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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 22.12.2005
Aktenzeichen: 15 W 375/04
Rechtsgebiete: WEG, HeizkostenV


Vorschriften:

WEG § 10
WEG § 23
HeizkostenV § 7
HeizkostenV § 10

Entscheidung wurde am 11.06.2006 korrigiert: die Rechtsgebiete, Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert, Stichworte und ein Leitsatz wurden hinzugefügt
Der aufgrund einer Öffnungsklausel gefasste Mehrheitsbeschluss einer Eigentümerversammlung, dass die Heizkosten ausschließlich nach Verbrauch verteilt werden sollen, entspricht bei einem älteren Wohngebäude, bei dem mit Lagenachteilen gerechnet werden muss, regelmäßig nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.
Tenor:

Unter Zurückweisung der sofortigen weiteren Beschwerde im Übrigen wird der angefochtene Beschluss teilweise aufgehoben.

Der Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 19.03.2001 wird dahingehend abgeändert, dass auch der Eigentümerbeschluss vom 04.04.2000 zu TOP 5 für ungültig erklärt wird.

Von den Gerichtskosten erster und zweiter Instanz tragen die Beteiligten zu 1) 14% und die Beteiligten zu 2) bis 5) 86%. Die durch die Beweisaufnahme entstandenen Gerichtskosten tragen die Beteiligten zu 2) bis 5) jedoch allein. Von den Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde tragen die Beteiligten zu 1) 1/4 und die Beteiligten zu 2) bis 5) 3/4.

Außergerichtliche Kosten werden in keiner Instanz erstattet.

Der Gegenstandswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 4.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.)

Die Beteiligten zu 1) bis 5) bilden die o.a. Eigentümergemeinschaft, der Beteiligte zu 6) ist deren Verwalter.

Die Beteiligten streiten, soweit im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde noch von Interesse, über die Gültigkeit der Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 04.04.2000 zu den TOP 5 und 19. Diese sind im Protokoll der Eigentümerversammlung wie folgt wiedergegeben:

TOP 5 Diskussion und Beschlussfassung über den Antrag, die Verteilungsschlüssel für die Kostenverteilung insbesondere der Heizkosten zu regeln

Beschlußantrag:

Die Eigentümergemeinschaft beschließt, daß die Kosten für die Heizungsanlage ausschließlich von den Eigentümern gezahlt werden, die an die Heizungsanlage angeschlossen sind. Dabei werden die Kosten zu 100% nach den angezeigten Werten der eingebauten Wärmemengenzähler verteilt. Von den Gesamtstromkosten werden 70% auf die Heizkosten verrechnet und 30% als Allgemeinstrom auf alle Eigentümer verteilt werden.

Diese Regelung bestätigt die bisherige Praxis und tritt im Zweifelsfall am 1.1.1999 in Kraft.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen: WE4, WE5, WE6, WE7

Nein-Stimmen: WE1, WE3

Der Antrag ist mehrheitlich angenommen.

TOP 19 Diskussion und Beschlußfassung über den Antrag, die Eigentümer P aufzufordern, die eigenmächtig veränderte Briefkastenanlage in den ursprünglichen Zustand zu versetzen, ggf. über gerichtliche Durchsetzung der Forderung

Beschlußantrag:

Die Eigentümergemeinschaft beschließt, die Eigentümer P werden aufgefordert, die eigenmächtig veränderte Briefkastenanlage bis zum 04.05.2000 in den ursprünglichen Zustand zu versetzen. Falls der Ursprungszustand bis zu diesem Zeitpunkt nicht hergestellt ist, wird die Verwaltung beauftragt und ermächtigt, die Forderung auf gerichtlichem Weg durchzusetzen.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen: WE4, WE5, WE6, WE7

Nein-Stimmen: WE1, WE3

Der Antrag ist mehrheitlich angenommen.

Die Beteiligten zu 1) haben sämtliche durch die o.a. Eigentümerversammlung gefassten Beschlüsse binnen Monatsfrist angefochten. Das Amtsgericht hat vier der insgesamt 26 Eigentümerbeschlüsse für ungültig erklärt und die weitergehenden Anträge zurückgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat das Landgericht neun weitere Beschlüsse für ungültig erklärt, bezüglich zwei Beschlüssen die Erledigung der Hauptsache festgestellt und die weitergehende sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Gegen die Entscheidung des Landgerichts haben die Beteiligten zu 1) zu Protokoll des Rechtspflegers sofortige weitere Beschwerde eingelegt, soweit das Landgericht die Zurückweisung ihrer Anfechtungsanträge hinsichtlich der der o.a. Eigentümerbeschlüsse zu TOP 5 und 19 bestätigt hat.

