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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 06.03.2006
Aktenzeichen: 17 U 117/05
Rechtsgebiete: EEG, ZPO, BGB, AGBG


Vorschriften:

EEG § 3 a. F.
EEG § 10 a. F.
EEG § 10 Abs. 1 a. F.
EEG § 10 Abs. 1 S. 1 a. F.
EEG § 10 Abs. 2 a. F.
EEG § 10 Abs. 2 S. 1 a. F.
EEG § 13 n. F.
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 134
AGBG § 8
AGBG § 9
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 23.06.2005 verkündete Urteil der VI. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert die Klägerin in Höhe von unter 20.000,-- Euro.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin betreibt ein Umspannwerk und ein Windparknetz und zieht für die an das Windparknetz angeschlossenen Anlagenbetreiber die Einspeisevergütung von der Beklagten ein, die als Netzbetreiberin ein Stromverteilnetz betreibt. Nach Anschluss ihres Windparks an das Stromverteilnetz begehrt die Klägerin die Rückzahlung des von ihr für die Erstellung einer Freileitungsverbindung an die Beklagte geleitsteten Betrages in Höhe von 15.379,49 €. Die Parteien streiten u. a. darüber, ob es sich bei der von der Beklagten erstellten 40 Meter langen Freileitungsverbindung als Einfachstichanschluss um einen Netzausbau oder um einen Netzanschluss handelt. Darüber hinaus vertreten sie unterschiedliche Rechtsauffassungen zu der Frage, ob die Kostentragungsregelung in § 10 EEG a. F. als zwingendes Recht anzusehen ist oder zur Disposition der Vertragsparteien steht.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren Rückzahlungsanspruch weiter.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte bereicherungsrechtliche Anspruch nicht zu, weil die Beklagte den von der Klägerin gezahlten Rechnungsbetrag nicht ohne Rechtsgrund erlangt hat. Rechtsgrund für diese Leistung der Klägerin war vielmehr der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag und die darin vorgesehene Kostentragungspflicht der Klägerin.

Die exakte Abgrenzung zwischen Anschlusskosten im Sinne des § 10 Abs. 1 S. 1 EEG a. F. und Netzausbaukosten im Sinne des § 10 Abs. 2 S. 1 EEG a. F. gestaltet sich häufig tatsächlich schwierig und ist entsprechend umstritten (vgl. dazu BGH, Urteil vom 10.11.2004, AZ VIII ZR 391/03, NJW-RR 2005, 565; OLG Nürnberg ZNR 2002, 225, 226; Brandt/Reshöft/Steiner, EEG, 1. Aufl., § 10 Rdn. 9 ff.; Salje, EEG, 3. Aufl., § 13 Rdn. 64).

Ein Ausbau des Netzes liegt vor, wenn im Rahmen einer Netzverstärkung die Lastfähigkeit (Spannung) des Netzes verstärkt wird oder wenn bei Netzerweiterungen Anlagen errichtet werden, die in der Folge Bestandteil des Netzes werden. Netzanschlussmaßnahmen finden dagegen außerhalb des Netzes statt und ermöglichen die Verknüpfung der Anlage mit dem Netz. Abgrenzungsmerkmal dabei ist das Netz. Sofern eine Maßnahme im Netz durchgeführt wird oder eine Anlage an das Netz angeschlossen wird, die in der Folge Bestandteil des Netzes wird, handelt es sich um Netzausbau (vgl. Brandt/Reshöft/Steiner, EEG, 1. Aufl., § 10 Rdn. 9 ff.).

Da jede Anschlussleitung grundsätzlich Bestandteil des Netzes des Netzbetreibers werden kann und spätestens dann auch wird, wenn Dritte zwecks allgemeiner Versorgung daran angeschlossen werden, bildet die Erlangung des Eigentums an der Verbindungsleitung nach Rechtsprechung und Literatur ein gewichtiges Indiz dafür, ob eine bloße Anschlussmaßnahme oder aber eine Netzausbaumaßnahme vorliegt (vgl. OLG Nürnberg ZNER 2002, 225, 226; Salje, EEG, 3. Aufl. § 13 Rdn. 64).

