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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 26.02.2002
Aktenzeichen: 15 W 385/01
Rechtsgebiete: BGB, BeurkG


Vorschriften:

BGB § 2233 Abs. 3
BeurkG § 24 Abs. 1
1. Die Feststellung der Sprechunfähigkeit eines mehrfach behinderten Erblassers beurteilt sich auch nach der Entscheidung des BVerfG vom 10.01.1999 (NJW 1999, 1853) allein nach § 2233 Abs. 3 BGB; maßgeblich ist deshalb allein die tatsächliche Überzeugung des Notars zum Zeitpunkt der Beurkundung. Die Feststellung der Sprechunfähigkeit ist nicht von einer entsprechenden ausdrücklichen Erklärung des Notars in der notariellen Urkunde gem. § 24 Abs. 1 S. 2 BeurkG abhängig.

2. Die Zuziehung einer Vertrauensperson im Sinne des § 24 Abs. 1 BeurkG setzt voraus, daß der mitwirkenden Person durch den Notar die persönliche Mitverantwortung für die Ermittlung des Erblasserwillens bei dem Beurkundungsvorgang übertragen, wird; die bloße Anwesenheit dieser Person bei der Beurkundung reicht nicht aus.

3. Die Notwendigkeit der Zuziehung einer Vertrauensperson zu der Beurkundung verstoßt auch dann nicht gegen das Benachteiligungsverbot Behinderter (Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG), wenn der Notar der Überzeugung ist, sich mit dem Erblasser hinreichend verständigen zu können, weil er aufgrund persönlichen Bekanntschaft mit seiner Art der Kommunikation durch unartikulierte Laute vertraut ist.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 W 385/01 OLG Hamm

In der Nachlaßsache

betreffend die Erteilung eines Erbscheins nach dem am 16.11.2000 mit seinem letzten Wohnsitz in verstorbenen Herrn R

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 26. Februar 2002 auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 22.11.2001 gegen den Beschluß der 23. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 05. Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Gammelin und die Richter am Oberlandesgericht Budde und Engelhardt

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen, soweit sie mit dem Ziel der Aufhebung des Vorbescheids des Amtsgerichts vom 30.04.2001 eingelegt ist.

Im übrigen wird die weitere Beschwerde als unzulässig verworfen.

Der Beteiligte zu 1) hat die den Beteiligten zu 2) und 3) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 9.250.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Erblasser war verheiratet mit Gisela H die am 15.06.1997 vorverstorben ist. Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Als gesetzliche Erben kommen die Beteiligten in Betracht, und zwar zu je % Anteil die Beteiligten zu 1) und 3) als Söhne des vorverstorbenen Bruders Wilhelm des Erblassers und die Beteiligte zu 2) zu 1/2 Anteil als Tochter des vorverstorbenen Bruders G des Erblassers.

Der Erblasser, der früher erfolgreich als Unternehmer tätig war, erlitt im Jahre 1994 einen Schlaganfall, der zu einer rechtsseitigen Lähmung und einer Aphasie führte. Das Amtsgericht richtete für ihn eine Betreuung ein, die nach dem Tod seiner Ehefrau von Herrr M mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge und Entscheidung über freiheitsbeschränkende Maßnahmen geführt wurde. Mit Herrn M war der Erblasser seit seiner Jugendzeit freundschaftlich verbunden. Für die Verwaltung der bei Bankinstituten befindlichen Vermögenswerte wurde Herr J als Betreuer bestellt.

Der Erblasser errichtete am 28.10.1998 zur Niederschrift des Notars (UR-Nr. 430/1998) ein notarielles Testament. Zu der Beurkundungsverhandlung, die im Hause des Erblassers stattfand, zog der Notar den Steuerberater Z als Zeugen hinzu. Anwesend war ferner der Betreuer M des Erblassers. In der notariellen Urkunde ist zur Frage der Verständigung mit dem Erblasser festgehalten:

"Nach der Überzeugung des Notars kann der Erschienene - bedingt durch Schlaganfall - sich nur schlecht verständlich ausdrücken.

Er kann seinen Namen nicht mehr schreiben.

...

