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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 10.04.2006
Aktenzeichen: 15 W 478/05
Rechtsgebiete: GBO


Vorschriften:

GBO § 36

Entscheidung wurde am 24.07.2006 korrigiert: die Rechtsgebiete, Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert, Stichworte und ein Leitsatz wurden hinzugefügt
Der Bejahung eines Rechtsschutzinteresses für die Erteilung eines Auseinandersetzungszeugnisses steht nicht entgegen, dass zum Nachlass die Mitberechtigung an einem für den Erblasser und seine Ehefrau als Gesamtberechtigt nach § 428 BGB begründeten Erbbaurecht gehört.
Tenor:

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts vom 5. Juli 2005 werden aufgehoben.

Das Nachlassgericht wird angewiesen, den Beteiligten ein Auseinandersetzungszeugnis mit dem folgenden Inhalt zu erteilen:

Der am 27. Dezember 2006 geborene und am 12. März 2005 in G2 (Sauerland), seinem letzten Wohnsitz, verstorbene Herr N2 ist von seiner Ehefrau, Frau N, geb. am 30. Dezember 1926, wohnhaft T-Straße, ####1 G2, und seiner Tochter, Frau I, geb. am 22. Juni 1958, wohnhaft F-Straße, ####2 C, zu je 1/2 Anteil beerbt worden.

Die Erben haben das dem Erblasser in Gesamtberechtigung nach § 428 BGB gemeinsam mit seiner Ehefrau, N, zustehende, im Erbbaugrundbuch von G2, Blatt xx, eingetragene Gesamterbbaurecht an den Grundstücken G2, Flur X, Flurstück X und xx in der Erbauseinandersetzungsurkunde des Notars T3 in G2 (Sauerland) vom 5. April 2005, UR.-Nr. xxx/2005, an die Miterbin I aufgelassen und deren Eintragung im Grundbuch bewilligt.

Der Gegenstandswert des Verfahrens dritter Instanz wird auf 300,00 EURO festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteilige zu 1) ist die Ehefrau, die Beteiligte zu 2) das einzige Kind des Erblassers. Dieser hat keine Verfügung von Todes wegen errichtet. Zugunsten des Erblassers und seiner Ehefrau ist im Grundbuch von G2 Blatt xx ein Gesamterbbaurecht an den Grundstücken G2, Flur X, Flurstück X und xx eingetragen. In Abt. I ist als Beteiligungsverhältnis i.S.d. § 47 GBO "als Gesamtberechtigte gem. § 428 BGB" angegeben.

Im Rahmen der Erbauseinandersetzung übertrugen die Beteiligten zu 1) und 2) den Anteil des Erblassers an dem Gesamterbbaurecht, den sie mit 1/2 angegeben haben, in notarieller Urkunde vom 5.4.2005, Nr. xxx/2005 auf die Beteilige zu 2) und bewilligten die Umschreibung. In derselben Urkunde übertrug die Beteiligte zu 1) auch ihren Anteil am Erbbraurecht auf ihre Tochter.

Die Beteiligten zu 1) und 2) haben die Erteilung eines Auseinandersetzungszeugnisses nach § 36 GBO beantragt. Das Nachlassgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 5.7.2005 zurückgewiesen mit der Begründung, die Auflassungserklärung sei falsch, da der Erblasser nicht Bruchteilsberechtigter zu 1/2 gewesen sei, und scheide damit als Grundlage für das beantragte Auseinandersetzungszeugnis aus. Zudem bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis, da die Beteiligte zu 1) als Gesamtberechtigte nach § 428 BGB nach dem Tode des Erblassers auch ohne Beteiligung der Erbengemeinschaft das Erbbaurecht auf die Beteiligte zu 2) übertragen könne.

Das Landgericht hat die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) mit Beschluss vom 27.10.2005 zurückgewiesen, ebenfalls unter Hinweis auf ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis. Hiergegen haben die Beteiligten weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Die weitere Beschwerde ist nach §§ 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) und 2) ergibt sich daraus, dass ihre erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache ist das Rechtsmittel begründet, weil die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) ausgegangen. Zu Unrecht hat es aber den Antrag auf Erteilung eines Auseinandersetzungszeugnisses wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig erachtet. Das Rechtsschutzbedürfnis ist als Verfahrensvoraussetzung von Amts wegen in jeder Lage zu prüfen. Es ist jedoch nur zu verneinen, wenn kein gerechtfertigtes Interesse an der beantragten Entscheidung besteht. Dabei dürfen keine zu hohen Anforderungen an das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses gestellt werden. Es fehlt nur dann, wenn das Betreiben des Verfahrens eindeutig zweckwidrig ist und sich als Missbrauch der Rechtspflege darstellt (OLG Frankfurt OLGZ 77, 401), insbesondere wenn das verfolgte Ziel ohne das beantragte Verfahren einfacher und effektiver erreicht werden kann (Keidel/Schmidt, FG, 15. Aufl., § 12, Rn. 58).

Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Keiner Entscheidung bedarf in diesem Zusammenhang, ob, wie das Landgericht meint, im Falle der Gesamtberechtigung nach § 428 BGB an einem Erbbaurecht ein Gesamtberechtigter allein über das Erbbaurecht insgesamt verfügen kann. Diese Rechtsfrage ist jedenfalls noch nicht obergerichtlich geklärt. Die vom Landgericht angeführte Entscheidung des BayObLG (Rpfleger 1996, 21) bezieht sich, ebenso wie die Entscheidung KG JW 1937, 3158 und die Kommentierung bei Demharter (GBO, 25. Aufl., § 19, Rn. 57) auf den Fall der Bewilligung der Löschung einer (Zwangs-)Hypothek. Maßgeblich für die alleinige Bewilligungsbefugnis in diesem Falle ist, dass jeder der Gesamtgläubiger zur Entgegennahme der Zahlung und zum Abschluss eines Erlassvertrages mit dem Schuldner berechtigt ist und so die Forderung und mit ihr die Hypothek zum Erlöschen bringen kann. Vorliegend geht es aber um den hiervon zu unterscheidenden Fall, dass das Recht auf einen Dritten als neuen Gläubiger übertragen werden soll. In der Kommentarliteratur wird jedenfalls zum Teil die Bewilligung sämtlicher Berechtigter gefordert (Kuntze/Ertl/Hermann/Eickmann, Grundbuchrecht, 5. Aufl., § 19, Rn. 74).

Auf diesem Hintergrund ergibt sich das Rechtsschutzbedürfnis für das beantragte Zeugnis bereits daraus, dass das zuständige Grundbuchamt - wie die Zwischenverfügung vom 14.9.2005 belegt - die Bewilligung eines Gesamtberechtigten nicht als ausreichend erachtet, sondern einen Nachweis für die Rechtsnachfolge nach dem Erblasser als Mitberechtigtem verlangt. In einer solchen Konstellation muss es den Beteiligten freistehen, ob sie die Zwischenverfügung des Grundbuchamtes anfechten oder den geforderten, wenn möglicherweise auch überflüssigen, Nachweis erbringen will.

Obwohl das Landgericht die Abweisung des Antrages allein aus verfahrensrechtlichen Gründen bestätigt hat, kann der Senat an dessen Stelle abschließend in der Sache entscheiden. Denn der gestellte Antrag ist sachlich begründet, weil die erforderlichen Nachweise erbracht sind.

Nach § 36 Abs. 1 GBO genügt gegenüber dem Grundbuchamt zum Nachweis der Rechtsnachfolge und der zur Eintragung des Rechtsübergangs erforderlichen Erklärungen der Beteiligten ein Zeugnis des Nachlassgerichtes, wenn bei einem zum Nachlass gehörenden Grundstück oder Erbbaurecht einer der Beteiligten als Eigentümer oder Erbbauberechtigter eingetragen werden soll. § 36 GBO ist auch anwendbar, wenn der Erblasser nur Mitberechtigter an einem Grundstück oder Erbbaurecht war. Dies ist anerkannt für den Miteigentumsbruchteil und die Gesamthandsberechtigung (vgl. Demharter, a.a.O., § 36, Rn. 3; Schaub in: Bauer/von Oefele, GBO, 1. Aufl., § 36 Rn. 9). Für die Mitberechtigung nach § 428 BGB muss dies aber erst recht gelten. Im Falle einer Gesamtgläubigerschaft nach § 428 BGB besteht nicht lediglich ein für mehrere Personen begründetes Recht, sondern eine Mehrheit von Rechten, die dadurch miteinander verbunden sind, dass jeder Gläubiger ein eigenes Recht hat, selbst befriedigt zu werden, die Befriedigung eines Berechtigten aber gegen alle anderen wirkt (BGH NJW 1967, 627 - zum Wohnungsrecht -; Palandt/Grüneberg, BGB, 65. Aufl., § 428, Rn. 1; Staudinger/Noack, BGB, 13. Bearb. 1999, § 428, Rn. 3). Dem Erblasser stand demnach ein eigenes Erbbaurecht zu, das im Wege der Erbfolge auf die Beteiligten zu 1) und 2) in Erbengemeinschaft übergegangen ist und das im Wege der Erbauseinandersetzung auf einen der Miterben übertragen werden kann.

