschließende Entscheidung. Dies führt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Zurückweisung der ersten Beschwerde und zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses, wobei - worauf an anderer Stelle bereits hingewiesen worden ist - die von dem Amtsgericht gegebene Begründung in der Sache von dem Senat nicht geteilt wird. Wie Dr. Müller in seiner Stellungnahme vom 12. Juni 2002 ausgeführt hat, ist der Vorname "Luca" (bzw. in der jugoslawischen Variante "Luka") italienischer Provenienz und ursprünglich männlich. Die von Dr. Wilfried Seibicke erstellte Liste der im Jahr 2001 beliebtesten Vornamen in der Bundesrepublik Deutschland (StAZ 2002, 161) erwähnt den Vornamen "Luca" auf Platz 14 der beliebtesten Vornamen für Jungen, während der Name in der Beliebtheitsskala der Mädchennamen nicht auftaucht. In den Folgejahren ist der Beliebtheitsgrad des Namens "Luca" für Jungen stetig gestiegen. Während "Luca" im Jahr 2002 (StAZ 2003, 263) Platz 10 der beliebtesten Jungennamen einnimmt, findet sich der Name im Jahr 2003 an siebter Stelle der Namensliste, während der Name in die Beliebtheitsskala der Mädchennamen keinen Eingang gefunden hat (StAZ 2004, 193). Damit im Einklang hat Dr. Müller in den Erläuterungen zu den tabellarischen Übersichten darauf hingewiesen, dass im Jahr 2002 "wieder in einigen Städten gelegentlich 'Luca' für ein Mädchen eingetragen worden" sei. Im Jahr 2004 deutet sich die ungebrochene Fortsetzung des Aufwärtstrendes des Vornamen "Luca" für Jungen in der Liste der am häufigsten gewählten männlichen Vornamen an. Zwar liegt die von Dr. Müller veröffentlichte Statistik noch nicht vor. Die Statistik der Stadt Essen für das Jahr 2004 führt aber bei den Jungennamen "Luca" auf Platz 6, während "Luca" unter den ersten 30 Platzierungen bei den Mädchennamen nicht auftaucht. Dies rechtfertigt aus Sicht des Senats die Feststellung, dass Luca jedenfalls ganz überwiegend als Vorname für Jungen gewählt wird. Schon aufgrund der vergleichsweise seltenen Benutzung als Mädchenname sowie der ursprünglichen Verwendung als Jungenname kann somit gerade nicht davon ausgegangen werden, dass "Luca" bzw. "Luka" im allgemeinen Bewußtsein als Vorname des weiblichen Geschlechts lebendig ist. Die vereinzelte standesamtliche Eintragung des Vornamens "Luca" bzw. "Luka" für ein Mädchen nimmt diesem Vornamen im allgemeinen Bewußtsein der Bevölkerung noch nicht die eindeutige Geschlechtszuordnung und ist nicht geeignet, die Selbstidentifikation eines Jungen bzw. später des männlichen Erwachsenen in ihrer Entwicklung zu beeinträchtigen. Die Namenswahl der Beteiligten zu 1) stellt aber auch aus einem weiteren Grunde keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Geschlechtsoffenkundigkeit des Vornamens dar. Ausländische Vornamen sind dann im Geburtenbuch eintragungsfähig, wenn sie im Herkunftsland der Eltern im Bewusstsein der Bevölkerung eindeutig einem Geschlecht zugeordnet sind, wobei maßgeblich für diese Zuordnung nicht das deutsche Sprachempfinden, sondern die Gebräuchlichkeit im Ausland ist (vgl. OLG Frankfurt, StAZ 2005, 14 = FGPrax 2004, 283). Auch insoweit muss gelten, dass das Kindeswohl im Hinblick auf die Förderung der Selbstidentifikation des Kindes nicht schon dann gefährdet wird, wenn ein bestimmter Name, der im allgemeinen Bewusstsein der Bevölkerung des Herkunftslandes mit hinreichender Klarheit einem Geschlecht zugeordnet wird, vereinzelt eine abweichende Verwendung findet. Nach den von dem OLG Frankfurt (a.a.O.) unbeanstandet gebliebenen, auf Grund einer Bescheinigung des Generalkonsulats der Republik Kroatien getroffenen Feststellungen der Vorinstanz wird der Vorname "Luca" in Kroatien nach dortigem Sprachgebrauch als männlicher Vorname angesehen und entsprechend verwendet. Der Gemeindepfarrer der Serbisch Orthodoxen Kirchengemeinde in C hat im vorliegenden Verfahren bestätigt, dass "Luka" in Serbien ein männlicher Vorname sei und eine Qualifizierung als Mädchenname ausscheide. Mag der Vorname "Luka" nach den Erläuterungen des Dr. Müller in Jugoslawien auch als Mädchenname verwendet werden, so ist entscheidend doch, die im allgemeinen Bewusstsein der Bevölkerung des Herkunftslandes mit hinreichender Klarheit erfolgte Zuordnung zu einem Geschlecht. Davon ist vorliegend für Kroatien und Serbien/Montenegro auszugehen. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde beruht auf § 13 a Abs. 1 S. 1 FGG. Danach verbleibt es bei dem Grundsatz, dass in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit jede Partei die ihr entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat. Dass das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1) Erfolg gehabt hat, rechtfertigt es nicht von diesem Grundsatz abzuweichen. Eine Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Erstbeschwerdeverfahrens ist aus tatsächlichen Gründen nicht veranlasst. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO und folgt der unbeanstandet gebliebenen Wertfestsetzung des Landgerichts.

Ende der Entscheidung

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