Seinen Willen gab er auf entsprechende Fragen des Notars durch verständliches Artikulieren zum Ausdruck, unterstützt durch eindeutige Zeichen (Nicken oder Schütteln des Kopfes), woraus sich folgende Erklärung des Erschienenen ergab:"

Die notarielle Urkunde enthält sodann die Einsetzung des Beteiligten zu 1) als Allein erbe und seine Beschwerung mit einem Vermächtnis zugunsten des Betreuers M hinsichtlich des Hausgrundstücks zuzüglich eines Geldbetrages von 250.000,00 DM sowie mit einer angeordneten Testamentsvollstreckung mit der Maßgabe, daß die Bestimmung der Person des Testamentsvollstreckers gem. § 2198 Abs. 1 BGB Herrn M überlassen wurde. Letzterer hat nach dem Tod des Erblassers von dieser Befugnis Gebrauch gemacht, indem er durch Erklärung gegenüber dem Nachlaßgericht vom 29.11.2000 Notar B zum Testamentsvollstrecker bestimmt hat, der seinerseits durch Erklärung vom selben Tage das Amt angenommen hat (15 VI 537/00 AG Bad Oeynhausen).

Der Beteiligte zu 3) hat in notarieller Urkunde vom 21.12.2000 (UR-Nr. 173/2000 Notar Schmidt in Bad Oeynhausen) die Erteilung eines gemeinschaftlichen Teilerbscheins beantragt, der aufgrund gesetzlicher Erbfolge ihn zu % Anteil und die Beteiligte zu 2) zu 1/2 Anteil als Erben ausweisen soll. Zur Begründung haben die Beteiligten zu 2) und 3) im Verfahren im wesentlichen geltend gemacht, das notarielle Testament vom 28.10.1998 sei unwirksam, weil der Erblasser bei der Beurkundung sprechunfähig gewesen sei; er habe sich eingeschränkt allenfalls durch Gestik und Mimik verständigen können. Der Betreuer M des Erblassers sei von dem Notar bei der Beurkundung nicht als Vertrauensperson im Sinne des § 24 BeurkG zugezogen worden.

Der Beteiligte zu 1) ist dem Erbscheinsantrag entgegengetreten und hat den Standpunkt vertreten, er sei durch das Testament des Erblassers wirksam als sein Alleinerbe eingesetzt. Der Erblasser sei - wenn auch eingeschränkt - sprechfähig gewesen. Dies folge insbesondere aus der entsprechenden Feststellung des Notars in der Testamentsurkunde. Der Zuziehung einer Vertrauensperson gem. § 24 BeurkG habe es danach bereits nicht bedurft. Sofern diese gleichwohl als erforderlich angesehen werden sollte, sei diese Zuziehung in der Person des Betreuers des Erblassers erfolgt.

In einem parallel geführten Verfahren über den Antrag des Notars auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses (15 VI 537/00) hat das Amtsgericht die Beteiligten am 12.02.2001 angehört. Der Notar hat dabei eine eingehende Darstellung über die von ihm mit dem Erblasser geführten Vorgespräche und den Verlauf der Beurkundungsverhandlung gegeben. Das Amtsgericht hat sodann in beiden Verfahren in der Sitzung vom 26.03.2001 die Zeugen M vernommen. Durch zwei Beschlüsse vom 30.04.2001 hat das Amtsgericht den Antrag auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses zurückgewiesen - insoweit ist eine Beschwerde nicht eingelegt worden - sowie in dem vorliegenden Verfahren durch Vorbescheid angekündigt, den von dem Beteiligten zu 3) beantragten gemeinschaftlichen Teilerbschein erteilen zu wollen, falls gegen die Entscheidung nicht bis zum 28.05.2001 Beschwerde eingelegt werde.

Gegen diesen Beschluß hat der Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 28.05.2001 Beschwerde eingelegt, mit der er beantragt hat,

den Antrag des Beteiligten zu 3) auf Erteilung eines Erbscheins zurückzuweisen, ihm einen Erbschein zu erteilen, der ihn als Alleinerben ausweisen soll,

hilfsweise ihm einen (gemeinschaftlichen) Erbschein zu erteilen, der ihn zu 1/4 Anteil, die Beteiligte zu 2) zu 1/2 Anteil und den Beteiligten zu 3) zu % Anteil als Erben ausweisen soll.

Die Beteiligten zu 2) und 3) haben die Zurückweisung des Rechtsmittels sowie die Erteilung eines gemeinschaftlichen Teilerbscheins Erbscheins entsprechend dem von dem Beteiligten zu 3) in notarieller Urkunde vom 21.12.2000 gestellten Antrag beantragt.

