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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 08.02.2007
Aktenzeichen: 16 U (Baul.) 6/06
Rechtsgebiete: EEG NRW, BauGB, WertV


Vorschriften:

EEG NRW § 8 Abs. 2 Nr. 2
EEG NRW § 10
EEG NRW § 11
BauGB § 93
BauGB § 95
WertV § 7 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufungen der Beteiligten zu 1) gegen die am 8. Februar 2006 verkündeten Urteile der Kammer für Baulandsachen des Landgerichts Arnsberg 6 O (Baul.) 19/05 und 6 O (Baul. 21/05) werden zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 1) trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beteiligte zu 1) kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beteiligte zu 2) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Beteiligte zu 1) war Eigentümerin des in E-C gelegenen Grundbesitzes bestehend aus den Grundstücken Gemarkung C, Flur 3, Flurstücke X, XXund XXX. Die Grundstücke mit einer Gesamtgröße von 2.695 qm waren mit einem Wohnhaus - Vorderhaus und Anbau - bebaut, für das erstmals 1895 eine Baugenehmigung erteilt worden war.

Der Grundbesitz liegt abseits der zusammenhängenden Bebauung von C unmittelbar nördlich der BAB A 2. Die sich Mitte der 90-er Jahre des vorigen Jahrhunderts verdichtenden Planungen für den 6-streifigen Ausbau der A 2 einschließlich des nördlich der Autobahn geplanten Lärmschutzwalls sahen vor, das Grundstück mit der aufstehenden Bebauung nahezu vollständig in Anspruch zu nehmen. Gegen den Planfeststellungsbeschluss der Beteiligten zu 2) für den Autobahnausbau vom 20. September 1999 erhob die Beteiligte zu 1) Klage, die sie im März 2002 zurücknahm. Nach erfolglosen Verhandlungen über einen freihändigen Erwerbs des Grundbesitzes durch die Beteiligte zu 2) beantragte diese im Mai 2004 bei der Beteiligten zu 3) die Einleitung eines Enteignungs- und Entschädigungsfeststellungsverfahrens und eine vorzeitige Besitzeinweisung. In diesem Verfahren kam es schließlich zu einem Kaufvertrag vom 28. Juli 2004. Grundlage war ein Protokoll vom 15. Juli 2004 in dem eingeleiteten Besizeinweisungsverfahren. In diesem Protokoll wird Bezug genommen auf eine Auflistung der von der Beteiligten zu 1) geltend gemachten zusätzlichen Entschädigungskosten mit folgenden Positionen:

1. Mietverluste, Pflegekosten, AfA für 38 Rest-Jahre pp 43.691,06 €

2. Umzugskosten 7.000,00 €

3. Kosten Ersatzgrundstück (Ankauf Z) 5.000,00 €

4. Kosten künfiger Erwerb aus Resterlös 10.000,00 €

5. Ersatzbrunnenbohrung 12.000,00 €

6. Sachverständigenkosten 4.870,46 €

Summe 82.561,52 €

Weiter heißt es in dem Protokoll vom 15. Juli 2004, in der angebotenen Entschädigung in Höhe von 320.000,-- € seien die Positionen 2 (Umzug), 5 (Ersatzbrunnenbohrung) und 6 (Sachverständigenkosten) enthalten; die restlichen Entschädigungsansprüche könnten dann später von der Eigentümerin - Beteiligte zu 1) - geltend gemacht werden. Hieran anknüpfend wurde in § 2 des Kaufvertrages ein Kaufpreis mit 323.000,00 € vereinbart, und zwar "als Gesamtentschädigung für den Grund und Boden, die Gebäude und baulichen Anlagen, einschließlich Daueraufwuchs, Einfriedigungen, Umzugskostenentschädigung und Sachverständigenkosten... gemäß Protokoll vom 15.07.2004 des Besitzeinweisungsverfahrens". In § 3 des Kaufvertrags heißt es weiter:

"Der Verkäufer behält sich gemäß unter § 2 genanntem Protokoll vom 15.07.2004 einseitig vor, eventuelle Rechte auf Entschädigung in Bezug auf Mietausfall/Objektnutzungskosten sowie notwendige Wiederbeschaffungskosten gegenüber der Straßenbauverwaltung geltend zu machen. Die Entscheidung über die einseitig vorbehaltenen Entschädigungsansprüche (einschließlich Verzinsung) soll gegebenenfalls durch die Enteignungsbehörde erfolgen bzw. späteren Gerichtsentscheidungen vorbehalten bleiben."

