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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 13.05.2008
Aktenzeichen: 15 W 432/07
Rechtsgebiete: KostO


Vorschriften:

KostO § 16 Abs. 1 Nr. 1
KostO § 36 Abs. 2
KostO § 141
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

weist der Senat die Beteiligten auf Folgendes hin:

1) Das Landgericht hat angenommen, durch die Beurkundung der Vorsorgevollmacht sei keine 20/10 Gebühr nach §§ 141, 36 Abs. 2 KostO entstanden. Hierzu hat es festgestellt, dass die unter IV. der Urkunde enthaltenen Einschränkungen typisch für Vollmachten und insoweit lediglich eine Modifikation des Umfangs der Vollmacht bildeten. Alleine aufgrund der Erklärung, mit der Vollmacht einverstanden zu sein, werde kein Vertragsverhältnis begründet. Das gelte auch für die Erklärung der Beteiligten zu 3) - 5) mit der Beauftragung einverstanden zu sein.

Diese Auslegung hält der Senat für rechtlich bedenklich.

Es erscheint bereits fraglich, ob der Wortlaut der Erklärung, nach dem die Beteiligten zu 3) - 5) ausdrücklich ihr Einverständnis mit der Vollmacht und der Beauftragung erklärten, nicht der Deutung als bloße Erwähnung des Grundverhältnisses entgegensteht. Denn eine Bezugnahme auf ein in der Vergangenheit begründetes Grundverhältnis findet sich nicht in der Formulierung. Ohne einen rechtsgeschäftlichen Begründungswillens eines Auftragsverhältnisses wäre eine solche Formulierung neben der Bezugnahme auf die Vollmacht überflüssig. Entscheidend kommt aber hier hinzu, dass das Landgericht bei der Auslegung nicht den gesamten Vertragstext gewürdigt hat. So heißt es ausdrücklich in der Urkunde vom 17.08.2005: "Die Erschienenen baten um die Beurkundung einer Vorsorgevollmacht mit Patientenverfügung und Betreuungsverfügung sowie des zugrunde liegenden Auftragsverhältnisses."

2) Die abschließende Sachentscheidung hängt danach maßgebend davon ab, ob die 20/10 Gebühr für die Beurkundung des Innenverhältnisses ggf. wegen unrichtiger Sachbehandlung nach den §§ 141, 16 Abs. 1 Nr. 1 KostO nicht zu erheben ist. Das Landgericht hat dazu - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine weiteren Feststellungen getroffen.

Eine zur Niederschlagung der Kosten führende unrichtige Sachbehandlung nach §§ 141, 16 Abs. 1 Satz 1 KostO liegt u.a. dann vor, wenn der Urkundsnotar die Vertragsbeteiligten nicht auf die Kosten sparendste Möglichkeit der Vertragsgestaltung und Vertragsabwicklung hinweist (OLG Köln FGPrax 2003, 141; BayObLG JurBüro 2001, 151; Korinthenberg/ Bengel - Tiedtke, KostO, 16. Aufl., § 16 Rdnr 51, 53). Er muss die Vertragsbeteiligten über die entstehenden Kosten belehren, wenn dadurch objektiv überflüssige Kosten verursacht werden, insbesondere die Vornahme der notariellen Beurkundung an sich überflüssig ist (vgl. KG NJW - RR 1999, 861; OLG Köln a.a.O.; Korintenberg/Bengel/Tiedtke, a.a.O., § 16 KostO Rdnr 32).