Das Amtsgericht hat durch Beschluß vom 07.07.2001 der Beschwerde nicht abgeholfen. Das Landgericht hat durch Beschluß vom 05.10.2001 die Beschwerde zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1), die er mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 21.11.2001 bei dem Amtsgericht eingelegt hat. Mit seinem Rechtsmittel verfolgt der Beteiligte zu 1) seine im Erstbeschwerdeverfahren gestellten Anträge weiter.

Die Beteiligten zu 2) und 3) beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.

Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 1) folgt bereits daraus, daß das Landgericht seine gegen den Vorbescheid des Amtsgerichts vom 30.04.2001 gerichtete Beschwerde zurückgewiesen hat. Unzulässig ist die weitere Beschwerde hingegen, soweit der Beteiligte zu 1) mit ihr den Antrag verfolgt, das Amtsgericht zur Erteilung eines Erbscheins anzuweisen, der ihn als Alleinerben ausweisen soll. Dasselbe gilt für seinen Hilfsantrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins nach gesetzlicher Erbfolge. Denn über diese Anträge hat das Landgericht zu Recht keine Entscheidung getroffen, so daß der Beteiligte zu 1) insoweit durch die Entscheidung des Landgerichts nicht beschwert ist (§§ 20 Abs. 1, 29 Abs. 4 FGG). In das Verfahren der weiteren Beschwerde können neue Anträge nicht eingeführt werden (§§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG, 559 ZPO n.F.).

In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde des Beteiligten zu 1) ausgegangen, soweit sie sich gegen den amtsgerichtlichen Vorbescheid richtet. Die Zulässigkeit des Erlasses eines Vorbescheids und seine Rechtsmittelfähigkeit sind in der Rechtsprechung für den Fall zweifelhafter Beurteilung der Erbfolge anerkannt, um die Publizitätswirkungen eines unrichtigen Erbscheins zu vermeiden (BGHZ 20, 255). Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 1) (§ 20 Abs. 1 FGG) ergibt sich insoweit daraus, daß er ein testamentarisches Erbrecht für sich in Anspruch nimmt, das in dem Vorbescheid keine Berücksichtigung findet. Die Prüfungsbefugnis des Beschwerdegerichts erstreckt sich jedoch nicht auf den weitergehenden Antrag des Beteiligten zu 1), das Amtsgericht zur Erteilung eines Erbscheins anzuweisen, der ihn als Alleinerben ausweisen soll, sowie auf seinen Hilfsantrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins nach gesetzlicher Erbfolge. Denn im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kann Gegenstand des Beschwerdeverfahrens grundsätzlich nur der Verfahrensgegenstand sein, über den im ersten Rechtszug entschieden worden ist. Das Beschwerdeverfahren kann keine andere Angelegenheit betreffen als diejenige, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung gewesen ist (BGH NJW 1980, 891; Keidel/Kahl, FG, 14. Aufl., § 23, Rdnr. 3 m.w.N.). So verhält es sich auch hier in Bezug auf den Vorbescheid einerseits und die Entscheidung über den Erbscheinsantrag andererseits. Der Vorbescheid eröffnet ein selbständiges Zwischenverfahren, das von der Entscheidung über den Erbscheinsantrag in der Hauptsache zu unterscheiden ist. Dementsprechend ist anerkannt, daß bei der Anfechtung eines Vorbescheides das Beschwerdegericht nur über die Aufrechterhaltung oder Aufhebung des Vorbescheides, nicht jedoch über den Erbscheinsantrag selbst entscheiden kann (BayObLG FamRZ 1992, 1102; Senat OLGZ 1970, 117). Dieselbe Beurteilung ergibt sich in Bezug auf den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1), mit dem er eine gegenüber der Beurteilung in dem Vorbescheid gegenteilige Erbfolge für sich in Anspruch nimmt. Anders verhielte es sich nur dann, wenn das Amtsgericht im Zusammenhang mit seiner Nichtabhilfeentscheidung auch den mit der Beschwerde von dem Beteiligten zu 1) gestellten Erbscheinsantrag abschließend hätte zurückweisen wollen. Dafür bestehen jedoch nach dem Inhalt des Beschlusses des Amtsgerichts vom 30.04.2001 keine Anhaltspunkte. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß es als verfahrensrechtlich überflüssig und unzweckmäßig angesehen wird, wenn das Nachlaßgericht neben dem Erlaß eines Vorbescheides den von einem anderen Beteiligten gestellten Erbscheinsantrag deshalb zurückweist, weil er ein entgegengesetztes Ziel verfolgt (BayObLG NJW-RR 1992, 1223). Es spricht deshalb nichts dafür, daß das Amtsgericht gleichwohl in dieser Weise verfahren wollte.