Am 6. September 2002 wurde mit den Baumaßnahmen für den Ausbau der A 2 begonnen. Das Haus der Beteiligten zu 1) ist zwischenzeitlich abgerissen. Da es zu keiner Einigung über die Restforderung der Beteiligten zu 1) kam, beantragte diese mit Schreiben vom 25. Januar 2005 bei der Beteiligten zu 3) die Einleitung eines Entschädigungsfeststellungsverfahrens. Sie machte eine Restentschädigung von 83.370,08 € geltend, und zwar für

- die Mietausfälle sowie die wegen der Leerstände nicht umlagefähigen Gebühren sowie Pflegekosten bezüglich des Vorderhauses und des Anbaus,

- die Ankaufkosten des Ersatzgrundstücks Z und

- die Kosten des künftigen Erwerbs eines Ersatzgrundstücks aus dem Resterlös.

Mit dem in den vorliegenden Verfahren strittigen Entschädigungsfeststellungsbeschluss vom 12. August 2005 hat die Beteiligte zu 3) die Beteiligte zu 2) verpflichtet, an die Beteiligte zu 1) für die im Zusammenhang mit dem Ausbau der BAB A 2 entgangenen Objekt-Nutzungskosten eine Entschädigung von 14.000 € zu zahlen; die Anträge der Beteiligten zu 1) auf Ersatz von Wiederbeschaffungskosten für einen bereits getätigten sowie geplanten künftigen Erwerb eines Ersatzgrundstücks lehnte die Beteiligte zu 3) ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Ansprüche hinsichtlich der Wiederbeschaffung seien insgesamt unbegründet. Wiederbeschaffungskosten würden nur bei einer Entschädigung in Ersatzland bezahlt oder wenn es um die Wiederbeschaffung eines Ersatzhauses bei Enteignung einer selbst genutzten Immobilie gehe. Beides treffe hier nicht zu; die Beteiligte zu 1) habe zu keinem hier maßgeblichen Zeitpunkt in dem Haus gewohnt. Die Ansprüche auf Ersatz von Mietausfällen und sonst aufgeführte Schadenspositionen seien nur teilweise begründet. Zu sonstigen Vermögensnachteilen im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 EEG NRW zählten auch Mietausfallkosten, die im Vorfeld einer Straßenbaumaßnahme unter Umständen anfielen. Insoweit habe die Beteiligte zu 1) hinsichtlich des Anbaus nachgewiesen, dass trotz nachgewiesener Bemühungen jedenfalls in 1997/98 für 13 Monate und in 2002 für 6 Monate Mietausfälle aufgetreten seien. Einschließlich anteiliger sonstiger Zusatzkosten und Erschwernisse (Gartenpflege, Versicherungen, Fahrtkosten u.a.m.) erscheine eine Entschädigung von 14.000 € angemessen. Ab 2002 sei die entschädigungsrechtliche Position anders zu bewerten, da der zugrunde liegende Planfeststellungsbeschluss bestandskräftig geworden sei. Ab diesem Zeitpunkt hätten keine vernünftigen Zweifel mehr bestanden, dass das Objekt dem Straßenbau werde weichen müssen.

