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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 05.08.2008
Aktenzeichen: 15 Wx 181/08
Rechtsgebiete: FGG, BGB


Vorschriften:

FGG § 27
FGG § 27 Abs. 1
FGG § 29
FGG § 69g
FGG § 69g Abs. 1 S. 1
BGB § 1896 Abs. 1a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.)

Mit Beschluss vom 22.11.2007 hat das Amtsgericht nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Leitz für den Betroffenen eine Betreuung angeordnet. Für die Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Wohnungsangelegenheiten, Vertretung gegenüber Ämtern, Behörden und Versicherungen, Postangelegenheiten und Organisation sozialpflegerischer Dienste hat es den Beteiligten zu 2) zum Betreuer, für den Bereich der Vermögensangelegenheiten den Beteiligten zu 3) zum Zusatzbetreuer bestellt.

Anlass für die Einleitung des Betreuungsverfahrens war ein ordnungsbehördliches Einschreiten gegen den Betroffenen. Dieser sammelt auf dem von ihm bewohnten Hausgrundstück verschiedene Sachen in einem Umfang, der zu einer erheblichen Vermüllung des Grundstücks und des Hauses sowie einem damit einhergehenden massiven Ungezieferbefall (Ratten) geführt hatte.

Gegen die Anordnung der Betreuung hat der Betroffene Beschwerde erhoben. Das Landgericht hat die Beteiligten zu 1) bis 3) mündlich angehört und ein mündliches Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Zimmer eingeholt. Diesem ist der Betroffene zwar aufgrund von Kontakten aus den 90er Jahren bekannt, eine psychiatrische Untersuchung des Betroffenen im Vorfeld des landgerichtlichen Termins war dem Sachverständigen jedoch nicht möglich. Mit Beschluss vom 06.03.2008 hat das Landgericht die Betreuung aufgehoben. Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 4) mit der weiteren Beschwerde.

II.)

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29, 69g FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt.

Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 4) ergibt sich unmittelbar aus § 69g Abs.1 S.1 FGG.

In der Sache ist die sofortige weitere Beschwerde begründet, da die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 Abs.1 FGG. Dies führt zur Aufhebung der Entscheidung und der Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1) ausgegangen.

In der Sache hält die landgerichtliche Entscheidung der rechtlichen Prüfung hingegen nicht stand. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass § 1896 Abs.1a BGB der Anordnung einer Betreuung entgegensteht, weil der Betroffene in der Lage sei, seinen Willen frei zu bestimmen. Diese Einschätzung ist von Rechtsfehlern beeinflusst. Die Kammer hat die Voraussetzungen der Fähigkeit zur freien Willensbildung zwar in Anlehnung an den Beschluss des OLG Köln vom 25.01.2006 (FGPrax 2006, 117f) zutreffend umschrieben. Bei der Subsumtion des vorliegenden Falles unter diese rechtlichen Grundsätze hat sie jedoch den Wertungsrahmen, der sich aus ihnen ergibt, einseitig in Richtung der intellektuellen Einsichtfähigkeit in das Wesen einer rechtlichen Betreuung verschoben.

Entscheidend ist demgegenüber aber, wie das Landgericht eingangs der Gründe auch zutreffend referiert hat, ob der Betroffene die Einsicht in den Grund, die Bedeutung und Tragweite einer Betreuung entwickeln (BT-Drucks 15/2494, 28) und im Weiteren auch entsprechend dieser Einsicht handeln kann (Staudinger/Bienwald, BGB, Bearb. 2006, § 1896 Rdn.73). Die Einsichtsfähigkeit in den Grund der Betreuung setzt dabei denknotwendig voraus, dass der Betroffene seine Defizite wenigstens im Wesentlichen zutreffend einschätzen kann. Nur dann ist es ihm nämlich möglich, die für und gegen eine Betreuung sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen. Die Auffassung des Landgerichts, der Betroffene sei zu einer solchen Abwägung noch fähig, wird danach von seinen eigenen tatsächlichen Feststellungen nicht getragen. Denn die Kammer hat, insoweit in Übereinstimmung mit beiden Sachverständigen, festgestellt, dass der Betroffene aufgrund einer psychischen Erkrankung, die jedenfalls die Voraussetzungen einer schwerwiegenden Persönlichkeitsstörung erfüllt, nicht mehr in der Lage ist, seine Sammelleidenschaft und deren Auswirkungen realistisch einzuschätzen. Auch habe er insoweit seine Steuerungsfähigkeit verloren. Nach den genannten Kriterien ist der Betroffene dann aber jedenfalls in dem Bereich der insoweit betroffenen Wohnungs- und Grundstücksangelegenheiten zu einer freien Willensbildung nicht mehr in der Lage.