In der Sache hält die Beurteilung des Landgerichts, das notarielle Testament vom 28.10.1998 sei unwirksam, rechtlicher Nachprüfung stand.

Die Voraussetzungen für die Formwirksamkeit eines zur Niederschrift eines Notars errichteten Testaments eines sprechbehinderten Erblassers beurteilen sich im Ausgangspunkt nach den §§ 2232 S. 1, 2233 Abs. 3 BGB (Senat FamRZ 2000, 703; FGPrax 2000, 151 = NJW 2000, 3362). Nach der letztgenannten Vorschrift kann ein Erblasser ein formgültiges Testament nicht - wie es hier geschehen ist - durch mündliche Erklärung, sondern nur durch Übergabe einer Schrift errichten, wenn er (entweder) nach seinen eigenen Angaben oder nach der Überzeugung des Notars nicht hinreichend zu sprechen vermag. Ein Erblasser vermag dann hinreichend zu sprechen, wenn er seinen letzten Willen in der Lautsprache verständlich machen kann, wenn er lautlich Worte bilden kann, die von den mitwirkenden Personen verstanden werden (BGHZ 2, 172 = DNotZ 1952, 175). Dabei genügt es für die rechtswirksame Errichtung eines öffentlichen Testaments durch mündliche Erklärung, daß die Urkundsperson einen Testamentsentwurf vorliest und der Erblasser auf ihre Frage, ob das Verlesene seinem letzten Willen entspreche, mit "ja" antwortet. Damit ist jedoch die Grenze dessen erreicht, was aus Gründen der Klarheit und Sicherheit im Rechtsleben in Kauf genommen werden kann. Wer nur unartikuliert lallen und die Sprache überhaupt nicht mehr gebrauchen, sich allein durch Zeichen oder Gebärden ausdrücken kann, vermag nicht hinreichend zu sprechen und kann deshalb durch mündliche Erklärung das Testament nicht wirksam errichten. Unschädlich ist es allerdings, wenn ein Erblasser sprachliche Erklärungen zu einzelnen Punkten durch Zeichen oder Gebärden unterstützten oder ersetzen muß (BGHZ 37, 79 = NJW 1962, 1149; BayObLGZ 1968, 268 = DNotZ 1969, 301; MK/BGB/Burkart, 3. Aufl., § 2233 Rdnr. 10).

Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 19.01.1999 (NJW 1999, 1853 ff.) allerdings ausgesprochen, daß die genannten Formvorschriften fortan nicht mehr auf letztwillige Verfügungen schreib- und sprechunfähiger Personen, die geistig und körperlich zu einer Testamentserrichtung in der Lage sind, angewendet werden dürfen, soweit sie diese Personen von jeder Testierung ausschließen. Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung könnten schreib- und sprechunfähige Personen künftig mit notarieller Hilfe letztwillige Verfügungen errichten, und zwar nach den Vorschriften der §§ 22 - 26 BeurkG über rechtsgeschäftliche Erklärungen unter Lebenden in Verbindung mit den §§ 27 - 29, 34 und 35 BeurkG. Die Übergangsvorschrift erfasse allerdings nicht in der Vergangenheit von schreib- und sprechunfähigen Personen bereits errichtete letztwillige Verfügungen. In diesen Fällen sei es Aufgabe der Rechtsprechung, die durch die Unvereinbarkeitserklärung entstandene Regelungslücke zu schließen und Maßstäbe für die Beurteilung der Wirksamkeit solcher Testamente zu entwickeln. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Testierfreiheit könnten die von schreibunfähigen Stummen in der Vergangenheit errichteten Testamente nicht allein wegen Verletzung des gesetzlichen Formzwangs als unwirksam angesehen werden. Vielmehr müßten jedenfalls solche letztwillige Verfügungen als rechtswirksam anerkannt werden, die von schreibunfähigen Stummen in Ermangelung anderer Regelungen entsprechend den Anforderungen der §§ 22 - 26 BeurkG errichtet worden seien (BVerfG a.a.O. S. 1856). Der Senat hat dieser Rechtsprechung des BVerfG für den Fall eines zeitlich vor seiner Entscheidung notariell beurkundeten Testaments eines sprech- und schreibunfähigen Erblassers dadurch Rechnung getragen, daß er die in den §§ 22, 24 BeurkG vorgesehene Mitwirkung einer Vertrauensperson und eines Zeugen oder zweiten Notars für die Bejahung der Wirksamkeit des Testaments als Mindeststandard für notwendig erachtet hat (FGPrax 2000, 151 = NJW 2000, 3362).