Ob es sich bei den hier streitgegenständlichen Kosten - wie die Klägerin meint - um sogenannte Netzausbaukosten im Sinne des § 10 Abs. 2 S. 1 EEG a. F. handelt, wofür die Tatsache, dass der Beklagten das Eigentum an der Leitungsverbindung zusteht, sprechen könnte (vgl. Salje a.a.O.), kann im Ergebnis dahinstehen, weil die Parteien wirksam vereinbart haben, dass die Klägerin die Kosten für die von der Beklagten durchgeführte Maßnahme trägt.

Auch wenn es sich um Netzausbaukosten handeln würde, ist die dann von § 10 Abs. 2 EEG a. F. abweichende vertragliche Vereinbarung der Parteien nicht gem. § 134 BGB nichtig.

§ 134 BGB ordnet für ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, die Nichtigkeit an, wenn sich aus dem Gesetz nicht ein anderes ergibt. Verbotsgesetze sind Vorschriften, die eine grundsätzlich mögliche rechtsgeschäftliche Regelung wegen ihres Inhalts oder wegen der Umstände ihres Zustandekommens untersagen.

§ 10 Abs. 1 EEG a. F. regelt die Kostentragungspflicht im Hinblick auf Netzausbaukosten. Einen ausdrücklichen Verbotstatbestand, d. h. eine Regelung, wonach davon abweichende Vereinbarungen unwirksam sind, enthält das Gesetz nicht. Um die Frage zu beantworten, ob es sich bei § 10 Abs. 2 S. 1 EEG a. F. aber gleichwohl um eine zwingende gesetzliche Regelung handelt, die nicht zur Disposition der Parteien steht, sind deshalb sowohl der Wortlaut als auch Sinn und Zweck dieser Regelung für die gebotene Auslegung des Gesetzes heranzuziehen.

Der Wortlaut des § 10 Abs. 2 S. 1 EEG a. F. spricht nicht für eine zwingende, unabdingbare Regelung.

Dies wird z. B. deutlich, wenn man die gewählten Formulierungen in § 10 und § 3 EEG a. F. vergleicht. In § 3 EEG a. F., der die unabdingbaren, nicht verhandelbaren Pflichten des Netzbetreibers regelt, ist die Wortwahl im Unterschied zu § 10 EEG a. F. so eindeutig, dass sie keinen Spielraum für eine Auslegung lässt.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es sowohl im ersten wie im zweiten Absatz des § 10 EEG a. F. gleichlautend heißt: "..... trägt der .....". Dass die Regelung in Abs. 1 dieser Norm aber zwingend sein soll und keine abweichende Vereinbarung erlaubt, wenn der Netzbetreiber z. B. ausnahmsweise die den Anlagenbetreiber treffenden Anschlusskosten übernehmen möchte, kann unzweifelhaft nicht als Wille des Gesetzgebers angenommen werden. Hätte der Gesetzgeber aber auch im Bereich der Kostentragungspflicht die unterschiedlichen Kräfteverhältnisse berücksichtigt wissen und den Anlagenbetreiber auch in diesem Punkt gegenüber dem wirtschaftlich überlegenen Netzbetreiber erkennbar und wirkungsvoll schützen wollen, hätte er in § 10 Abs. 2 S. 1 EEG a. F. eine klare Verbotsnorm gewählt, die sich auch sprachlich von § 10 Abs. 1 S. 1 EEG a. F. unterscheidet.

Auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des EEG lässt sich nicht ableiten, dass es sich bei § 10 Abs. 2 S. 1 EEG a. F. um zwingendes Recht handelt.

