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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 10.01.2006
Aktenzeichen: 15 W 437/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1018

Entscheidung wurde am 11.06.2006 korrigiert: die Rechtsgebiete, Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert, Stichworte und ein Leitsatz wurden hinzugefügt
Eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit, die sich nach dem Inhalt ihrer objektiv auszulegenden Eintragungsbewilligung nicht auf einem Bergschadenverzicht bzw. einen Bergschadesminderungsverzicht beschränkt, sondern auch eine modifizierte Duldungsverpflichtung des Grundstückseigentümers umfasst, kann an einem Wohnungseigentum nicht eingetragen werden.
Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.)

Die Beteiligten sind die Eigentümer der o.a. Eigentumswohnung. Mit Schriftsatz vom 29.05.2002 beantragten sie die Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit zugunsten der S AG aufgrund der Eintragungsbewilligung vom 23.10.2001. Die Eintragungsbewilligung lautet hinsichtlich des Dienstbarkeitsinhalts wie folgt:

"Wir verpflichten uns bezüglich des o.a. Grundstücks, die von den Bergwerken und dazugehörigen Betriebsanlagen der S Aktiengesellschaft in F durch Bergbaubetrieb ausgehenden Einwirkungen auf das Grundstück mit der Maßgabe zu dulden, dass

- für einen dadurch verursachten Minderwert des Grundstücks und der darauf errichteten Baulichkeiten kein Ersatz bis zur Höhe von 10 v.H. des Verkehrswertes beansprucht werden kann,

- für mit Anpassungs- und Sicherungsmaßnahmen verbundene Aufwendungen und Nachteile bis zur Höhe von 3 v.H. der Gesamtgebäudekosten kein Ersatz beansprucht werden kann."

Das Grundbuchamt hat den Antrag beanstandet und zunächst eine Zwischenverfügung erlassen. Nachdem die Beteiligten auf dem Antrag in der vorliegenden Form beharrt haben, hat das Grundbuchamt diesen zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit ihrer weiteren Beschwerde, die sie durch Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten eingelegt habe, verfolgen die Beteiligten ihren ursprünglichen Antrag weiter.

II.)

Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 78, 80 GBO statthaft sowie formgerecht eingelegt.

Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten ergibt sich daraus, dass ihre Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache ist die weitere Beschwerde unbegründet, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht, (§ 78 Satz 1 GBO). In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde ausgegangen. Auch in der Sache hält die landgerichtliche Entscheidung der rechtlichen Prüfung stand.

Das Landgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen dahingehend begründet, dass die Dienstbarkeit, deren Eintragung beantragt sei, über die Grenzen hinausgehe, innerhalb derer ein Wohnungseigentum belastet werden könne. Eine derartige Belastung komme nur in Betracht, wenn die Rechte anderer Miteigentümer nicht tangiert sei. Dies sei hier jedoch der Fall, da neben dem Bergschadenminderwertverzicht auch die Verpflichtung zur Duldung der Einwirkungen aus dem Bergbau begründet werden solle. Diese Begründung ist frei von Rechtsfehlern.

Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass sich die Prüfung im Eintragungsverfahren des Grundbuchamtes auch auf die materiell-rechtliche Zulässigkeit des bewilligten Rechts zu erstrecken hat (vgl. § 53 Abs.1 S.2 GBO). Zutreffend ist weiter der rechtliche Ausgangspunkt der landgerichtlichen Entscheidung, dass der mit einem Sondereigentum verbundene Miteigentumsanteil an einem Grundstück, also ein Wohnungs- oder Teileigentum, nur dann als "dienendes Grundstück" einer Dienstbarkeit in Betracht kommt, wenn die Belastung sich auf die rechtlichen und tatsächlichen Befugnisse beschränkt, die dem jeweiligen Sondereigentümer allein und unabhängig von den anderen Miteigentümern zustehen. Andernfalls läge nämlich eine unzulässige Verfügung über das gemeinschaftliche Eigentum (§§ 10 Abs.1 S.1 WEG, 747 S.2 BGB) vor (vgl. BGH NJW 1989 S.2391ff).

Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht weiter davon ausgegangen, dass die hier zur Eintragung vorgelegte Bewilligung auf eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit gerichtet ist, die über diesen rechtlichen Rahmen hinausgeht. Dabei kommt es allerdings weniger auf die Zuordnung zu den einzelnen Belastungsalternativen nach § 1018 BGB an, sondern vorrangig auf die inhaltliche Prüfung, ob die Belastung über den Bereich der Rechtsmacht hinausgreift, den das zu belastende Wohnungs- oder Teileigentum tatsächlich und unabhängig von den anderen Miteigentümern gewährt (BGH a.a.O. S.2392).

Insoweit ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die bewilligte Dienstbarkeit über einen sog. Bergschadensminderwertverzicht hinaus eine dingliche Duldungsverpflichtung hinsichtlich der Einwirkungen aus dem Bergbaubetrieb der Dienstbarkeitsbegünstigten beinhaltet. Die rechtliche Schlussfolgerung des Landgerichts, dass eine solche Duldungsverpflichtung sich stets auf das ganze Grundstück erstreckt, und deshalb dinglich nicht isoliert für das einzelnen Wohnungseigentum begründet werden kann, ist zutreffend und wird von der weiteren Beschwerde als solche auch nicht angegriffen.

Die Rüge der weiteren Beschwerde, die bewilligte Dienstbarkeit enthalte bei korrekter Auslegung keine Duldungsverpflichtung, sondern lediglich einen Minderwertverzicht, also den Verzicht auf mögliche Geldersatzforderungen, die sich anteilsmäßig unmittelbar dem einzelnen Sondereigentum zuordnen ließen, geht fehl. Das Landgericht ist, dem Wortlaut der Bewilligung folgend, davon ausgegangen, dass diese auch auf die Begründung einer Duldungsverpflichtung gerichtet ist.

Die vom Landgericht vorgenommene Auslegung der Eintragungsbewilligung unterliegt der uneingeschränkten Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht. Denn es handelt sich um eine grundbuchverfahrensrechtliche Erklärung, deren Auslegung sich nach demselben Maßstab wie die auf ihrer Grundlage vollzogene Grundbucheintragung richtet. Maßstab dieser Auslegung ist allein der objektive Sinn der Erklärung, wie er sich aus ihrem Wortlaut für den unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt (vgl. Budde in Bauer/von Oefele, GBO, § 78, Rdnr. 26 m.w.N.). Bei diesem Maßstab der Auslegung besteht für eine Beschränkung d er Nachprüfungsbefugnis durch das Rechtsbeschwerdegericht, wie sie bei der individuellen Auslegung rechtsgeschäftlicher Willenserklärung stattfindet, kein Anlass (BGHZ 96, 245, 250 = NJW 1986, 1033, 1034). Der Senat folgt dem Auslegungsergebnis des Landgerichts, und zwar aus den folgenden Gründen:

In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Grunddienstbarkeit (§ 1018 BGB) oder eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (§ 1090 Abs. 1 BGB) nicht mit dem Inhalt begründet werden kann, dass der Eigentümer des Grundstücks die Einwirkungen aus dem Bergbau zu dulden hat. Denn eine solche Duldungspflicht ergibt sich bereits kraft Gesetzes aus den bergrechtlichen Vorschriften, und zwar unter den sachlichen Voraussetzungen und in dem dort näher geregelten Umfang der §§ 8 und 9 BBergG. Eine Eintragung, die lediglich die Bedeutung einer Verlautbarung der sich aus den gesetzlichen Vorschriften ergebenden Duldungspflicht hat, ist inhaltlich unzulässig, weil es sich um eine schlechthin überflüssige Eintragung handeln würde (RGZ 119, 211, 213; 130, 350, 354). Aus dem Wortlaut der vorliegenden Eintragungsbewilligung ergibt sich unmittelbar kein Hinweis darauf, dass die sachliche Voraussetzungen und der Umfang der Duldungspflicht abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen des Bergrechts geregelt werden sollen. Rechtlich möglich ist demgegenüber die Begründung einer Dienstbarkeit in zwei Varianten:

1.

