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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 28.02.2000
Aktenzeichen: 15 W 50/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1899 Abs. 2
BGB § 1905
Gesetz:

§§ 1899 Abs. 2, 1905 BGB

(vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Einwilligung in die Sterilisation einer Betreuten)

Leitsätze:

1)

Werden die Verfahren auf Bestellung eines Betreuers für die Einwilligung in die Sterilisation (§ 1899 Abs. 2 BGB) und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Einwilligung des Betreuers (§ 1905 BGB) zeitlich eng nacheinander durchgeführt, dann brauchen Verfahrenshandlungen gleichen Inhalts und Zwecks, wie die Bestellung von Sachverständigen und die persönliche Anhörung der Betroffenen, nicht doppelt vorgenommen zu werden.

2)

Die Annahme eines der Sterilisation widersprechenden natürlichen Willens erfordert die Feststellung, dass der Betreute sich gegen die Sterilisation als solche wehrt. Richtet sich der Widerstand des Betroffenen gegen andere Beeinträchtigungen, so müssen die diesem Widerstand hervorrufenden Verhältnisse geändert werden.

OLG Hamm, 15. Zivilsenat, Beschluss vom 28.02.2000 - 15 W 50/00


OBERLANDESGERICHT HAMM

BESCHLUSS

15 W 50/00 OLG Hamm 3 T 356/99 LG Detmold 9 VII 1562 AG Lemgo

In dem Betreuungsverfahren

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 28. Februar 2000 auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) vom 27. Januar 2000 gegen den Beschluss der Zivilkammer III des Landgerichts Detmold vom 19. Januar 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Gammelin und die Richter am Oberlandesgericht Engelhardt und Christ beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird teilweise aufgehoben. Die Erstbeschwerde der Beteiligten zu 3) gegen die Entscheidung des Amtsgerichts vom 19. November 1999 wird als unzulässig verworfen.

Im übrigen wird die weitere Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die jetzt 21 Jahre alte Betroffene ist seit ihrer Geburt auf Grund einer Missbildung des Gehirns geistig schwer behindert und leidet außerdem seit dem 2. Lebensjahr an zum Teil sehr schweren epileptischen Krampfanfällen mit Bewusstlosigkeit, Schreien und tonisch-klonischen Zuckungen. Die medizinische Diagnose lautet: Dandy-Walker-Syndrom mit deutlicher Hypoplasie des Kleinhirnwurms, Hydrocephalus internus und Epilepsie. Mit ihr ist eine Kommunikation nur über einfachste Dinge möglich. Ihre Sätze sind auf einige wenige Worte beschränkt. Sie kann nicht schreiben oder rechnen und ist in allen Belangen des täglichen Lebens auf Hilfe angewiesen. Die Lernfähigkeit, Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit sind extrem herabgesetzt. Ihre Selbständigkeit ist auf geringe Teilbereiche reduziert, eigenständige Willensäußerungen und Entscheidungen von größerer Tragweite kann sie nicht treffen, weil sie den Inhalt nicht versteht. Ihre Minderbegabung wird als irreversibel eingestuft. Sie leidet außerdem an einer Gehbehinderung (Spastik der Beine).

Die Betroffene, die aus neurologischer Sicht ihr Leben lang Medikamente gegen epileptische Anfälle einnehmen muss, wird vom Epilepsiezentrum in Bethel betreut und erhält zur Zeit eine Doppelbehandlung mit Ergenyl (Valproinsäure) und Lamictal (Lamotrigin). Es ist noch nicht gelungen, sie anfallsfrei zu bekommen.

