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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 23.03.2006
Aktenzeichen: 15 W 434/05
Rechtsgebiete: WEG, FGG


Vorschriften:

WEG § 45 Abs. 1
FGG § 27
1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob der Wert der Beschwer des Rechtsmittelführers den Betrag von 750,00 Euro übersteigt.

2) Die sofortige weitere Beschwerde ist nicht etwa deshalb als zulässig zu behandeln, weil das Landgericht für seine Instanz das Überschreiten der Mindestbeschwer zumindest stillschweigend bejaht und sachlich über das Rechtsmittel entschieden hat. Die Grundsätze für die Verwerfung der sofortigen Erstbeschwerde wegen Nichterreichens der Mindestbeschwer (BGHZ 116, 216) können in diesem Fall nicht entsprechend herangezogen werden.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 W 434/05 OLG Hamm

In der Wohnungseigentumssache

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 23. März 2006 auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 21. November 2005 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hagen vom 26. Oktober 2005 durch

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

Der Beteiligte zu 1) trägt die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde. Er hat die in dieser Instanz den Beteiligten zu 2) entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Gegenstandswert des Verfahrens dritter Instanz wird auf 2.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1) und 2) sind die Mitglieder der eingangs genannten Anlage, die aus 10 Wohnungseigentumseinheiten besteht und von der Beteiligten zu 3) verwaltet wird.

Am 23.09.2004 fand eine Eigentümerversammlung statt, in der unter den Tagesordnungspunkten 3 und 12 die Hausgeldabrechnung für das Wirtschaftsjahr 2003 und der Plan für das Wirtschaftsjahr 2004 mehrheitlich beschlossen wurde. In der Abrechnung für 2003 und in dem Wirtschaftsplan 2004 sind jeweils eine Vergütung für die Verwalterin in Höhe von 2.490,96 € eingestellt worden. Diese sind in den Einzelabrechnungen und in den Einzelwirtschaftsplänen jeweils nach Miteigentumsanteilen umgelegt worden. Auf den Beteiligten zu 1) entfielen so jeweils 520,86 €.

Mit dem am 21.10.2004 bei dem Amtsgericht eingegangenen Antrag hat der Beteiligte zu 1) die Aufhebung dieser Eigentümerbeschlüsse begehrt mit der Begründung, dass die Verwaltungskosten für jede Wohnung gleich und nicht nach Miteigentumsanteilen zu berechnen seien. Die Anfechtung des Tagesordnungspunktes 5 ist nicht mehr Gegenstand der weiteren Beschwerde.

Die Beteiligten zu 2) sind dem Antrag entgegengetreten.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 08.04.2005 den Antrag zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Beteiligte zu 1) rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt, die das Landgericht mit Beschluss vom 26.10.2005 zurückgewiesen hat.

Gegen diese seinen Verfahrensbevollmächtigten am 16.11.2005 zugestellte Entscheidung richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz vom 21.11.2005 eingelegte sofortige weitere Beschwerde, die per Telefax am selben Tage bei dem Landgericht eingegangen ist. Die Beteiligten zu 2) sind dem Antrag entgegengetreten und haben u.a. geltend gemacht, dass der Beschwerdewert nicht erreicht sei.

II.

Die an sich nach den §§ 27, 29 FGG, 45 Abs. 1 WEG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegt sofortige weitere Beschwerde ist unzulässig, weil der Wert der Beschwer des Beteiligten zu 1) durch die angefochtene Entscheidung des Landgerichts den Betrag von 750,00 € nicht übersteigt (§ 45 Abs. 1 WEG). Bei der Überprüfung dieser Voraussetzung ist der Senat nicht daran gebunden, dass das Landgericht für den übereinstimmenden Verfahrensgegenstand des Erstbeschwerdeverfahrens das Erreichen der Mindestbeschwer des Beteiligten zu 1) zumindest stillschweigend, wenn auch ohne nähere Erörterung, bejaht hat. Dies folgt bereits daraus, dass das Rechtsbeschwerdegericht die Voraussetzungen für die Eröffnung der dritten Instanz selbständig festzustellen hat. Eine Ausnahme ergibt sich in dieser Beziehung insbesondere nicht aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 547, 568 Abs. 2 S. 2 ZPO a.F.). Nach diesen Vorschriften war ein weiteres Rechtsmittel immer dann eröffnet, wenn das erste Rechtsmittel (Berufung oder Beschwerde) als unzulässig verworfen worden war. Aus der entsprechenden Anwendung dieser Vorschriften wurde und wird auch weiterhin der Grundsatz abgeleitet, dass im Verfahren nach dem WEG die sofortige weitere Beschwerde ohne Rücksicht auf das Erreichen der Mindestbeschwer zulässig ist, wenn die sofortige erste Beschwerde als unzulässig verworfen worden ist (BGHZ 119, 216 = NJW 1992, 3305). Dieser Grundsatz beschränkt sich indessen auf die Fälle der Rechtsmittelverwerfung als unzulässig durch das Erstbeschwerdegericht. Denn die Eröffnung einer sachlichen Nachprüfung der Erstbeschwerdeentscheidung durch die Rechtsmittelinstanz soll lediglich sicherstellen, dass sich das Erstbeschwerdegericht nicht unberechtigt einer Sachprüfung entziehen kann (BGH a.a.O.). Darum handelt es sich jedoch gerade nicht, wenn das Erstbeschwerdegericht - wie hier - eine Entscheidung in der Sache getroffen hat, mag auch bereits das Erreichen der Mindestbeschwer für das Erstbeschwerdeverfahren zweifelhaft erscheinen (OLG Karlsruhe ZMR 1998, 107; OLG Düsseldorf ZMR 1998, 450; MK/BGB-Engelhardt, 4. Aufl., § 45 WEG, Rn. 7 a.E.).

