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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 17.02.2005
Aktenzeichen: 15 W 465/04
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1835 a
BGB § 1836 d
BGB § 1899
BGB § 1908 i Abs. 1
FGG § 27
FGG § 29
FGG § 56 g Abs. 5
FGG § 56 g Abs. 5 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Den Beteiligten zu 1) und 2) wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde gewährt.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die sofortige erste Beschwerde des Beteiligten zu 3) gegen den Beschluß des Amtsgerichts vom 17.08.2004 wird zurückgewiesen.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens dritter Instanz findet nicht statt.

Der Gegenstandswert des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 156,00 Euro festgesetzt.

Gründe: I. Die Beteiligten zu 1) und 2) sind die Eltern der jetzt fast 20 Jahre alten Betroffenen, die seit ihrer Geburt mehrfach schwerstbehindert ist. Das Amtsgericht hat durch Beschluß vom 27.02.2003 die Beteiligte zu 1) zur Betreuerin der Betroffenen für alle Angelegenheiten und den Beteiligten zu 2) als "Zusatzbetreuer" mit demselben Aufgabenkreis bestellt. Die Beteiligten zu 1) und 2) haben mit Schreiben vom 08.03.2004 bei dem Vormundschaftsgericht beantragt, ihnen für das zurückliegende Jahr ihrer Betreuertätigkeit jeweils eine Aufwandsentschädigung (§ 1835 a BGB) aus der Staatskasse zu gewähren. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß die Betroffene im Sinne des § 1836 d BGB mittellos ist. Der Rechtspfleger des Vormundschaftsgerichts hat zunächst die Auszahlung jeweils eines Betrages von 156,00 Euro an die Beteiligten zu 1) und 2) veranlaßt. Diese haben daraufhin mit Schreiben vom 01.07.2004 beantragt, ihnen ein Bescheid über die Gewährung eines weiteren Betrages an Aufwandsentschädigung in Höhe von jeweils 156,00 Euro zu erteilen. Der Beteiligte zu 3) ist diesem Antrag entgegengetreten. Durch Beschluß vom 17.08.2004 hat die Rechtspflegerin des Vormundschaftsgerichts eine aus der Staatskasse zu erstattende Aufwandsentschädigung für die Beteiligten zu 1) und 2) für den Zeitraum ihrer Tätigkeit in der Zeit von März 2003 bis Februar 2004 in Höhe von jeweils 312,00 Euro mit der Maßgabe festgesetzt, daß darauf die bereits gezahlten Beträge in Höhe von jeweils 156,00 Euro anzurechnen sind. Gegen diesen Beschluß hat der Beteiligte zu 3) mit Schreiben vom 30.08.2004 rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat durch Beschluß vom 07.10.2004 den angefochtenen Beschluß aufgehoben und die weitere Beschwerde zugelassen; eine Rechtsmittelbelehrung ist den Beteiligten zu 1) und 2) nicht erteilt worden. Gegen diesen Beschluß haben die Beteiligten zu 1) und 2) zunächst mit privatschriftlichem Schreiben vom 15.11.2004 sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Auf einen Hinweis des Senats haben sie mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 22.12.2004 die Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde wiederholt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Einlegung des Rechtsmittels beantragt. II. Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 27 FGG, 56 g Abs. 5 S. 2 FGG infolge Zulassung durch das Landgericht statthaft sowie gem. § 29 FGG formgerecht eingelegt. Zwar haben die Beteiligten zu 1) und 2) die durch die am 23.10.2004 erfolgte Zustellung der landgerichtlichen Entscheidung in Lauf gesetzte zweiwöchige Frist für die Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde (§§ 22 Abs. 1, 29 Abs. 2 FGG) versäumt. Auf ihren rechtzeitig gestellten Antrag war ihnen jedoch Wiedereinsetzung in der vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist zu gewähren. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 02.05.2002 (FGPrax 2002, 166 = NJW 2002, 2171) die Gerichte im Verfahren nach dem WEG im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie für verpflichtet erachtet, den Verfahrensbeteiligten eine Rechtsmittelbelehrung zu erteilen, wenn die getroffene Entscheidung nur mit einem befristeten Rechtsmittel anfechtbar ist. Als maßgebenden Grund für diese Verpflichtung hat der BGH den im Verfahren nach dem WEG fehlenden anwaltlichen Vertretungszwang sowie die Unübersichtlichkeit der gesetzlichen Regelung über Form und Frist eines einzulegenden Rechtsmittels, die sich für einen juristisch nicht vorgebildeten Verfahrensbeteiligten nur schwer erschließt, hervorgehoben. Der Senat hat bereits entschieden, daß aufgrund dieser Erwägungen eine Pflicht zur Erteilung einer Rechtsmittelbelehrung über ein