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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 20.03.2001
Aktenzeichen: 15 W 399/00
Rechtsgebiete: PStG, BGB


Vorschriften:

PStG § 21
BGB § 1626
Leitsatz:

"Ogün" kann als männlicher Vorname nur erteilt werden, wenn ein zweiter - eindeutig männlicher - Vorname hinzugefügt wird.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 W 399/00 OLG Hamm 25 T 520/00 LG Bielefeld 3 III 58/00 AG Bielefeld

in der Personenstandssache

betreffend die Weigerung des Standesbeamten des Standesamtes Bielefeld, für das am 03.05.2000 geborene Kind der Frau C und des Herrn C den Vornamen "Ogün" in das Geburtenbuch einzutragen

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 20. März 2001 auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) vom 17. Oktober 2000 gegen den Beschluß der 25. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 5. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Gammelin und die Richter am Oberlandesgericht Engelhardt und Christ

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß und der Beschluß des Amtsgerichts vom 28. Juli 2000 werden aufgehoben.

Der Standesbeamte des Standesamts Bielefeld wird angewiesen, den Vornamen "Ogün" nicht einzutragen.

Eine Erstattung außergerichtlicher Auslagen findet nicht statt.

Der Geschäftswert wird für das Verfahren der ersten Beschwerde und das Verfahren der weiteren Beschwerde auf je 5.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1) sind türkische Staatsangehörige und haben am 01.09.1986 in der Türkei die Ehe geschlossen. Sie wollen ihrem am 03.05.2000 geborenen Sohn den Vornamen "Ogün" geben. Der Standesbeamte des Standesamtes Bielefeld hat die Sache dem Amtsgericht Bielefeld zur Entscheidung darüber vorgelegt, ob die Eintragung des Vornamens "Ogün" in das Geburtenbuch vorzunehmen ist. Er vertritt die Auffassung, dieser Name sei nach den ihm vorliegenden Unterlagen sowohl für Jungen als auch für Mädchen möglich und deshalb nach deutschem Recht als einziger Vorname unzulässig. Die Beteiligten zu 1) sind nicht bereit, dem Kind einen anderen oder einen zweiten Vornamen beizulegen.

Durch Beschluß vom 28.07.2000 hat das Amtsgericht den Standesbeamten angewiesen, für das Kind der Beteiligten zu 1) den Vornamen "Ogün" zu beurkunden. Gegen diese ihm nicht zugestellte Entscheidung legte der Beteiligte zu 2) mit Schriftsatz vom 11.08.2000 sofortige Beschwerde ein, die das Landgericht mit Beschluß vom 05.10.2000 zurückwies.

Gegen diese ihm am 11.10.2000 zugestellte Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2), die am 19.10.2000 bei dem Landgericht eingegangen ist.

II.

Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 2) ist statthaft, in rechter Form und Frist eingelegt worden und auch sonst zulässig (§§ 49 Abs. 1 und 2 PStG in Verbindung mit §§ 27, 29 FGG). Da durch die vom Landgericht bestätigte Entscheidung der Standesbeamte zur Vornahme einer Amtshandlung angehalten worden ist, findet gemäß § 49 Abs. 1 Satz 1 PStG das befristete Rechtsmittel statt, nach § 29 Abs. 2 FGG mithin die sofortige weitere Beschwerde. Die Beschwerdeberechtigung des Beteiligten zu 2) als Standesamtsaufsichtsbehörde ergibt sich aus § 49 Abs. 2 PStG.

Die sofortige weitere Beschwerde ist auch begründet, weil die Beschwerdeentscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 Abs. 1 FGG).

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen sofortigen Erstbeschwerde des Beteiligten zu 2) nach § 49 PStG ausgegangen. Dem Beteiligten zu 2) war die Entscheidung des Amtsgerichts entgegen § 16 Abs. 2 FGG nicht zugestellt worden. Mit der formlosen Bekanntmachung der amtsgerichtlichen Entscheidung begann die Frist des § 22 Abs. 1 FGG nicht zu laufen.

Da die hier zu beurteilende Angelegenheit wegen der türkischen Staatsangehörigkeit der Beteiligten zu 1) und der hierdurch bedingten türkischen Staatsangehörigkeit des Kindes neben der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes (§ 4 Abs. 3 StAG) Auslandsberührung aufweist, war neben der örtlichen und sachlichen auch die internationale Zuständigkeit des deutschen Gerichts, also dessen Befugnis, sich mit der Sache zu befassen, zu prüfen. Diese internationale Zuständigkeit wird durch die im deutschen Verfahrensrecht vorgesehene Mitwirkung der örtlichen Gerichte bei der Führung der Personenstandsbücher begründet, falls die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen einer gerichtlichen Tätigkeit, wie sie sich aus dem Personenstandsgesetz ergeben, vorliegen (ständige Rechtsprechung des Senats, StAZ 1985; 131 m.w.N.). Das ist hier gemäß § 45 Abs. 2 PStG zu bejahen, wobei das Amtsgericht Bielefeld nach § 50 PStG für die vom Standesbeamten beantragte Entscheidung örtlich und sachlich zuständig war.

Gemäß Artikel 10 Abs. 1 EGBGB unterliegt das Recht des Namens einer Person dem Recht des Staates, dem die Person angehört. Für die Erteilung des Vornamens des Kindes, das sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsangehörigkeit besitzt, ist deutsches Recht maßgeblich, Artikel 10 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB (vgl. Palandt/Heldrich, 60. Auflage, Artikel 10 EGBGB Rdnr. 19; OLG Frankfurt, StAZ 2000, 238).