Die bergrechtliche Duldungspflicht findet ihre Entsprechung in dem Anspruch des Grundstückseigentümers auf Ersatz des durch die bergbaulichen Einwirkungen entstehenden Bergschadens (§ 114 BBergG). In diesem Zusammenhang kann im Wege einer Vereinbarung die Rechtsstellung des Grundstückseigentümers in der Weise verändert werden, dass die bergbaulichen Einwirkungen unter Ausschluss oder - wie hier - einer Beschränkung des Anspruchs auf Bergschadensersatz zu dulden sind. Es handelt sich insoweit, wie bereits das RG in einer Grundsatzentscheidung (RGZ 130, 350, 354 f.) hervorgehoben hat, um eine inhaltliche Modifikation der Duldungsverpflichtung des Grundstückseigentümers, weil sie eine von den bergrechtlichen Vorschriften rechtlich abweichende Einwirkungsbefugnis des Bergwerkseigentümers begründet, die durch eine Dienstbarkeit gem. § 1018 1. Variante BGB gesichert, unter dem Aspekt des (Teil-) Verzichts auf den Anspruch auf Bergschadensersatz aber gleichzeitig auch auf § 1018 3. Variante BGB gestützt werden kann.

2.

Daneben hat der Senat (OLGZ 1965, 78 sowie Rpfleger 1980, 468 f.) die Möglichkeit anerkannt, dass eine Dienstbarkeit die gesetzliche Duldungspflicht des Grundstückseigentümers völlig unberührt lässt und sich ausschließlich auf einen Bergschadenverzicht bzw. Bergschadenminderungsverzicht beschränkt; in einem solchen Fall eröffnet wiederum § 1018 3. Variante BGB die Möglichkeit der dinglichen Sicherung durch eine Dienstbarkeit. Mit einer inhaltlich so beschränkten Dienstbarkeit kann nach der Rechtsprechung des Senats auch ein mit Sondereigentum verbundener Miteigentumsanteil belastet werden (Rpfleger 1980, 468).

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung der Rechtsprechung kann ein unbefangener Dritter die Eintragungsbewilligung nur so verstehen, dass sie auf die Begründung einer Dienstbarkeit im Sinne einer veränderten Duldungspflicht (wie 1.) gerichtet ist. Denn sie begründet in ihrem Wortlaut die inhaltliche Modifikation der Duldungspflicht durch die Beschränkung des Bergschadensersatzanspruchs im Sinne der Rechtsprechung des RG, wie sie mit der in juristischen Texten weit verbreiteten Formulierung "mit der Maßgabe, dass" typischerweise zum Ausdruck gebracht zu werden pflegt. Mit ihrer Rüge, die Formulierung in der Eintragungsbewilligung solle gerade keine Veränderung der gesetzlichen Duldungspflicht des Grundstückseigentümers zum Ausdruck bringen, kann die weitere Beschwerde schon deshalb keinen Erfolg haben, weil eine solche Eintragung - unterstellt, die Auslegung würde zu einer entsprechenden Bestimmung des Inhalts der Bewilligung führen - als inhaltlich unzulässig abgelehnt werden müsste, da eine gegenstandslose, mit den gesetzlichen Vorschriften deckungsgleiche Duldungspflicht nicht als Inhalt einer Dienstbarkeit eingetragen werden kann (s.o.). Die Beschwerdeführer beharren jedoch auf einer Eintragung im Grundbuch, bei der zumindest im Wege der Bezugnahme (§ 874 BGB) gerade auch der erste Satzteil der Bewilligung, der die Duldungspflicht des Grundstückseigentümers betrifft, zum Inhalt der Grundbucheintragung wird. Die Beschwerdeführer wollen damit offenbar bewusst eine Beschränkung der Bewilligung nur auf den Bergschadenminderungsverzicht (wie oben 2.) nicht vornehmen. Aus der Sicht eines unbefangenen Betrachters verbietet sich jedoch geradezu eine Auslegung der Eintragungsbewilligung, die sogleich zur inhaltlichen Unzulässigkeit des Rechts führen würde. Die aus objektiver Sicht gewollte Dienstbarkeit ist demgegenüber nicht eintragungsfähig, weil der Miteigentumsanteil aus den genannten Gründen kein geeigneter Belastungsgegenstand ist.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf §§ 131, 30 KostO.

Ende der Entscheidung

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