Seit dem 6. Lebensjahr lebt die Betroffene in einer Pflegefamilie, bei der auch vier geistig behinderte Pflegesöhne im Alter zwischen 18 und 21 Jahren untergebracht sind. Sie masturbiert häufig und hat ein großes Bedürfnis an Zuwendung. Sie sucht ständig Hautkontakt zu allen ihr vertrauten Personen, insbesondere zu dem 21jährigen Mitbewohner Sascha, den sie morgens regelmäßig unbekleidet aufsucht. Mit ihm und einem anderen behinderten jungen Mann schmust sie häufig intensiv. Ob es dabei schon zum Beischlaf gekommen ist, ist noch nicht festgestellt worden. Eine gynäkologische Untersuchung war bislang nicht möglich, weil die Betroffene, die eine regelmäßige Menstruation hat, jede körperliche Untersuchung durch einen Arzt ablehnt.

Durch Beschluss vom 25.10.1996 richtete das Amtsgericht für die Betroffene eine umfassende Betreuung ein und bestellte deren zu 3) beteiligte Mutter zur Betreuerin.

Diese regte am 23.12.1996 die Bestellung eines besonderen Betreuers für die Entscheidung über die Einwilligung in eine Sterilisation der Betroffenen an. Nach Erholung von medizinischen Sachverständigengutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie-Psychotherapie R vom 29.10.1998 und der Nervenärztin B vom 01.03. 1999, das sich auf die medizinischen, psychologischen, sozialen, sonderpädagogischen und sexualpädagogischen Gesichtspunkte der Steilisation erstreckte, sowie eines Berichtes der Betreuungsstelle des Kreises Lippe vom 09.12.1998 lehnte das Amtsgericht am 12.03.1999 die Bestellung eines besonderen Betreuers ab. Hiergegen legten die Beteiligten zu 3) und die Betreuungsstelle Beschwerde ein. Das Landgericht hörte die Betroffene im Beisein der für sie bestellten Verfahrenspflegerin am 31.08.1999 an. Mit Beschluss vom 02.09.1999 wies es das Amtsgericht unter Abänderung des Beschlusses vom 12.03.1999 an, einen besonderen Betreuer für die Entscheidung über die Einwilligung in die Sterilisation zu bestellen. Das Amtsgericht bestellte daraufhin die Beteiligte zu 4) zur besonderen Betreuerin.

Diese hat mit Schriftsatz vom 16.11.1999 die vormundschaftliche Genehmigung ihrer Einwilligung in die Sterilisation beantragt. Mit Beschluss vom 19.11.1999 hat das Amtsgericht den Beteiligten zu 2) zum Verfahrenspfleger bestellt und gleichzeitig die beantragte Genehmigung abgelehnt.

Hiergegen haben, die Beteiligten zu 3) und 4) mit Schreiben vom 06. und 09.12.1999 Beschwerde eingelegt. Das Landgericht bestellte den Beteiligten zu 2) auch für das Beschwerdeverfahren zum Verfahrenspfleger. Mit Beschluss vom 19.01.2000 hat es die Entscheidung des Amtsgerichts abgeändert und die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung in die Sterilisation der Betroffenen erteilt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) vom 27.01.2000, der zur Begründung seines Rechtsmittels auf die Entscheidung des Amtsgerichts verweist.

II.

Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG statthaft und in der rechten Form eingelegt. Der Beteiligte zu 2) ist als Verfahrenspfleger der Betroffenen zur Einlegung des Rechtsmittels befugt (Keidel/Kayser, FGG, 14.Auflage, § 67 Rn. 11).

1)

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten zu 4) ausgegangen. Ihre Beschwerdebefugnis ergab sich aus § 69g Abs. 2 Satz 1 FGG. Hingegen stand der Beteiligten zu 3) kein. Beschwerderecht zu. § 69g Abs. 2 Satz 2 FGG, wonach in den Fällen, in denen mehrere Betreuer ihr Amt gemeinschaftlich ausführen, jeder von ihnen für den Betroffenen selbständig Beschwerde einlegen kann, ist nicht anwendbar. Von dieser Vorschrift werden nur die Fälle des § 1899 Abs. 3 BGB erfasst, wenn also mehrere Betreuer mit demselben Aufgabenkreis betraut worden sind, nicht jedoch der Fall der Bestellung eines Sterilisationsbetreuers nach § 1899 Abs. 2 (Keidel/Kayser, a.a.O., § 69g Rn.9).