Von dieser Entwicklung der Rechtsprechung ausgehend hat das Landgericht im Hinblick auf die Vorschrift des § 24 Abs. 1 S. 2 BeurkG geprüft, ob in der notariellen Urkunde vom 28.10.1998 festgestellt ist, daß der Erblasser nicht hinreichend sprechen kann. Die Kammer hat dies im Hinblick auf die oben wiedergegebenen Passagen der notariellen Urkunde mit der Begründung bejaht, aus diesen ergebe sich, daß der Erblasser sich gerade nicht in hinreichender Weise durch Sprache bzw. Sprachlaute verständigen konnte, wie es für eine hinreichende Verständigung durch "Sprechen" erforderlich sei. Vielmehr zeige die Niederschrift, daß von den insoweit Beteiligten die von dem Erblasser von sich gegebenen "Artikulationsäußerungen" nur in Verbindung mit weiteren Zeichen (Nicken oder Schütteln des Kopfes) als Willensäußerung in bestimmten Sinne hätten verstanden werden können.

Die gegen diese Ausführungen gerichteten Angriffe der weiteren Beschwerde greifen nicht durch. Hinsichtlich der Feststellung der Sprechunfähigkeit des Erblassers sind die Vorschriften des § 2233 Abs. 3 BGB einerseits und des § 24 Abs. 1 S. 2 BeurkG andererseits nicht genau deckungsgleich. § 2233 Abs. 3 BGB stellt - von den eigenen Angaben des Erblassers abgesehen - maßgebend auf die tatsächliche Überzeugung des Notars zum Zeitpunkt der Beurkundung ab. Sind die Angaben zur Sprechfähigkeit des Erblassers in der notariellen Urkunde selbst unklar oder widersprüchlich, so können zur tatsächlichen Überzeugung des Notars weitere Feststellungen getroffen werden (OLG Köln MDR 1994, 806 = BWNotZ 1996, 16). Die Notwendigkeit der Zuziehung einer Vertrauensperson knüpft § 24 Abs. 1 S. 2 BeurkG hingegen allein an die Feststellung der Sprechunfähigkeit des Urkundsbeteiligten durch den Notar in der Niederschrift selbst. Der Senat hält für die Feststellung der Sprechunfähigkeit weiterhin die Vorschrift des § 2233 Abs. 3 BGB für allein einschlägig, und zwar auch unter Berücksichtigung der bereits genannten Entscheidung des BVerfG vom 19.01.1999. Das BVerfG hat die Vorschrift des § 2233 Abs. 3 BGB nur insoweit mit dem GG für unvereinbar erklärt, als die in ihr angeordnete Rechtsfolge dazu führt, daß Personen, die weder schreiben noch sprechen können, die Möglichkeit einer Testamentserrichtung verwehrt ist. In seiner Entscheidung hat das BVerfG insbesondere nicht beanstandet, daß die Feststellung der Sprechunfähigkeit bei der Errichtung eines notariellen Testaments in § 2233 Abs. 3 BGB einerseits von (geringfügig) anderen Kriterien abhängt als bei der Beurkundung rechtsgeschäftlicher Erklärungen, auf die u.a. § 24 BeurkG anwendbar ist. Der Senat versteht die Entscheidung des BVerfG so, daß in den Fällen, in denen die Anwendung des § 2233 Abs. 3 BGB zur Annahme der Testierunfähigkeit führen würde, zur Vermeidung eines mit dem GG nicht zu vereinbarenden Ergebnisses dem Erblasser durch entsprechende Anwendung der Vorschriften des BeurkG die Möglichkeit zur Errichtung eines notariellen Testamentes eröffnet werden muß. Das bedeutet, daß bereits dann zur Wahrung der Formwirksamkeit des Testaments gem. § 24 Abs. 1 BeurkG eine Vertrauensperson hinzugezogen werden muß, wenn der Erblasser nach der tatsächlichen Überzeugung des Notars (schreib-) und sprechunfähig ist. Dieser Ausgangspunkt liegt auch der Entscheidung des Senats vom 15.05.2000 (FGPrax 2000, 151 = NJW 2000, 3362) zugrunde. Daß der beurkundende Notar der Überzeugung war, der Erblasser sei (schreib-) und sprechunfähig, ergibt sich aus den nachfolgenden Ausführungen, auf die verwiesen wird.

