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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 20.01.2005
Aktenzeichen: 15 W 427/04
Rechtsgebiete: FGG, BGB, KostO


Vorschriften:

FGG § 13 a Abs. 1 S. 2
FGG § 27
FGG § 29
BGB § 2069
KostO § 30 Abs. 1
KostO § 131 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten zu 2) bis 4) haben die dem Beteiligten zu 1) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Gegenstandswert des Verfahrens dritter Instanz wird auf 89.477,00 € festgesetzt.

Gründe: I. Die Erblasserin war verheiratet mit C, der am 12.01.1981 vorverstorben ist. Die Beteiligten zu 1) und 2) sind die aus dieser Ehe hervorgegangen Söhne, die Beteiligten zu 3) und 4) sind die Kinder des Beteiligten zu 2). Die Erblasserin errichtete mit ihrem Ehemann zu notarieller Urkunde vom 17.10.1962 (UR-Nr. 295/1962 Notar Dr. T in Münster) ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben und ihre gemeinschaftlichen Kinder namentlich werden die damals 10 bzw. 12 Jahre alten Beteiligten zu 1) und 2) genannt - als Erben des Letztversterbenden einsetzten. Weiter heißt es: "Der Überlebende von uns Ehegatten soll berechtigt sein, durch Übertragsvertrag unter Lebenden oder durch Testament anderweitig über unseren Nachlaß zu verfügen, jedoch nur zu Gunsten eines oder mehrerer unserer gemeinsamen Kinder. Er soll also berechtigt sein, eines oder mehrere unserer Kinder zu Erben einzusetzen oder zu Gunsten einzelner unserer Kinder Vermächtnisse anzuordnen. Verfügungen von Todes wegen zu Gunsten anderer Personen als unserer gemeinsamen Kinder sind ausgeschlossen." Die Erblasserin schloß zu notarieller Urkunde vom 08.11.1996 (UR-Nr. 452/1996 Notar Dr. T) mit dem Beteiligten zu 2) einen Erbvertrag, in dem sie die Beteiligten zu 3) und 4) zu ihren Erben berief und den Beteiligten zu 2) zum Testamentsvollstrecker bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des jüngsten ihrer als Erben eingesetzten Enkelkinder ernannte. Der Beteiligte zu 1) hat zur Niederschrift der Rechtspflegerin des Amtsgerichts vom 26.02.2004 die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, der ihn und den Beteiligten zu 2) zu je 1/2 Anteil als Erben ausweisen soll. Zur Begründung hat er die Auffassung vertreten, die in dem Erbvertrag getroffene letztwillige Verfügung der Erblasserin sei unwirksam, weil sie durch den Änderungsvorbehalt in dem Ehegattentestament vom 17.10.1962 nicht gedeckt sei. Die Beteiligten zu 2) bis 4) sind dem Erbscheinsantrag entgegengetreten. Sie halten die in dem Erbvertrag getroffene Verfügung der Erblasserin für wirksam. Denn das Ehegattentestament sei dahin auszulegen, daß der überlebende Ehegatte berechtigt gewesen sei, auch zugunsten der Enkelkinder aus der Linie des Beteiligten zu 2) zu verfügen. Das Amtsgericht hat durch Beschluß vom 16.06.2004 einen Vorbescheid erlassen, in dem es die Erteilung eines Erbscheins gemäß dem gestellten Antrag angekündigt hat. Gegen diesen Beschluß haben die Beteiligten zu 2) bis 4) mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 02.07.2004 Beschwerde eingelegt, die das Landgericht durch Beschluß vom 07.10.2004 zurückgewiesen hat. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) bis 4), die sie mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 27.10.2004 bei dem Oberlandesgericht eingelegt haben. Der Beteiligte zu 1) beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels. II. Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 2) bis 4) folgt bereits daraus, daß ihre Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist. In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG). In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten zu 2) bis 4) ausgegangen. Der vom Amtsgericht erlassene Vorbescheid ist in der Rechtsprechung als zulässig und rechtsmittelfähig anerkannt (BGHZ 20, 255). Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 3) und 4) folgt daraus, daß sie für sich ein Erbrecht in Anspruch nehmen, das in dem angekündigten Erbschein nicht berücksichtigt ist. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 2) ergibt sich daraus, daß er für sich aufgrund des Testaments der Erblasserin vom 08.11.1996 beansprucht, als Testamentsvollstrecker berufen zu sein. Als solcher wäre er berechtigt, aufgrund dieses Testamentes einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins zu stellen (vgl. Keidel/Kahl, FG, 15. Aufl., § 20, Rdnr. 76). Auch in der Sache hält die Entscheidung des Landgerichts rechtlicher Nachprüfung stand. Die Kammer hat mit der nachstehend näher behandelten Begründung das gemeinschaftliche Ehegattentestament mit dem Ergebnis ausgelegt, der Begriff der "gemeinsamen Kinder" könne nicht dahin verstanden werden, daß er auch die Enkelkinder aus dem Stamm eines der Söhne der Ehegatten umfasse. Die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 3) und 4) im Testament der Erblasserin vom 08.11.1996 sei deshalb nicht durch den Änderungsvorbehalt zugunsten des überlebenden Ehegatten in dem gemeinschaftlichen Testament vom 17.10.1962 gedeckt. Über den durch den Änderungsvorbehalt gesteckten Rahmen hinaus habe die Erblasserin im Hinblick auf die Wechselbezüglichkeit der Schlußerbeinsetzung in dem Ehegattentestament ihre letztwillige Verfügung nicht widerrufen können (§ 2271 Abs. 2 S. 1 Halbs. 1 BGB). Die Auslegung rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen und damit auch von Testamenten und Erbverträgen ist dem Tatrichter vorbehalten. Die Auslegung des Landgerichts kann im Verfahren der weiteren Beschwerde nur beschränkt, nämlich dahin nachgeprüft werden, ob sie nach den Denkgesetzen und der feststehenden Erfahrung möglich ist - sie muss nicht zwingend sein -, mit den gesetzlichen Auslegungsregeln in Einklang steht, dem klaren Sinn und Wortlaut der Erklärung nicht widerspricht und alle wesentlichen Tatsachen berücksichtigt (vgl. Keidel/Meyer-Holz, a.a.O., § 27, Rdnr. 49 m.w.N.). Einen solchen Rechtsfehler lässt die Entscheidung des Landgerichts nicht erkennen. Rechtlich unbedenklich ist die Auffassung des Landgerichts, daß der Wortlaut des notariellen Testaments vom 17.10.1962 "Verfügungen von Todes wegen zu Gunsten anderer Personen als unserer gemeinsamen Kinder sind ausgeschlossen" zu Zweifeln keinen Anlaß gibt. Der Begriff der "gemeinsamen Kinder" deutet unzweideutig darauf hin, daß Begünstigte einer vorbehaltenen Änderung der Schlußerbeinsetzung des überlebenden Ehegatten nur die gemeinsamen Abkömmlinge der testierenden Ehegatten der nächstfolgenden Generation sein konnten. Ein scheinbar eindeutiger Wortlaut eines Testaments schließt zwar die Berücksichtigung eines abweichenden subjektiven Erblasserwillens (hier beider Ehegatten) nicht aus. Dies gilt auch für notarielle Testamente (vgl. etwa BGH NJW 1981, 1736, 1737; Senat NJW-RR 1993, 1225). Solange indessen nicht konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die testierenden Ehegatten den gewählten Begriff in einem anderen Sinn verstanden haben, muß im Hinblick auf die notarielle Belehrung (§ 17 BeurkG) davon ausgegangen werden, daß die Ehegatten entsprechend der allgemeinen Bedeutung der gewählten Begriffe testieren wollten (vgl. Senat FamRZ 2002, 201, 202). Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, daß sich aus dem Gesamtzusammenhang des Testaments keine konkreten Anhaltspunkte dafür ableiten lassen, daß die Ehegatten den Begriff der gemeinsamen Kinder in einem weiteren Sinn verstanden haben. Die weitere Beschwerde meint einen Raum für eine über den Wortlaut hinausgreifende Auslegung durch die Annahme eröffnen zu können, die Ehegatten hätten ihre gemeinsamen Kinder quasi als erste ihres Stammes einsetzen und damit nur "blutsfremde" Personen, nicht jedoch auch ihre Enkelkinder von der Erbfolge ausschließen wollen. Schon für den Ausgangspunkt dieser Erwägung, den Ehegatten sei es auch um eine Erbfolge über mehrere Generationen ihrer Abkömmlinge gegangen, fehlt es bereits an greifbaren Anhaltspunkten in dem Testament. Aus dessen Inhalt läßt sich lediglich ableiten, daß die Ehegatten ihre Enkelkinder nicht bedacht haben, weil sie vorrangig ihre Kinder als Schlußerben eingesetzt haben. Inwieweit ihre Enkelkinder dereinst durch Erbfolge nach ihren Kindern in den Genuß von Teilen ihres Vermögens kommen konnten, haben die Ehegatten auf diese Weise der Erbfolge in der nächsten Generation überlassen. Es geht deshalb in dem vorliegenden Zusammenhang sachlich nicht um einen Ausschluß der Enkelkinder von der Erbfolge. Nur auf die Erbfolge in der Generation ihrer Kinder bezieht sich auch der hier maßgebliche Änderungsvorbehalt für den überlebenden Ehegatten. Der Änderungsvorbehalt beschreibt den Umfang der dem überlebenden Ehegatten im Hinblick auf die Wechselbezüglichkeit der Schlußerbeinsetzung verbliebenen Testierfreiheit. Der Änderungsvorbehalt ist entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde inhaltlich sehr eng begrenzt, nämlich beschränkt auf eine abweichende Gewichtung der Vermögensnachfolge im Verhältnis der Kinder der Ehegatten untereinander. Inhaltlich weitergehende Änderungsvorbehalte in einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament sind durchaus denkbar. Deshalb gibt der Wortlaut des Testaments für die allgemeine Annahme der Beschwerdeführer, dem Überlebenden habe so viel Gestaltungsfreiheit eingeräumt werden sollen, wie es den Ehegatten vertretbar erschienen sei, keine hinreichende Grundlage. Hinzu kommt, daß der Änderungsvorbehalt zugleich für jeden der Söhne der Ehegatten beschreibt, in welchem Umfang er ggf. mit einer Beeinträchtigung seiner Stellung als Schlußerbe durch eine weitere letztwillige Verfügung des überlebenden Ehegatten noch rechnen mußte. Diese Frage spielte für jeden der als Schlußerben eingesetzten Söhne eine maßgebliche Rolle für die Entscheidung darüber, ob er nach dem Tode des erstverstorbenen Elternteils Pflichtteilsansprüche geltend machen wollte. Eine solche Entscheidung kann durchaus davon beeinflußt werden, ob den Kindern durch den Änderungsvorbehalt signalisiert wird, zugunsten welcher Personen sie mit der Aufhebung der sie begünstigenden Schlußerbeinsetzung ggf. zu rechnen haben. Für die Auslegung ist deshalb auch von Bedeutung, daß sich auch für die als Schlußerben berufenen Kinder aus dem gemeinschaftlichen Testament kein greifbarer Anhaltspunkt dafür ergibt, damit rechnen zu müssen, nicht nur zugunsten der Berufung des jeweiligen Bruders, sondern auch von Neffen und Nichten noch nachträglich von der Schlußerbfolge ausgeschlossen werden zu können. Für weitere Anhaltspunkte in diese Richtung außerhalb des Testaments mußten sich dem Landgericht auch nach dem Vorbringen der Beteiligten zu 2) bis 4) keine konkreten Ermittlungsansätze aufdrängen (§ 12 FGG). Insbesondere gibt es keinen Satz der Lebenserfahrung, daß