Der Erteilung des Auseinandersetzungszeugnisses steht auch nicht entgegen - wie das Nachlassgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 11.8.2005 ausgeführt hat -, dass § 36 GBO nicht anwendbar ist, wenn die Erben in Erbengemeinschaft als neue Berechtigte ins Grundbuch eingetragen werden sollen (Demharter, a.a.O., § 36, Rn 7; Schaub in: Bauer/von Oefele, a.a.O., § 36, Rn. 19), denn an die Stelle des Erblassers sollen nicht die Beteiligten zu 1) und 2) in Erbengemeinschaft, sondern nur die Beteiligte zu 2) als neue Berechtigte treten.

Der Antrag durfte auch nicht deswegen zurückgewiesen werden, weil nach dem Wortlaut der Auflassungserklärung der "1/2 Anteil" des Erblassers an dem Erbbaurecht an die Beteiligte zu 2) übertragen und ein entsprechender Inhalt des Auseinandersetzungszeugnisses beantragt worden ist. Richtig ist zwar, dass der Erblasser nicht Bruchteilsberechtigter zu 1/2 an dem Erbbaurecht war. Auch wenn das Nachlassgericht über den gestellten Sachantrag nicht hinaus gehen oder den Antragstellern etwas anderes als beantragt zusprechen darf, so können und müssen Sachanträge nach sorgfältiger Erforschung des wahren Willens des Antragstellers nach § 12 FGG so ausgelegt werden, dass sie dem geltend gemachten Anspruch zum Erfolg verhelfen können (Keidel/Schmidt, a.a.O., § 12, Rn. 23). Ebenso sind grundbuchrechtliche Erklärungen der Auslegung zugänglich: Dabei ist auf den Wortlaut und den Sinn der Erklärung bzw. des Auslegungssachverhaltes abzustellen, wie er sich einem unbefangenen Betrachter erschließt, der weder den Willensinhalt der Erklärenden noch die hinter der Erklärung stehenden, diese im Sinne einer "Vorgeschichte" tragenden Umstände kennt. Maßgeblich ist der objektive Inhalt und allgemein verständliche Sinn der Erklärung ermittelt aus ihrem Gesamtzusammenhang (Bauer in: Bauer/ von Oefele, a.a.O., Rn. I 67 m.w.N.).

Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze ist im vorliegenden Zusammenhang ohne weiteres erkennbar, dass die Beteiligten mit der Erklärung, es bestehe Einigkeit darüber, dass "der 1/2 Anteil des Erblassers an dem im Grundbuch von G2 Blatt xxx eingetragenen Gesamterbbaurecht [ ...] auf die Beteiligte zu 2." übergehe und man beantrage und bewillige die entsprechende Eintragung in das Grundbuch, die in den Nachlass des Erblassers fallende Gesamtberechtigung nach § 428 BGB an diesem Erbbaurecht auf die Beteiligte zu 2) übertragen wollten. Ein anderes Erbbaurecht zugunsten des Erblassers an den betreffenden Grundstücken ist im Grundbuch nicht eingetragen. Auch bei der Fassung des Auseinandersetzungszeugnisses ist das Nachlassgericht an die Formulierung des Antrages nicht gebunden, sondern kann die nach dem Ergebnis der Auslegung von den Beteiligten tatsächlich gewollte Auflassungserklärung und Bewilligung in das Zeugnis aufnehmen.

Der Antrag der Beteiligten zu 1) und 2) enthält ferner die nach § 36 Abs. 2 Nr. 1 GBO i.V.m. § 2354 BGB erforderlichen Angaben. Die Richtigkeit der Angaben ist durch Vorlage der entsprechenden Personenstandsurkunden nachgewiesen, die Beteiligten haben die Richtigkeit ihrer Angaben an Eides statt in der notariellen Urkunde versichert. Nach §§ 1924, 1931, 1371 BGB sind die Beteiligten zu 1) und 2) Miterben zu je 1/2 geworden.

Des weiteren liegen die nach § 20 GBO erforderliche Auflassungserklärung der Beteiligten zu 1) und 2) sowie die Bewilligung der Eintragung der Beteiligten zu 2) gem. § 19 GBO in notarieller Urkunde und damit in der nach § 29 GBO notwendigen Form vor (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 GBO).

Die Wertfestsetzung für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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