Die Beschwer des Rechtsmittelführers ist im Hinblick auf die von ihm geltend gemachte Rechtsbeeinträchtigung zu bewerten, die nach der auch im Verfahren nach dem WEG anwendbaren Vorschrift des § 20 Abs. 1 FGG Voraussetzung der Zulässigkeit des Rechtsmittels ist (BGH NJW 2003, 3124). Maßgebend ist danach regelmäßig die vermögensmäßige Beeinträchtigung allein des Beschwerdeführers, die sich für ihn ergibt, wenn es bei der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts verbleibt (BGHZ 119, 216). Besonderheiten können allerdings im Beschlussanfechtungsverfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG gelten, wenn dem Beschwerdeführer durch die angefochtene Entscheidung keine messbaren Vermögensnachteile entstehen, er vielmehr mit seinem Rechtsmittel allein eine ordnungsgemäße Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gemäß seinen Vorstellungen durchsetzen will (BGH NJW 2003, 3124, 3125 für die Anfechtung einer Entscheidung, durch die ein Eigentümerbeschluss für ungültig erklärt worden ist). Solche Besonderheiten kommen hier jedoch nicht zum Tragen. Denn Ziel des Beteiligten zu 1) ist ausschließlich die Anwendung eines Kostenverteilungsschlüssels für die Wirtschaftsjahre 2003 und 2004, der ihm persönlich zum Vorteil gereicht. Es bleibt deshalb für die Bemessung seiner Beschwer bei den Grundsätzen, die für die Anfechtung von Eigentümerbeschlüssen, durch die Zahlungspflichten begründet werden, entwickelt worden sind: Maßgebend ist grundsätzlich die anteilige Verpflichtung zur Kostentragung, die sich aus dem Eigentümerbeschluss für den Beschwerdeführer ergibt (BayObLG ZMR 2000, 49 = ZWE 2001, 157; st. Rspr. des Senats, z.B. Beschluss vom 04.02.2003 - 15 W 325/02 -).

Gegenstand der Beschlussfassung zu TOP 3 der Eigentümerversammlung war die Genehmigung der vom Verwalter am 3. 8. 2001 aufgestellten Jahresabrechnung durch die Gemeinschaft und die Entlastung des Verwalters, nicht etwa die Abänderung eines Verteilungsschlüssels für die Zukunft. Der Beteiligte zu 1) hat sich gegen diesen Eigentümerbeschluss gewandt, weil in der ihm zu Grunde liegende Abrechnung seiner Meinung nach in der Position "Verwaltungskosten" ein unrichtiger Verteilungsschlüssel angewandt worden ist. Daher bemisst sich seine Beschwer nach der anteiligen Belastung, die ihm bei der nach seiner Ansicht richtigen Abrechnung erspart geblieben wäre (BayObLG NZM 2000, 1240). Dasselbe gilt für die Bemessung der Beschwer hinsichtlich des zu TOP 12 genehmigten Wirtschaftsplans für das Jahr 2004.

Legt man die Verwalterkosten in Höhe von 2.490,96 € auf 10 Wohnungseigentumseinheiten um, so entfallen auf den Beteiligten zu 1) für die Jahre 2003 und 2004 jeweils 249,10 €, das macht zusammen 498,20 €. Tatsächlich wurden ihm für beide Jahre jeweils 540,86 € berechnet, das sind zusammen 1041,72 €. Die Beschwer des Beteiligten zu 1) beträgt demnach 543,52 € (1041, 72 € abzüglich 498,20 €) und liegt unter dem erforderlichen Wert, der das Rechtsmittel der sofortigen weiteren Beschwerde eröffnet.