Ein Beschwerderecht der Beteiligten zu 3) ergab sich auch nicht aus anderen Vorschriften. § 57 FGG gilt nur für Vormundschafts und Pflegschaftssachen, nicht aber für Betreuungssachen (Keidel/Engelhardt, a.a.O. § 57 Rn. 1). Da auch kein eigenes Recht der Beteiligten zu 3) durch die amtsgerichtliche Entscheidung beeinträchtigt wurde, stand ihr auch keine Beschwerdebefugnis aus § 20 Abs. 1 FGG zu. Ihr Rechtsmittel war daher unzulässig.

2)

Die Sachentscheidung des Landgerichts über das Rechtsmittel der Beteiligten zu 4) hält einer rechtlichen Überprüfung stand (§ 27 FGG).

Die Sterilisation einer Frau, die diese auf Dauer unfruchtbar macht, stellt einen schweren Eingriff in deren körperliche Integrität und gesamte Lebensführung dar (BT-Drucksache 11/4528 S. 176). Daher ist die Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung in die Einwilligung der hierfür besonders bestellten Betreuerin in diesen ärztlichen Eingriff an enge Voraussetzungen geknüpft (§ 1905 BGB) und das Genehmigungsverfahren mit den strengsten Verfahrensgarantien ausgestaltet, die das Betreuungsrecht kennt (BT-Drucksache 11/4582, S.145, 177).

a)

Das Verfahren des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. In dem vorangegangenen Verfahren auf Bestellung der Beteiligten zu 4) zur Betreuerin für die Einwilligung in die Sterilisation sind umfangreichende Ermittlungen zu den Fragen getroffen worden, ob die Voraussetzungen des § 1905 BGB gegeben sind. Diese Fragestellungen haben sich für das vorliegende Verfahren auf Genehmigung der von der Betreuerin erteilten Einwilligung in die Sterilisation nicht verändert. Da beide Verfahren zeitlich eng nacheinander durchgeführt wurden, brauchten Verfahrenshandlungen gleichen Inhalts und Zwecks, wie die Bestellung von Sachverständigen und die persönliche Anhörung der Betroffenen, die sich intensiv damit beschäftigte, ob die Sterilisation dem Willen der Betroffenen widerspricht, nicht doppelt vorgenommen zu werden (so zutreffend Bienwald, Betreuungsrecht, 3. Aufl., 1905 Rn. 26).

b)

(1) § 1905 BGB ist nur anwendbar, wenn die Betroffene einwilligungsunfähig ist (die Sterilisation einwilligungsfähiger Volljähriger ist nicht gesetzlich geregelt). Dabei ist maßgebend, ob die Betroffene nach Aufklärung durch den Arzt zu erfassen vermag, aus welchen Gründen eine Sterilisation angezeigt oder gar notwendig ist und welche Folgen und Auswirkungen dieser Eingriff im allgemeinen und für sie im besonderen nach sich zieht (Lachwitz, FuR 1990, 226 [270]; BGBRGRK/Dickescheid, 12. Aufl. 1999, § 1905 Rn. 3). Das Landgericht hat hierzu ausgeführt: Nach den beiden eingeholten ärztlichen Gutachten sei die Betroffene nicht in der Lage zur Frage der Sterilisation eine eigene Willensentscheidung zu treffen. Die Zusammenhänge zwischen Intimkontakten, Schwangerschaft und Geburt seien ihr nicht bekannt und nicht zu vermitteln. Eine Verständigung mit ihr sei nur über die einfachsten Fragendes täglichen Lebens möglich. Ein Gespräch über sexuelle Fragen hätten weder die begutachtenden Ärztinnen noch die Kammer bei ihrer Anhörung im Rahmen der Betreuerbestellung mit der Betroffenen führen können.