Das im Mai 2000 in Kraft getretene EEG a. F. verfolgte aus Gründen des Klima- und Umweltschutzes das Ziel der Verdoppelung des Anteils erneuerbarer Energien an der Elektrizitätserzeugung bis zum Jahr 2010. Erneuerbare Energien sollten danach mittelfristig zu einem wesentlichen Standbein der Energieversorgung ausgebaut werden und das Gesetz dazu führen, dass Strom aus erneuerbaren Energien im Anwendungsbereich dieses Gesetzes so vergütet wird, dass bei rationeller Betriebsführung der wirtschaftliche Betrieb der verschiedenen Anlagetypen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen grundsätzlich möglich sein sollte, übliche unternehmerische Risiken von den Anlagenbetreibern jedoch selbst zu tragen sein sollten (vgl. DB-Drucksache 14/2776). Das EEG a. F. legte zur Erreichung dieses Zwecks deshalb den Netzbetreibern in §§ 3 ff. die Pflicht auf, die erneuerbare Energie produzierenden Anlagen anzuschließen, den Strom abzunehmen und diesen auch in einer bestimmten Höhe zu vergüten.

Bis zum Inkrafttreten des EEG a. F. im Mai 2000 war mangels einer Regelung im Stromeinspeisungsgesetz i. d. F. vom 07.12.1990 nicht geregelt, wer die im Falle einer Stromeinspeisung entstehenden, nicht vergütungsbezogenen Zusatzkosten, insbesondere die Netzanschluss- und Netzverstärkungskosten zu tragen hatte. Die Regelung in § 10 EEG a. F. sollte deshalb der Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten und damit der Transparenz und Rechtssicherheit im Hinblick auf die Verteilung der im Rahmen der verstärkten Nutzung von erneuerbaren Energien zu erwartenden Zusatzkosten für den Anschluss der Anlagen und die ggfls. notwendige Netzverstärkung dienen (vgl. Brand/Reshöft/Steiner, EEG, 1. Aufl., § 10 Rdn. 1; DB-Drucksache 14/2776). Neben der Kostentragungsregelung in § 10 Abs. 1 und Abs. 2 EEG a. F. hat der Gesetzgeber zugleich eine sogenannte Clearingstelle bei dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie zur Beilegung von Streitigkeiten aus diesem Themenkomplex eingerichtet. Sowohl aus der Gesetzesbegründung als auch aus dem Umstand, eine Clearingstelle einzurichten, wird deutlich, dass der Gesetzgeber im Bereich der Kostentragungspflicht einen gewissen Regelungsbedarf gesehen hat, Transparenz und Rechtssicherheit zu schaffen, um auch so die Erreichung des eigentlichen Gesetzesziels zu unterstützen. Dagegen lässt sich der Gesetzesbegründung nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber in diesem Bereich derart zwingende Regelungen schaffen wollte, die den Anlagen- und Netzbetreibern keinerlei unternehmerische Freiheit mehr lassen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber Anlagen- und Netzbetreibern z. B. die Möglichkeit einer vertraglichen Absprache zur gemeinsamen Nutzung von Verbindungsleitungen und einer aus diesem Grunde von § 10 EEG a. F. abweichenden Kostenverteilung nehmen wollte. Nicht zuletzt die Einrichtung einer Clearingstelle ist mit der Annahme, bei § 10 Abs. 2 S. 1 EEG a. F. handele es sich um einen Verbotstatbestand, nicht bzw. nur schwer in Einklang zu bringen. Auch in der Literatur wird deshalb die Auffassung vertreten, dass § 13 EEG n. F. (entspricht § 10 EEG a. F.) zwischen Anlagen- und Netzbetreibern abdingbar ist (vgl. Salje a.a.O., § 13 Rdn. 66).