Einer Vorsorgevollmacht, die der Vollmachtgeber nahen Familienangehörigen zur Vermeidung einer etwa erforderlich werdenden Betreuerbestellung erteilt, liegt im Innenverhältnis regelmäßig die Bereitschaft der Bevolmächtigten zu familiärem Beistand zugrunde. Aus diesem familiären Verhältnis sind ggf. im Wege der Auslegung auch die Rechte und Pflichten der bevollmächtigten Familienangehörigen abzuleiten. Dabei wird wie bei Gefälligkeitsverhältnissen in anderen Zusammenhängen regelmäßig von einer Haftungsbeschränkung der bevollmächtigten Familienangehörigen auf den Maßstab grober Fahrlässigkeit auszugehen sein. Es mag durchaus sinnvoll erscheinen, das Innenverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigten im Hinblick auf den Haftungsumfang, einzelne Anweisungen, Regelungen des Aufwendungsersatzes, der Rechenschaftspflicht und besonderer Weisungen im Rahmen der notariellen Beurkundung zu regeln (Vgl. Bühler FamRZ 2001, 1585, 1593; Litzenburger NotBZ 2007, 1, 8; kritisch Müller/ Renner, 2. Aufl., Betreuungsrecht und Vorsorgeverfügung, Rdnr 466). Wenn die an der Beurkundung Beteiligten eine besondere schuldrechtliche Grundlage für ihr Innenverhältnis begründen wollen, so ist dies formfrei möglich. Durch eine Bezugnahme auf diese Vereinbarung im Rahmen der notariell beurkundeten Vorsorgevollmacht werden keine Gebühren ausgelöst (vgl. OLG Stuttgart DNotZ 1986 438, 439; KG DNotZ 1944, 133, 135).

Die Belehrungspflicht des Notars hat sich dementsprechend aus der Sicht des Senats darauf zu erstrecken, welche rechtlichen Vorteile eine ausdrückliche Regelung des Innenverhältnisses und dessen mögliche Gestaltungsformen insbesondere im Hinblick auf die Haftungsfrage bieten kann gegenüber der Rechtslage, die sich allgemein aus der Leistung familiären Beistands ergibt, ferner in Bezug auf die Formfreiheit einer solchen Vereinbarung sowie auf die Höhe der Mehrkosten, die sich zumindest der Größenordnung nach bei der Mitbeurkundung eines schuldrechtlichen Vertrages gegenüber denjenigen ergeben, die bei Beurkundung lediglich der Vollmacht anfallen.

Der Senat hat als Rechtsbeschwerdegericht zu prüfen, ob unter diesem Gesichtspunkt weitere tatsächliche Ermittlungen (§ 12 FGG) erforderlich sind, die ggf. das Landgericht durchzuführen hat. Das bisherige Vorbringen der Beteiligten zu 1) reicht nicht für die tatsächliche Beurteilung aus, dass sie die notarielle Belehrungspflicht erfüllt hat. Denn sie hat sich bislang darauf beschränkt in allgemeiner Weise vorzutragen, die Urkundsbeteiligten seien auf die durch die Mitbeurkundung des Innenverhältnisses entstehenden Mehrkosten hingewiesen worden und hätten gleichwohl diese Form der Beurkundung gewünscht.

Der Beteiligten zu 1) wird deshalb aufgegeben, ihr tatsächliches Vorbringen zu folgenden Fragen zu konkretisieren:

1. In welcher Weise haben die weiteren Beteiligten ihr besonderes Interesse an einer Beurkundung auch des Innenverhältnisses zum Ausdruck gebracht oder beruhte dies lediglich auf einem übersandten Entwurf?

2. In welchem Umfang erfolgte eine Aufklärung über die rechtlichen Folgen und Vorteile sowie die Notwendigkeit einer schuldrechtlichen Regelung des Innenverhältnisses? Ist beispielsweise konkret über einen Haftungsauschluss oder eine Haftungsbeschränkung gesprochen worden? Ist konkret über die Möglichkeit einer Kündigung eines schuldrechtlichen Auftrags durch den jeweils beauftragten Familienangehörigen gesprochen worden?

3. Wurde auf die Möglichkeit hingewiesen, dass eine Bezugnahme auf ein bereits bestehendes Auftragsverhältnis oder eine Modifikation der Vollmacht kostenfrei ist, insbesondere soweit der Vollmachtgeber lediglich zum Ausdruck bringen will, dass von der Vollmacht im Innenverhältnis nur unter den Voraussetzungen Gebrauch gemacht werden soll, die in Ziff. IV Nr. 1 der notariellen Urkunde niedergelegt sind?

4. Sind die durch die Beurkundung des Innenverhältnisses entstehenden Mehrkosten beziffert oder ggf. in anderer Weise der Größenordnung nach im Verhältnis zu den bei einer Beurkundung lediglich der Vollmacht anfallenden Kosten angegeben worden?

Die Beteiligte zu 1) erhält Gelegenheit zur Ergänzung ihres tatsächlichen Vorbringens innerhalb drei Wochen nach Beschlusszugang.

Ende der Entscheidung

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