Gegen den ihren Bevollmächtigten am 17. August 2005 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 1) am 14. September 2005 Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit dem Ziel der Festsetzung einer weiteren Entschädigung von 34.433,84 € gestellt. Die Beteiligte zu 2) hat gegen den ihr am 16. August 2005 zugestellten Beschluss am 13. September 2005 Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit dem Ziel einer Herabsetzung der Entschädigung auf 0,00 € gestellt. Das Landgericht hat die Anträge mit Beschluss vom 24. September 2005 getrennt und den Antrag der Beteiligten zu 1) unter dem Aktenzeichen 6 O (Baul) 19/05 sowie den Antrag der Beteiligten zu 2) unter dem Aktenzeichen 6 O (Baul) 21/05 geführt.

Im Verfahren 6 O (Baul) 19/05 hat die Beteiligte zu 1) insbesondere vorgetragen, sie habe ein Interesse, ihr Grundstück für die Familie zu erhalten. Dem habe auch der Erwerb des Grundstücks Z gedient. Ihr liege es fern, Geld anzusparen. Die weiteren Reinvestitionskosten zielten darauf ab, einen Teil des Nachbargrundstücks zu erwerben. Die weiter geltend gemachten Mietausfälle träfen zu.

Die Beteiligte zu 1) hat im Verfahren 6 O (Baul) 19/05 beantragt,

den Beschluss der Beteiligten zu 3) vom 12. August 2005 zu ändern und ihr über den bereits anerkannten Betrag hinaus eine weitere Entschädigung in Höhe von 42.433,84 Euro zu gewähren.

Die Beteiligte zu 2) hat in diesem Verfahren beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie ist dem Vorbringen der Beteiligten zu 1) entgegengetreten und hat insbesondere darauf verwiesen, dass Wiederbeschaffungskosten grundsätzlich nicht entschädigungsfähig seien.

Mit seinem im Verfahren 6 O (Baul) 19/05 ergangenen Urteil hat das Landgericht den Antrag der Beteiligten zu 1) auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, als Anspruchsgrundlage komme allein § 11 EEG NRW in Betracht, der nur "andere Vermögensnachteile" außer der von § 10 EEG NRW erfassten Entschädigung regele. Hiernach seien nur Vermögensnachteile zu berücksichtigen, wenn und soweit sie nicht schon bei der Bemessung der Entschädigung für den Rechtsverlust zum Tragen gekommen seien. Mietausfall, Ersatzlandbeschaffung und künftiger Grunderwerb seien auf der Grundlage des EEG NRW nicht zu entschädigen. Hinsichtlich des Mietausfalls sei auf das Urteil im Parallelverfahren 6 O (Baul) 21/05 zu verweisen. Die Kosten für das Ersatzgrundstück seien nicht durch die Enteignung, sondern auf Grund eigenen Entschlusses der Beteiligten zu 1) entstanden, Im Übrigen handele sich nicht um ein Ersatzgrundstück. Mit den Kosten des künftigen Erwerbs eines Grundstücks mache die Beteiligte zu 1) zudem Nachteile geltend, die ihr noch gar nicht entstanden seien.

Im Verfahren 6 O (Baul) 21/05 hat die Beteiligte zu 2) insbesondere vorgetragen, der Leerstand von Wohnungen sei keine entschädigungspflichtige Vermögensposition. Die Leerstände des Hauses der Beteiligten zu 1) seien nicht auf den Autobahnausbau zurückzuführen. Die Beteiligte zu 1) habe auch mit ihr - der Beteiligten zu 2) - einen Vorvertrag abschließen können, um mit der Verzinsung der Abschlagszahlung Nutzungsausfälle auszugleichen.

Die Beteiligte zu 2) hat im Verfahren 6 O (Baul) 21/05 beantragt,

den Beschluss der Beteiligten zu 3) vom 12. August 2005 abzuändern und die an die Beteiligte zu 1) zu zahlende Entschädigung auf 0,00 Euro festzusetzen.