Aufgrund dieser verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen, die für den Senat bindend sind, konnte das Landgericht bedenkenfrei davon ausgehen, dass die Betroffene trotz entsprechener Aufklärungsversuche nicht in der Lage ist, die Bedeutung und Tragweite einer Sterilisation zu erkennen und danach ihren Willen zu bestimmen. Sie kann daher nicht rechtswirksam in eine Sterilisation einwilligen, so dass § 1905 BGB anwendbar und zu prüfen war, ob die in Abs.1 genannten Voraussetzungen gegeben sind, die ausschließlich auf die Interessen der Betreuten abstellen und kumulativ vorliegen müssen (BTDrucks. 11/4528 S. 143; BayObLGZ 1997, 49 = NJW-RR 1997, 578 = BtPrax 1997, 158 = FGPrax 1997, 65 = FamRZ 1997, 702 = MDR 1997, 578; Staudinger/Bienwald, 12. Aufl. § 1905. Rn. 36; Damrau/Zimmermann, Betreuung und Vormundschaft, 2. Aufl., § 1905 Rn. 3).

(2) Nach § 1905 Abs. 1 S.1 Nr.2 BGB muss die Betroffene auf Dauer unfähig sein, die Einwilligung zu erteilen; bei einer nur vorübergehenden Einwilligungsunfähikeit ist die Sterilisation damit nicht gerechtfertigt (BT-Drucks. 11/4528, S. 143). Hierzu führt das Landgericht aus, die Betroffene sei auf Dauer unfähig, in eine Sterilisation einzuwilligen, weil angesichts der Gehirnmissbildung keine Aussichten bestünden, dass sie jemals die Bedeutung des Eingriffs verstehen könne. Auch diese verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen finden eine ausreichende Stütze in den eingeholten Gutachten der beiden Sachverständigen, nach denen eine Behandlung der Hirnmissbildung nicht möglich ist. Sie sind daher für den Senat bindend. Sie rechtfertigen den von der Kammer gezogenen Schluss auf eine dauernde Einwilligungsunfähigkeit.

(3) Nach § 1905 Abs.1 S.1 Nr.3 BGB kann der Betreuer in eine Sterilisation nur einwilligen und das Vormundschaftsgericht die hierfür erforderliche Genehmigung nur erteilen, wenn anzunehmen ist, dass es ohne Sterilisation zu einer Schwangerschaft kommen würde. Die Sterilisation darf nicht vorsorglich vorgenommen werden, vielmehr kann nur die konkrete und ernstliche Schwangerschaftserwartung Grundlage einer Einwilligung bzw. Genehmigung sein (BT-Drucks. 11/ 4528, S. 143; BayObLG, a.a.O.). Dabei ist ein besonderer Grad an Wahrscheinlichkeit nicht erforderlich, vielmehr genügt, dass aufgrund der sexuellen Aktivität der fortpflanzungsfähigen Betreuten mit einer Schwangerschaft zu rechnen ist (BayObLG, a.a.O; BGB RGRK/Dickescheid, a.a.O., § 1905 Rn.8; Bienwald, a.a.O., § 1905 Rn. 35; Erman/Holzhauer, BGB 9. Aufl., § 1905 Rn.16; Mü-Ko/Schwab, a.a.O., § 1905 Rn. 13).

Hierzu führt das Landgericht aus: Es bestehe die eindeutige Gefahr, dass die Betroffene ohne eine Sterilisation schwanger werde. Sie suche und finde Körperkontakte zu anderen Behinderten und es sei naheliegend, dass sie, soweit es noch nicht geschehen sein sollte, irgendwann die genitale Sexualität entdecken werde. Sie habe die Periode und es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass sie nicht schwanger werden könne. Diese Feststellungen stimmen mit dem Akteninhalt überein. Sie entsprechen den aufgezeigten Grundsätzen und rechtfertigen die Annahme des Landgerichts, dass es ohne die Sterilisation zu einer Schwangerschaft kommen würde.