II.)

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 45 Abs.1, 43 Abs.1 WEG, 27, 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt.

Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) ergibt sich daraus, dass ihre Erstbeschwerde im Umfang der sofortigen weiteren Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache ist die sofortige weitere Beschwerde nur teilweise begründet, da die Entscheidung des Landgerichts (allein) hinsichtlich des Eigentümerbeschlusses zu TOP 5 auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1) ausgegangen. In der Sache hält die landgerichtliche Entscheidung der rechtlichen Prüfung hingegen nur teilweise stand.

Das Landgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Beschluss zu TOP 5 sei nicht zu beanstanden. Nach § 5 der Teilungserklärung seien die Betriebskosten nach Miteigentumsanteilen zu tragen, die Gemeinschaft könne aber die Verteilung abweichend durch Mehrheitsbeschluss regeln. Hiervon hätten die Eigentümer hier Gebrauch gemacht. Allerdings sei eine Änderung auch aufgrund einer sog. Öffnungsklausel nur möglich, wenn ein sachlicher Grund vorliege. Eine solcher liege vor, da es tunlich sei, dass nur die Nutzer die Betriebskosten zahlten.

Der Beschluss zu TOP 19 sei nicht zu beanstanden. Die Antragsteller hätten eine bauliche Veränderung vorgenommen, ohne dass hierzu die Zustimmung aller Wohnungseigentümer vorliege. Ein über das Maß des § 14 WEG hinausgehender Nachteil liege in der durch die Veränderung bedingten erhöhten Wartungs- und Reparaturanfälligkeit.

Dies hält der Nachprüfung nicht stand.

Hinsichtlich des Eigentümerbeschlusses zu TOP 5 hat das Landgericht nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Beschluss verschiedene Regelungselemente hat, die auf der Grundlage der HeizkostenV einer differenzierten Bewertung bedürfen. Die Eigentümermehrheit wollte durch den Beschluss eine Regelung der Umlegung der Heizungskosten

- allein auf die angeschlossenen Nutzer,

- zu 100% nach Verbrauch,

- unter Einschluss eines Betriebsstromanteils von 70% des gesamten

Allgemeinstromverbrauchs und

- zwecks Bestätigung der bisherigen Übung- rückwirkend ab dem 01.01.1999 treffen.

Dabei halten der zweite und dritte Regelungspunkt einer Prüfung anhand des Maßstabs der ordnungsgemäßen Verwaltung (§ 21 Abs.3 WEG) nicht stand. Ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen (nur) diejenigen Entscheidungen, die dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen der Gemeinschaft Rechnung tragen und in Ermangelung einer anderweitigen Regelung dem Interesse aller Wohnungseigentümer unter Berücksichtigung der Beschaffenheit der Anlage nach billigem Ermessen entsprechen (MK-BGB/ Engelhardt, 4.Aufl., § 21 WEG, Rdn.4).

Der Beschluss, die Heizkosten -abweichend von § 7 HeizkostenV- zu 100% nach Verbrauch umzulegen, entspricht nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Nach § 7 Abs.1 S.1 HeizkostenV können die Heizkosten maximal zu 70% nach Verbrauch verteilt werden. Allerdings lässt § 10 HeizkostenV eine hiervon abweichende Regelung durch rechtsgeschäftliche Bestimmung zu. Eine solche könnte hier in der Öffnungsklausel der Teilungserklärung, die Vereinbarungscharakter hat (§ 10 WEG i.V.m. §§ 8 Abs.2, 5 Abs.4 WEG), in Verbindung mit dem vorliegenden Beschluss gesehen werden. Auch wenn man aber eine so genannte Öffnungsklausel in Verbindung mit einem Mehrheitsbeschluss oder sogar einen hiervon unabhängigen Eigentümerbeschluss als rechtsgeschäftliche Bestimmung im Sinne des § 10 HeizkostenV ansieht, muss dieser Beschluss seinerseits den Anforderungen des § 21 Abs.3 WEG genügen, also ordnungsgemäßer Verwaltung im oben beschriebenen Sinne entsprechen.