Die Beteiligte zu 1) hat in diesem Verfahren beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat insbesondere vorgetragen, sie habe sich von Anfang gegen die Enteignung gewehrt. Das Haus, in dem sie selbst aufgewachsen sei, habe für Kinder und Enkelkinder erhalten bleiben sollen. Hierfür seien das Ersatzgrundstück erworben und Aufwendungen getätigt worden. Die - zutreffenden - Mietausfälle seien auf den geplanten Autobahnausbau zurückzuführen gewesen.

Mit seinem im Verfahren 6 O (Baul) 21/05 ergangenen Urteil hat das Landgericht dem Antrag der Beteiligten zu 2) auf gerichtliche Entscheidung stattgegeben und den angefochtenen Beschluss dahin geändert, dass keine Entschädigung zu zahlen sei. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, als Anspruchsgrundlage komme allein § 11 EEG NRW in Betracht, der nur "andere Vermögensnachteile" außer der von § 10 EEG NRW erfassten Entschädigung regele. Zwar bestimmten künftige, in absehbarer Zeit zu erwartende Nutzungsmöglichkeiten die Qualität des Enteignungsobjekts und damit die Höhe der Entschädigung mit. Diese seien jedoch bei der Ermittlung des Wertes des Grundstücks, über den eine vertragliche Vereinbarung getroffen worden sei, berücksichtigt worden. Namentlich sei berücksichtigt worden, dass sich in dem Objekt zwei Wohnungen befanden, die ohne Enteignung für die Restlebensdauer des Gebäudes hätten genutzt werden können. Die tatsächliche Möglichkeit, aus dem Gebäude Monat für Monat Nutzungen in der Gestalt des Mietzinses zu ziehen, sei eine bloße Chance, die nicht gesondert zu entschädigen sei.

Die Beteiligte zu 1) hat gegen beide Urteile Berufungen eingelegt mit dem Ziel, die Festsetzung der Entschädigung von 14.000 € im Beschluss der Beteiligten zu 3) vom 12. August 2005 aufrecht zu erhalten und ihr - der Beteiligten zu 1) - darüber hinaus eine weitere Entschädigung in Höhe von zunächst 35.433,42 €, gemäß Schriftsatz vom 24. Mai 2006 nur noch in Höhe von 28.052,60 €, zuzuerkennen, und zwar für Mietausfälle, für Kosten für Pflege, Fahrten, Nebenkosten und entgangenen Zins sowie für die bisher angefallenen Kosten für das bereits erworbene Ersatzgrundstück Z. Der Senat hat die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Zur Begründung ihrer Berufungen trägt die Beteiligte zu 1) insbesondere vor, sie sei ihrer Schadensminderungspflicht nachgekommen und bereit gewesen, die Entschädigungsverhandlungen mitzutragen. Ihr könne nicht angelastet werden, dass sie einen untragbaren Vorschlag nicht akzeptiert habe. Bis zur Bekanntgabe des Autobahnvorhabens sei die Vermietung des Objekts kein Problem gewesen, zumal es sich bei dem betroffenen Bereich um eine bevorzugte, gesuchte Wohnlage gehandelt habe. Das Haus sei auch ständig gepflegt und in hervorragendem Zustand gehalten worden; es habe einen parkähnliche Garten, Lärmschutzfenster und -türen sowie lärmgedämmte Lüftungen aufgewiesen. Auch habe sie belegt, dass sie immer Interesse gehabt habe, das Objekt wieder selbst zu bewohnen bzw. an die Kinder weiterzugeben. Die Verzinsung einer rechtzeitig zur Verfügung gestellten Summe sei in keiner Weise mit der normalen Einnahme aus der Nutzung des Grundstücks zu vergleichen gewesen. Die Entschädigung müsse für den Bürger und seine Lebenssituation finanzielle Sicherheit und Fruchtziehung bringen.

Die Beteiligte zu 2) hält die angefochtenen Urteile für zutreffend und tritt dem Vorbringen der Beteiligten zu 1) entgegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässigen Berufungen sind nicht begründet.