Auch die Anwendung der enger gefaßten Vorschrift des § 24 Abs. 1 S. 2 BeurkG würde nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Die Vorschrift will, indem sie die notwendige Zuziehung einer Vertrauensperson an die in der Niederschrift erfolgte Feststellung des Notars anknüpft, in besonderem Maße zur Rechtssicherheit beitragen. Für die Auslegung der in der Niederschrift getroffenen Feststellungen kann es nur darauf ankommen, welche tatsächlichen Verhältnisse der Notar als Gegenstand seiner eigenen Überzeugung subjektiv hat wiedergeben wollen. Die Überzeugung des Notars von bestimmten tatsächlichen Verhältnisses darf in diesem Zusammenhang nicht vermengt werden mit seiner möglicherweise von Irrtum beeinflußten Vorstellung über die verfahrensrechtliche Zulässigkeit der Art und Weise der Beurkundung der letztwilligen Verfügung. Wenn das Landgericht die hier in der Niederschrift getroffenen Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht dahin verstanden hat, daß die "Artikulationsäußerungen" des Erblassers nur in Verbindung mit weiteren Zeichen verständlich gewesen seien, so sieht der Senat keinen Anlaß, dies rechtlich zu beanstanden. In diesem Zusammenhang sind die hermeneutischen Betrachtungen der weiteren Beschwerde zu dem in der Niederschrift verwendeten Begriff "verständliches Artikulieren, unterstützt durch eindeutige Zeichen (Nicken oder Schütteln des Kopfes)" nachrangig gegenüber derjenigen Bedeutung, die der Notar seiner Formulierung tatsächlich hat beimessen wollen. Unter diesem Gesichtspunkt hält es der Senat sowohl für zulässig als auch geboten, auf die Erklärungen zurückzugreifen, die der Notar selbst zu dem Beurkundungsvorgang abgegeben hat. Dieser ist in dem Verfahren über seinen Antrag auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses (15 VI 537/00 AG durch das Amtsgericht am 12.02.2001 persönlich angehört worden und hat u.a. folgendes erklärt:

"Der Erblasser konnte den Namen B H nicht aussprechen. Der Erblasser konnte keine Sätze oder Worte bilden. Er hat aber Laute geäußert. Aus diesen Lauten konnte man Zustimmung oder Ablehnung entnehmen. Die Laute des Erblassers waren unterschiedlich. Der Erblasser konnte nicht mehr klar ja und nein sagen.

Auf Vorhalt:

Es ist zutreffend, wenn man die Äußerungen des Erblassers als unartikulierte Laute beschreibt. Dies Laute waren ganz unterschiedlich. Die Äußerungen des Erblassers waren mal besser und mal schlechter. Wenn der Erblasser immer nur "nee, nee, nee" geäußert hätte, hätte ich das sicherlich als Ablehnung gewertet. Ich habe die Laute des Erblassers im Zusammenhang mit Gestik, Mimik und Kopfschütteln als jeweilige Zustimmung bzw. Ablehnung verstanden.

Wie ich auch in die Urkunde aufgenommen habe, war es so, daß ich aufgrund meiner langjährigen Bekanntschaft auch nach der Erkrankung des Erschienenen durchaus in der Lage war, die Äußerungen des Erblassers zu verstehen.

Es war schon so, daß der Erblasser sich verständigen konnte. So hat er es zum Beispiel auch erreicht, daß er aus dem Fürstenhof rausgekommen ist. Insoweit waren die Äußerungen des Erblassers auch verständlich....."