Insoweit ist anerkannt, dass eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels durch Mehrheitsbeschluss, soweit sie aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung überhaupt möglich ist (vgl. hierzu BGH NJW 2000, 3500ff), nur dann zulässig ist, wenn hierfür ein sachlicher Grund vorliegt (Senat NJW-RR 2004, 805f m.w.N.). Dies muss in besonderem Maße gelten, wenn eine Eigentümermehrheit von der Ausnahmeregelung des § 10 WEG Gebrauch macht. Der HeizkostenV, insbesondere § 7 Abs.1 HeizkostenV liegt die Erkenntnis zugrunde, dass jede Heizungsanlage einen gewissen Kostenanteil produziert, der von dem individuellen Verbrauchsverhalten gänzlich unabhängig ist. Hinzu kommt, dass die HeizkostenV keine Möglichkeiten eröffnet, einen Mehrverbrauch, der aus Baumängeln oder so genannten Lagenachteilen resultiert, also durch ein sparsames Heizverhalten nicht beeinflusst werden kann, individuell zu berücksichtigen (BayObLG NJW-RR 1993, 663; Senat, Beschluss vom 31.03.2005 -15 W 298/04- veröffentlicht in juris- m.w.N.). Die einzige Möglichkeit, derartige individuelle Nachteile zu egalisieren, besteht in der durch § 7 Abs.1 HeizkostenV eröffneten Möglichkeit, einen verbrauchsunabhängigen Umlageanteil zu bestimmen (Senat a.a.O.). Da der aus sog. Lagenachteilen tatsächlich resultierende Wärmemehrbedarf sich angesichts der Vielzahl der relevanten Einflussfaktoren weitgehend einer Objektivierung entzieht, zumal einer längerfristigen (Senat a.a.O.; OLG Düsseldorf NZM 2000, 875, 876; Kreuzberg/Wien. Hdb. der Heizkostenabrechnung, 2001, S.139f), kann hieraus nicht gefolgert werden, dass die Eigentümergemeinschaft schlechthin verpflichtet ist, bei der Wahl des Verteilungsmaßstabs im Rahmen des § 7 Abs.1 HeikostenV auf das Vorhandensein von Lagenachteilen Rücksicht zu nehmen. Wenn die Gemeinschaft jedoch über den Rahmen des § 7 Abs.1 HeizkostenV hinaus die Heizkosten komplett nach Verbrauch umlegen will, so bedarf dies angesichts der praktisch jedem Gebäude anhaftenden Lageunterschiede der einzelnen Wohnungen zur Wahrung der Interessen aller Miteigentümer einer besonderen sachlichen Rechtfertigung. Eine solche sachliche Rechtfertigung haben die Antragsgegner weder bei der Beschlussfassung kenntlich gemacht, noch im vorliegenden Verfahren dargelegt, obgleich hierzu Anlass bestanden hätte, nachdem die Beteiligten zu 1) sich ausdrücklich und unter näherer Darlegung der baulichen Gegebenheiten auf das Fehlen eines sachlichen Grundes berufen haben.

Der Umstand allein, dass in der Vergangenheit ausschließlich nach dem gemessenen Verbrauch abgerechnet worden ist, stellt weder eine sachliche Rechtfertigung im o.a. Sinne dar, noch lässt sich hieraus ein Rechtsgrund für die Geltung eines derartigen Verteilungsmaßstabs ableiten. Es entspricht insbesondere der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass sich allein aus einer bestimmten Handhabung in der Vergangenheit keine konkludente Vereinbarung herleiten lässt, die Bindungswirkung für die Zukunft haben könnte (Senat NJW-RR 2004, 1604f).