Das Landgericht hat dem Antrag der Beteiligten zu 2) auf gerichtliche Entscheidung im Verfahren 6 O (Baul) 21/05 zu Recht stattgegeben und den Beschluss der Beteiligten zu 3) vom 12. August 2005 dahin geändert, dass die Beteiligte zu 2) keine Entschädigung an die Beteiligte zu 1) zu leisten hat. Es hat auch den Antrag der Beteiligten zu 1) auf Festsetzung einer höheren Entschädigung im Verfahren 6 O (Baul) 19/05 zu Recht abgelehnt, denn die Beteiligte zu 1) hat keinen Anspruch auf eine Entschädigung, die über den in § 2 des Vertrages vom 28. Juli 2004 vereinbarten Kaufpreis von 323.000 € hinausgeht.

Der Umfang dessen, was der vereinbarte Kaufpreis abdecken soll, ist in § 2 des Vertrages vom 28. Juli 2004 unter Bezugnahme auf das Protokoll vom 15. Juli 2004 eindeutig umschrieben. Hiernach erfasst die Summe, auf die sich die Beteiligten geeinigt haben, die "Gesamtentschädigung für den Grund und Boden, die Gebäude und baulichen Anlagen einschließlich Daueraufwuchs", mithin alles das, was gemäß § 10 EEG NRW, der inhaltlich mit § 95 BauGB übereinstimmt, als Entschädigung für den Rechtsverlust zu zahlen ist, nämlich den Verkehrswert des Grundstücks. Zusätzlich wurden die Positionen 2, 5 und 6 der von der Beteiligten zu 1. gemäß Protokoll vom 15. Juli 2004 geltend gemachten weiteren Entschädigungskosten - Umzugskosten, Ersatzbrunnenbohrung und Sachverständigenkosten - einbezogen. Ein darüber hinausgehender Anspruch, dessen Geltendmachung sich die Beteiligte zu 1. in § 3 des Kaufverrtrages einseitig ausdrücklich vorbehalten hat, kommt, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nur nach Maßgabe des § 11 EEG NRW in Betracht. Diese Vorschrift erfasst eine Entschädigung "für andere Rechtsnachteile". Nach Satz 1 der Vorschrift kommt eine solche nur in Betracht, "wenn und soweit diese Vermögensnachteile nicht bei der Bemessung der Entschädigung für den Rechtsverlust berücksichtigt sind". Insoweit ist die Auflistung in den Nummern 1 bis 3 des Satzes 2 der Vorschrift nicht abschließend, wie aus dem vorangestellten Wort "insbesondere" führt. Die der Beteiligten zu 1. im angefochtenen Beschluss zugesprochenen Positionen gehören jedoch nicht zu den nach § 11 EEG NRW zusätzlich zu entschädigenden Vermögensnachteilen. Sie sind vielmehr von der nach § 10 EEG NRW zu gewährenden Entschädigung nach dem Verkehrswert des Grundstücks des Grundstücks mit erfasst, die - wie dargelegt - im vereinbarten Kaufpreis in vollem Umfang enthalten ist. Nichts anderes gilt auch für die weiteren Entschädigungskosten, um die die Beteiligte zu 1) den ihr - zu Unrecht - zugesprochenen Entschädigungsbetrag erhöht wissen will.