(4) § 1905 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BGB setzt - in Anlehnung an § 218 a Abs. 2 StGB - die Gefahr einer erheblichen Notlage für die Betroffene voraus. Es muss aufgrund der Schwangerschaft eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes zu erwarten sein. Als schwerwiegende Gefahr für den seelischen Gesundheitszustand sieht der Gesetzgeber auch die Gefahr eines schweren und nachhaltigen Leides, dass der Betroffenen drohen würde, weil gerichtliche Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a BGB, die mit ihrer Trennung vom Kind verbunden wären, gegen sie ergriffen werden müssten, § 1905 Abs. 1, S. 2 BGB. Diese Voraussetzung hat das Landgericht ebenfalls ohne Rechtsfehler aufgrund der eingeholten Gutachten angenommen. Es hat insoweit ausgeführt: Eine Schwangerschaft würde bei der Betroffenen eine schwere Gefahr für die körperliche und seelische Gesundheit darstellen. Die Umstellung des Körpers bei einer Schwangerschaft würde zu gehäuften epileptischen Anfällen führen. Die Betroffene habe trotz doppelter Medikation noch schwere epileptische Anfälle mit Schreien, Bewußtlosigkeit und tonisch-klonischen Zuckungen; eine Häufung der Anfälle wäre mit schwerwiegenden zusätzlichen Gesundheitsschäden verbunden. Die Betroffene wäre auch nicht in der Lage, die mit einer Schwangerschaft verbundenen körperlichen Veränderungen zu verstehen und würde so zusätzlich verunsichert. Wenn es schließlich zu der Geburt eines - dann vermutlich durch die Störung der Sauerstoffzufuhr bei den epileptischen Anfällen der Mutter schwer geschädigten - Kindes kommen sollte, müsste das Kind der Mutter weggenommen werden, weil sie zur Betreuung außerstande wäre.

(5) Gemäß § 1905 Abs.1 S.1 Nr.5 BGB darf der Sterilisationsbetreuer nicht in die Sterilisation einwilligen, wenn eine Schwangerschaft durch andere zumutbare Mittel verhindert werden kann. Als unzumutbare Alternative zur Sterilisation wird das Unterbinden sexueller Kontakte der Betreuten gegen ihren natürlichen Willen angesehen (BayObLG, a.a.O.; Damrau/Zimmermann, a.a.O., Rn. § 1905 Rn. 8). Dagegen sind alle mechanischen und chemischen Empfängnisverhütungsmittel und verfahren in Betracht zu ziehen. Ob ein solches zumutbar ist, entscheiden die Umstände des Einzelfalles (BayObLG, a.a.O.; Kern/Hiersche, MedR 1995, 463 [466]). Dabei sind mögliche Nebenwirkungen und Unverträglichkeit mit anderen Medikamenten ebenso zu berücksichtigen wie die Fragen, ob davon ausgegangen werden kann, dass die Betreute es - gegebenenfalls nach einer sozialpädagogischen Anleitung - gewissenhaft anwendet oder ob der Sexualpartner angehalten werden kann, empfängnisverhütende Maßnahmen zu ergreifen (Schmidt/Böcker/Bayerlein/Mattern/Schüler, Betreuungsrecht in der Praxis, 3. Aufl., Rn.447 und 448).