Auch die Schätzung des Betriebstroms, der gemäß § 7 Abs.2 HeizkostenV zu den umlegbaren Kosten der Wärmeversorgung zählt, als Bruchteil des Stromverbrauchs im Gemeinschaftseigentum stellt keine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung dar. Allerdings entspricht es allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass dort, wo eine Ermittlung des Betriebsstromverbrauchs mangels Zwischenzähler nicht möglich ist, eine Festlegung im Wege einer sachorientierten Schätzung oder Annäherung zulässig ist (BayObLG NJW-RR 1997, 715ff; Schmidt-Futterer, MietR, 2003, § 3 HeizkostenV Rdn.24; Gramlich, Mietrecht, 2001, § 7 HeizkostenV Ziff.2; Peruzzo, Heizkostenabrechnung, § 7 HeizkostenV S.59). Dabei sind im Grundsatz zwei Bestimmungsmöglichkeiten anerkannt. Zum einen besteht die Möglichkeit, die Verbrauchswerte der zur Heizungsanlage gehörenden Elektrogeräte zu ermitteln und diese anhand von Erfahrungswerten mit der durchschnittlichen Betriebszeit hochzurechnen. Zum anderen wird es auch für zulässig gehalten, den Stromkostenanteil als Bruchteil des Brennstoffkostenanteils zu schätzen (vgl. insbes. BayObLG, a.a.O.).

Der hier gewählte Ansatz, den Betriebsstrom mit einem Bruchteil des Gesamtverbrauchs im Gemeinschaftseigentum zu bestimmen, ist demgegenüber nicht per se an der Sache orientiert. Der Gesamtverbrauch im Gemeinschaftseigentum ist naturgemäß auch davon abhängig, in welchem Umfang neben dem Betrieb der Heizung Elektrizität für Gemeinschaftszwecke benötigt wird. Dieser Bedarf kann, etwa bei Arbeiten im Gemeinschaftseigentum, erheblichen Schwankungen unterliegen. Schon deshalb erscheint es nicht sachgerecht, die Festlegung der Betriebsstromkosten aus dem Gesamtverbrauch abzuleiten. Sachliche Gründe, die für den vorliegenden Fall eine andere Sichtweise rechtfertigen könnten, haben die Antragsgegner nicht dargetan.

Da die beiden vorgenannten Einzelregelungen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, kann auch der erste Teil des Eigentümerbeschlusses keinen Bestand haben. Dies folgt jedoch allein aus § 139 BGB, der auf Eigentümerbeschlüsse entsprechend anwendbar ist (vgl. hierzu BGH NJW 1998, 3713). Sachlich ist die Regelung, die Heizkosten im Sinne des § 7 Abs.2 HeizkostenV allein auf die tatsächlich an die Heizungsanlage angeschlossenen Nutzer umzulegen, nicht zu beanstanden.

Die beschlossene Handhabung entspricht § 6 Abs.1 HeizkostenV. Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1) kann es in diesem Zusammenhang auch nicht darauf ankommen, ob einzelne Miteigentümer sich in ihren Erwerbsverträgen zum Anschluss ihrer Wohnungen an die Zentralheizungsanlage verpflichtet haben. Der Inhalt der Kaufverträge der einzelnen Miteigentümer ist für die Rechte und Pflichten innerhalb der Eigentümergemeinschaft grundsätzlich nicht maßgebend. Etwas anderes kann nur gelten, wenn einzelne vertragliche Regelungen die Voraussetzungen eines Vertrags zugunsten Dritter oder einer Schuldübernahme erfüllen. Ob dies hier der Fall ist, kann dahinstehen. Aus einer Verletzung vertraglicher Pflichten könnte sich nämlich allenfalls ein Schadensersatzanspruch ergeben. Einfluss auf die Heizkostenverteilung im Rahmen der Jahresabrechnung könnte eine vertragliche Anschlusspflicht hingegen auch über § 242 BGB nicht gewinnen. Insoweit fehlt es, unter Berücksichtigung des zwingenden Charakters der HeizkostenV, an einer sachlichen Notwendigkeit, die Verletzung vertraglicher Pflichten bereits im Rahmen der Heizkostenabrechnung zu berücksichtigen.

Gerade weil aber der erste Teil des Eigentümerbeschlusses lediglich eine sich aus der HeizkostenV ergebende Selbstverständlichkeit feststellt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Eigentümermehrheit einen Beschluss allein mit diesem Inhalt gefasst hätte. Gemäß § 139 BGB ist daher der gesamte Beschluss für ungültig zu erklären. Dem Beschlussteil, welcher sich über die Rückwirkung verhält, kommt angesichts der Ungültigerklärung der sachlichen Regelungen ohnehin keine eigenständige Bedeutung mehr zu.

Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die sofortige Beschwerde zurückgewiesen, soweit die Beteiligten zu 1) mit ihr weiter die Ungültigerklärung des Beschlusses zu TOP 19 beantragt haben.

Nicht zu teilen vermag der Senat allerdings die Begründung des Landgerichts, dass sich ein Nachteil für die anderen Miteigentümer aus der erhöhten Wartungs- und Reparaturanfälligkeit der veränderten Briefkastenanlage ergebe. Zunächst vermag der Senat im Akteninhalt keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine derartige Annahme zu finden. Wesentlich ist jedoch, dass allein die Möglichkeit eines erhöhten finanziellen Aufwandes als Folge einer baulichen Veränderung nicht geeignet ist, einen Nachteil im Sinne der §§ 22 Abs. 1 S. 2, Nr. 1, 14 WEG zu begründen. Denn nach § 16 Abs. 3 Halbsatz 2 WEG sind Kosten, die durch eine bauliche Veränderung verursacht sind, von denjenigen Miteigentümern nicht zu tragen, die der Maßnahme nicht zugestimmt haben (vgl. BGH NJW 1992, 978 ff.).

Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich jedoch aus einem anderen Grund als richtig.

Der Anspruch auf Beseitigung baulicher Veränderungen (§ 1004 BGB i.V.m. § 22 WEG) ist ein Individualanspruch, der grundsätzlich jedem betroffenen Miteigentümer zusteht und von ihm ohne Ermächtigung durch die Gemeinschaft geltend gemacht werden kann (BGH a.a.O.). Gleichwohl fällt die Regelung von Fragen baulicher Veränderungen in die Beschlusskompetenz der Gemeinschaft (BGH NJW 2000, 3500, 3503). Die Gemeinschaft kann also auch die Verfolgung eines Beseitigungsanspruchs durch Mehrheitsbeschluss zu einer gemeinschaftlichen Angelegenheit machen.

Eigentümerbeschlüsse des Inhalts, einzelne Miteigentümer zum Rückbau von ihnen veranlasster Baumaßnahmen aufzufordern, können unterschiedlich verstanden werden, und bedürfen daher nach insoweit wohl einhelliger Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung der Auslegung (BayObLG NZM 2003, 239; OLG Köln OLGR 2003, 284; KG NJW-RR 1997, 1033, 1034; Senat ZMR 2005, 897). Der Beschluss kann zum einen so verstanden werden, dass der betroffene Wohnungseigentümer durch ihn konstitutiv, also unabhängig von möglichen gesetzlichen Ansprüchen der einzelnen Eigentümer, zur Beseitigung verpflichtet werden, mithin ein eigenständiger Anspruch begründet werden soll (BayObLG a.a.O.; OLG Köln a.a.O.; vgl. auch OLG Bremen WuM 1995, 58; OLG Hamburg ZMR 2003, 447). Demgegenüber hält das Kammergericht (a.a.O. S.1035f) zwar auch die Auslegung des Eigentümerbeschlusses für notwendig, legt diesen im Zweifel aber dahingehend aus, dass lediglich die verfahrensförmige Vorbereitung der gerichtlichen Geltendmachung des gesetzlichen Beseitigungsanspruches gewollt ist.

Grundsätzlich kann diese Frage im gerichtlichen Verfahren nicht offen bleiben, da die möglichen Beschlussinhalte unterschiedliche rechtliche Konsequenzen haben. Wird dem Eigentümerbeschluss über die Verpflichtung zur Beseitigung (vermeintlicher) baulicher Veränderungen eine konstitutive Wirkung beigemessen, muss im Anfechtungsverfahren nach § 43 Abs.1 Nr.4 WEG abschließend geklärt und entschieden werden, ob ein Beseitigungsanspruch nach den §§ 1004 BGB, 22 WEG besteht. Wird dem Eigentümerbeschluss hingegen lediglich die Bedeutung beigemessen, den gesetzlichen Anspruch verfahrensförmig durchzusetzen, ist im Beschlussanfechtungsverfahren lediglich die formelle Rechtmäßigkeit des Beschlusses zu prüfen, da das Bestehen des gesetzlichen Anspruchs abschließend nur in dem Verfahren entschieden werden kann, in welchem der gesetzliche Anspruch durchgesetzt werden soll (KG a.a.O.).