Zur Ermittlung des Verkehrswerts sind gemäß § 7 Abs. 1 der Wertermittlungsverordnung (WertV) das Vergleichswertverfahren (§§ 13 und 14 WertV), das Ertragswertverfahren (§§ 15 bis 20 WertV), das Sachwertverfahren (§§ 21 bis 25 WertV) oder mehrere dieser Verfahren heranzuziehen. Dabei hat die Auswahl "unter Berücksichtigung der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten und der sonstigen Umstände des Einzelfalls" zu erfolgen. Hier haben die Beteiligten zu 1) und 2) ihrer Kaufpreisvereinbarung die Wertermittlung des Landesbetriebs Straßenbau mit einem an Hand des Sachwertverfahrens ermittelten Verkehrswert von insgesamt 281.671,00 € einerseits und das Wertermittlungs-Gutachten des Sachverständigen C mit einem gleichfalls auf der Basis des Sachwertverfahrens ermittelten Verkehrswert von 335.000,-- € zugrunde gelegt. Auf der Basis dieser eingeholten Ermittlungen haben sie sich letztlich im Wege des Kompromisses über die unterschiedlichen Wertvorstellungen dahin verständigt, dass der Verkehrswert des Objekts, soweit es um die Substanz des aufstehenden Hauptgebäudes nebst Anbau geht, nach den Grundsätzen des Sachwertverfahrens ermittelt wird, und hieran anknüpfend den - um einige weitere unstrittige Entschädigungspositionen erhöhten - Kaufpreis von 323.000,-- € vereinbart. Diese Wahl, die im Nachhinein ohnehin nicht mehr in Frage gestellt werden kann, war auch sachgerecht. Geht es um den Verkehrswert von bebauten Grundstücken, bei denen - wie hier - die Eigennutzung als Ein- bzw. Zweifamilienhaus im Vordergrund steht, ist regelmäßig die Wertermittlung nach dem Sachwertverfahren sachgerecht, während ein Abstellen auf den Ertragswert nur dann sinnvoll und sachgerecht ist, wenn das zu bewertende Gebäude dazu bestimmt ist, nachhaltig Erträge zu erzielen, wie z.B. bei Mietwohnhäusern, Geschäftsgebäuden u.ä..

Vgl.: BGH, Urteil vom 13. Juli 1970 - VII ZR 189/68 -, NJW 1970, 2018; vgl. ferner BFH, Urteil vom 10. Oktober 2000 - IX R 86/97 - BFHE 193, 326, wonach etwa bei der schätzungsweisen Aufteilung des Kaufpreises für eine Eigentumswohnung in einen Anteil für Grund und Boden einerseits und das Gebäude andererseits grundsätzlich auf die jeweiligen Sachwerte nach der WertV abzustellen ist.

Hinzu kommt, dass nach der Erfahrung der Mitglieder des Senats das Sachwertverfahren gerade bei Ein- und Zweifamilienhäusern der hier in Rede stehenden Art in der Regel ohnehin zu für den Eigentümer günstigeren Ergebnissen führt als das Ertragswertverfahren.

Der Verkehrswert als Entschädigung für den Substanzverlust deckt auch die Möglichkeit des Eigentümers ab, etwa aus Vermietungen des Objekts Einkünfte zu erzielen, und zwar für die gesamte sachgerecht zu ermittelnde Restnutzungsdauer (vgl. §§ 16 Abs. 4, 23 Abs. 1 WertV). Hiermit ist für eine Entschädigung für die von der Beteiligten zu 1) geltend gemachten "Mietausfälle", die in der Zeit seit Bekanntwerden des Ausbaus der A 2 bis zur Veräußerung des Objekts an die Beteiligte zu 2) eingetreten sind, kein Raum. Das gemäß Art 14 Abs. 1 Satz 1 GG in seinem Bestand geschützte private Eigentum wird nicht schon dann in Frage gestellt, wenn nicht die höchstmögliche Rendite aus dem Eigentumsobjekt erzielt werden kann.

Vgl.: BVerfG, Beschluss vom 4. Dezember 1985 - 1 BvL 23/84 u.a. -, BVerfGE 71, 230 = NJW 1986, 1669.

Demgemäß umfasst die Eigentumsgarantie nicht bloße Lagevorteile eines Grundstücks. Ebenso wenig schützt sie dagegen, dass die Nutzbarkeit des Nachbargrundstücks durch hoheitliche Maßnahme verändert wird.

Vgl.: BGH, Urteil vom 14. Juli 1977 - III ZR 41/75 -, NJW 1978, 318 m.w.N..