Allein aus der monopolartigen Stellung der Stromversorgungsunternehmen kann entgegen der Auffassung der Klägerin kein Verbotstatbestand abgeleitet werden. Zuzustimmen ist der Klägerin insoweit, dass trotz der Entflechtung und Liberalisierung des Strommarktes die Stromversorgungsunternehmen eine marktbeherrschende Position in ihrem jeweiligen Versorgungsgebiet behalten haben. Unabhängig davon trifft sie auch weiterhin eine besondere Verantwortung für eine ressourcenschonende und umweltgerechte Stromerzeugung (vgl. dazu BGH Z 155, 141 = NVwZ 2003, 1143), deren Förderung das EEG in besonderem Maße dient. Allerdings lässt sich aus dieser besonderen Stellung und Verantwortung außerhalb der Verbotstatbestände des GWB (vgl. §§ 19, 20 GWB), deren Vorliegen die Klägerin nicht dargetan hat, der Verbotscharakter einer von § 10 EEG a. F. abweichenden Vereinbarung nicht herleiten.

Darüber hinaus ist im übrigen zu beachten, dass es für die nach § 134 BGB gebotene Abwägung wesentlich ist, ob sich das betreffende Verbot an alle Beteiligten des Rechtsgeschäfts richtet, das verhindert werden soll, oder ob das Verbot nur eine Partei bindet. Sind beide Teile Adressaten des Verbots, kann regelmäßig angenommen werden, das verbotswidrige Geschäft solle keine Wirkungen entfalten. Richtet sich das Verbot dagegen nur gegen eine Partei - was vorliegend allein in Betracht käme - ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung regelmäßig der gegenteilige Schluss berechtigt (vgl. BGH NJW 2000, 1186 ff.).

Die Nichtigkeit der Vereinbarung der Parteien bezüglich der Kostenübernahme ergibt sich auch nicht aus § 9 AGBG i. V. m. § 10 Abs. 1, Abs. 2 EEG a. F. Einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG steht bereits die Bestimmung des § 8 AGBG entgegen. Danach unterliegen Preisvereinbarungen nicht der Inhaltskontrolle, soweit sie Art und Umfang der Vergütung unmittelbar regeln. Besteht eine gesetzliche Vergütungsregelung, z. B. in Form einer Gebührenordnung, sind ausnahmsweise Abreden kontrollfähig, die unmittelbar die Höhe der Vergütung festlegen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Inhaltskontrolle unterworfen sind darüber hinaus Abreden, die sich zwar mittelbar auf den Preis auswirken, an deren Stelle aber bei Fehlen einer wirksamen vertraglichen Regelung dispositives Gesetzesrecht treten kann. In diesem Sinne kontrollfähig sind deshalb z. B. Fälligkeitsklauseln, Vorleistungsklauseln, Wertstellungsklauseln und Tilgungsverrechnungsklauseln. Eine solche Preisnebenabrede ist vorliegend ebenfalls nicht gegeben.

Die Klägerin hat auch die Voraussetzungen einer Irrtumsanfechtung oder eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage wegen eines Doppelirrtums der Parteien über den Charakter des Netzanschlusses nicht dargetan. Die Klägerin hat sich über die differenzierte Kostentragungspflicht nach § 10 EEG keine Gedanken gemacht und das Angebot der Rechtsvorgängerin der Beklagten zur Herstellung des Anschlusses ohne weitere Überprüfung der Kostentragungspflicht akzeptiert. Das hat ihr Geschäftsführer im Senatstermin auf Nachfrage auch so bestätigt. Ein Irrtum über eine kraft Gesetzes eintretende Rechtsfolge ist aber als bloßer Rechtsfolgenirrtum unbeachtlich (BGH NJW 2002, 3100,3103).

Die Berufung der Beklagten ist mithin insgesamt erfolglos.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

IV.

Die Voraussetzungen einer Zulassungsrevision im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Sache eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderlich. Zum einen gibt der Einzelfall keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken zu schließen und zum anderen liegt kein Fall der Divergenz vor, d. h. es wird mit der Entscheidung nicht von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abgewichen (vgl. BGH NJW 2003, 1943 ff. m. w. N.).

Ende der Entscheidung

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