Diese Darstellung ergibt mit einer Zweifel ausschließenden Deutlichkeit, was der Notar inhaltlich hat feststellen wollen: Der Erblasser war zu einer sprachlichen Kommunikation nicht mehr fähig, konnte auch an ihn gerichtete Fragen nicht mit einem vernehmbaren "Ja" oder "Nein" beantworten. Grundlage der Kommunikation mit dem Erblasser waren von seiner Seite allein unartikulierte Laute in Verbindung mit Gestik, Mimik und Kopfschütteln. Aufgrund seiner persönlichen Bekanntschaft mit dem Erblasser und seiner Vertrautheit mit dieser Form der Kommunikation hielt der Notar eine hinreichende Verständigung mit dem Erblasser - ungeachtet dessen Sprechunfähikgeit - für möglich. Der Fortgang der Beurkundung belegt lediglich, daß der Notar in dieser Situation die Beurkundung der letztwilligen Verfügung des Erblassers für zulässig hielt.

Auf dieser Grundlage hätte deshalb das Testament durch Niederschrift der mündlichen Erklärung des Erblassers formwirksam nur beurkundet werden können, wenn der Notar zu dem Beurkundungsvorgang eine Vertrauensperson des Erblassers hinzugezogen hätte (§ 24 Abs. 1 S. 2 BeurkG). Von diesem Erfordernis abzusehen, besteht nicht allein deshalb Anlaß, weil der Notar seinen Angaben nach selbst mit dem Erblasser persönlich vertraut und davon überzeugt war, sich mit ihm hinreichend verständigen zu können. Der Notar selbst kann nach anerkannter Auffassung nicht zugezogene Vertrauensperson im Sinne des § 24 BeurkG sein (vgl. Keidel/Winkler, FG, 14. Aufl., § 24 BeurkG, Rdnr. 8). Dies gilt auch in dem Bereich der entsprechenden Anwendung der Vorschrift, die durch die genannte Entscheidung des BVerfG veranlaßt ist. Der Senat hat zwar in seiner bereits genannten Entscheidung für die Notwendigkeit der Zuziehung einer Vertrauensperson als Mindeststandard die Belange der Rechtssicherheit und des Schutzes schreib- und sprechunfähiger Personen vor vermeidbaren Irrtums- und Kommunikationsrisiken in den Vordergrund gestellt. Mit den Erfordernissen der Rechtssicherheit wäre es jedoch nicht in Einklang zu bringen, die Erforderlichkeit der Zuziehung einer Vertrauensperson von dem Maß der Schutzwürdigkeit des Erblassers bzw. umgekehrt seiner Vertrautheit mit dem Urkundsnotar abhängig zu machen, zumal dieser Gesichtspunkt bei Beurkundung von Rechtsgeschäften unter Lebenden ebenfalls keine Rolle spielen kann. Hinzu kommt, daß die Irrtums- und Kommunikationsrisiken bei bestehender Sprechunfähigkeit des Erblassers deutlich erhöht sind und eine Gegenkontrolle durch eine Vertrauensperson des Erblassers auch dann erfordern, wenn der Notar selbst davon ausgeht, sich mit dem Erblasser hinreichend verständigen zu können.

Die gegen eine solche Beurteilung vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken der weiteren Beschwerde unter dem Gesichtspunkt des Benachteiligungsverbots Behinderter (Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG) teilt der Senat nicht. Denn das BVerfG hat in seiner bereits genannten Entscheidung die Freiheit des Gesetzgebers bei der Gestaltung der Formvorschriften für die Errichtung eines notariellen Testaments hervorgehoben. Im übrigen müssen die für den Behinderten nachteiligen Auswirkungen einer gesetzlichen Regelung unerläßlich sein, um behinderungsbezogenen Besonderheiten Rechnung zu tragen. Nach diesem Maßstab hat das BVerfG lediglich beanstandet, daß nach Maßgabe des § 2233 Abs. 3 BGB einem sprech- und schreibunfähigen Erblasser, der über die nötige intellektuelle und physische Selbstbestimmungsfähigkeit verfügt, der Zugang zur Errichtung eines formwirksamen notariellen Testaments gänzlich verwehrt ist, während das BVerfG im übrigen für die Übergangszeit bis zu einer gesetzlichen Neuregelung selbst die entsprechende Anwendung der §§ 22 bis 27 BeurkG, also einschließlich derjenigen des § 24 BeurkG über die Notwendigkeit der Zuziehung einer Vertrauensperson, angeordnet hat.