Der Umstand, dass ein als solches durchaus vermietbares Objekt - aus welchem Grund auch immer - temporär tatsächlich nicht vermietet werden konnte, ist grundsätzlich dem eigenen wirtschaftlichen Risiko des betreffenden Eigentümers zuzuordnen. Nichts anders gilt für Aufwendungen, die - wie die weiteren Pflegekosten pp. - darauf abzielen, die Nutzbarkeit des Objekts und damit auch eine eventuelle Vermietbarkeit zu sichern. Alle diese Aspekte sind durch die den Verkehrswert abdeckende Entschädigung für den Substanzverlust erfasst. Dies gilt auch für die seitens der Beteiligten zu 1) angesprochene "Vorwirkung" der Ausbauabsichten. "Vorwirkende" Wertveränderungen, die infolge der bevorstehenden Enteignung eintreten (vgl. § 10 Abs. 2 Nr. 2 EEG = § 95 Abs. 2 Nr. 2 BauGB), sind bei der Festsetzung der Entschädigung nicht zu berücksichtigen, vielmehr wird der Stichtag für die Qualitätsbemessung hypothetisch auf einen Termin vorverlegt, der unmittelbar vor dem Einsetzen dieser Vorwirkungen angenommen wird.

Vgl.: Schmidt-Aßmann/Groß, Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand Juli 2006, RdNr. 72 zu § 93 BauGB.

Hier haben die Beteiligten mit der Festlegung im Kaufvertrag, dass der vereinbarte Kaufpreis als "Gesamtentschädigung für den Grund und Boden" den Verkehrswert umfasst, eine nachträgliche Vorverlegung des Stichtags der Qualitätsbemessung jedoch ausgeschlossen.

Zutreffend hat das Landgericht in seinem im Verfahren 6 O (Baul) 21/05 ergangenen Urteil näher ausgeführt, dass im vorliegenden Fall auch keine der besonderen Fallkonstellationen vorliegt, unter denen ein Mietausfall eine über den Ersatz des Verkehrswerts hinausgehende, nur nach § 11 EEG in Betracht kommende Enteignungsentschädigung auslösen kann. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann hierauf verwiesen werden.

Hinsichtlich der geltend gemachten Kosten für ein Ersatzgrundstück irrt die Beteiligte zu 1), wenn sie meint, die Enteignungsbehörde habe sie so zu stellen, dass sie für den Fortfall des Hauses nicht nur dessen Verkehrswert erhält, sondern auch die Mittel, die sie für den Erwerb eines mit der Entschädigung für das frühere Objekt anzukaufenden Ersatzobjekts aufwenden muss. Wie die Beteiligte zu 1) die am Verkehrswert auszurichtende Entschädigung - hier: den vereinbarten Kaufpreis - verwendet, ist ihre Sache. Wenn sie keine Kapitalanlage tätigen möchte, sondern eine Reinvestition in Grundeigentum anstrebt, hat sie die hiermit verbundenen Erwerbskosten selbst zu tragen.

Die geltend gemachten Erwerbskosten können auch nicht deshalb als "andere Vermögensnachteile" im Sinne von § 11 EEG NRW gewertet werden, weil es etwa um ein "Ersatzgrundstück" für ein eigengenutztes Wohnhaus ginge. Eine eigene Nutzung hat die Beteiligte zu 1) in den letzten Jahren nicht ausgeübt, so dass sie nicht etwa darauf angewiesen war, sich wegen des Verkaufs des strittigen Objekts eine anderweitige angemessene Unterkunft zu beschaffen. Eine sonstige Fallgestaltung, in der die Kosten des Erwerbs eines Ersatzgrundstücks als nach § 11 EEG NRW entschädigungsfähig zu werten sein könnten, etwa bei der Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Nutzflächen, für die zur Aufrechterhaltung des Betriebs Ersatzland beschafft werden muss, liegt ebenso wenig vor.

Die Nebenscheidungen beruhen auf § 221 BauGB, §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Voraussetzungen, unter denen nach § 543 Abs. 2 Nr 2 ZPO i.V.m. § 221 BauGB die Revision zuzulassen wäre, liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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