Diesen Gesichtspunkten tragen die Ausführungen des Landgerichts in jeder Beziehung Rechnung: Mechanische Verhütungsmittel kämen nicht in Betracht, weil die Betroffene und ihre zur Zeit in Betracht kommenden Sexualpartner geistig so behindert seien, dass ihnen der Gebrauch nicht vermittelt werden könne. Der Einsatz einer Spirale oder eines Diaphragmas würde wegen des zu erwartenden Widerstandes der Betroffenen zu wiederkehrenden ärztlichen Zwangsmaßnahmen nötigen. Eine Einnahme von Ovulationshemmern würde neben der Gefahr von Thrombosebildung zu gegenseitiger Beeinflussung mit den zur Verhütung epileptischer Anfälle gegebenen Medikamenten führen. Damit würde sowohl die Gefahr vermehrter Anfälle wie die einer unzureichenden Ovulationshemmung bestehen. Die Sachverständige R habe zwar darauf hingewiesen, dass eine Umstellung auf ein anderes Antiepileptikum vielleicht eine Kombination mit Ovulationshemmern bzw. der Dreimonatsspritze ermöglichen würde. Da eine befriedigende Medikation der Epilepsie noch nicht gelungen und besonders schwierig sei, sei es kaum sinnvoll, bei der Wahl der Medikamente auch noch auf die Verträglichkeit mit Ovulationshemmern Rücksicht zu nehmen. Da eine Verständigung mit der Betroffenen nur beschränkt möglich sei, müsse bei entsprechenden Experimenten immer mit einer Steigerung der Anfallhäufigkeit gerechnet werden; sie seien daher für die Betreute unzumutbar. Das Risiko für sie wiege viel schwerer als der mit einer Sterilisation verbundene Eingriff.

(6) Das Landgericht ist schließlich von zutreffenden Voraussetzungen des § 1905 Abs. 1. Nr. 1 BGB ausgegangen und hat auch diese verfahrensfehlerfrei festgestellt. § 1905 Abs. 1 Nr. 1 BGB verbietet eine Zwangssterilisation. Der Betreuer kann daher nur einwilligen, wenn die Sterilisation nicht dem natürlichen Willen der Betreuten widerspricht; auf einen irgendwie gearteten Grad an Einsichts- und Steuerungsfähigkeit kommt es insoweit nicht an, weil § 1905 Abs.1 BGB sich nur auf einwilligungsunfähige Betreute bezieht (BT-Drucksache 11/4528, S. 143; Schwab in MüKo, 3. Aufl., § 1905 Rn. 10; Kern/Hiersche, a.a.O., 463 [466]). Maßgebend ist, dass die Betroffene irgendwie zu erkennen gibt, dass sie die Sterilisation nicht will. Es genügt jede Art der Willensäußerung - z.B. Ablehnung mit Worten oder Gesten und Gegenwehr -, die sich aber gegen die Sterilisation als solche richten muss (Damrau/Zimmermann, a.a.O., § 1905 Rn. 4; Kern/Hiersche, a.a.O.; Staudinger/Bienwald, a.a.O., § 1905 Rn.43).

Eine solche Äußerung hat die Betroffene nach den Feststellungen des Landgerichts bislang nicht abgegeben. Zutreffend führt das Landgericht aus, ein Widerspruch der Betroffenen gegen eine Sterilisation sei auch nicht darin zu sehen, dass sie große Angst vor medizinischen Untersuchungen habe und sich bisher erfolgreich gegen jede gynäkologische Untersuchung gewehrt habe. Denn hierdurch hat die Betroffene noch keine Abwehr in die erst demnächst anstehende Sterilisation zum Ausdruck gebracht. Der in der Literatur und vom Amtsgericht hierzu vertretenen Gegenmeinung, beachtlich sei auch, wenn sich die Gegenwehr weniger gegen die Sterilisation richte als mehr durch Angst vor dem Arzt ausgelöst worden sei (Erman/ Holzhauer, a.a.O., § 1905 Rn.13ff; HK-BUR/Hoffmann, § 1905 Rn.66; Seitz, FGPrax 1996, 23), vermag der Senat nicht zu folgen. Zutreffend verweist Bienwald (in Staudinger a.a.O., § 1905 Rn. 43) darauf, der Wortlaut des Gesetzes deute darauf hin, dass nur ein Widerspruch gegen die Sterilisation den Eingriff verbiete. Richtet sich hingegen der Widerstand der Betroffenen gegen andere Beeinträchtigungen, so müssen die diesen Widerstand hervorrufenden Verhältnisse geändert werden.

Eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Auslagen nach § 13a Abs.1 Satz 1 FGG ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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