befristetes Rechtsmittel auch in anderen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit angenommen werden muß (OLGR 2003, 302). Dies gilt in besonderem Maße für solche Verfahren, in denen die Beschwerde regelmäßig unbefristet ist, während eine sofortige Beschwerde nur für besondere Verfahrensgegenstände vorgesehen ist. Zu dieser Kategorie zählt insbesondere auch das betreuungsrechtliche Verfahren, in denen die Beschwerde im allgemeinen unbefristet und nur in gesetzlich geregelten Sonderfällen (hier: § 56 g Abs. 5 FGG für die Festsetzungsentscheidung) befristet ist. Nach der erwähnten Entscheidung des BGH läßt das Fehlen einer danach erforderlichen Rechtsmittelbelehrung zwar die Wirksamkeit der getroffenen Entscheidung und den Lauf der Rechtsmittelfrist unberührt. Jedoch ist ein fehlendes Verschulden des Rechtsmittelführers zu vermuten, wenn die unterbliebene Belehrung für die Versäumung der Frist ursächlich geworden ist. Da bei den Beteiligten zu 1) und 2) als Privatpersonen eine Kenntnis der gesetzlichen Vorschriften über Form und Frist einer sofortigen weiteren Beschwerde nicht erwartet werden kann, ist auch hier von der Ursächlichkeit der unterbliebenen Rechtsmittelbelehrung und einer unverschuldeten Fristversäumung auszugehen. In der Sache ist das Rechtsmittel begründet, weil die von dem Landgericht vertretene Auffassung, den Beteiligten zu 1) und 2) stehe als ehrenamtlichen Betreuern für den geltend gemachten Zeitraum die Aufwandspauschale von 312,00 Euro insgesamt nur einmal zu, im Gesetz keine Stütze findet. Gemäß § 1908 i Abs. 1 i. V. m. § 1835 a BGB kann der Betreuer für jede Betreuung, für die ihm keine Vergütung zusteht, eine Aufwandsentschädigung verlangen, die sich in dem hier fraglichen Zeitraum auf 312,00 Euro je Jahr belief. Zweck der Pauschale ist es unter anderem, dem ehrenamtlichen Betreuer die Mühe einer Einzelabrechnung seiner konkreten Aufwendungen und dem Vormundschaftsgericht die diesbezügliche Überprüfung zu ersparen. Das Gesetz enthält keine Einschränkung dahin, daß die Aufwandspauschale unter mehreren Betreuern, die gemeinsam für den Betroffenen bestellt sind, aufzuteilen ist. Deshalb ist davon auszugehen, daß jedem Betreuer die volle Auslagenpauschale zusteht, wenn mehrere Betreuer für einen Betroffenen bestellt sind (ebenso BayObLG NJW-RR 2002, 942; FamRZ 2003, 479; OLG Frankfurt FGPrax 2002, 115; OLG Zweibrücken NJW-RR 2002, 651). Dieser Auffassung hat sich der Senat bereits angeschlossen (Beschl. v. 16.07.2002 - 15 W 199/02 -). Der gegenteiligen Auffassung des Landgerichts, der Pauschalbetrag sei nur einmal zu bewilligen, wenn Eltern mit Rücksicht auf die vormals bestehende gemeinsame elterliche Sorge zu Betreuern bestellt worden seien (so bereits seine in FamRZ 1997, 389 und BtPrax 2001, 220 veröffentlichten Entscheidungen), vermag der Senat auch weiterhin nicht beizutreten. Denn eine Differenzierung nach dem Grund für die Bestellung mehrerer Betreuer ist im Gesetz nicht enthalten (OLG Frankfurt a.a.O.). Ob die Voraussetzungen für die Bestellung von mehreren Betreuern gemäß § 1899 BGB vorliegend gegeben waren oder noch sind, ist für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung, weil das Verfahren zur Festsetzung der Aufwandsentschädigung keine Kompetenz zur Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit der Bestellung des Betreuers begründet und auch eine rechtlich fehlerhafte Betreuerbestellung bis zu ihrer gerichtlichen Aufhebung wirksam wäre (BayObLG und OLG Frankfurt, jeweils a.a.O.). Auf der Grundlage des Standpunktes des Senats hat daher das Amtsgericht zu Recht eine Aufwandsentschädigung in Höhe von jeweils 312,00 Euro für die Beteiligten zu 1) und 2) festgesetzt, so daß die sofortige erste Beschwerde des Beteiligten zu 3) nunmehr zurückzuweisen war. Eine Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten der Beteiligten zu 1) und 2) für das Verfahren dritter Instanz entspricht nicht der Billigkeit im Sinne des § 13 a Abs. 1 S. 1 FGG. Der sachliche Erfolg des Rechtsmittels allein reicht nicht aus um von dem Grundsatz abzuweichen, daß im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben. Für das Verfahren der sofortigen Erstbeschwerde ist eine Erstattungsanordnung gem. § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG nicht veranlaßt, weil die Beteiligten zu 1) und 2) in diesem Verfahrensabschnitt anwaltlich nicht vertreten waren. Die Wertfestsetzung für das Verfahren dritter Instanz beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.

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