Das Recht, einem Kind einen Vornamen zu geben, steht dem Sorgeberechtigten zu (§ 1626 BGB; vgl. hierzu Diederichsen NJW 1981, 705). Allgemein verbindliche Vorschriften über die Wahl und die Führung von Vornamen gibt es zur Zeit nicht. Die freie Wahl der Vornamen ist deshalb nur dadurch beschränkt, daß die Namensgebung die allgemeine Sitte und Ordnung nicht verletzen darf. Diese Grenzen werden u.a. dann nicht eingehalten, wenn bei der Namensgebung der natürlichen Ordnung der Geschlechter nicht Rechnung getragen wird und wenn Jungen (Mädchen) Vornamen beigelegt werden, die im allgemeinen Bewußtsein als Vornamen des weiblichen (männlichen) Geschlechts lebendig sind (BGHZ 73, 239, 241 = StAZ 1979, 238). Das wird allgemein als selbstverständlich empfunden und bildet auch den Ausgangspunkt für die Regelung des Personenstandsgesetzes, dem die Auffassung zugrundeliegt, daß die einem Kind gegebenen Vornamen geeignet sein sollen, ohne weiteres dessen Geschlecht erkennen zu lassen. Ist der Vorname nicht eindeutig männlich oder weiblich, so steht dies der Eintragung dann nicht entgegen, wenn dem Kind ein weiterer, den Zweifel über das Geschlecht ausräumender Vorname beigelegt wird (BGH aaO; Senat, StAZ 1998, 322; 1996, 208; NJW-RR 1994, 580; OLG Karlsruhe 1989, 283; OLG Stuttgart 1982, 177).

Das Landgericht ist zwar von diesen Grundsätzen ausgegangen, es hat jedoch zu Unrecht angenommen, auf Grund der bei den Aktei befindlichen schriftlichen Unterlagen sei der Vorname "Ogün" nicht geschlechtsneutral. Nach dem von den Kölnern Standesbeamten in Zusammenarbeit mit dem türkischen Generalkonsulat Köln erstellten Verzeichnis türkischer Vornamen ist der Name "Ogün" ein männlicher und weiblicher Vorname. Nach der auf Veranlassung des Amtsgerichts eingeholten Auskunft des Generalkonsulats der Türkei in Münster vom 13.07.2000 wird der Vorname "Ogün" vorwiegend männlichen Kindern beigegeben, er kann aber auch einem Mädchen beigegeben werden, weil, wie der Vizekonsul des Generalkonsulats Münster meint, es nach türkischem Namensrecht nicht erforderlich sei, daß das Geschlecht des Kindes an dem Vornamen zu erkennen sei. Demnach stimmt die Angabe des Generalkonsulats Münster jedenfalls insoweit mit dem genannten Verzeichnis für Vornamen türkischer Kinder der Kölner Standesbeamten und Mitarbeiter des türkischen Generalkonsulats in Köln darin überein, daß der Vorname "Ogün" ein in der Türkei für Jungen und Mädchen gebräuchlicher Vorname ist, der das Geschlecht des Kindes nicht erkennen läßt. Dieser Name kann deshalb einem Jungen nur dann gegeben werden, wenn dieser einen weiteren, eindeutig männlichen Vornamen erhält (BGHZ 73, 239, 241 = StAZ 1979, 238 = NJW 1979, 2469; Senat StAZ 1985, 131; StAZ 1998, 322; StAZ 1996, 208; NJW-RR 1994, 580).

Die Entscheidung des Landgerichts kann daher keinen Bestand haben. Sie ist, weil sie sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist, demgemäß aufzuheben. Einer Zurückverweisung der Sache bedarf es nicht, weil sie entscheidungsreif ist. Wie oben ausgeführt ist, kann der Name "Ogün" als männlicher Vorname nur erteilt werden, wenn ein zweiter - eindeutig männlicher - Vorname hinzugefügt wird.

Demnach kommt es nicht darauf an, ob, wie das Landgericht meint, der Name "Ogün" nach inländischem Sprachempfinden auf das männliche Geschlecht hinweist (was im übrigen zweifelhaft ist angesichts dessen, daß die Nachsilbe "gün" z.B. auch in crem türkischen Mädchennamen "Nilgün" auftaucht). Der Senat vermag auch nicht der Entscheidung des OLG, Frankfurt (StAZ 2000, 238) zu folgen, das ausgeführt hat, Eltern könnten sich darauf beschränken, für ihren auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzenden Sohn einen Vornamen zu wählen, der in dem Staat, dem sie alle angehören, zwar für Knaben und Mädchen benutzt werde, der in Deutschland aber auch männlich empfunden werden könne, wenn die gemeinsame Staatsangehörigkeit von Eltern und Kind eine ausländische sei und das für die gemeinsame ausländische Staatsangehörigkeit maßgebliche Recht den Grundsatz der geschlechtsoffenkundigen Namensgebung nicht kenne. Einer Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof nach § 28 Abs. 2 BGB bedarf es indes nicht, weil der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH der Auffassung ist, daß nach dem hier maßgeblichen deutschen Recht ein Vorname nicht als alleiniger Vorname gegeben werden kann, wenn er das Geschlecht des Kindes nicht eindeutig erkennen läßt (BGHZ 5, 356, 358; 15, 151, 153).

Im Hinblick auf die nach § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG zu treffende Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten folgt der Senat der in FGG-Sachen anzuwendenden Regel, daß jeder Beteiligte seine Kosten zu tragen hat und eine Kostenerstattung nur ausnahmsweise stattfindet. Für einen Ausnahmefall fehlen vorliegend besondere rechtfertigende Gründe.

Die Entscheidung über die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 KostO.

Ende der Entscheidung

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