Auf diesem Rechtsfehler beruht die landgerichtliche Entscheidung, da sich ohne weitere tatsächliche Feststellungen nicht ausschließen lässt, dass die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers jedenfalls hinsichtlich einzelner Aufgabenbereiche vorliegen. Das Vorliegen einer psychischen Erkrankung ist nach den Feststellungen des Landgerichts ebenso zu bejahen, wie ein Ausschluss der freien Willensbestimmung jedenfalls für die Bereiche, die die Wohnsituation des Beteiligten zu 1) auf seinem Grundstück betreffen. Ob die Beeinträchtigung des Betroffenen über diese Bereiche hinausgreift, ist derzeit unklar und bedarf der weiteren Aufklärung. Es geht dabei weniger um die medizinische Beurteilung der Krankheitsfolgen als vielmehr um die eher rein tatsächliche Frage, inwieweit die krankheitsbedingte Sammelleidenschaft auch zu selbstschädigenden Fehlreaktionen des Betroffenen in angrenzenden Sachbereichen führt, etwa in finanziellen Angelegenheiten oder dem Behördenverkehr.

Hiermit in tatsächlicher Hinsicht eng verbunden ist die Frage der Betreuungsnotwendigkeit, wie er in der Stellungnahme des Beteiligten zu 3) angesprochen wird. Nach dem bisherigen Stand der Feststellungen kann eine Betreuung unter dem Aspekt der Notwendigkeit oder Verhältnismäßigkeit einer Betreuung (§ 1896 Abs.2 BGB) allerdings nicht generell verneint werden. Im Vordergrund der Betreuungsnotwendigkeit steht die Lebens- und Wohnsituation des Betroffenen mit den sich hieraus ergebenden gesundheitlichen und finanziellen Folgegefahren für den Betroffenen. Eine hinreichende Einflussnahme war dem Beteiligten zu 3) und seiner Ehefrau gerade in diesem Punkt in der Vergangenheit nicht möglich.

Die Anordnung einer Betreuung für den Bereich der Wohnungs- und Grundstücksangelegenheiten ist auch nicht von vorneherein ohne Erfolgsaussichten. Entgegen der Einschätzung des Beteiligten zu 3) ist das primäre Ziel einer Betreuung in dem genannten Bereich, wie bereits angesprochen, die Verhinderung einer gesundheitlichen und wirtschaftlichen Selbstschädigung des Betroffenen. Das Bewirken einer Verhaltensänderung bei dem Betroffenen ist hierfür zwar wünschenswert, aber nicht zwingend erforderlich. Vielmehr ist ein Betreuer aufgrund seiner gesetzlichen Vertretungsmacht grundsätzlich in der Lage, auch ohne die aktive Mitwirkung des Betroffenen geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der Wohnsituation durchzusetzen.

Zu berücksichtigen ist andererseits, dass der Beteiligte zu 3) sowohl vor Anordnung der Betreuung als auch in seiner Funktion als Ergänzungsbetreuer einiges für den Betroffenen erreichen konnte. Es bedarf daher näherer Erörterung mit den Beteiligten, ob der Betroffene nunmehr eine weitergehende Hilfe seines Schwagers, auch im Sinne einer regelmäßigen (Fremd-) Reinigung des Grundstücks, zulassen kann, und der Beteiligte zu 3) sich in der Lage sieht, dies zu veranlassen. Dabei bemerkt der Senat allerdings, dass Maßstab der Betreuungsnotwendigkeit die Verhinderung einer finanziellen und gesundheitlichen Selbstschädigung des Betroffenen und nicht die durch die Ordnungsbehörde zu wahrenden Interessen ist. Die Hilfestellung im Sinne des Veranlassens der Reinigung von Haus und Grundstück müsste daher deutlich unterhalb der Eingriffsgrenze für die Ordnungsbehörde einsetzen, wenn noch von einer einigermaßen geordneten, und damit auch kostengünstigeren Entsorgung der gelagerten Gegenstände gesprochen werden kann.

Je nachdem, welche Problembereiche und Hilfemöglichkeiten durch den Beteiligten zu 3) und seine Ehefrau sich hier ergeben, könnte von der Bestellung eines Betreuers gänzlich abgesehen oder, wenn eine rein familiäre Hilfestellung nicht hinreichend tragfähig erscheint, der Beteiligte zu 3), so er dem Landgericht geeignet erscheint und er hierzu bereit ist, zum ehrenamtlichen Betreuer bestellt werden. Soweit letzteres nicht in Betracht kommt, wäre allerdings die Bestätigung der Betreuerbestellung jedenfalls für den Bereich der Wohnungs- und Grundstücksangelegenheiten und, soweit diese Aufgabenstellung sonst leer laufen würde, die Vermögens- und Behördenangelegenheiten in Betracht zu ziehen. Im Übrigen, also insbesondere hinsichtlich Gesundheitsfürsorge und dem hiermit zusammenhängenden Aufenthaltsbestimmungsrecht, sieht der Senat nach Aktenlage im Hinblick auf die Hilfestellung durch den Beteiligten zu 3) und dessen Ehefrau keinen akuten Betreuungsbedarf. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass diese dem Betroffenen im Krankheitsfall ihre Hilfe verweigern würden. Letztlich bleibt die Beurteilung auch dieser Frage jedoch dem Landgericht nach Maßgabe seiner aktuellen Erkenntnisse vorbehalten.

Ende der Entscheidung

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