Da der streitige Eigentümerbeschluss in jedem Fall auch für mögliche Rechtsnachfolger Wirkung entfaltet (§ 10 Abs.3 WEG), ist der Senat zu einer eigenen Auslegung des Eigentümerbeschlusses befugt (vgl. BGH NJW 1998, 3713). Aufgrund seiner eigenen Auslegung, die objektiven Grundsätzen zu folgen hat (vgl. im Einzelnen BGH a.a.O.) geht der Senat hier davon aus, dass durch den Mehrheitsbeschluss lediglich die verfahrensrechtliche Verfolgung des Beseitigungsanspruchs durch die Gemeinschaft vorbereiten soll. Hierfür spricht bereits der Wortlaut, der allein eine Aufforderung an die Antragsteller sowie den Auftrag an die Verwaltung beinhaltet, den Rückbauanspruch ggf. gerichtlich durchzusetzen. Jegliches gestalterische Element, das in der Regel als Anhaltspunkt für eine konstitutive Zwecksetzung gewertet werden kann, fehlt.

Es kommt für die Rechtsgültigkeit des Beschlusses daher allein darauf an, ob dieser den formalen Anforderungen genügt und ein Beseitigungsanspruch nicht offensichtlich ausgeschlossen ist. Förmliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Eigentümerbeschlusses bestehen nicht. Die von den Antragstellern erstinstanzlich erhobenen Einwendungen sind unbegründet. Wie die Eigentümermehrheit sich auf die Eigentümerversammlung vorbereitet hat, kann ebenso dahinstehen, wie die Frage, ob sie mit einer vorgefassten Einstellung in dieselbe gegangen sind. Aus dem WEG lässt sich eine Verpflichtung der einzelnen Miteigentümer zu einer inhaltlichen Diskussionsbereitschaft in der Eigentümerversammlung nicht ableiten. Auch die Auffassung der Antragsteller, der Beschluss sei im Hinblick auf den herzustellenden Zustand nicht hinreichend bestimmt, geht angesichts des oben festgestellten beschränkten Regelungsgehalts des Beschlusses fehl. Schließlich ist ein Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB i.V.m. § 22 WEG nicht offensichtlich ausgeschlossen. Bei der Beurteilung der wesentlichen Frage, ob die eigenmächtige Veränderung für die anderen Miteigentümer einen nicht unwesentlichen (optischen) Nachteil begründet (§§ 22, 14 WEG), wird zu berücksichtigen sein, dass es sich bei einer Briefkastenanlage regelmäßig um einen Blickfang handelt, bei dem auch ein verständiger Miteigentümer Wert auf die Erhaltung eines einheitlichen Zustandes legen kann.

Die Entscheidung des Landgerichts hinsichtlich der Verteilung der Gerichtskosten ist im Grundsatz nicht zu beanstanden, war jedoch, da sie -unter Berücksichtigung der Geschäftswerte für die einzelnen Anträge- rechnerisch nicht nachvollziehbar ist, sowie im Hinblick auf den weiteren Teilerfolg der Antragsteller bei der Bildung der Quoten zu berichtigen. Im Rahmen des § 47 S.1 WEG ist es auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die ausscheidbaren Kosten der Beweisaufnahme den Beteiligten zu 2) bis 5) auferlegt hat, zumal die Beteiligten zu 2) bis 5) dies hinnehmen. Als Ermessensentscheidung ist es schließlich auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, insbesondere auch des teilweisen Obsiegens beider Seiten keinen hinreichenden Anlass gesehen hat, von dem Grundsatz abzuweichen, dass im Verfahren nach dem WEG jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 47 S.2 WEG).

Die Entscheidung über die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde beruht auf § 47 S.1 WEG. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten sieht der Senat aus den o.a. Gründen auch für die dritte Instanz keinen Anlass von dem Grundsatz abzuweichen, dass jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 48 Abs.3 WEG. Sie folgt der nicht zu beanstanden Wertfestsetzung des Landgerichts für den verbliebenen Verfahrensgegenstand.

Ende der Entscheidung

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