Das Landgericht hat weiter aufgrund des Ergebnisses der im erstinstanzlichen Verfahren durchgeführten Ermittlungen festgestellt, der Betreuer M des Erblassers sei von dem Notar nicht als Vertrauensperson zugezogen worden. Zur Begründung hat die Kammer insoweit ausgeführt, Herr M habe sich darauf beschränkt, in seiner Eigenschaft als Betreuer des Betroffenen bei dem Beurkundungsvorgang anwesend zu sein. Ihm sei jedoch weder von dem Notar klargemacht worden, daß er an dem Beurkundungsvorgang als Vertrauensperson mitwirken solle, noch habe er sich in irgendeiner Weise aktiv an der Vermittlung des Erblasserwillens beteiligt. Nach der Darstellung des Herrn M bei seiner Anhörung durch das Amtsgericht am 26.03.2001 sei er "außen vor" gewesen, als das Gespräch sich dem im Entwurf bereits vorbereiteten Testament zugewandt habe. Die weitere Beschwerde beanstandet die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts als solche nicht. Mit ihrer rechtlichen Auffassung, der Betreuer M sei gleichwohl als Vertrauensperson des Erblassers im Sinne des § 24 BeurkG tätig geworden, kann die weitere Beschwerde ebenfalls nicht durchdringen.

Richtig ist zwar, daß die gesetzliche Vorschrift des § 24 BeurkG nicht näher beschreibt, in welcher Weise die hinzugezogene Vertrauensperson bei der Beurkundungsverhandlung tätig zu werden hat. Die Mindestvoraussetzungen für die Wahrung der Formvorschrift ergibt sich jedoch aus dem Wortlaut der gesetzlichen Vorschrift ("Zuziehung einer Vertrauensperson") und der Funktion, die diese Person bei der Beurkundungsverhandlung zu erfüllen hat. Die Vertrauensperson hat die Aufgabe, für die Übermittlung des Willens des schreib- und sprechunfähigen Erblassers an die Beurkundungsgsperson Sorge zu tragen (Huhn/von Schuckmann, BeurkG, 3. Aufl., § 24, Rdnr. 5). Die Vertrauensperson trägt deshalb eine Mitverantwortung für die Ermittlung des Erblasserwillens. Wie die Vertrauensperson dieser Mitverantwortung gerecht wird, ist im Gesetz nicht vorgeschrieben. Deshalb ist es nicht ausgeschlossen, daß eine Vertrauensperson sich darauf beschränkt, die Kommunikation zwischen dem Erblasser und dem Notar zu verfolgen, wenn sie den Eindruck gewinnt, daß der Erblasser von dem Notar zutreffend verstanden wird. Unabdingbar erforderlich ist indessen, daß der Notar im Zusammenhang mit seiner Zuziehung dafür Sorge trägt, daß sich die Vertrauensperson ihrer persönlichen Mitverantwortung bei dem Beurkundungsvorgang bewußt wird. Nach dem vom Landgericht festgestellten Sachverhalt ist eine Zuziehung des Herrn M durch den Urkundsnotar nicht erfolgt. Seinen Angaben zufolge war er sich zu keinem Zeitpunkt darüber im klaren, daß er eine persönliche Mitverantwortung für die Ermittlung des Erblasserwillens bei dem Beurkundungsvorgang übernehmen sollte. Eine entsprechende Klarstellung ihm gegenüber durch den Urkundsnotar im Sinne einer Zuziehung ist nicht erfolgt. Die bloße Anwesenheit einer dritten Person bei der Beurkundungsverhandlung kann deshalb nicht ausreichen, um diese im nachhinein als Vertrauensperson im Sinne des § 24 Abs. 1 BeurkG qualifizieren zu können.

Die Entscheidung über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde folgt aus der zwingenden Vorschrift des § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG.

Die Wertfestsetzung für das Verfahren dritter Instanz beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO. Dabei hat der Senat das Interesse des Beteiligten zu 1) an derjenigen wirtschaftlichen Besserstellung bewertet, die sich ergibt, wenn er entsprechend seinem Beschwerdeziel als testamentarischer Alleinerbe festgestellt wird statt lediglich zu 1/4 als gesetzlicher Miterbe berufen zu sein. Bezogen auf den von dem Beteiligten zu 1) mit 12.317.394,86 DM angegebenen Nachlaßwert ergibt sich gerundet ein Betrag von 9.250.000,00 DM, den bereits das Landgericht für das Erstbeschwerdeverfahren festgesetzt hat.

Ende der Entscheidung

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