Ehegatten den Begriff der gemeinsamen Kinder im Zusammenhang mit einem Änderungsvorbehalt regelmäßig in einem weitergehenden Sinn unter Einschluß der Enkelkinder verstehen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer läßt sich ein solcher Satz der Lebenserfahrung nicht etwa aus dem Rechtsgedanken des § 2069 BGB ableiten. Denn § 2069 BGB beschränkt sich auf eine Auslegungsregel, die lediglich den Fall der Ersatzerbfolge betrifft, also nur für den Wegfall eines testamentarisch berufenen Abkömmlings eingreift. Daraus folgt indessen keineswegs, daß Ehegatten einen Änderungsvorbehalt für eine abweichende Vermögensverteilung im Verhältnis der "gemeinsamen Kinder" auch ohne Wegfall eines dieser Kinder auf die nächstfolgende Enkelgeneration erstrecken wollen. Ebenso rechtsfehlerfrei hat das Landgericht eine ergänzende Auslegung des gemeinschaftlichen Ehegattentestaments mit dem von den Beteiligten zu 2) bis 4) angestrebten Ergebnis abgelehnt. Aus dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführer ergibt sich bereits kein verwertbarer Anhaltspunkt dafür, daß der Änderungsvorbehalt in dem gemeinschaftlichen Testament im Hinblick auf eine von den Ehegatten nicht vorausgesehene tatsächliche Entwicklung eine ergänzungsbedürftige Regelungslücke enthält. Eine solche läßt sich nicht allein daraus herleiten, daß zwischen dem Zeitpunkt der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments und demjenigen der überlebenden Ehefrau ein langer Zeitraum von 34 Jahren liegt. Mögen die Beteiligten zu 1) und 2) zum Zeitpunkt der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments vom 17.10.1962 auch erst 10 bzw. 12 Jahre alt gewesen sein, so entspricht die später eingetretene Entwicklung, daß aus der Linie einer der Söhne Enkelkinder hervorgegangen sind, zu denen der überlebende Ehegatte ein gute persönliche Beziehung gepflegt hat, einer völlig normalen Generationenfolge. Deshalb bestehen eher Anhaltspunkte dafür, daß die testierenden Ehegatten eine solche positive Entwicklung erwartet, wenn nicht sogar gewünscht haben, als daß sie mit einer solchen Entwicklung nicht gerechnet haben. Gleichwohl haben die Ehegatten in dem Schlußsatz über den Abschnitt betreffend den Änderungsvorbehalt ausdrücklich hervorgehoben: "Verfügungen von Todes wegen zu Gunsten anderer Personen als unserer gemeinsamen Kinder sind ausgeschlossen." Diese Formulierung bringt eine gewollte enge Bindung des überlebenden Ehegatten zum Ausdruck. Allein aus dem Zeitablauf läßt sich nicht ableiten, daß die Ehegatten den überlebenden von ihnen hätten freistellen wollen, anderweitig über den gemeinsamen Nachlaß zu verfügen, solange die Zuwendung sich auf blutsverwandte Personen beschränkt. Auch Hinweise auf eine geläufige Gestaltungspraxis, in bestimmten Konstellationen zur Steuerersparnis sogleich die Enkelgeneration zu bedenken, kann in diesem Zusammenhang nicht weiterhelfen, weil in keiner Weise belegt ist, daß solche Gestaltungsformen dem übereinstimmenden Willen der Ehegatten entsprochen haben. Auch insoweit spricht die zitierte Passage aus dem gemeinschaftlichen Ehegattentestament eher für die gegenteilige Annahme. Die Entscheidung über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde folgt aus der zwingenden Vorschrift des § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG. Die Wertfestsetzung für das Verfahren dritter Instanz beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO. Sie folgt der unbeanstandet gebliebenen Wertfestsetzung der landgerichtlichen Entscheidung.

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