Da das Rechtsmittel unzulässig ist, entspricht es der Billigkeit, die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde dem Beteiligten zu 1) aufzuerlegen, § 47 Satz 1 WEG.

Der Senat hält es darüber hinaus für angemessen, dass der Beteiligte zu 1) auch die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 2) im Verfahren dritter Instanz zu erstatten hat. Im Verfahren nach dem WEG gilt zwar der Grundsatz, dass die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben. Dieser Grundsatz hat seine maßgebende Grundlage im Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer (MK/BGB-Engelhardt, a.a.O., § 47 WEG, Rn. 6). Abweichend von der streng erfolgsabhängigen Kostenverteilung im Zivilprozess wird im Verfahren nach dem WEG danach das Bestreben privilegiert, durch die gerichtliche Entscheidung eine für alle Wohnungseigentümer interessengerechte Regelung herbeizuführen. Von diesem Ausgangspunkt sind die unter Billigkeitsgesichtspunkten vorzunehmenden Ausnahmen zu bestimmen. Die Anordnung einer Kostenerstattung ist danach ein Gebot der Gerechtigkeit, wenn ein Wohnungseigentümer bei den übrigen Verfahrensbeteiligten Kosten für eine weitere Instanz verursacht, obwohl das von ihm eingelegte Rechtsmittel erkennbar unzulässig und damit von vornherein ungeeignet ist, zu einer - in seinem Sinne korrigierenden - weiteren Sachenentscheidung im Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer führen zu können. Da es nur auf das Verhältnis der Verfahrensbeteiligten untereinander ankommt, muss diese Bewertung ungeachtet des Umstandes Platz greifen, dass das Landgericht der Frage der Zulässigkeit der sofortigen Erstbeschwerde des Beteiligten zu 1) nicht näher nachgegangen ist. Schon dieser Gesichtspunkt rechtfertigt die Anordnung der Kostenerstattung. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass das Rechtsmittel des Beteiligten zu 1) erkennbar auch sachlich unbegründet wäre. Denn dass die im Verwaltervertrag vereinbarte Vergütung pro Wohneinheit von der Verteilung der Verwaltervergütung im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander abweichen kann, entspricht gefestigter Rechtsprechung (vgl. etwa BayObLG NZM 2004, 623 m.w.N.). Die für den Kostenverteilungsschlüssel unter den Miteigentümern allein maßgebliche Regelung in § 1 g) der Teilungserklärung vom 21.05.1980 enthält nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass für die Verwaltervergütung ein von dem allgemeinen Schlüssel (Verhältnis der Miteigentumsanteile) abweichender Verteilungsschlüssel gelten solle. Für die Bewertung, dass sich nach dem eigenen Vorbringen des Beteiligten zu 1) keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine spätere Vereinbarung (§ 10 Abs. 2 WEG) über eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels ergeben, wird auf die in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen der landgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen.

Dem Begehren der Beteiligten zu 2), dem Beteiligten zu 1) zusätzlich auch die Erstattung der ihnen im Erstbeschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen, kann der Senat bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht entsprechen. Denn eine Abänderung der Entscheidung des Landgerichts auch nur im Kostenpunkt setzt ein zulässiges Rechtsmittel voraus. Die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist jedoch aus den genannten Gründen unzulässig. Das Begehren der Beteiligten zu 2) kann in diesem Punkt auch nicht als auf den Kostenpunkt beschränkte unselbständige Anschlussrechtsbeschwerde verstanden werden, weil diese in entsprechender Anwendung des § 574 Abs. 4 S. 3 ZPO (vgl. Keidel/Kahl, FG, 15. Aufl., vor § 19, Rn. 4) mit der Verwerfung des Rechtsmittels des Beteiligten zu 1) ihre Wirkung verliert.

Die Wertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 WEG. Während sich der Beschwerdewert nach dem Änderungsinteresse des Beschwerdeführers bestimmt, bemisst sich der Geschäftswert wegen der Rechtskraftwirkung der Entscheidung für und gegen alle Wohnungseigentümer (§ 45 Abs. 2 S. 2 WEG) nach den Auswirkungen der vom Beschwerdeführer gewollten Änderungen für die anderen Miteigentümer (BGH a.a.O.). Der Senat hält einen Wert von insgesamt 2.000 € für angemessen, zumal der Beteiligte zu 1) sich nur gegen den Verteilungsschlüssel gewandt und weder seine grundsätzliche Zahlungspflicht noch die Höhe des Abrechnungspostens in Zweifel gezogen hatte.

Ende der Entscheidung

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